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Bundesrathsbesehluß über

den Rekurs des Christian Burri in Oberried (Freiburg), betreffend ein Strafurtheil wegen Widerhandlung gegen das freiburgische Wirthschaftsgesetz.

(Vom 25. September 1891.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat h

hat in der Rekurssache des C h r i s t i a a B u r r i in Oberried, freiburgischen Seebezirks, betreffend ein Stafurtheil wegen Widerhandlung gegen das freiburgische Wirthschaftsgesetz, gefu n den: Christian Burri wurde am 3. Februar 1891 vom Oberamtmann des Seebezirks in Anwendung des freiburgischen Wirthschaftsgesetzes vom 28. September 1888 zu Fr. 20 Buße nebst Kosten verurtheilt wegen Verkaufs monopolpflichtigen Sprits in Mengen unter 10 Litern.

Als Inhaber eines Patentes nach Art. 2, litt. H, des erwähnten Wirthschaftsgesetzes hält Burri diese Verurtheilung für ungerechtfertigt; sein daheriger Rekurs an den freiburgischen Staatsrath wurde indessen abgewiesen (Entscheid vom 15. April 1891). Mit Eingabe vom 12. Mai 1891 wandte er sich nun beschwerend an den Bundesrath, indem er wesentlich geltend machte: Er habe 2 Liter feinen Weingeist zum Verstärken von Kunstwein verkauft und sich dadurch einer Uebertretung des citirten Wirthschaftsgesetzes seiner Ansicht nach nicht schuldig gemacht, weil : a. der Titel V dieses letztern eigentlich nur von Getränken zum Genüsse handle, eventuell: b. der verkaufte Sprit als feiner Liqueur, der flaschenweise verkauft werden dürfte (Art. 43), oder als Weingeist zu gewerblichen Zwecken, dessen Verkauf unbeschränkt sei (Art. 46 1. c.), in Betracht falle.



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Ohne einen eigentlichen Antrag zu stellen, ersucht der Rekurrent den Bundesrath um einen Entscheid in dieser Angelegenheit.

Vor Allem ist die Frage in Erwägung zu ziehen, ob der Bundesrath zur Behandlung und Beurtheilung dieser Beschwerde kompetent sei.

Da es sich um Anwendung kantonaler Gesetze und Verordnungen handelt, die in Ausführung der eidgenössischen Alkoholgesetzgebung erlassen worden sind, so ist der Bundesrath gemäß Art. 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung und Art. 59, Ziffern 3 und 4, des Bundesgesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege zur Beurtheilung einschlagender Rekurse insoweit berufen, als durch die angefochtenen kantonalen Erlasse die ,,Verfassung", ,,Gesetze und Beschlüsse des Bundes"1, beziehungsweise die eidgenössische Alkoholgesetzgebung berührt, resp. verletzt werden. Sofern es sich aber um Anwendung und Auslegung kantonalen Rechtes handelt, das nicht durch die Bundesgesetzgebung beherrscht wird, cessirt die Bundeskompetenz und sind die kantonalen Erlasse buudesrechtlich nicht anfechtbar.

Nach der Natur des vorliegenden Falles kann bloß der Art. 8 des Alkoholgesetzes in Betracht fallen, und es^wird sich also fragen, ob das freiburgische Gesetz oder der angefochtene Entscheid diesem Artikel zuwiderlaufe oder nicht. Derselbe erklärt den Verkauf von gebrannten Wassern aller Art in Quantitäten von mindestens 40 Litern als ein freies Gewerbe (Großhandel) ; der Handel mit kleineren Quantitäten (Kleinhandel) dagegen soll bis auf Weiteres durch kantonale Bewilligungen reglirt und an ebenfalls kantonale Verkaufssteuern geknüpft werden.

Diese Bewilligungen und Verkaufssteuern behandelt das freiburgische Wirthschaftsgesetz vom 28. September 1888. Der Art. 2 bezeichnet die verschiedenen Arten von Wirthschafts- und Verkaufspatenten mit den ihnen zukommenden Befugnissen; darunter tigurirt sub litt. H ,,le droit de vendre en détail des boissons alcooliques à emporter1*. -- Im Titel V wird dann dieser Kleinverkauf über die Gasse speziell behandelt, woraus hervorzuheben ist: Art. 48: ,,Le concessionnaire ne peut vendre moins de 1 litre de boissons fermentées, de 2 litres de boissons ordinaires distillées, d'une bouteille de liqueurs fines du prix de fr. 1. 50 au moins et de 10 litres de boissons soumises au monopole fédéral."

Aehulich lautet auch der Art. 28 der Vollziehungsverordnung
vom 29. Mai 1889.

Diesen Bestimmungen gegenüber könnte eingewendet werden, das freiburgische Gesetz verbiete gewisse Kleinhandelsformen, während das eidgenössische Gesetz dieselben gegen Bezahlung einer der

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Größe und denf1 Werlhe des Umsatzes entsprechenden Verkaufstteuer gestattet wissen wolle. Der Verkauf von monopolpflichtigem Sprit sei nämlich nach dem kantonalen Gesetze nur in Mengen zwischen 10 und 40 Litern gestattet, für Mengen unter 10 Litern also ausgeschlossen; nach dem eidgenössischen Gesetze aber hätten die Kantone dafür zu sorgen, daß auch für kleinere Quantitäten ein Verkaufspatent gelöst werden könne.

Diesem Einwand ist indessen entgegenzuhalten, daß er bloß für das Patent H zutrifft, indem das freiburgische Gesetz ein besonderes Patent C vorsieht, welches den Verkauf von beliebigen Quantitäten monopolpflichtigen Alkohols gestattet. Diese Bewilligung wird allerdings nur den Patentinhabern A und B (Gasthöfen, Wirthschaften, Bädern, Cafés, Restaurants, Bierhäusern) ertheilt; allein die Einschränkung des Ausschanks auf diese Etablissemente kommt einem Verbot desselben keineswegs gleich, irn Gegentheil müssen die Ausschanksgelegenheiten danach als vollkommen genügend erachtet werden.

Da im Uebrigen das Alkoholgesetz (Art. 8) die Aufstellung der Bedingungen für den Ausschan k und Kleinverkauf gebrannter Wasser bis zum Erlaß eines einschlägigen Bundesgesetzes den Kantonen anheimstellt und ein derartiges Bundesgesetz bis heute noch nicht besteht, so ist vom eidgenössischen Standpunkte gegen obige Regelung nichts einzuwenden, nachdem die freiburgische Polizeidirektion ausdrücklich erklärt hat, daß das Patent C, welches den Patentinhabern A und B zugetheilt wird, nicht bloß den Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle, sondern auch den Kleinverkauf über die Gasse involvire (Schreiben vom 7. Juli 1891).

Wenn die freiburgische Gesetzgebung nach dem Gesagten keine Beeinträchtigung eidgenössischer Vorschriften über das Alkoholmonopol enthält, so ist bloß noch zu untersuchen, ob die angefochtenen Entscheide des Oberamtmanns des Seebezirks und des Staatsrathes Bundeswidriges enthalten. Die vom Rekurrenten dießfalls geltend gemachten Gründe sind aber nicht geeignet, diese Annahme zu rechtfertigen ; denn a. bezüglich des Einwandes, der Titel V, Art. 43, des freiburgischen Wirthschaftsgesetzes handle eigentlich nur von Getränken (boissons), sei also auf den reinen Sprit, der kein Getränke darstelle, nicht anwendbar, ist allerdings richtig, daß Reinsprit nicht unter gewöhnlichen Branntwein (boissons
ordinaires distillées) rubrizirt, der in Quantitäten von zwei Litern im Minimum verkauft werden darf. Dagegen gehört der Reinsprit zu den gebrannten Wassern im Sinne des Art. 8 des eidgenössischen Alkoholgesetzes, und sind dem-

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gemäß die Kantone verpflichtet, über dessen Kleinverkauf einschränkende Vorschriften (Bewilligung, Verkaufssteuer") aufzustellen. Diese Vorschriften siud (für das Patent H) im Art. 43 enthalten, und zwar unter der Bezeichnung ,,boissons soumises au monopole fédéral", welche nur im Minimum von 10 Litern abgegeben werden dürfen. Daß darunter nicht bloß Trinkbranntwein im strikten Sinne, sondern überhaupt monopolpflichtige gebrannte Wasser verstanden sind, ergibt sich unzweideutig aus der korrelaten Bestimmung der Vollziehungsverordnung vom 29. Mai 1889, Art. 28, welcher an Stelle des Wortes ,,boissons" den Ausdruck ,,alcools soumis au monopole fédéral" enthält und damit die richtige Auslegung der Behörden unterstützt.

b. Ob eventuell, wie der Rekurrent meint, der verkaufte Reinsprit als feiner Liqueur, der flaschenweise verkauft werden dürfe (Art. 43 des Wirthschaftsgesetzes), oder als Weingeist zu gewerblichen Zwecken, dessen Verkauf unbeschränkt sei (Art. 46 I. c.), in Betracht falle, bedarf vom eidgenössischen Standpunkte keiner nähern Untersuchung, indem hierüber die Interpretation der kantonalen Instanzen maßgebend ist.

Nach dem Angebrachten hat der Bundesrath keine Veranlassung, das angefochtene Strafurtheil auf seine materielle Richtigkeit zu prüfen, und hat demnach auf den Antrag seines Finanzdepartement» beschlossen: 1. Auf die Beschwerde des Christian Burri, vom 12. Mai 1891, wird nicht eingetreten.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung von Freiburg, sowie dem Rekurrenten Burri mitzutheilen.

B e r n , den 25. September

1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Biugier.

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