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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von Martin Schweizer und Johann Tarnutzer in Basel, betreffend Gebührentarif für Stellenvermittlung.

(Vom 25. August,

1891)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath

hat in Sachen des Rekurses von Martin S c h w e i z e r , von Basel,, und Johann T a r n u t z e r , von Schiera (Graubünden"), beide in Basel wohnhaft, gegen den Beschluß der Regierung von Baselstadt, vom 27. Mai 1891, betreffend Gebührentarif für Stellenvermittlung; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger SachVerhältnisse:

I.

In Art. 3 der Verordnung des Regierungsrathes von Baselstadt, vom 10. Dezember 1887, über Stellenvermittlung für Dienstboten, welche sich auf §165 bis des kantonalen Polizeistrafgesetze» stutzt, ist. die Einschreibgebühr für die Dienstboten auf höchstens 50 Rp. festgesetzt. Zugleich wird bestimmt, daß die Stellenvermittler für die übrigen Geschäftsleistungen einen Gebuhrentarif aufzustellen haben, der in deutlicher und erschöpfender Weise angibt,, welche Gebühren von den Dienstboten und den Dienstgebern erhoben werden. Dieser Gebührentarif ist der Genehmigung des Polizeidepartements unterstellt, welches zu weit gehende Ansätzezu ermäßigen hat. Die im Gebührentarif enthaltenen Ansätze dürfen von den Stellenvermittlern nicht überschritten werden.

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IL Das Polizeidepartement einigte sich mit den meisten StellenVermittlern dahin, daß als Stellenvermittlungsgebühr für Dienstboten aller Art der Betrag des ersten Wochenlohnes berechnet werden dürfe. Diesem Tarif haben sich 14 Stelleuvermittler unterzogen.

Nur zwei, die Rekurrenten Schweizer und Tarnutzer, verlangten für die Stellen von Portiers, Kellnern und Kellnerinnen, die keinen oder nur einen geringen Wochenlohn, aber viele Nebeneinnahmen durch Trinkgelder beziehen, höhere Ansätze. Da es bedenklich schien, Maximalansätze zu gestatten, deren Anwendung auf di& meisten Fälle zu befürchten war, so einigte sich das Polizeidepartement mit den Genannten dahin, daß für Vermittlung solcher Stelle» eine entsprechend höhere Gebühr, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, verlangt werden dürfe.

III.

Unterm 13. Mai 1891 theilte das Polizeidepartement den Rekurrenten mit, daß es zufolge eingegangener Klagen sich veranlaßt sehe, seine Bewilligung für diese Ausnahmebestimmung zurückzuziehen, und forderte sie auf, sich an den für die ändern Stellenvermittler geltenden Ansatz des ersten Wochenlohnes zu halten.

Gegenüber den Einwendungen der Rekurrenten hieß die Regierung von Baselstadt durch Beschluß vom 27. Mai den vom Polizeidepartement eingenommenen Standpunkt grundsätzlich gut, trug indessen den Bemerkungen derselben dadurch Rechnung, daß sie das Polizeidepartement ermächtigte, für Vermittlung von Stellen, mit welchen kein Lohn verbunden ist, eine Gebühr von höchstens.

Fr. 5 als zuläßig zu erklären.

IV.

In dieser Verfügung erblicken die Herren Schweizer und Tarnutzer eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit und haben deßhalb mit Eingabe vom 15. Juni 1891 gegen dieselbe den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrath ergriffen, indem sie das Begehren stellen, es sei jene Verfügung aufzuheben und das Polizeidepartement anzuweisen, die Anwendung des frühem Tarifes wieder in vollem Umfange zu gestatten.

V.

Die Regierung von Baselstadt führt in ihrer Vernehmlassung: vom 4. Juli aus, daß die angefochtenen Bestimmungen nicht ala

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unnöthige, polizeiliche Maßregelungen erscheinen, sondern sich auf Art. 31 der Bundesverfassung stützen, welcher in Ziffer 3 Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben vorbehalte.

Sie bezwecken lediglich, durch Festsetzung einer Minimalgrenze des ersten Wochenlohnes oder von Fr. 5 für eine an und für sich einfache Vermittlung die Ueberforderungen zu beseitigen, denen namentlich die 'weiblichen Dienstboten bisher ziemlich schutzlos preisgegeben gewesen seien. Durch diese Beschränkung werde der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigt, da dieselbe nicht gleichbedeutend sei mit einer Unterdrückung bezw. Vevunmöglichung des Stellenvermittlungsgeschäfts.

Aus verschiedenen Anzeigen habe sich ergeben, daß die Rekurrenten für die Vermittlung solcher Stellen Fr. 4ü--60 verlangt haben, und zwar ohne vorhergegangene freie Vereinbarung.

Die Regierung ist der Ansicht, daß die wucherische Ausbeutung des Dienstbotenpersonals unter dem Titel der Gewerbefreiheit ebensowenig geduldet werden sollte, als der Vorkauf, welch' letzterer durch die Handelsfreiheit auch nicht geschützt sei, weil er als eine wucherische Ausbeutung der armem Klassen aufgefaßt werde, und beantragt daher Abweisung des vorliegenden Rekurses.

VI.

Mit Nachtrag vom 4. Juli stellte Herr Joh, Tarnutzer für sich und Namens des Mitrekurrenten Schweizer das Gesuch, es möchte ihnen die Vernehmlassuag der Regierung von Baselstadt zur Einsicht behufs Gegenwehr und Vertheidigung zugestellt werden. Die Bundesrekursbehörde hat jedoch hievon Umgang genommen, weil die Akten bereits genügendes Material zur Entscheidung der Sache bieten ; in Erwägung: Es ist der Regierung des Kantons Baselsladt durchaus beizustimmen, weon sie sagt, daß durch die angefochtenen Tarifbestimmungen das Stellenvermittlungsgeschäft nicht verunmöglicht werde, und wenn sie die Analogie des Vorkaufs herbeizieht, der als eine wucherische Ausbeutung der armem Klassen auch nicht durch die Handelsfreiheit geschützt wird.

Sobald dies feststeht, kann gegen die fraglichen Ansätze vom Standpunkte des Art. 31 der Bundesverfassung aus nichts eingewendet werden ; die Tarifbestimmungen der Basler Behörden erscheinen dann als eine Verfügung über die Ausübung3 eines GeO O werbes, welche in Anwendung von Art. 31, litt, e, der Bundes-

313 Verfassung getroffen ist und den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigt, beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Baselstadt und den Rekurrenten schriftlich mitzutheilen, an letztere unter Rücksendung der eingesandten zwei Aktenbelege.

B e r n , den 25. August 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Stellvertreter des eidg. Kanzlers : Schatzmann.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von Martin Schweizer und Johann Tarnutzer in Basel, betreffend Gebührentarif für Stellenvermittlung. (Vom 25. August 1891.)

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