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Schweizerisches Bundesblatt.

43. Jahrgang. IV.

Nr. 45.

4. November 1891.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Karl Stämpfli & Cie. in Bern.

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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs des Konstantin Walz in Luzern gegen einen Beschluß des Bundesrathes in Sachen des Handelsregisters.

(Vom 27. Oktober 1891.)

Tit.

Konstantin Walz von Unterägeri, Schreinermeister und Sargfabrikant io Luzern (Steinenstraße 25), wurde von der Handelskammer des Kantons Luzern in ihrer Eigenschaft als kantonale Aufsichtsbehörde über das Handelsregister unterm 8. Mai 1891 nach Maßgabe des Art. 26, Abs. 2, der bundesräthlichen Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt vom 6. Mai 1890 in eine Ordnungsbuße von Fr. 10 verfällt.

Eine gegen dieses Erkenntniß dem Bundesrathe von Herrn Fürsprech Haid in Luzern eingereichte Rekursschrift konnte anfänglich von uns nicht berücksichtigt werden, da sie in unanständigen und den Handelsregisterführer des Kantons Luzern beleidigenden Ausdrücken abgefaßt war.

Nachdem der Rekurs in neuer Form eingereicht worden, trat der Bundesrath am 15. Juni 1891 in die Prüfung desselben ein, wies ihn aber als unbegründet ab.

Die Erwägungen, die den Bundesrath dabei leiteten, waren folgende : < · * 1. Art. 26 der Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt, vom 6. Mai 1890, bestimmt in Absatz l und 2 Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. IV.

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672 ,,Wenn eine Person oder eine Gesellschaft, welche gemäß0. 865, Abs. 4, zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet ist, dieser Verpflichtung nicht nachkommt, oder wenn ein Dritter unter Angabe der Gründe die Eintragung einer Person oder einer Gesellschaft verlangt, so hat der Registerführer unter Hinweis auf 0. 864 den oder die Eintragspflichtigen schriftlieh aufzufordern, sich binnen 5 Tagen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden oder die Gründe der Weigerung schriftlich anzugeben.

,,Erfolgt i n n e r h a l b dieser Frist die Eintragung nicht und w e r d e n auch keine Weigerungsgründe ang e g e b e n , so nimmt der Registerführer die Eintragung von Amtes wegen vor. Gleichzeitig macht er der kantonalen Aufsichtsbehörde Anzeige. Die Aufsichtsbehörde hat gegen den oder die Fehl baren eine Ordnungsbuße auszufällen. a 2. Zu Aufforderungen im Sinne dieser Vorschrift bedienen sich, die Registerbehörden einheitlicher Formulare, auf welchen die Bestimmungen über die Pflicht zur Eintragung vollständig wiedergegeben sind und die auch ausdrücklich auf die Folgen aufmerksam machen, welche derjenige zu gewärtigen hat, der innerhalb der anberaumten Frist im Falle der Nichtanmeldung zur Eintragung keine Gründe für die Weigerung angibt.

3. Gestützt auf die Angaben der Ortspolizeibehörde voo Luzern, welche das Vorhandensein der in Art. 13 der Verordnung vom 6. Mai 1890 verlangten Bedingungen außer Zweifel slellen, mußte der Handelsregisterführer annehmen, daß Herr Walz zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet sei. Nachdem derselbe schon im Jahre 1890 zwei Mal vergeblich zur Eintragung aufgefordert worden war, erließ der Registerführer am 23. April 1891 an ihn nochmals die Aufforderung, sich binnen 5 Tagen in das Handelsregister einzutragen, und machte denselben noch speziell darauf aufmerksam, daß, sofern auch diese dritte Aufforderung unberücksichtigt bliebe, unnachsichtlich nach Art. 26, Abs. 2, der Verordnuag gegen ihn vorgegangen würde.

4. Da der Rekurrent auch jetzt beharrlich schwieg, so mußte ihn der Registerführer von Amtes wegen in das Handelsregister eintragen und die Angelegenheit der kantonalen Aufsichtsbehörde mittheilen. Die Eintragung ist am 2. Mai 1891 erfolgt. Nach Vorschrift dsr Verordnung war die Aufsichtsbehörde genöthigt, gegen Herrn Walz ehje Ordnungsbuße
auszufällen.

5. Es kann sich daher nur noch fragen, ob nicht vielleicht der Betrag der Buße zu hoch gegriffen sei. Allein auch dies muß veraeinrt werden. Für die Berechnung der Buße ist in erster Linie

673 Art. 864 0.-R. maßgebend. Derselbe sieht Ordnungsbußen im Betrage von Fr. 10--500 vor. Die Handelskammer durfte also keine geringere Buße aussprechen, als sie gethan hat.

Gegen unseren Beschluß hat Herr Fürsprech Haid mittelst Eingabe vom 23. Juni 1. J. den Rekurs an die Bundesversammlung erklärt. Er verlangt: 1. Interpretation des Art. 13 der Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt, vom 6. Mai 1890, in dem Sinne, daß b e i d e hier genannte Requisite (Waarenlager im Durchschnittswert!! von mindestens Fr. 2000 u n d Jahresumsatz von mindestens Fr. 10,000) erfüllt sein müssen, um die Pflicht zur Eintragung zu begründen, daß dagegen die Eintragspflicht üicht vorliege, wenn nur das eine der beiden Requisite zutrifft, das andere aber nicht; eventuell Interpretation im Sinne einer vom Rekurrenten ,,Postulat11 genannten Bemerkung des Herrn Ständerathes Herzog-Weber. *) 2. Aufhebung des rekurrirten Erkenntnisses in allen Theilen.

Auf diese Rekursbeschwerde ist unseres Erachtens von der Bundesversammlung nicht einzutreten.

Es handelt sich um die Anwendung administrativer Vorschriften, deren Handhabung durch die Bundesgesetzgebung in die ausschließliche Kompetenz des Bundesrathes gelegt wurde, nicht um individuelle, verfassungsmäßige Rechte eines Bürgers. Eine Beschwerde an die Bundesversammlung gegenüber der Entscheidung des Bundesrathes findet daher nicht statt.

Art. 893 des Bundesgesetzes über das Obligationenrecht, vom 14. Brachmonat 1881, bestimmt: ,,Ueber Einrichtung, Führung und Kontrolirung der Handelsregister, über das bei den Eintragungen in dieselben zu beobachtende Verfahren, die zu entrichtenden Taxen, die Beschwerdeführung, sowie über die Einrichtung des Handelsamtsblattes wird der B u n d e s r ath eine Verordnung erlassen, welche zugleich mit diesem Gesetze in Kraft zu treten hat.11 Um der ungleichmäßigen Anwendung der Bestimmungen des Obligationenrechts über das Handelsregister ein Ende zu machen, wurde am 11. Dezember 1888 eine Novelle zum Obligationenrecht erlassen. Diese Novelle statuirt u. A. als Absatz 4 zu Art. 859 des Bundesgesetzes über das Obligationenrecht : *) Herr Ständerath Herzog-Weber regte eine Erhöhung der genannten Ziffern auf Fr. 3000, beziehungsweise Fr. 20,000 an.

674

,,Der Bundes rath erläßt die V o r s c h r i f t e n ü b e r E i n r i c h t u n g , F ü h r u n g und B e a u f s i c h t i g u n g der Hand e l s r e g i s t e r , über das bei den Eintragungen zu beobachtende V e r f a h r e n , die zu entrichtenden T a x e n und die B e s c h w e r d e J ü h r u n g , sowie über die Einrichtung des Handelsamtsbl«ttes.a Sie bestimmt ferner, als Zusatz zu Absatz 4 des Art. 865 des Obligationenrechts : " ^ D e r Bundesrath trifft die erforderlichen Verfügungen, damit die Verpflichtung zur Eintragung in das Handelsregister überall gleichmäßig erfüllt w er de.a JDurch djese Bestimmungen wurde die ausschließliche Kompetenz zur Entscheidung von Handelsregisterfragen dem Bundesrathe übertragen. IQ ähnlicher Weise ist dem Bundesrathe die oberste Entscheiduugsbefugniß durch das Gesetz über Zivilstand und Ehe, Art. 12, durch das Gesetz über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, Art. 7, 13, 14, 17, 18 etc., durch das Gesetz über das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschafteu zugewiesen.

Wenn die Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden und des Bundesrathes in Handelsregistersachen an die Bundesversammlung weiter gezogen werden könnten, so würde die Novelle vom 11. Dezember 1888 in einem Hauptpunkte illusorisch werden, nämlich in Hinsicht auf die Obliegenheit des Registerführers., eine Person oder Gesellschaft, die sich trotz bestehender Verpflichtung nicht eintragen läßt, von Amtes wegen oder auf Begehren eines Dritten einzutragen.

Es geht durchaus nicht an, die Frage der Eintragungspflicht einer Person monatelang in suspense zu lassen, wie dieß die nothwendige Folge der Weiterziehung eines bezüglichen Bundesrathsbeschiusses an die Bundesversammlung wäre.

Der Bundesrath hat daher im Sinne des Gesetzes gehandelt, wenn er in Art. 3 der Verordnung vom 6. Mai 1890 ausdrücklich feststellte : ,, D e r B u n d e s r a t h übt die Oberaufsicht über die Führung des Handelsregisters aus und e n t s c h e i d e t e n d g ü l t i g über Beschwerden gegen Verfügungen der kantonalen Aufsichtsbehörden.11 Diese Bestimmung wurde anläßlich der Debatte über die Geschäftsführung des Bundesrathes pro 1890 in keinem der beiden Räthe beanstandet, während andere Bestimmungen der Verordnung wenigstens zu Meinungsäußerungen Anlaß gaben.

675 Um Ihnen, Tit., übrigens zu zeigen, wie wenig begründet die vorliegende Beschwerde auch in materieller Beziehung ist, fügen wir Folgendes bei. Aus den Erwägungen des bundesräthlichen Entscheides vom 15. Juni ergibt sich, daß die luzernischen Behörden strikte nach den Vorschriften der Verorduung vom 6. Mai 1890 gehandelt haben.

Nach Art. 26, Abs. l und 2, m u ß t e die Eintragung des Herrn VValz von Amtes wegen erfolgen, und eine Ordnungsbuße m u ß t e ausgesprochen werden. Mit Rücksicht auf die Beurtheilung der Eintragspflicht haben sich die Luzerner Behördeu ebenfalls streng an die Verordnung gehalten. Kekurrent wurde in Anwendung von Art. 13 der Verordnung als verpflichtet erklärt, sich in das Handelsregister einzutragen. Da er sich beharrlich geweigert hat, die zur Beurtheilung der Eintragspflicht nöthigen Angaben selbst zu machen, so mußten sich die Regisierbehörden an die Angaben der Polizeibehörden halten. Sollten letztere mit den thatsächiichen Verhältnissen nicht völlig im Einklang stehen, so würde sich der Beschwerdeführer-darüber nicht beklagen können, da er selbst das Mögliche gethan hat, um die Behörden über seine Verhältnisse im Unklaren zu lassen.

Wenn der Rekurrent eine Interpretation des Art. 13 der Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt verlangt, so hat er sich mit diesem Begehren an den Bundesrath zu wenden. Der Bundesrath hat die fragliche Verordnung erlassen. Ihm kommt es daher zu, dieselbe zu inlei-pretiren. Der Bundesrath hat dieß übrigens thatsächlich bereits gethan, wie wir sofort nachweisen werden.

Der letzte Absatz des Artikels 13 der Verordnung lautet: ,, N i c h t eintragspfliehtig sind die unter Ziff. l, litt, a, Ziff. 2 und 3 genannten Gewerbe, wenn ihr Waarenlager nicht durchschnittlieh einen Werth von mindestens Fr. 2000 hat oder wenn ihr Jahresumsatz (die jährliche Roheinnahme) oder der Werth ihrer jährlichen Produktion unter der Summe von Fr. 10,000 bleibt."

In Ziffer III unseres Kreisschreibens sin sämmtliche eidgenössische Stände (vom 11.,Juli 1890) betreffend die Verordnung vom 6. Mai gì. J. über das Handelsregister und das Handelsamtsblatt erläuterten wir diese Bestimmung wie folgt: ,,Die "Gewerbe, welche Kauf und Verkauf vermitteln, Geld-, Wechsel-, Effekten- oder Börsengeschäfte betreiben oder vermitteln, die Beförderung von Personen,
Sachen etc. übernehmen, Stellenvermittlungsbüreaux, Pfaudleihanstalten u. drgl. führen oder das Versicherungsgeschäft betreiben (Art. 13, Ziffer l, litt, b, c, d, e, f), unterliegen ihrer Natur nach der Eintragungspflicht; für sie war es daher nicht nothig, dießfalls ein besonderes Merkmal aufzustellen.

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,,Dagegen besteht ein solches Bedürfniß mit Bezug auf die übrigen in Art. 13 aufgeführten Gewerbe. Wir haben nun für dieselben eine gewisse Grenzlinie gezogen, indem wir als eintragspflichtig erklären: 1. die Handelsgewerbe, die sich mit dem Ein- und Verkauf von Gegenständen befassen (Verordnung Art. 13, Ziffer l, litt, a), wenn der durchschnittliche Werth ihres Waarenlagers mindestens Fr. 2000 u n d ihr Jahresumsatz (die jährliche Roheinnahme) mindestens Fr. 10,000 beträgt; 2. die Fabrikations- und anderen nach kaufmännischer Art betriebenen Gewerbe (Art. 13, Ziffer 2, und Ziffer 3, litt, a bis d), die kein Waarenlager halten, wenn ihr Jahresumsatz oder der Werth ihrer jährlichen Produktion Fr. 10,000 erreicht.11 Demnach ist die vom Rekurrenten verlangte Interpretation von der zuständigen Bundesbehörde bereits erlassen worden.

Es kann aber auch nicht die Rede davon sein, das eventuelle Rekursbegehreu dermalen zu behandeln, das dahin geht, es sei über die Eintragspflicht im Sinne einer von Herrn Ständerath Herzog anläßlich der Geschäftsprüfungs-Debatte in der Juni-Session 1891 der Bundesversammlung gemachten Anregung zu entscheiden. Gegenwärtig ist die Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt, wie sie besteht, anzuwenden.

Wir beantragen Ihnen daher, Tit., auf die vorliegende Beschwerde nicht einzutreten.

Genehmigen Sie bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 27. Oktober 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B un d e s p r ä si den t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

&

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs des Konstantin Walz in Luzern gegen einen Beschluß des Bundesrathes in Sachen des Handelsregisters. (Vom 27. Oktober 1891.)

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04.11.1891

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