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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über die infolge der Vorgänge im Kanton Tessin vom Februar und März 1889 und September 1890 an die eidgenössischen Assisen überwiesenen Prozesse.

(Vom 15. Juni 1891.)

Tit.

Der Nationalrath hat in seiner Sitzung vom 8. 1. M. eine von Herrn Nationalrath Brenner und 19 Mitunterzeichnern eingebrachte Motion erheblich erklärt und uns dadurch eingeladen : ,,lieber dio Frage Bericht und Antrag zu bringen, ob und in welcher Ausdehnung eine Amnestie auszusprechen sei wegen der den eidgenössischen Assisen überwiesenen Vorfalle im Kanton Tessin vom September 1890 und Februar und März 1889."

Bevor wir an die eigentliche Lösung dieser doppelten Aufgabe, herantreten können, müssen wir zunächst den bisherigen Gang der gegenwärtig vor den eidgenössischen Assisen hängigen Prozesse in gedrängter Kürze zeichnen und sodann die derzeitige Aktenlage darlegen.

Jene Periode heftigster Aufregung vor, während und nach den Tessiner Großrathswahlen vom 3. März 1889 ist noch in allgemeiner Erinnerung. Diese Aufregung steigerte sieh bekanntlich zu Unruhen, welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention, die Abordnung eines eidgenössischen Kommissärs in der Person des Herrn

58T Oberst Eugen Borei und die Ernennung des Herrn Nationalrath Bezzola als Generalanwalt ad hoc veranlaßt haben. Durch Beschluß vom 7. März 1889 ordnete der Bundesrath die Eröffnung einer eidgenössischen Strafuntersuchung an ,,zur Ermittlung der Vergehen, welche Ursache oder Folge der mit den Großrathswahlen des Kantons Tessin vom 3. März in Beziehung stehenden Vorgänge waren, sowie der Urheber dieser Handlungen", und am 25. des gleichen Monats beauftragte er, in Ergänzung des eben erwähnten, Beschlusses, den Generalanwalt, die Untersuchung auch auf folgendePunkte auszudehnen : ,,a. auf die im Großen Rath des Kantons Tessin behauptete Thatsache, daß dortige Gemeindebehörden Leute zur Ausübung: des Stimmrechts zugelassen haben, welche von den Regierungskommissären und von der Regierung selbst als nicht stimmfähig erklärt worden waren ; ,,b. gegen Behörden oder Einzelne, welche versucht haben sollten,, die Wahlen vom 3. März durch Geschenke, Versprechungen oder Drohungen zu beeinflussen, sowie gegen solche Wähler,, die Geschenke oder Vortheile mit Rücksicht auf ihre Stimmabgabe angenommen hätten."

Diese Untersuchung, welche sich eigentlich aus einer ganze» Reihe gesonderter Einzeluntersuchungen zusammensetzte, gestaltetesich zu einer außerordentlich umfangreichen Prozedur. Es lassen sich, genau genommen,, sieben verschiedene Thatbestandsgruppen unterscheiden, nämlich.

1. Die Unruhen vom 5. März, Abends, in Lugano. Wir begegnen hier zwei Fällen von Gewaltanwendung: a. Mißhandlung von Molinari und Mithaften (es ist dies dieAngelegenheit Belloni, welche vorübergehend viel Staubaufgeworfen h a t ) ; b. Thätlichkeiten gegen Advokat Soldati.

An diese Prozedur schließt sich ein besonderes Verfahren gegen den Regierungskommissär Masella in Lugano an, welcher des Bestechungsversuchs an einem im Fall Belloni abgehörten Zeugen beschuldigt war.

2. Die Versuche, welche von Seiten der einen Partei gemacht worden sein sollen, um sich der Eisenbahn zu versichern, und von Seiten der andern, um deren Betrieb zu verhindern,, letzteres insbesondere durch Aufreißen der Schienen auf der Monte-Cenere-Linie.

588 3. Bewaffnete Zusammenrottungen, welche am 4. März 1889 in der Magliasina in aufrührerischer Absicht stattgefunden haben sollen.

4. Die Unruhen in Intragna, vom 4. März 1889.

5. Die in Maggio in politischer Aufregung begangenen Thätlichkeiten, welche die Verwundung von Clericetti, Giuseppe Cereghetti und von dessen Sohn Giovanni zur Folge hatten.

. Die wegen Widersetzlichkeit und Gesetzesverletzung gegen 15 Gemeindebehörden erhobenen Anschuldigungen.

7. Endlich die Fälle von vollendeter oder versuchter ungesetzlicher Beeinflussung der Wahlverhandlung vom 3. März durch Wahlbestechung oder Ausübung eines widerrechtlichen Druckes auf die Wähler.

Die Durchführung dieser 7 oder vielmehr 8 verschiedenen Untersuchungen, von denen die letzte selbst wieder sich in sechs Gruppen verzweigte, förderte ein gewaltiges Material zu Tage, dessen Sammlung und Sichtung lange Zeit in Anspruch nahm. Das Ergebniß derselben ist in 12 Berichten und einem Nachtragsberieht niedergelegt, welche Herr General an wal t Bezzola in der Zeit vom September 1889 bis Ende Juli 1890 dem Bundesrathe vorgelugt hat.

Es ist hier nicht der Ort, auf die Einzelheiten dieser Untersuchungen einzutreten. Es tauchten im Anschluß an dieselben eine Anzahl hoch interessanter, die Anwendung des Bundesstrafrechts und die rechtliche Stellung der eidgenössischen Assisen nach einer bewaffneten Intervention betreffender Streitfragen auf, die wir b^i der Revision unseres Bundesstrafrechts und der Bundesgerichtsorganisation näher in's Auge zu fassen Gelegenheit haben werden.

Es sei hier nur erwähnt, daß sowohl Herr Bezzola als auch der ·eidgenössische Untersuchungsrichter, Herr Dedual, aus ihren gewissenhaften und eingehenden Erhöhungen die Ueberzeugung geschöpft haben, daß die von jeder Partei der andern zur Last gelegten Ruhestörungen fast durchwegs im Volk uud in der Presse über Gebühr aufgebauscht worden sind. Von einzelnen dieser Vorfälle blieb bei näherer Prüfung kaum etwas Greifbares übrig. Hielier gehören insbesondere die Schlägerei von Intragna, auf deren Ahndung die Tessiner Regierung s. Z. im Gegensatz zur Ansicht des eidgenössischen Kommissärs, Herrn Borei, so großes Gewicht gelegt hat, sodann jene Zusammenrottungen in der Magliasiua, in welchen man schon die Vorbereitung eines bewaffneten Aufruhrs zu sehen glaubte, und endlich jene Ansammlung von Personen, deren Vorkehrungen einen Augenblick die Sicherheit des Bahnbetriebes auf der Monte-Cenere-Linie zu gefährden schienen, sich

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jedoch bei näherem Zusehen als bloße, von der Aufregung eingegebene Vertheidigungsmaßregeln charakterisirten, die überdies kaum über den Grad von Vorbereitungshandlungen hinaus gediehen sind.

In allen diesen Fällen stimmten Generalanwalt und Untersuchungsrichter darin iiberein, daß den erhobenen Anklagen keine weitere Folge zu geben sei. Ebenso waren sie darüber einig, daß von den 15 seitens der Regierung der Widersetzlichkeit beschuldigten Gemeindebehörden 5 nicht in's Recht zu fassen seien. Ueber diese Fälle mußte, gemäß Art. 29 i. f. des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege, die Weisung des Bundesrathes eingeholt werden, welcher dadurch seinerseits die sämmtlichen Untersuchungen zu prüfen genöthigt wurde. Das Resultat dieser Prüfung ist in folgendem, vom Bundesrath auf Antrag seines Justiz- und Polizei départements am 3. Dezember 1890 gefaßten Beschluß niedergelegt: ,,nach Einsicht der 12 Berichte, welche Herr Nationalrath Bezzola vom 1. September 1889 bis zum Juli 1890 in seiner Eigenschaft als Generalanwalt ad hoc für alle auf die Wahlen vom 3. März 1889 im Kanton Tessin bezüglichen Strafuntersuchungen ihm vorgelegt hat, ,,sowie nach Prüfung der Anträge des eidgenössischen Untersuchungsrichters, Herrn Dedual, und der bezüglichen Untersuchungsakten ; ,,in Anwendung des Art. 29, letzten Absatzes, des Bundesgeselzos über die Bundesstrafrechtspflege, ,,ertheilt der Buadesrath, auf den Antrag seines Justiz- und Polizeidepartements, dem Generalanwalt, Herrn Bezzola, folgende Weisungen : ,,1. Herr Generalanwalt Bezzola ist angewiesen, denjenigen Untersuchungen keine Folge zu geben, welche betreffen : ,,a. Versuche, welche verschiedene Personen gemacht haben sollen, auf dem Monte Ceneri die Eisenbahnschienen aufzureißen oder die Eisenbahn in widerrechtlicher Weise zu benutzen; ,,o. bewaffnete Zusammenrottungen, welche ain 4. März 1889 in der Magliasica in angeblich verbrecherischer Absicht vorgekommen sein sollen; ,,c. die Vorfälle in Intragna am 4. März 1889; T/ d. die Anklagen gegen die Gemeindebehörden von Fescoggia, Arogno, Castagnola, Gentilino und Noranco.

,,2. Der Herr Generalanwalt ist ermächtigt, die Untersuchung gegen den-oder die noch unbekannten Urheber der am Abend des Bnndesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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5. März 1889 gegen Herrn Advokat Soldati verübten Thätlichfe eiteu offen zu lassen.

,,3. Was die andern Anträge anbelangt, welche Herr Geueralanwalt Bezzola dem Bundesratli unterbreitet hat und welche betreffen : ,,a. die Versetzung der Urheber der am 5. März 1889 in Lugano an Molinari und seinen Gefährten verübten Mißhandlung in Anklagezustand (Angelegenheit Belloni) ; ,,b. den Fall des Regierungsstatthalters Masella; ,,c. die Angelegenheit Clericetti; ,,d. die Gemeindebehörden von Vacallo, Carasso, Preonzo, Osco, Quinto, Brissago, Bissone, Castano, Pontetresa und Lugano ; ,,e. die Wahlumtriebe, die Wahlbestechungen und Wahlbeeiu-flussungen, .pwird es dein Herrn Generalanwalt Bezzola überlassen, dieselben der Anklagekammer zu weiterer Amtshandlung vorzulegen."· Auf Grund dieses Beschlusses übermittelte Herr Geueralanwalt Bezzola noch im Laufe des Jahres 1890 der Anklagekammer des Bundesgerichts einerseits alle diejenigen Angelegenheiten, in denen seine Ansicht über die Frage, ob der Untersuchung weitere Folge zu geben sei, von derjenigen des Untersuchungsrichters abwich, und anderseits diejenigen Fälle, in welchen Beide einstimmig Versetzung der Angeschuldigten in Anklagezustand beantragten.

. Mit Beschlüssen vom 23. und 30. April 1891 entschied die Anklagekammer dahin, es sei auf die Vorfälle vom 4. März in Lugano und auf diejenigen in Muggio (Fall Clericetti) nicht einzutreten; ferner ließ sie die Anklagen gegen die zehn der Widersetzlichkeit beschuldigten Gemeindebehörden einerseits und den Kommissär Masella anderseits fallen. Von allen jenen Untersuchungen und den verschiedenen Anträgen auf Versetzung in Anklagezustand hat somit die Anklagekammer schließlich nur die Fälle von Wahlbestechung und Wahlbeeinflussung festgehalten und wegen derartiger Handlungen 41 Personen in Anklagezustand versetzt. Die Mehrzahl derselben gehört der Regierungspartei, eine starke Minderheit der Opposition an.

Hier ersuchen wir die Mitglieder der Bundesversammlung, von der Anklageakte Kenntniß zu nehmen, welche wir als Beilage l hienach abgedruckt haben. Wir fügen nur bei, daß Herr Bundesrichter Olgiati als Assisenpräsident bezeichnet worden ist. Die Assisensitzung ist auf einen demnächst zu bestimmenden Tag nach Luzevn anberaumt.

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Wir gehen nun über zu den aus dem Aufstand vom 11. Sep(eraber 1890 und der Ermordung des Staatsraths Luigi Rossi erwachsenen Anklagen.

Jene Vorgänge, welche alle bei Ihnen noch in frischer Erinnerung sind, haben bekanntlich neuerdings eine bewaffnete eidgenössische Intervention und die sofortige Absendung von Herrn Oberstdivisionär Künzli als Kommissär zur Folge gehabt. Der Bundesrath beschloß unverzüglich die Eröffnung einer neuen Untersuchung, deren Durchführung dem Inhaber des inzwischen wieder hergestellten Amtes eines ständigen Generalanwaltes, Herrn Schert», zufiel. Den zurückgetretenen bisherigen Untersuchungsrichter, Herrn Dedual, ersetzte das Bundesgericht durch Herrn Prof. Dr. Schneider in Zürich. Für die Darstellung des Thatbestandes verweisen wir auf unsere beiden ersten Berichte über die eidgenössische Intervention vom Jahr 1890.

Die Untersuchung vom Jahr 1890 umfaßt zwar immer noch 570 Nummern und 1800 Seiten, ist indeß weniger verwickelt und bedeutend weniger umfangreich als diejenige von 1889/90 und konnte daher rasch abgewickelt werden. Schon arn 3. November wurden die Akten vom Untersuchungsrichter dem Generalanwalt zugestellt, welcher sie am 11. Dezember mit seinen Anträgen der Anklagekammer einreichte.

Die Anklagekammer befaßte sich unverzüglich mit dieser Angelegenheit und erließ am 6. April 1891 ihren Beschluß, welchen wir als Beilage 2 wörtlich wiedergeben.

Bei der Hauptverhandlung in diesem Prozeß wird gleichfalls Herr Bundesrichter Oleati den Vorsitz führen. Zürich ist als Ort der Assisenverhandlungen bestimmt und es werden dieselben schon am 29. Juni eröffnet werden.

Dies der derzeitige Stand der Prozesse, auf welche sich die Motion der Herren Nationalräthe Brenner und Genossen erstreckt.

Der Nationalrath verlangt nun von uns eine Ansichtsäußerung darüber, ob und in welchem Maße diese Strafprozesse auf dem Wege der Amnestie niedergeschlagen werden sollen.

Diese Frage läßt sich einzig und allein auf politischem Boden beantworten; von Erwägungen spezifisch juristischer Nalur ist völlig abzusehen. Die Frage stellt sich einfach so: liegt es im Interesse der Schweiz und des Kantons Tessin insbesondere, daß den Tessiner Prozessen ihr ordentlicher Lauf gelassen, ein Urtheil gefällt werde, -- oder wäre es nicht vielleicht für die Beruhigung der Gemüther zweckmäßiger, eine Verhandlung zu vermeiden, welche beiden Parteien Gelegenheit geben würde, sich durch Erneuerung der gegenseitigen Vorwürfe zu erhitzen?

592 Dies ist die vielumstrittene Frage. Schon hat sich von jenen edeldenkenden Männern, die sich dem Drucke der Parteiangehörig keit zu entziehen vermögen, der Eine oder Andere gegen die Ertheilung der Amnestie ausgesprochen, Dieser, weil er in ihr die Zusicherung einer gefährlichen Straflösigkeit, eine Art Aufmuuteruuu; an die Ruhestörer zu erneuter Anwendung gesetzlich verbotener Mittel glaubte erblicken zu müssen, Jener, weil sie ihm als ein Uebergriff der politischen Gewalt in das der Rechtsprechung vorbehaltene Gebiet und als ein Angriff auf die Würde des Strafgesetzes erschien.

Diese Einwendungen erweisen sich bei näherer Prüfung rasch als gegen das Institut der Amnestie selber gerichtet, uud mau wird jedesmal, wenn es sich darum handelt, Amnestie zu ertheileu, ^rnit ebenso viel Recht wie heute von einer den Angeklagten zugesicherten Straflösigkeit, von Ermuthigung zum Verbrechen, von gefährlichen Uebergriffen der Politik in das Gebiet der Justiz sprechen können. Nun gehört aber das Recht, zu amnestiren, zu den unbestreitbaren und von keiner Seite jemals bestrittenen Befugnissen der Bundesversammlung. Ja, die Bundesversammlung k a n n nicht nur Amnestie ertheilen, ohne sich irgend einem gerechtfertigten Vorwurf auszusetzen, sondern sie m u ß es thun, wenn sie überzeugt ist, daß das öffentliche Wohl es erheischt.

Mit Unrecht will man übrigens in der Amnestie einen unstatthaften Eingriff der politischen Gewalt in den regelmäßigen Gang der Rechtsprechung erblicken. Die bedeutendsten Staats- und Strafrechtslehrer haben diesen Einwand längst beseitigt. Die Amnestie ist, wie übrigens auch die Begnadigung, auf eben demselben Rechtsboden erwachsen, wie das Recht zu Strafen selbst. Die gleiche Verfassung, die gleiche Gesetzgebung, welche die Gerichte geschaffen und ihnen ihre Kompetenzen, ihre amtliche Stellung zugewiesen haben, sichern auch den Vertretern des Souveräns die Befugniß zu, durch das Mittel der Amnestie einen Prozeß niederzuschlagen , dessen Fortgang dem Staat Nachtheil bringen kann, gerade so wie sie auch den politischen Behörden das Recht ertheilen, gewisse an sich strafbare Handlungen von vorneherein der Strafverfolgung zu entziehen.

Ein zweites, weit schwerer wiegendes Bedenken hat seinen Grund darin, daß schon bei Anlaß der Verhandlung über die Erheblicherklärung der Motion Brenner
eine politische Partei sich sehr bestimmt gegen die Amnestie ausgesprochen hat, weil diese nach ihrer Ansicht sich vielmehr als ein Manöver einer Partei zum Schutze ihrer fehlbaren politischen Glaubensbrüder, denn als einen Beschluß einzig durch die Sorge um das Gemeinwohl geleiteter

593 Volksvertreter darstellt. Wir halten diese Beschuldigung nicht für gerechtfertigt ; denn es wäre verwegen, schon jetzt vorhersagen zu wollen, welche Partei aus der gei'ichtlichen Verhandlung als moralischer Sieger hervorgehen wird. Indeß verliert, wie dem auch sein mag, das angedeutete Bedenken nichts von seinem Gewicht.

Geht der Amnestie ein, gerechtfertigtes oder ungerechtfertigtes, Mißtrauen voraus, so kann ihre Ertheilung nicht alle diejenige Wirksamkeit äußern, welche ihr zum Heile des Landes zugekommen wäre, wenn sie, wie im Jahr 1855, von der Kegierung des betheiligten Kantons' selbst nachgesucht und einstimmig ausgesprochen worden wäre. Dieser Umstand ist in hohem Maße zu bedauern, allein entscheidend ist er nicht. Nicht immer haben die schweizerischen Behörden unter allgemeinem Beifall politische Prozesse niedergeschlagen , sehr oft haben sie dabei der erregten Stimmung ihrer Zeitgenossen trotzen müssen, allein selten hat ihnen die Nachwelt ihre Anerkennung versagt.

Nach reiflicher Erwägung aller hier in der einen oder andern Richtung maßgebenden Gesichtspunkte hat der Bundesrath sieh entschlossen, Ihnen die Erledigung der vor den eidgenössischen Assisen in Zürich und Luzern hängigen Prozesse auf dem Wege eines Amnestiebeschlusses zu beantragen, wobei indeß dem Verfahren betreffend die Tödtung des unglücklichen Staatsraths L. Rossi freier Lauf gelassen würde.

Wir haben uns bei dieser Schlußnahme von folgenden Erwägungsgründen leiten lassen: Seit jenen unglückseligen Ereignissen, welche sich im März 1889 und im September 1890 zugetragen haben, ist die Bundesversammlung, wie dies in Ihrem Beschluß vom 9. Oktober 1890 niedergelegt ist, unausgesetzt bestrebt gewesen, ,,den Kanton Tessin baldmöglichst einem verfassungsmäßigen Zustande entgegenzuführen, welcher die nöthigen Garantien für die Aufrechterhaltung des Friedens und der öffentlichen Ordnung bieteta. Die Bundesversammlung hat sich eben der Ueberzeugung nicht verschließen können, daß ira Kanton Tessin allzu triftige Gründe zur Mißstimmung angehäuft sind und daß dieselben durch eingreifende Reformen abgestellt werden müssen.

Behufs Erfüllung des ihm gewordenen Auftrags hat der Burdesrath die Eolie des Vermittlers zwischen den streitenden Parteien übernommen, indem er den gegenseitigen Beschwerden Gehör schenkte und Räthe
ertheilte. Schon lassen sich einige Resultate konstatiren. Die kantonale Verwaltung wird von einer Regierung geleitet, in welcher auf Betreihen des Bundesrathes beide Parteien

594 vertreten sind. Der Große Rath, in welchem seit 12 Jahren durch die Wahlkreiseintheilung der einen Partei eine zu ihrer numerischen Stärke in keinem Verhältniß stehende Majorität eingeräumt \var, wird in Zukunft durch ein Verfahren bestellt werden, mit dessen Hülfe jede Partei eine wenigstens annähernd gerechte Vertretung wird erzielen könuen. Wäre es möglich gewesen, diese Neuerung nicht auf zwei Jahre zu vertagen, sondern sofort in Kraft zu setzen, so würden wir vielleicht schon jetzt von Aufregung im Kauton Tessin nichts mehr hören. Auch auf andern Gebieten ist man der · Opposition entgegengekommen, so mit Bezug auf die Richterwahleu und auf die ,,Anagrafe u , d. h. die Aufstellung der Verzeichnisse, nach denen sich die Vertheilung der Großrathssitze richtet.

Durch diese verschiedenen Reformen wurde die Aufregung wohl vermindert, aber allerdings nicht beseitigt. Mit dem Stimmrecht der Ausgewanderten ist nämlich unvermuthet eiue neue oder, besser gesagt, zu neuem Leben erwachte Schwierigkeit aufgetaucht und in den Vordergrund des Interesses getreten. Der Bundesrath hat dazu ermuntert, ja. er hat geradezu verlangt, daß ein Versuch gemacht werde, diese Materie in billiger und jede parteipolitische Interpretation ausschließender Weise zu regeln; es ist geschehen, allein der Erfolg hat den Erwartungen nicht entsprochen; es wird eine bessere Lösung, vielleicht auf anderem Boden, gesucht werden müssen. Uebrigens scheinen hier beide Parteien einander nicht mein1 allzu ferne zu stehen. Beide Parteien, die freisinnige auf dem Wege der Volksinitiative, die konservative durch Initiative des Großen Käthes, haben eine.partielle Verfassungsrevision angebahnt, und in beiden Revisionsprogrammen steht die Frage des Emigrantenstimmrechts obenan. Man ist somit im Tessin darüber einig, daß eine neue Lösung angebahnt werden muß, und was die Richtung betrifft, in welcher diese Lösung zu suchen ist, so würde eine Einigung voraussichtlich unschwer auf dem Boden der einfachen Wiederherstellung des alten Systems der Attinenza zu finden sein.

wenn hier nicht frühere Entscheide der Bundesversammlung selbst den Weg zu sperren schienen. Der Kampf über diese umstrittenste aller schwebenden Fragen dürfte weniger zwischen den tessinischen Parteien als zwischen den von den Bundesbehörden gestellten Forderungen und dem alten
Staatsrecht des Kantons Tessin entbrennen.

So sehen wir Schritt für Schritt die Reformen entstehen ; sehreiten sie auch nicht so rasch vor, wie jene lebhafte und ungeduldige Bevölkerung es wünscht, so läßt sich doch nicht leugnen, daß Fortschritte gemacht werden. Und mit ihnen kehrt die Ruhe allmälig in die Gemiither zurück. Auf die Sprache der Zeitungen, welche hierüber Zweifel einflößen kann, darf man nicht allzu großes

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Gewicht legen: man ändert eben seinen Styl nicht von heute auf morgen. Gewiß ist, daß eine die Geschicke des Landes nach den Grundsätzen des Gemeinwohls und nicht nach den Eingebungen der Parteipolitik leitende Regierung, eine sorgsame, unter strenger Kontrole stehende Finanzverwaltuüg, gerechte und mit festen Garantien gegen Willkür umgebene staatliche Einrichtungen und endlich im Genüsse des allgemeinen Vertrauens stehende Gerichtsbehörden diejenigen Elemente sind, durch deren Zusammenwirken die Wurzel der Mißstimmung beseitigt und der Friede in die Gemüther zurückgeführt werden kann.

Dies ist das Werk, an welchem im Kanton Tessin gearbeitet wird. Freilich sind dort Schwierigkeiten zu überwinden, wie sie nirgends so bedeutend auftreten. Auf die Periode der Landvögte folgt in der tessinisehen Geschichte unvermittelt diejenige der ausschließlichen und gewaltthätigen Parteiregierungen, welche den Bürger gelehrt haben, das öffentliche Wohl einzig und allein in dem um jeden Preis zu erringenden Siege seiner Partei zu finden, wodurch dieselbe zur allmächtigen Herrscherin wird. In manchen Familien sind durch abscheuliche Verfolgungen, denen der Mantel der Justiz umgehängt wurde, Rachegelüste großgezogen worden, deren Stimme bis in den Nationalrathssaal widerhallte. Aus dieser Lage der Dinge erklären sich jene Unversöhnlichkeit und jene Gewaltausbrüche, welche den politischen Kämpfen des Kantons Tessin ihr besonderes Gepräge verleihen.

Damit soll keineswegs gesagt sein, daß es diesem so patriotischen und begabten Volk, dessen Angehörige in allen unsern Kantonen so ungetheilte Anerkennung genießen, niemals gelingen wird, zu einem gesunderen Verständniß des öffentlichen Lebens durchzudringen und den Parteigeist in richtige Grenzen zu bannen. Wir haben nie daran gezweifelt und schien uns auch mehr als eine Enttäuschung in neuerer Zeit Lügen zu strafen, so bewahren wir doch die feste Zuversicht, daß die Zeit nicht mehr ferne ist, die im Kanton Tessin den Frieden von den Gernüthern wieder wird Besitz ergreifen und über der Erinnerung an die schlimmen Tage von 1889 und 1890 das Gras der Vergessenheit wird wachsen sehen. Wir wenigstens wollen Alles gethan haben, was in unserer Macht stand, um dieses Ziel zu erreichen.

Nun stellt sich uns die Frage, ob die Verhandlungen in Zürich über die Urheber des Aufstandes
vom 11. September 1890 und diejenigen in Luzern über die Wahlumtriebe von 1889 diesem von der Eidgenossenschaft unternommenen Friedenswerk zuträglich sein werden oder nicht.

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Unsere Ansicht geht dahin, daß sie ihm im höchsten Grude nachtheilig sein werden, ja daß sie, vielleicht auf viele Jahre hinaus, die von den Männern der Versöhnung gemachten Anstrengungen lahm legen werden. Versetzen Sie sich im Geiste in den Gerichtssaal. Wir sind in Zürich. Vor den Schranken stehen 21 Angeklagte mit ihren zahlreichen, aus beiden Parteien rekrutirten Anwälten, Zeugen, deren Zahl vielleicht auf Hunderte sich belaufen wird, Uebersetzer, und auch, nicht zu vergessen, die Zeitungsberichterstatter. Denn da wird nicht nur der Thatbestand desAufstandesa erörtert werden ; hundertstimmig wird die Leidenschaft die game Vergangenheit des Kantons Tessin berichten, zerpflücken und durchwühlen. Und wer will das hindern? Die tessinische Presse wird in besondern Berichterstattungen auch den unbedeutendstenZwischen-fall dieser aufregenden Debatten wiedergeben und einen, vielleicht zwei Monate lang, wird das Tessiner Volk sieh um nichts anderes mehr kümmern und nur noch in jener Literatur schwelgen, aus welcher der alte gegenseitige Haß neue Nahrung ziehen wird.

Schließlich kommt es zum Urtheil. Wie es ausfallen wird, darüber verbietet uns unsere Pflicht auch nur die leiseste Vermuthung zur äußern. Aber das sind wir zu sagen berechtigt: mag das Urtheil wie immer lauten, bei der sich verkürzt wähnenden Partei wird es eine Fluth von Klagen und ein Anwachsen der politischen Leidenschaften zur nothwendigen Folge haben.

Kaum sind die Zürcher Verhandlungen geschlossen, so linden wir in Luzern schon wieder 41 Männer beider Parteien auf der Anklagebank; die Zahl der Anwälte, der Zeugen läßt sich ebensowenig zum Voraus bestimmen, als diejenige der in der tessinischen Praxis so beliebten Vor- und Zwischenfragen; Niemand weiß, wie viele Tage, Wochen, ja vielleicht Monate diese aufregenden Verhandlungen in Anspruch nehmen werden.

Uni wenn endlieh die doppelte Krisis überstanden, die politische Leidenschaft auf ihrem Höhepunkt angelangt ist, mit welcher Aussicht auf Erfolg, so müssen wir uns fragen, wird die Tessiner Regierung ihre nothgedrungen unterbrochene Reformarbeit wieder aufnehmen ?

Wir müssen zugeben, daß a-, oh die Amnestie, wenn sie trotz des Widerstandes einer ganzen Partei ausgesprochen wird, eine ähnliche Erregung der Gemüther hervorzurufen geeignet ist, wie wir sie als nothwendige Folge eines
jeden politischen Prozesses erklären müssen. Wir wiederholen hier, daß unseres Erachtens die Amnestie weit wirkungsvoller gewesen wäre, wenn man sich allgemein damit einverstanden erklärt hätte, ja wir glauben, die Pazifikation

597 des Kantons Tessin wäre heute eine vollendete Thatsache, wenn die Tessiner Regierung sich hätte entschließen können, dem Beispiel ihrer Vorgängerin von 1855 zu folgen und, wie wir es einen Augenblick glaubten hoffen zu dürfen, die Amnestie von sich aus zu beantragen. Allein, wenn wir von unserem Standpunkte aus bedauern müssen, daß, wie es den Anschein hat, eine ganze Partei gegen die Amnestie Front macht, so sehen wir darin doch noch keinen genügenden Grund für die Bundesversammlung, auf die Gel tend mach ung ihrer Befugniß zu verachten. Die durch die Niederschlagung- der Prozesse in einzelnen Kreisen hervorgerufene Bitterkeit wird weder so lange anhalten uoch so tief eingreifen wie die durch die Assisenverhandlungen von Zürich und Luzern in der ganzen Schweiz und besonders im Tessin erzeugte Aufregung.

Wenn man zu befürchten schien, daß die Straflösigkeit der aufrührerischen Handlungen vom 11. September die Wirkung einer Aufmunterung zu fernem Ruhestörungen haben würde, so betrachten wir diese Befürchtungen geradezu als Hirngespinste. Die eidgenössische Intervention, der es ohne Schwertstreich gelingt, die alte Ordnung wieder herzustellen, sie wird für alle Zukunft im Tessin wie anderswo die Wiederholuag ähnlicher Aufstände verhindern. Wir hatten früher, vor 1848, in der Schweiz auch Fälle, in denen Regierungen durch Volkserhebung gestürzt wurden; allein damals beschränkte sich die Bundesbehörde, wie von Blumer-Morel richtig hervorgehoben wird, auf die Anerkennung der vollendeten Thatsache. So geht es seit 1848 nicht mehr. Der Aufstand vom 11. September ist ein Anachronismus ia der Schweizergeschichte, eine Art Gespenst aus vergangenen Zeiten. Wir sind überzeugt, daß es nicht mehr erscheinen wird.

Und sollten wir uns hierin täuschen, sollten in den kommenden Tagen erneute Unruhen den Frieden im Kanton Tessin wiederum bedrohen, so ist wenigstens so viel gewiß, daß weder der Zürcher Prozeß, noch am allerwenigsten die Verurteilungen, die man von daher erwartet, solchen Unruhen vorbeugen oder ihren Ausbruch auch nur um einen Tag verzögern würden. Dies könnte nur von Jemand bezweifelt werden, der niemals ein Geschichtswerk zur Hand genommen hätte.

Das Gleiche gilt nun freilich nicht vom Laster des Wahlbetrngs, woran das öffentliche Leben des Kantons Tessin zum Sehaden dar ganzen Schweiz schon
allzu lange krankt und dessen Auswüchse auch der Wahl Verhandlung vom 3. März 1889 anhaften. Wäre Aussicht vorhanden, durch den Luzerner Prozeß diese bedauerlichen Umtriebe auszurotten, dann müßten wir uns die Frage doppelt überlegen, ob wir ihn durch die Amnestie niederschlagen sollen.

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Allein, mag auch, im Grunde genommen, zwischen Aufruhr und Wahlbetrug in rechtlicher und sittlicher Hinsicht ein himmelweiter Unterschied bestehen, so schien es uns doch moralisch unmöglich, die Amnestie gleichzeitig für das eine Delikt zu ertheilen, für das andere zu verweigern, und dies um so mehr, da wir uns nicht der Hoffnung hingeben dürfen, daß der Luzerner Prozeß an den eingerosteten Wahlgepflogenheiten des Tessiner Volkes irgend etwas ändern werde. Hebt doch schon der Bericht des Generalanwaltes die einer diesbezüglichen Strafverfolgung entgegenstehenden Schwierigkeiten hervor mit dem Ausdruck des Bedauerns darüber, daß die Untersuchung schlüssige Beweise nur gegen untergeorduete Persönlichkeiten, Dank ihrer größern Unbefangenheit und Offenheit, zu Tage gefördert habe, während sich die Hauptpersonen aus der Schlinge zu ziehen wußten. Unter diesen Umständen können wir vom Luzerner Prozeß kein befriedigendes Ergebniß erwarten. Wir glauben, daß das Versehwioden dieser Gewohnheiten, welches in erster Linie im Interesse des Tessiner Volkes selbst liegt, einzig von einer verbesserten Wahlorganisation und vom Nachlassen des Parteifanatistnus zu erwarten ist.

Im Verlaufe der Diskussion über die Erheblicherklämug der Motion Brenner ist nun aber die Ansicht ausgesprochen worden, die Amnestie gehe aus der Schwäche der Regierungen hervor. Das gerade Gegentheil hievon hat ein großer französischer Redner behauptet: ,,Die Amnestie, sagte Gambetta, ist die höchste Staatsweisheit, wenn man die Macht besitzt, dem Aufruhr entgegen zu treten, voa welcher Seite er auch kommen mag.a Hätte Gambetta Beispiele bedurft, die Geschichte unseres Vaterlandes hätte sie ihm geboten. Unsere Kantone wissen von jenen aus dem Kastenöder dem Parteigeist hervorgegangenen Regierungen genug zu erzählen, welche die durch ihre Ausschreitungen hervorgerufenen Volkserhebungen mit der größten Härte unterdrückten ; das Urtheil der Geschichte verdammt sie und sagt ihren Sturz voraus. Wir haben aber auch Staatsmänner besessen, welche edel genug dachten, um einzusehen, daß sich mit Hülfe politischer Prozesse nicht regieren läßt und daß keine Regierung kräftiger dasteht als diejenige, welche die ihr zugefügten Beleidigungen vergißt.

Das in der Eidgenossenschaft seit 1848 am Ruder befindliche Regime hat seiner Gesetzessammlung schon zwei
Amnestiedekrete einverleibt, nämlich dasjenige vom 25. Juli 1855, welches sich gleichfalls auf die Tessiner Angelegenheiten bezieht (vgl. Âmtl.

Samml. a. F. V, 170), und dasjenige vom 16. Januar 1857 betreffend dea Neuenburger Royalistenputsch (vgl. Âmtl. Samml. a. F. V, 526).

599 Was diese letztere Angelegenheit betrifft, so wollen wir uns dabei nicht lange aufhalten. Angesichts des überwiegenden Einflusses, welchen Beweggründe internationaler Natur auf den Erlaß dieses Amnestiebeschlusses ausgeübt haben, läßt sich nicht mehr bestimmen, inwiefern man dabei von dem Wunsche ausging, die Beruhigung der Gemüther im Kanton Neuenburg zu fördern. Heute, nach 35 Jahren, aber dürfen wir behaupten, daß die alten Feinde der Republik sich ohne jenes Amnestiedekret mit dieser Staatsfoi'm nur langsam und niemals völlig ausgesöhnt hätten. Und doch vrar damals viel Bürgerblut geflossen, es war eine wehrlose Frau feig ermordet worden, der Generalanwalt beantragte damals die Versetzung von 82 Personen in Anklagezustand, und der Untersuchungsrichter, Herr Duplan-Veillon, wollte diesen weitere 562 Angeklagte hinzufügen.

Der zweite, vom 25. Juli 1855 datirte Amnestiebeschluß verdient ein längeres Verweilen. Wir befinden uns im Jahre 1854 im Kanton Tessin, an dessen politischem Himmel soeben erst ein gefahrdrohendes Gewitter vorübergezogen ist. Oesterreich hatte nämlich aus der damals unter seiner Herrschaft stehenden Lombardei 4000 Tessiner verbannt und den Kanton Tessin, welchem es Kraft alter Verträge Salz und Getreide liefern sollte, durch eine Blükade abgesperrt. Die Eidgenossenschaft war zum Schutze ihrer Südgrenze und zur Unterstützung der einer Hungersnoth entgegen gehenden Tessiner Bevölkerung eingeschritten, wobei Herr ßourgeoisDoxat als eidgenössischer Kommissär funktionirte. So kommt der Oktober 1854 herbei und mit ihm die Nationalrathswahlen. Bei dieser Gelegenheit versuchen Banden von Konservativen am 26.

und 29. Oktober in Giubiaseo und am 29. Oktober in Agno durch Drohungen und Gewalt ihre politischen Gegner einzuschüchtern und von der Ausübung des Stimmrechts abzuhalten ; verschiedene Bürger werden durch Steinwiirfe und Schusse verletzt. Der Bundesrath eröffnet eine eidgenössische Untersuchung, über deren Ergebniß der Generalanwalt am 12. März 1855 Bericht erstattet. Vierzig der Theilnahme au den Vorgängen in Giubiaseo und acht wegen des Vorfalls in Agno angeschuldigte, sämmtlich der konservativen Partei angehörige Bürger werden von der Anklagekammer den eidgenössischen Assisen überwiesen, während dagegen betreffend die gegen freisinnige Bürger wegen gewisser Unordnungen
in Rusco und Umgebung erhobenen Anklagen Aktenvervollstäodigung augeordnet wird. Wie heute, so hatte auch damals das Bundesgericht beschlossen, den Prozeß nicht vor tessinischen Geschwornen, sondern vor denjenigen des IV. Bezirks verhandeln zu lassen. Der eidgenössische Genemlamvalt hielt es jedoch für äußerst schwierig, die

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Angeklagten und die Zeugen, ein kleines Heer gegenseitig tödtlich verfeindeter Tessiner, nach Chur überzuführen, ja er sprach sogar von damit verbundenen Gefahren ; er war vielmehr der Ansicht, man solle die Assisen des IV. Bezirks nach dem Tessin verlesen O und sie dort irgendwo ihre Sitzung abhalten lassen. Im Einverständniß mit dem Bundesrath stellte er einen dahin zielenden Antrag bei der Anklagekammer, welche ihrerseits den Assisenpräsidenten ermächtigte, den Ort der Verhandlungen nach seinem Ermessen anzusetzen.

Da kam am 2. April, unmittelbar vor der Einberufung der Assisen, die liberale Tessiner Regierung, an ihrer Spitze Luvini, Rusca und Jauch, beim Bundesrath um den Erlaß eines Amnestiedekretes ein. Das bezügliche Gesuch wurde vom eidgenössischen Kommissär, Herrn Bourgois-Doxat, mit einem empfehlenden Vorbericht an den Bundesrath einbegleitet, und dieser legte der Bundesversammlung den aus Dr. Furrer's Feder stammenden Entwurf eines Amnestiebeschlusses vor, welcher am 24. und 25. Juli 1855 genehmigt wurde.

Es ist heute von Interesse, einige Stellen aus dem Schreiben der Regierung von 1855 in Erinnerung zu bringen. Der Staatsrath sagt: ,,Die erneute Vorführung derjenigen Vorgänge, welche, die Untersuchung veranlaßt haben, ist sozusagen gleichbedeutend mit der Wiederbelebung der Aufregung, von welcher jene Vorfälle hegleitet waren. Sie wissen, wie ansehnlich die Zahl der Angeklagten und der Zeugen ist, zu denen beide Parteien ihr Kontingent stellen, und man kann geradezu behaupten, daß der größte Theil der Kantonsbevölkerung an den Verhandlungen Antheil nehmen und daran für seine Leidenschaft neue Nahrung finden wird, während doch die dem Prozeß zu Grunde liegenden Vorgänge längst keinen praktischen Werth mehr haben. Erwägungen verschiedenster An, fährt die Regierung fort, sprechen für unser Gesuch: da die tessinischen Geschwornen ausgeschlossen sind, so werden Beugen und Angeklagte weder die Sprache der Geschwornen noch diejenige des Gerichtshofes sprechen; ein Geschworner aber, der selber nicht versteht, was die Angeklagten und die Zeugen vorbringen, spielt eine Rolle, die mit der Idee des Geschwornengerichtes in grellstem Widersprüche steht . . . . Dazu kommt noch, daß der Generalanwalt die Angeklagten aufgefordert hat, ihre Verteidigung in deutscher Sprache anbringen zu lassen. Wie
sollen sich denn die Angeklagten überzeugen, daß sie richtig vertheidigt werden, wen u sie von der ganzen Rede ihres Vertheidigers kein Wort verstehen, und wie soll aus diesem eigentümlichen Schauspiel Achtung fèr die neugeschaffenen eidgenössischen Einrichtungen erwachsen? Sie

601 werden sich, Herr Kommissär, der Einsicht nicht verschließen können, daß die Amnestie für die Würde der eidgenössischen Einrichtungen ebenso nothwendig ist als für die Beruhigung des Kantons Tessin.tt Dies war die Sprache, welche die Tessiner Regierung im Jahr 1855 führte, als sie die Amnestirung ihrer politischen Gegner nachsuchte.

Vielleicht wird die Bundesversammlung den Eindruck erhalten, daß der eine oder andere der unter Luvini's Regiment geltend gemachten Gründe auch heute noch maßgebend ist.

Damit schließen wir die sehr gedrängte Zusammenfassung derjenigen Erwägungen, welche uns dazu geführt haben, die vom Nationalrath erheblich erklärte Motion durch die Vorlage eines Beschlußentwurfes zu beantworten, der die Niederschlagung der beiden Tessiner Prozesse auf dem Wege der Amnestie bezweckt.

Wenn wir für die Strafverfolgung betreffend die Tödtung des Staatsraths Luigi Rossi der Gerechtigkeit freien Lauf lassen, so ist dieser Vorbehalt unseres Brachtens so sehr gegeben, Haß er einer besonderen Rechtfertigung gar nicht Wdarf.

Der Bundesrath hat die Frage erörtert, ob mit der Amnestiefrage auch Anträge über die Interventionskoaten von 1889 und 1890 zu verbinden seien. Nach reiflicher Prüfung hat er es vorgezogen, diesen Gegenstand auf den übrigens sehr nahe bevorstehenden Zeitpunkt vorzubehalten, an welchem er der Bundesversammlung seinen Schlußbericht über diese Interventionen wird vorlegen können.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 15. Juni

1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, ' Der Bundespräsident :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bimdesbeschluß betreffend

die in Folge der Vorgänge im Kanton Tessin vom Februar und März 1889 und September 1890 an die eidgenössischen Assisen überwiesenen Prozesse.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung des Artikels 85, Ziffer 7, der Bundesverfassung ; nach Einsicht eines Beschlusses des Nationalrathes vom 8. Juni 1891, wonach in Folge einer Motion der Herren Nationalrath Brenner und Genossen der Bundesrath eingeladen wird, über die Frage Bericht und Antrag zu bringen, ob und in welcher Ausdehnung eine Amnestie auszusprechen sei, wegen der den eidgenössischen Assisen überwiesenen Vorfälle im Kanton Tessin vom September 1890 und Februar und März 1889; auf den Antrag des Bundesrathes vom 15, Juni 1891, beschließt: 1. Die an die eidgenössischen Assisen nach den Beschlüssen der Anklagekammer des schweizerischen Bundesgerichtes vom 6. April 1891 betreffend den Aufstand im

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Kanton Tessin vom 11. September 1890 und vom 23. und 30. April 1891 betreffend die Wahlen vom 3. März 1889 für die Ernennung der Mitglieder des Großen Käthes im Kanton Tessin üherwiesenen Prozesse sind niedergeschlagen.

2. Der Prozeß betreffend die Tödtung von Staatsrath Rossi wird seinen Fortgang nehmen und ist derselbe in dem gegenwärtigen Amnestiebeschluß nicht Inbegriffen.

3. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses, der sofort in Kraft tritt, beauftragt.

604 Beilage I.

Schweizerisches Bundesgericht.

Die Anklagekammer des schweizerischen Bundesgerichtes hat in ihren am 23. April 1891, Vormittags 10 Uhr, und 30. April 1891, Vormittags 11 Uhr. im Bundesgerichtsgebäude zu Lausaune abgehaltenen Sitzungen, an welchen Theil genommen haben die Herren Dr. Hafner, Vizepräsident des schweizerischen Bundesgerichtes, als Vorsitzender, Bundesrichter Weber und Soldan, als Mitglieder, Bundesgerichtsschreiber Dr. Rott, als Protokollführer, in Sachen der schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch den Generalanwalt Nationalrath B e z z o la, gegen Personen, welche durch Gaben, Versprechungen oder Drohungen auf die tessinischen Großrathswahlen vom 3. März 1889 einen Einfluß auszuüben versucht oder welche für ihre Stimmabgabe bei diesen Wahlen Gaben oder sonstige Vortheile angenommen haben, nach Einsicht der auf den Beschluß des Bundesrathes vom 25. März 1889 geführten Untersuchung, sowie der Berichte der Bundesanwaltschaft, d. d. 10. Februar 1890, März 1890, 20. März, 1890, April 1890, 8. Juli 1890, Juli 1890, der Anklagekammer übermittelt mit Schreiben vom 4. Dezember 1890, nach in geheimer Sitzung gepflogener Berathung,

i n E rw ä g u n g :

I. Daß die Bundesanwaltschaft beantragt, es seien in Anklagezustand zu versetzen die folgenden Personen : a. gemäß Bericht vom iO. Februar 1890 : 1. T o r r i , B a t t i s t a , di Torre (Bericht Nr. 5), wegen Annahme von Geschenken im Sinne des Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts ;

605 2. G i a n e l l a , A n g e l o , fu Giuseppe, Metzgereidirektor, von Dongio, sowie 3. B e r t o n i , G i u s e p p e , fu Pietro Antonio, von Lottigna, Metzger (Bericht Nr. 5), wegen strafbarer Wahlbeeinflussung im Sinne von Art. 49 b des Bundesstrafrechts ; 4. D e l l ' O r o , S t e f a n o , fu Giuseppe, von Torre (Bericht Nr. 5), wegen Versuches des in Art. 49, litt, b cit., mit Strafe bedrohten Vergehens; 5. T o r ria. ni, C a r l o , fu Ambrogio, von Torre (Bericht Nr. 5), wegen Versuches des in Art. 49, litt, b cit., mit Strafe bedrohten Vergehens; 6. T o g n i , L u i g i , fu Giuseppe, di Semione (Bericht Nr. 7), wegen Versuches des gleichen Vergehens; 7. S t r a z z i n i , G i o v a n n i P i e t r o , fu Giov., di Semione (Bericht Nr. 7), wegen Versuches des gleichen Vergehens; 8. A r c i o n i , L u i g i , fu Antonio, Advokat und Notar, Gemeindepräsident von Corzoneso, Schreiber des Bezirksgerichtes Elenio, in Dongio (Bericht Nr. 8), wegen Versuches des gleichen Vergehens; 9. C u s i , G i u s e p p e , fu Carlo, von Olivone, Angestellter bei Gebrüder Gatti in London (Bericht Nr. 9), wegen Versuches des gleichen Vergehens; 10. P i a z z a , P i e t r o , fu avv. Domenico, von Olivone (Bericht Nr. 11), wegen des in Art. 49, litt, b cit., mit Strafe bedrohten Vergehens; 11. V a n b i a n c h i , Giov., fu Tommaso, von Campo (Bericht Nr. 11), wegen Annahme von Geschenken im Sinne des Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts; 12. E m m a , Dr. A l f r e d o , von Olivone (Bericht Nr. 18), wegen versuchter strafbarer Wahlbeeinflussung (Art. 49, litt, b, des Bundesstraf'rechts) ; 13. C i z z io, G i u l i o , fu Nazzaro, di Corzoneso, wegen mehrfachen Versuches des gleichen Vergehens (Bericht Nr. 32); 14. B a v e t t a , F e l i c e , di Giuseppe, von Leontica, wegen Versuches passiver Wahlkorruptiou nach Art. 14 und 49 c des Bundesstrafrechts (Bericht Nr. 4 b) ; 15. B e z z i n i , Gius., fu Gius., von Comprovasco, wegen Versuches des in Art. 49 b des Bundesstrafrechts mit Strafe bedrohten Vergehens (Bericht Nr. 4 b) ; 16. G i a n e l l a , E u g e n i o , fu Giovanni, von Leontiea, wegen Versuches des gleichen Vergehens (Bericht Nr. 4b); Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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b. gemäß Bericht vom März 1S90: M o n i g h e t t i , A l e s s a n d r i n a , Frau des Großrathes Venanzio Monighetti in Biasca, wegen Versuches des in Art. 49 b des Bundesstrafrechts mit Strafe ' bedrohten Vergehens (Bericht Nr. 2); T o n a s e l a , G i u s e p p e , detto Mazzino, aus Intragna (Bericht Nr. 5), wegen Annahme von Geschenken im Siuae des Art. 49c des Bundesstrafrechts; M a g g e t t i , G i u s e p p e , fu Paolo, aus Intragn» (Bericht Nr. 6), wegen des in Art. 49 b des Bundesstrafrechts mit Strafe bedrohten Vergehens; A n d r e o t t i , S e r a f i n o , di Giuseppe, aus Piazzogna (Berieht litt. D, Nr. 1), wegen Versuches unerlaubter Wahlbeeinflussung nach Art. 14 und 49 b des Bundesstrafrechts) ;

c. gemäß Bericht vom 20. März Ì890: 21. D e l m e n i c o , C a r l o , di Giuseppe, di Novaggio (Bericht Nr. 1), wegen Versuches unerlaubter Wahlbeeinflussuug nach Art. 14 und 49b des Bundesstrafrechts; 22. C h i e s a , G i u s e p p e , fu Emiliano, di Sessa-Iìeredino (Bericht Nr. 4, 1), wegen des in Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts mit Strafe bedrohten Vergehens; 23. D e a m b r o g i , G i a c o m o , Gemeinderath, von Sessa (Bericht Nr. 4, 2), wegen des in Art. 49, litt, b, des Bundesstrafrechts mit Strafe bedrohten Vergehens; 24. M a s c h i e t t i , Giov., fu Giov. Felice, di Pescoggia (Bericht Nr. 27, 1), wegen Annahme von Geschenken im Sinne des Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts; 25. N e g r i , V i t t o r e , sindaco, von Fescoggia (Bericht Nr. 27, 2), wegen strafbarer Wahlbeeinflussung gemäß Art. 49 , litt, b, des Bundesstrafrechts; 26. F u g a z z a , D o m e n i c o , fu Giovanni, di Curio (Bericht Nr. 31), wegen Versuches der Wahlkorruption gemäß Art. 49, litt, b, und Art. 14 des Bundesstrafrechts ; 27. P i a z z i n i , D o m e n i c o , di Domenico, von Curio (Bericht Nr. 32), wegen Versuches für seine Stimmabgabe ein Geschenk zu erlangen gemäß Art. 49, litt, c, und Art. 14 des Bundesstrafrechts ; 28. C o n t i n i , B e n i a m i n o , di Magliaso, in Piémont (Bericht Nr. 42 und 43), wegen des in Art. 49, litt, b, des Bundesstrafrechts mit Strafe bedrohten Vergehens ;

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29. M o n t i , A n g e l o , di Antonio, von Magliaso (Bericht Nr. 43), wegen Annahme von Geschenken im Sinoe des Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts; d. gemäß Bericht vom April Ì890: 30. L e s n i n i , B e r n a r d o , di Bei-nardo, di Frasco (Bericht Nr. 4, S. 15), wegen passiver Wahlkorruption i in Sinne des Art. 49 c des Bundesstrafrechts; 31. L u r a t i , G i o v a n n i , Advokat, von Lugano (Bericht Nr. 5, 8. 15), wegen des in Art. 49 b des ßundesstrafrechts mit Strafe bedrohten Vergehens ; 32. M o g h i n i , E l i a , fu Fiorenzo, di Comano, wegen Versuches des in Art. 49, litt, b, des BundesstrafVechts mit Strafe bedrohten Vergehens (Bericht Nr. 17, S. 17); 33. P e s c i a , P a o l o , di Giovanni, di Comano, wegen Versuches des gleichen Vergehens (Bericht Nr. 18, S. 17); 34. B a l m e l l i , B e n v e n u t o , di Giovanni, di Vezia (Bericht Nr. 29, S. 22), wegen mehrfacher Wahlkorruption im Sinne des Art. 49, litt, b, des Bundesstrafrechts ; 35. D a l d i n i , I g n a z i o , di Gius., di Vezia (Bericht· Nr. 30, S. 22), wegen Versuches des in Art. 49, litt, b, des Bundesstrafrechts mit Strafe bedrohten Vergehens; 36. M o g h i n i , F i o r e n z o , fu Fiorenzo, di Comano (Bericht Nr. 38, S. 26), wegen wiederholten Versuches strafbarer Wahlbeeinflussung im Sinne des Art. 49, lilt. b, des Bundesstrafrechts ;

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e. gemäß Bericht vom 8. Juli 1890 : B a l z a r d i , G i o v a n n i , fu Eugenio, di Sigirino (Bericht litt. A, Nr. 7, S. 8), wegen verübter und versuchter aktiver 'Wahlkorruption im Sinne des Art. 49, litt, b (a 14), des Bundesstrafrechts ; Dr. C o r t a z z i , E m a n u e l e , von Sigirino (Bericht litt. A, Nr. 8, 8. 8), wegen der gleichen Vergehen; B a l u a r d i , B e n i a m i n o , fu Francesco, von Sigirino (Bericht litt. A, Nr. 9, S. 8), wegen passiver Wahlkorruption im Sinne des Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts; F e r r a r i , G i o v a n n i , fu Cipriano, di Vaglio (Bericht litt. A, Nr. 23, S. 15), wegen Versuches der Wahlbestechung im Sinne des Art. 49, litt, b, des Bundesstrafrechts;

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41. B o s s i , C h e r u b i n o , di Cimadera (Bericht litt. B, Nr. l, S. 23), wegen strafbarer Wahlbeeinflussung im Sinne von Art. 49, litt. b. des Bundesstvafrechts ; 42. S o l d a t i , P a o l o , von Cimadera (Bericht litt. B, Nr. 2, S. 23), wegen des gleichen Vergehens; 43. M o r e s i , P i e t r o , fu Francesco, di Cimadera (Bericht litt. B, Nr. 2 c, S. 24), wegen Annahme von Geschenken im Sinne von Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts; 44. B a r i f f i , A n t o n i o , fu Gius., di Castagnola (Bericht litt. B, Nr. 10, S. 28), wegen versuchter Wahlkorruption im Sinne des Art. 49, litt, b, des Bundesstrafrechts.

H. Daß die Bundesanwaltschaft dagegen beantragt, es solle die Sache auf sich beruhen bleiben in Betreff folgender Fälle: a. gemäß Bericht vom 10. Februar 1890: 1. Angebliche Wahlbestechungen bei Degiorgi in Aquila (Bericht Nr. 1); 2. Transport von 15,000 Franken in Silber zur Bestechung von Wählern für Rechnung von Nationalrath Gatti und andern (Bericht Nr. 2); 3. Agostino Gatti, Nationalrath, angebliche Wahlbestechung (Bericht Nr. 3); 4. Piazza, Martino, Großrath (Bericht Nr. 10); 5. Cima, Luigi (Bericht Nr. 12); 6. Protti, Francesco (Bericht Nr. 13); 7. Delmonico, Matteo, di Campo (Bericht Nr. 15); 8. Cozza, Luigi, fu Giovanni (Bericht Nr. 16) ; 9. Righenzi, Leonardo und dessen Mutter Mdm. Piere (Bericht Nr. 17); 10. Advokat Plinio, Bolla, in Olivone (Bericht Nr. 19); 11. Monico, Giacomo, fu Giovanni, di Dongio (Bericht Nr. 20); 12. Giuseppe und Leopoldo Gianella, di Comprovasco (Bericht Nr. 24); 13. Polli, Giuseppe und Cesare, von Olivone (Bericht Nr. 25); 14. Zanetti, Placido, in Olivone (Bericht Nr. 26); 15. Carlo Frusetta, fu Giacomo, in Prugiasco (Bericht Nr. 27); 16. Giuseppe Veglio, fu Giacomo, von Corzoneso (Bericht Nr. 28); 17. Tettamanti, von Lugano, in London (Bericht Nr. 30");

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Romagnoli, Luigi, von Marolta (Bericht Nr. 34); Jametti, Felice, di Ponte-Valentino (Bericht Nr. 35) ; Ernma, Carlo Giuseppe, von Campo (Bericht Nr. 36) ; Vanazzi, Celeste, fu GioV., di Ponte-Valentino (Bericht Nr. 37); Sala, Giovanni, fu Märt., von Campo (Bericht Nr. 39) ; Broggi, Stefano, fu Filippo, von Campo (Bericht Nr. 40) ; Malquarti, Battista, fu Giov., von Olivone (Bericht Nr. 41) ; Gianella, Avv. Felice, in Comprovasco (Bericht Nr. 42); Monico, Costante, von Dongio (Bericht Nr. 44); b. gemäß Bericht vom März 1890: Demaria, Luigi, Direktor der kantonalen Typo-Lithographie, in Bellenz (Bericht litt. B, Nr. 1); Jelmorini, Pietro, fu Gottardo, aus Intragna, Kaminfeger (Bericht litt. C, Nr. 1); Dr. Simoni, Geremia, von Locamo (Bericht litt. C, Nr. 2); Rossi, Rosa, geb. Giovanacoi, in Locamo (Bericht litt. C, Nr. 3); Maggetti, Gottardo und Maggetti, Pio, fu Paolo, d'Intragna (Bericht litt. C, Nr. 4 u. 7); Tonasela Giuseppe, fu Benedetto, detto il frate, aus Intragna (Bericht litt. C. Nr. 8) ; Pedrotta, Carlo, fu Pietro Antonio, aus Gelino, Intragna (Bericht litt. C, Nr. 8 a) ; Maggetti, Luigi, Regierungssekretär, aus Intragna, in Bellenz (Bericht litt. C, Nr. 10l; Piazzoni, Salvatore, fu Giuseppe, aus Intragna (Bericht litt. C, Nr. 11); Turri, Giovanni, fu Giov. Carlo, aus Intragna (Bericht litt. C, Nr. 12); Jelmorini, Paolo, fu Pietro, Sektionschef, von Intragna (Bericht litt. C, Nr. 13); Maggetti, Carlo, Ingegnere, aus Intragna (Bericht litt. C, Nr. 15); Galli, Giuseppe, fu Gius., di Gerra Gambarogno (Bericht litt. D, Nr. 2 a); Della Giacoma, Rosa, di Caviano (Bericht litt. D, Nr. 2 b) ; Regierungsrath Regazzi, Pietro, di Giuseppe, di Vira-Garnbarogno (Bericht litt. D, Nr. 2c);

610 42. angebliche Wahlbeeinflussungen durch kantonale Militärbehörden : a. die kantonale Militärdirektion in Bellinzona (Bericht litt. F, Nr. 1); b. Meschini, Gioachimo, Direktor des kantonalen Arsenals, in Bellinzona (Bericht litt. F, Nr. 2); c. Ghezzi, Severino, Sektionschef, in Sigirino (Bericht litt. F, Nr. 3); d. Giambonini, Policarpo, Gemeindesekretär, Sektionschef, in Gandria (Bericht litt. F, Nr. 4); e. Dr. Reali, in Cadrò (Bericht litt. F, Nr. 5};

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c. gemäß Bericht vom 20. März 4890: Rossi, Ingegnere Rinaldo, von Sessa, Sindaco (Bericht S. 4); Deambrosi, Filippo, fu Luigi, di Monteggio (Bericht S. 7); Ramponi, Carlo, di Monteggio (Bericht S. 8); Ballinari, Bernardo, detto Barba, di Monteggio (Bericht 8. 8); Colombo, Giovanni, di Pontetresa (Bericht S. 9); Bella, Pietro, Sindaco, di Pontetresa (Bericht S- 9); Conti, Carlo, fu Gius. Antonio, di Barico (Bericht S. 11); Berteli, Rosa, del vivente D. Giuseppe, in Pontetresa (Bericht S. 12); Rossi, Pietro, fu Giovanni, di Castelrotto (Bericht S. 12); Trezzini, Angelo, fu Gaspare, di Astano (Bericht S. 13) ; Bachetta, Richarde, di Battista, di Astano (Bericht S. 14) 5 Boschetti, Gius., fu Battista, di Biogno-Beride (Berichts. 17); Anastasia, Annibale, di Andrea, di Breno (Bericht S. 17) ; Felloni, Senatore, fu Raffaele, di Breno (Bericht S. 21); Demarta, Griov., fu Pietro, detto Battistela, di Novaggio (Bericht S. 22); Bertoli, Professore, Giuseppe, di Novaggio (Bericht S. 22); Zaniûi, Filippo, di Miglieglia (Bericht S. 27); Deltnenico, Pietro, fu Gius., di Novaggio (Bericht S. 28) ; Rossi, Remigio, fu Gaspare, di Curio (Bericht S. 31); Azzi, Avvocato, Francesco, di Castano (Bericht S. 31); Casserini, Martino, di Gius., di Pura (Berieht S. 34) ; Papis, Domenico, fu Gerolamo, di Pura (Bericht S. 34) ; Crescionini, vedova Eugenia, di Magliaso (Bericht S. 35);

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Crescionini, Leopoldo, fu Nicola, di Magliaso (Bericht S. 35) ; Righini, Stefano, fu Gius., di Bedigliora (Bericht 8. 39); Grassi, Antonio, di Giacomo, di Bedigliora (Bericht S. 39) ; Bai, Giuseppe, fu Antonio, a Magliaso (Bericht S. 40); Soldati, Agostino, Ständerath, in Lugano (Bericht S. 40) ; Pellegrini, Carlo e Gaetano, di Luigi, in Pontetresa (Bericht S. 41); Ronchetti, Angelo, fu Santino, di Croglio Purasca (Bericht 8. 43); Paltenghi, Angelo, di Gius., di Purasca (Bericht S. 43); Negri, Agostino, fu Matteo, di Fescoggia (Bericht S. 45); Negri, Luigi, fu Michele, die Fescoggia (Bericht S. 46); Maricelli, Giacomo, di Bedigliora (Bericht S. 46); Pelli, Disma, fu Giov., di Aranno (Bericht S. 47); Pelli, Carlo, fu Tobia (Bericht S. 47); Destefani, Cipriano, fu Vittore, di Aranno (Bericht S. 47) ; Banchini, Pietro, oste, di Curio (Bericht S. 48) ; Trezzini, Enrico, di Ferdinande, di Astano (Bericht S. 14); Pelli, Antonio, fu Vittore, di Pura (Bericht S. 38);

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d. gemäß Bericht vom April Ì890: Bernardino, Gagliardi, Pfarrer, von Vezia (Bericht S. 3) ; Don Eduardo Daldini, Priester, von Vezia (Bericht S. 3); Rev. Malfanti, Pfarrer, Forza (Bericht S. 4); Soldini, Francesco, fu Gerolamo, von Comano (Bericht S. 6) ; Lucchini, Benedetto, von Comano (Bericht 8. 6); Polar, Ignazio, Nationalrath, di Breganzona (Bericht S. 7); Ghezzi, Carlo, fu Gius., von Lamone (Bericht S. 10); Balmelli, Ferdinando, fu Carlo, von Lamone (Bericht S. 13); Induni, Filippo, fu Antonio, von Lamone (Bericht S. 13); Corecco, Giov., di Gius., Capolinea, Lugano (Bericht S. 13); Rossinelli, Benedetto, di Lamone (Bericht S. 13); Cameroni, Samuele, fu Daniele, di Massagno (Bericht S. 15); Cameroni, Giuseppe, Wirth, in Massagno (Bericht S. 15) ; Ponti, Giovanni e Carlo, di Bei-nardo, Massagno (Bericht S. 16); Buzzi, Advokat, Giovanni, Sindaco, di Forza (Bericht S. 19); Foletti, Giov., fu Pietro, di Forza (Bericht S. 19);

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Saroli, Michele, von Cureglia (Bericht S. 20); Brilli, Guido, von Cureglia (Bericht S. 20); Bernasconi, Stefano, von Cureglia (Bericht S. 20); Tarilli, Salvatore, fu Giovanni, di Cureglia (Berieht S. 20); Saroli, Enrico, fu Francesco, di Cureglia (Bericht S. 21); Dr. Lampugnani, Virgilio, in Lugano (Bericht S. 21); Camuzzi, Deraetrio, di Montagnola (Bericht S. 21) ; Vicari, Eduarde, di Avv. Natale, di Agno (Bericht S. 21); Daldini, Giacomo di Gius., di Vezia (Bericht 8. 22); Olgiati, Giovanni, Wirth, in Sorengo (Bericht S. 23); Dozio, Giovanni, fu Giosuè, di Calpriuo (Bericht S. 23) ; Bernasconi, Gaetano, fu Gaetano di Lugano (Bericht S. 24) ; Bottinelli, Lorenzo, di Cadempino (Bericht S. 24"); Crivelli, Cesare di Giovanni, von Cadempino (Bericht S. 24) ; Daldini, Luigi, di Cadempino (Bericht S. 25); Solari, Paolo, esattore cantonale, in Lugano (Bericht 8. 26) ; Somazzi, Elia, segretario, di Forza (Bericht S. 27) ; e. gemäß Bericht vom 8. Juli 4890 : Boscacci, Carlo, fu Lucio, von Bogno (Bericht S. 25); Scopetti, Sisto, della Cortina (Bericht S. 25); Moresi, Natale, fu Michele, di Gei-tara (Berieht S. 25) ; Lucca, Amadio, di Angelo, di Signora (Bericht S. 2(5); Gianini, Francesco, fa Luigi, di Corticiasca (Bericht S. 26) ; Quadri, Pietro, fu Pietro, di Balera'», in Davesco-Soragno (Bericht S. 27); Bossi, Francesco, fu Bart., Lugano (Bericht S. 29); Holtmann, Francesco, Lugano (Berieht S. 30) ; Demarchi, Antonio, fu Domenico, Gandria (Bericht S. 32); Enderlin, Giacomo, in Lugano (Bericht S. 33); Dr. Alfred Buzzi, in Lugano (Bericht 8. 33); Ghezzi, Giovanni, fu Ludovico, di Sigirino (Bericht S. 3); Crivelli, Gius., fu Mario, di Torricella (Bericht S. 4); Crivelli, Alberto, fu Mario, di Torricella. (Bericht S. 5); Peti-occhi, Michele, di Anlonio, di Torricella (Bericht S. 5); Talamona, Giov., fu Pietro, di Taverna (Bericht S. 9); Belletti, Pietro Antooio, di Torricella (Bericht S. 9);

613 133. Morandi, Carlo, Wirth, in Manno (Bericht S. 10); 134. angeblicher Versuch der Radikalen, Giuseppe Costante Casanova, Sanoi, Giuseppe, und Grignoli, Tommaso, zu bestechen (Bericht S. 10); 135. Quadri, Pietro, von Manno recte Bigorio (Bericht S. 11); 136. Scalmanini, Costante, Wirtb, in Tesserete (Berieht S. 11); 137. Domeniconi, Paolo, Impiegato postale, Bidogno (Bericht S. 12) ; 138. Quirici, Gerolamo, Cavaliere, in Bidogno (Berieht S. 12); 139. Mari, Antonio, fu Pietro, di Lopagno (Bericht S. 13); 140. Domeniconi. Giovanni, fu Gius., di Lopagno (Berieht S. 14) ; 141. Fraschina, Beruardo, di Dom., di Tesserete (Bericht S. 15); 142. Dr. Reali, Giovanni, di Cadrò (Bericht S. 16); 143. Jermini, Giacomo, fu Giacomo, di Torricella (Bericht S. 19); 144. Ghezzi, Eduardo, von Sigirino (Bericht S. 8);

145.

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164.

f. gemäß Bericht vom Juli '1890: Cereghetti, Gaetano, detto Galli, von Rovio (Bericht S. 3); Gonza, E mesto, di Marco, von Rovio (Bericht S. 3); Della Santa, Giovanni, von Rovio (Bericht S. 4); Bagutli, Dr., Andrea, von Rovio (Bericht S. 4); Bernasconi, Giu's., di Francesco, von Pazzallo (Bericht S. 6); Bernasconi, Angelo, fu Giov., von Calprino (Bericht S. 6); Bosia, Giov., oste del Paradiso, in Calprino (Bericht S. 6); Galloni, Raffaele, di Gius., von Pazzallo (Bericht S. 7); Bossi, Abelardo, von Pazzallo (Bericht 8. 7), Bossi, Francesco, fu Bart., von Lugano (Berieht S. 7); Triulzi, Giov. Batt, von Cadepiano (Bericht S. 8j ; Conti, avvocato, Staatsanwalt, in Lugano (Bericht S. 11); Fossati, Errnenegildo, Gemeindeschreiber, von Meride (Bericht S. 12); Clerisetti, Domenico, di Benigno, von Scudellate (Bericht S. 15); Lupi, Noè, von Bruzzella (Bericht S. 16); Bossi, Vicenzo, von Bruzzella (Bericht S. 17) ; Donegani, Dr., Giuseppe, von Morbio superiore (Bericht S. 17j ; Fontana, vedova, Marianna, von Maggia (Berieht S. 17); Angebliche Bestechung von Wählern durch die Radikalen von Coldrerio (Bericht S. 20); Denunziation Nr. 475, 8., 9., 10., 11. (Bericht S. 13 und 14).

614 III. Daß die Bundesanwaltschaft endlich in Bezug auf eine dritte Kategorie von Anschuldigungen erklärt, sie sei nicht in der Lage, eiaen Antrag zu stellen, bezw. beantragt, es habe die Sache vorläufig auf sich beruhen zu bleiben, weil die Untersuchung nicht zum Abschlüsse habe gebracht werden können, nämlich in Betreff folgender Fälle : a. gemäß Bericht vom iO. Februar Ì890: \.

2.

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5.

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8.

9.

10.

Cima, Giovanni, von Aquila, in London (Bericht Nr. 6); Righenzi, Giov., fu Giov., von Malvaglia (Bericht Nr. 21) ; Righenzi, Celestino, fu Giov., von Malvaglia (Bericht Nv. 22) ; Righenzi, Ferdinando, fu Giov., von Malvaglia (Bericht Nr. 23) ; Demaria, Alessandro, fu Angelo, di Leontica (Bericht Nr. 29) 5 Baggi, Taglia, Emilio, di Giacomo, von Malvaglia (Bericht Nr. 3l); Sorgesa, Angelo, von Corzoneso (Bericht Nr. 33) ; Dalberti, Ambrogio, di Campo (Bericht Nr. 38); Reggiori, Luigi, di Daogio (Bericht Nr. 43); Ferrari, Celestino, Pfarrer, von Semione (Bericht Nr. 14); b. gemäß Bericht vom 20. März Ì890:

11. Paltenghi, Fortunato, di Barico (Bericht S. 11); 12. Rossi, Giuseppe, di Giovanni, di Ronco Troglio (Bericht S. 16); 13. Gambazzi, Carlo, fu Giovanni, di Novaggio (Berieht S. 23); 14.«Jermini, Antonio, di Novaizgio (Bericht S. 23); 15. Cantoni, Elvezio, di Siro, di Novaggio (Bericht 8. 24); 16 a. Beruaseoni, Andrea, di Magliaso (Berieht S. 28); 16 b. Bernasiioni, Domenico, di Curio (Bericht S. 31); 17. Andina, Giuseppe, di Curio (Bericht S. 32); 18. Notari, Giovanni, di Matteo, di Curio (Bericht S. 33) ; 19. Beinasconi, Giuseppe, di Magliaso (Berieht S. 38); 20. Molina, Battista, di Magliaso (Bericht S. 38); 21. Baroni, Giuseppe, Pontetresa (Bericht 8. 42) ; 22. Rossi, Luigi, Dr. in legge, di Castelrotto (Bericht S. 42); 23. Bragoni, Giuseppe und Martino (Bericht S. 40];

615 c. gemäß Bericht vom --. April 4890 : 24. Petrini, Pietro, fu Pasquale, Comano (Bericht 8. 18); 25. Pietra, Angelo (Bericht S. 18); d. gemäß Bericht vom 8. Juli 4890: 26. Moghini, Pietro, Ghezzi, Severino und Marielloni, Sebastiano, von Sigiri.no (Bericht S. 4); 27. Canonica, Gius., Tenente, von Bidogno (Bericht S. 11); 28. Canonica, Antonio, Maestro (Bericht 8. 12} ; 29. Denunziation Severino G-hezzi (welche zu spät eingereicht wurde) (Bericht Si 19); 30. Ender, Carlo, di Castagnola (Bericht S. 29); 31. Carati, Beniamino, fu Gius., di Bré (Bericht S. 31); e. gemäß Bericht vom --. Juli Ì890: 32. Scacchi, Giuseppe, 33. Fontaria, Costante, S. 15); 34. Testorelli, Valente, 35. Ginella, Emilio, fu

von Arzo (Bericht S. 12) ; Caposezione, von Morbio superiore (Bericht von Morbio superiore (Bericht S. 15); Agostino, von Stabio (Bericht S. 17).

IV. Daß in rechtlicher Beziehung die Anklagekammer zunächst die Kompetenz der Buadesstrafgericbte zu prüfen hat; daß diese aber zu bejahen ist, da die eingeklagten Wahldelikte in kausalem Zusammenhange mit Unruhen stehen, welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention herbeigeführt haben ; daß die Anklagekamrner die Voraussetzungen der Versetzung in Anklagezustand in Betreff der oben sub I. 1--5,10--12, 18--20, 21--29, 30-36, 37--44; II. 4, 7, 23, 38, 115, 126 genannten Angeschuldigten für gegeben erachtet; daß die üeberweisung der sub I. 1, 11, 18, 22, 24, 29, 30, 39, 43; II. 23 bezeichneten Angeschuldigten wegen des in Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts bezeichneten Vergehens, diejenige des sub I. 27 genannten Angeschuldigten wegen Versuches dieses Vergehens zu erfolgen hat ; daß die sämmtlichen übrisen in Anklagezustand zu versetzenden Angeschuldigten dagegen wegen des vollendeten Vergehens des Art. 49, litt. lti des Bundesstrafrechts zu überwachen sind; O

D

616 daß es nämlich als unrichtig erscheint, wenn die Bundesanwaltschaft die unter I. 4, 5, 12, 20, 21, 26, 32, 33, 35, 36, 40, 44 bezeichneten Angeschuldigten (weil die Wähler, deren Stimmabgabe sie widerrechtlich haben beeinflussen wollen, auf die gemachten Zumuthungen nicht eingegangen seien") nur wegen Versuches dieses Vergehens in Anklagezustand zu versetzen beantragt; daß zum Thatbestand des Art. 49, litt, b cit., ein Erfolg des Versuches widerrechtlicher Beeinflussung der Stimmrechtsausübung (Annahme des Geschenkes etc.) nicht gehört, vielmehr das Gesetz schon den Versuch, die an einer Abstimmung theilnehmenden Bürger durch Geschenke, Verheißung von solchen oder durch Drohungen zu beeinflussen, als vollendetes Delikt behandelt; daß danach, sobald der Versuch gemacht ist, einen an einer Abstimmung theilnehmenden Bürger durch Geschenke oder Drohungen zu beeinflussen, im Sinne des Gesetzes vollendetes Delikt und nicht bloßer Versuch vorliegt, mag auch der vom Thäter erstrebte Erfolg nicht eingetreten sein und mithin von s e i n e m Standpunkte aus ein bloßer Versuch vorliegen; daß im Uebrigen gemäß Art. 32 der Bundesstrafrechtspflege der Beschluß der Versetzung in Anklagezustand nicht motivirt werden soll ; daß dagegen in Betreff der oben nicht genannten Angeschuldigten die Versetzung in Anklagezustand zu verweigern und dieser Beschluß gemäß Art. 39, Abs. 2, der Bundesstrafrechtspflege HU motiviren ist; daß, was die sub I. 6 und 7 genannten Angeschuldigten betrifft, die ihnen zur Last gelegte That gesetzlich nicht strafbar ist; daß ihnen nämlich nicht Schuld gegeben wird, sie haben die Beeinflussung der Stimmabgabe eines an der Wahlverhandlung theilnehmenden Bürgers versucht, sondern vielmehr, sie haben einen Bürger durch listige Veranstaltungen (Anhängen eines Rausches) oder durch Geschenke von der Stimmabgabe fernhalten wollen, resp.

über ein hierauf gerichtetes Unternehmen verhandelt; dieser Thatbestand aber nicht unter Art. 49, litt. 6, des Bundesstrafrechts fällt; daß, in Betreff der sub I. 8, 9, 13, 17 genannten Angeschuldigten, nicht behauptet und nicht wahrscheinlich ist, daß die Bürger, deren Stimmabgabe sie widerrechtlich zu beeinflussen versucht hüben sollen, an der Wahlverhandlung vom 3. März 1889 überhaupt Theil genommen haben, vielmehr insbesondere bei dem Angeschuldigten I. 8 das Gegentheil feststeht;

617

daß nun aber nach dem Wortlaute des Art. 49, litt. &, des Bundesstrafrechts diese Theilnahme objektives Erforderniß der Strafbarkeit der versuchten Beeinflussung der Slimmrechtsausübung ist, in dessen Ermangelung eine strafbare Handlung überhaupt nicht vorliegt ; daß dem sub I. 14 genannten Angeschuldigten zur Last gelegt wird, er habe den ibid. sub 15 und 16 bezeichneten zu ,,merken gegeben", seine Stimme wäre um bestimmten Preis käuflich ; daß indeß hierin der Thatbestand eines strafbaren Versuchs des in Art. 49, litt, c, des Bundesstrafrechts bezeichneten Delikts noch nicht gefunden werden kann, es sich vielmehr nur um eine straflose Vorbereitungshandlung handeln könnte; daß ebenso wenig in der Handlungsweise der sub I. 15 und 16 genannten Angeschuldigten, welche sich auf die erwähnte Eröffnung hin lediglich in Besprechungen sollen eingelassen haben, ein strafbarer Thatbestand gefunden werden kann; daß, soweit es sich um Wahldelikte handelt, die im Ausland begangen sein sollen, wie dies in den Fällen II. 0, 42, 44, 28, theilweise III. 11, 43, sowie in einigen der sub III. aufgeführten Fälle zutrifft, dieselben gemäß Art. l des Bundesstrafrechts im Inlande nicht strafbar sind, und zwar ohne daß, wie die Bundesanwaltsehaft meint, darauf etwas ankäme, ob die fragliehe im Auslande begangene Wahlbeeinflussuug von einer Stimmabgabe im Inlande gefolgt war; daß in einem solchen Falle zwar allerdings ein inländisches Rechtsgut verletzt ist; daß dies aber, nach dem Bundesstrafrecht, die Strafbarkeit der That im Inlande nicht begründet, da das Bundesstrafrecht, wie sich aus Art. l ergibt, auf denrStandpunkte des Territorialprinzips steht und die Ausnahmen hievon in lemma 2 dieses Artikels limitativ aufzählt; daß auch nicht davon gesprochen werden kann, daß die Handlung des Thäters sich erst durch die Stimmabgabe des Beeinflußten im Inlande vollende, vielmehr das Delikt des Art. 49, litt, b, des Bundesstrafrechts, wie aus dem oben Ausgeführten hervorgeht, mit dem im Auslande verübten Versuche der Wahlbeeinflussung sieh vollendet (und ebenso das Delikt des Art. 49, litt, c, ibidem mit der Annahme des Geschenkes etc., nicht erst mit der Stimmabgabe vollendet ist); daß, betreffend die sub II. 6, 8, 32--33, 83--88 (wie theilweise auch 89, 90) angeführten Fälle, es sich bei denselben um

618 Austheilung und Annahme von Geschenken an Wähler handelt, welche nach der stattgefundenen Wahl geschehen; daß nun hierin eine strafbare Handlung dann allerdings läge, wenn vor der Wahl ausdrücklich oder stillschweigend ein Versprechen wäre ertheilt worden; daß es aber hiefür an allen Anhaltspunkten mangelt und daher, mit der Bundesanwaltschaft, von einer weitem Verfolgung in diesen Fällen abzusehen ist; daß auch in den Fällen II. 142, 148, 74, 111, 112 die festgestellten Thatsachen den Thatbestand strafbarer Wahlbeeinflussung nicht ergeben, da weder die Aeußerung eines Wahlkandidaten gegenüber einem Wähler, welchem er einen Dienst geleistet halte, er h o f f e , , d e r Betreffende werde ihm das Vergnügen machen, für ihn zu stimmen (U. 142), noch das Einsehen von Stimmzeddeln n a c h der Wahl (II. 148), noch Aeußerungen, wenn ein Wähler von der gegnerischen Partei sollte bedrängt oder wenn ihm von derselben Geld sollte geboten werden, so möge er nur unbeirrt seiner Ueberzeugung folgen, da auch die eigene Partei liber Geldmittel verfüge u. dgl. (II. 74, 111, 112), den Thatbestand des Ari. 40, litt, b, des Bundesstrafrechts erfüllen; daß dies natürlich noch weniger bei der Anschuldigung II.

120 der Fall ist, wo es sich darum handelt, daß ein Bürger einem andern eine Geldsumme soll ausbezahlt haben, damit derselbe sieh an seiner Stelle als Wahlkandidat portiren lasse; daß rücksichtlich der sämmtlichen übrigen Fälle (mit der Bundesanwaltschaft) anzuerkennen ist, daß die Untersuchung nicht hinlängliche Indizien in subjektiver oder objektiver Richtung zu Tag gefördert hat, auf Grund welcher eine Versetzung in Anklagezustand erfolgen könnte; daß speziell auch in den sub III genannten Fällen von einer weitern Verfolgung Umgang genommen werden muß, da nach Lage der Sache klar erscheint, daß eine Wiederaufnahme der Untersuchung zu einem Resultate nicht mehr führen könnte; V. daß die Bundesanwaltschaft in ihren Berichten neben den sub I--III angeführten noch eine Reihe weiterer Anschuldigungen anführt, ohne indeß rücksichtlich derselben Anträge zu stellen, weil dieselben theils als völlig beweislos, theils als dem Gegenstande der Untersuchung gänzlich fremd oder offenbar nicht strafbare Handlungen betreffend, vom Staats»nwalt und Untersuchungsrichter überhaupt nicht weiter verfolgt wurden;

619

daß die Anklagekammer mit diesen Anschuldigungen sich -nicht weiter zu befassen, sondern lediglich über diejenigen Fälle Beschluß zu fassen hat, in Betreff welcher die Bundesanwaltschaft Anträge gestellt hat, beschlossen: I. Es werden wegen der in den Berichten des Generalanwaltes an den oben I. l --5, 10--12, 18--20, 21--29, 30--36, 37--44, II. 4, 7, 23, 38, 115. 126 angeführten Stellen ihnen zur Last gelegten Handlungen in Anklagezustand versetzt und den eidgenössischen Assisea überwiesen : 1. T o r r i , B a t t i s t a , von und in Torre, 67 Jahre alt, Bauer; 2. G i a n e l l a , A n g e l o , fu Giuseppe, von Leontica, wohnhaft in Dongio, Vorsteher des dortigen Schlachthauses; 3. B e r t o n i , G i u s e p p e , fu Pietro Antonio, von Lottigna, Metzger, in Dongio, 58 Jahre alt ; 4. D e l l ' O r o , S t e f a n o , fu Giuseppe, von und in Torre, 52 Jahre alt, Gutsbesitzer; 5. T o r r i an i, C a r l o , fu Ambrogio, von und in Torre, 36 Jahre alt, Kaffeewirth ; 6. P i a z z a , M a r t i n o , fu avv. Domenico, von und in Olivone, Rechtslizentiat, 26 Jahre alt, Großrath; 7. P i a z z a , P i e t r o , fu avv. Domenico, von und in Olivone, 24 Jahre alt, Privatmann ; 8. V a n b i a n c h i , G i o v a n n i , fu Tommaso, di Campo; 9. Dr. E m m a , A l f r e d o , fu Giovanni Battista, von und in Olivone, praktischer Arzt; 10. D e l m o n i e o , M a t t e o , fu Luigi, von und in Campo, 54 Jahre alt, Bauer ; 11. B r o g g i , S t e f a n o , fu Filippo, von und in Campo, 58 Jahre alt, Bauer; 12. T o n a s c i a , G i u s e p p e , genannt Mazzi no, von und in Coreapolo, Gemeinde Intragna, 74 Jahre alt, Landwirth ; 13. M a g g e t t i , G i u s e p p e , fu Paolino, von und in Intragna, 45 Jahre alt, Bauer ; 14. And reo t t i , ' S e r a f i n o, di Giuseppe, von und in Piazzogna, 33 Jahre alt, Krämer; 15. M a g g e t t i , C a r l o , fu avv. Francesco, von und in Intragna, 34 Jahre alt, Ingenieur; 16. D e l m e n i c o , C a r l o , di Giuseppe, von Novaggio, 22 Jahre alt, Kalkbrenner, wohnhaft in Canobbio bei Lugano ; 0

620 17. C h i e s a , G i u s e p p e , fu Emiliano, von Beredino, frazziouc di Sessa, 36 Jahre alt, Bauer und Ziegelbrenner; 18. D e a m b r o g i , G i a c o m o , Gemeinderath, von Sessa; 19. M u s c - h i e t t i , G i o v a n n i , fu Giov. Felice, von und in Fescoggia, 77 Jahre alt, Bauer; 20. N e g r i , V i t t o r e , fu Giovanni, Sindaco, von und in Fescoggia, 45 Jahre alt; 21. F u g a z za, D o m e n i c o , fu Giovanni, von und in Curio, negoziante, 50 Jahre alt; 22. P i a z z i n i , D o m e n i c o , fu Giacomo, von und in Curio, 62 Jahre alt, Ziegel brenner; 23. C o n t i n i , B e n i a m i n o , di Michele, von Magliaso, in Piémont; 24. M o n t i , A n g e l o , di Antonio, von und in Magliaso, 36 Jahre alt, Bauer; 25. L e s n i n i , B e r n a r d o , di Bei-nardo, von Frasco, wohnhaft in Massagno, 34 Jahre alt, Taglöhner; 26. L u r a t i , G i o v a n n i , di avv. Bernardino, von und in Lugano, Advokat, Notar und Großrath; 27. M o g h i n i , E l i a , fu Fiorenzo, von und in Comano, Lehrer, 35 Jahre alt; 28. P e s c i a, P a o l o , di Giovanni, di Cornano; 29. B a i m e I l i , B e n v e n u t o , di Giovanni, von und in Vezia, 32 Jahre alt, Pflasterer; 30. D a l d i n i , I g n a z i o , di Giuseppe, von und in Vezia, 50 Jahre alt, Handelsmann; 31. M o g h i n i , F i o r e n z o , di Fiorenzo, von und in Comano, 34 Jahre alt, Dekorationsmaler; 32. S o m a z z i , E l i a , fu Pietro, von und in Forza, 43 Jahre alt, Handelsmann und Gemeindeschreiber; 33. B a l u a r d i , G i o v a n n i , fu Eugenio, von und in Sigirino, 54 Jahre alt, Schreiner ; 34. C o r t a z z i , E m a n u e l e , Dr. med., di Francesco, von und in Sigirino, 41 Jahre alt; 35. B a l z a r d i , B e n i a m i n o , fu Francesco, von und in Sigirino, 23 Jahre alt, Maurer; 36. F e r r a r i , G i o v a n n i , fu Cipriano, von und in Vaglio, 35 Jahre alt, Maurer und Gemeindeschreiber; 37. B a s s i , C h e r u b i n o , fu? Carlo, Sindaco, von und in Cimadera, 47 Jahre alt, Kupferschmied 5 38. S o l d a t i , P a o l o , fu Gioachimo, von Cimadera;

621 39. M o r es i, P i e t r o , fu Francesco, von und in Cimadera, 42 Jahre alt, Kupferschmied ; 40. B a r i f f i , A n t o n i o , fu Giuseppe, von Lugano, in Castagnola, Gemeinderath, 32 Jahre alt, Wirth; 41. B u z z i , A l f r e d o , di Giov. Batt., von und in Lugano, 35 Jahre alt, Dr. med. und Kreisarzt; und zwar : a. Torri, Battista (Nr. 1), Vanbianchi, Giovanni (Nr. 8), Broggi, Stefano (Nr. 11), Tonasela, Giuseppe (Nr. 12), Chiesa, Giuseppe (Nr. 17), Muschietti, Giovanni (Nr. 19), Monti, Angelo (Nr. 24), Lesnini, Bernardo (Nr. 25), Baluardi, Beniamino (Nr. 35), Moresi, Pietro (Nr. 39),' unter der Anklage, bei Gelegenheit der tessinischen Grolürathswahlen vom 3. März 1889 für ihre Stimmabgabe Geschenke angenommen oder sonstige Vortheile sich haben einräumen zu lassen (Art. 49, litt, c, und Art. 52 des Bundesstrafrechts); b. Piazzini, Domenico (Nr. 22), unter der Anklage, bei Gelegenheit der gleichen Wahlen versucht zu haben, für seine Stimmabgabe ein Geschenk zu erlangen (Art. 49, litt, c, 52 und 14 des Bundesstrafrechts) ; c. Gianella, Angelo (Nr. 2), Bertoni, Giuseppe (Nr. 3), Dell' Oro, Stefano (Nr. 4), Torriani, Carlo (Nr. 5), Piazza, Martino (Nr. 6), Piazza, Pietro (Nr. 7), Emma, Alfredo (Nr. 9), Delmonico, Mateo (Nr. 10), Maggetti, Giuseppe (Nr. 13), Andreotti, Serafino (Nr. 14), Maggetti, Carlo (Nr. 15), Delmenico, Carlo (Nr. 16), Deambrogi, Giacomo (Nr. 18), Negri, Vittore (Nr. 20), Fugazza, Domenico (Nr. 21), Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

42

622 Contini, Beniamino (Nr. 23), Lurati, Giovanni (Nr. 26), Moghini, Elia (Nr. 27), Pescia, Paolo (Nr. 28), Balmella, Benvenuto (Nr. 29), Daldini, Ignazio (Nr. 30), Moghini, Fiorenzo (Nr. 31), Somazzi, Elia (Nr. 32), Balzardi, Giovanni (Nr. 33), Cortazzi, Emanuele (Nr. 34), Ferrari, Giovanni (Nr. 36), Bassi, Cherubino (Nr. 37), Soldati, Paolo (Nr. 38), Bariffi, Antonio (Nr. 40), Buzzi, Alfredo (Nr. 41), unter der Anklage, bei Gelegenheit der gleichen Wahlen auf an der Verhandlung Theil nehmende Bürger durch Geschenke oder Verheißungen von solchen oder durch Drohungen einen Einfluß auszuüben versucht zu haben (Art. 49, litt, b, und 52 des Bundesstraitechts).

II. Rücksichtlich sämmtlicher übriger Angeschuldigter wird der Untersuchung keine Folge gegeben.

III. Dieser Beschluß ist dein Generalanwalt der schweizerischen Eidgenossenschaft für sich und zu Händen der Angeklagten schriftlich mitzutheilen.

L a u s a n n e , den 23. und 30. April 1891.

Im Namen der Anklagekammer, Der Präsident:

Hafner.

Der G e r i c h t s s c h r e i b e r :

Rott.

623

Beilage II.

Schweizerisches Bundesgericht.

Anklagekammer.

In Sachen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch den Generalanwalt Seh erb in Bern, gegen 1. S i m e n , R i n a l d o , des Rocco, von Bellinzona, wohnhaft in Minusio bei Locamo, 41 Jahre alt, Publizist, 2. B r u n i , G e r m a n o , des Ernesto, von und in Bellinzona, 40 Jahre alt, Advokat, 3. Dr. R o m e o M a n z o n i , des Allessandro, von Arogno, wohnhaft in Mareggia, 42 Jahre alt, Eigenthürner und Direktor des internationalen Instituts in Mareggia, 4. B r e n n o B e r t o n i , des Ambrogio, von Lottigna, wohnhaft in Bellinzona, 30 Jahre alt, Advokat, Redaktor des Zeitungsblattes ,,la Riformaa, 5. C u r z i o C u r t i , des Giuseppe, von Cureglia, wohnhaft in Bellinzona, 43 Jahre alt, Advokat und Notar, 6. C a s t i o n i , A n g e l o , des Giuseppe, von Stabio, wohnhaft in London, geboren den 21. Mai 1834, Marmorarbeiter, 7. H o l t m a n n , F r a n c e s c o , des Roberto, von Viganello, wohnhaft in Lugano, 27 Jahre alt, Kaufmann, 8. S o l d i n i , A n t o n i o , des Francesco, von Chiasso, wohnhaft in Mailand, via Solferino Nr. 20, 36 Jahre alt, Bildhauer, 9. R o n c h e t t i , P i e r r e , des Battista, von Lugano, wohnhaft in Bissone, Eisenbahnbauunternehmer, 56 Jahre alt, 10. R u s c o n i , G i u s e p p e , des Filippo, von Bellinzona, wohnhaft in Giubiasco, 43 Jahre alt, Kaufmann, Major des Landwehrbataillons Nr, 95, 11. M o r e t t i , C a r l o , des Luigi, von Stabio, wohnhaft in Giubiasco, 37 Jahre alt, Post- und Telegraphenangestellter,

624 12. E l i a C o l o m b i , des Carlo, von und in Bellinzona, 34 Jahre alt, Kaufmann, 13. O d o n i , A n t o n i o , des Andrea, von Bel 1 inzona, wohnhaft in Darò, 34 Jahre alt, Billeteur der Gotthardbahngesellschaft, 14. C a m u z z i , D e m e t r i o , des Agostino, von und in Montagnola, 32 Jahre alt, Architekt, 15. D a r i o D e l m o n i c o , des Giuseppe, von und io Sessa, 26 Jahre alt, Advokat und Notar, 16. B u z z i , E m i l i e , des Giovanni Battista, von und in Lugano, 34 Jahre alt, Postkommis, 17. B e r r à , E d o a r d o , des Giacomo, von und in Certeuago, Gemeinde Montagnola, 37 Jahre alt, Architekt, 18. I m p e r a t o r i , N a t a l e , des Agostino, von uüd in Lugano, 60 Jahre alt, Kaufmann, 19. Gres ci o nini, L e o p o l d o , des Nicola, von Magliaso, wohnhaft in Lugano, 28 Jahre alt, Kaufmann, 20. B a r i f f i , F r a n c e s c o , des Giuseppe, von und in Lugano, 45 Jahre alt, Schuhmacher, 21. B r i e n t i n i , C., Buchhändler und -Drucker in Lugano, betreffend Theilnahme an einem Unternehmen, welches die gewaltsame Vertreibung oder Auflösung der Regierung des Kantons Tessin zum Zwecke hatte, sowie gegen A n g e l o C a s t i o n i von Stabio (Nr. 6 oben) uberdem wegen absichtlicher Tödtung des Staatsrathes Luigi Rossi, hat die Anklagekammer des schweizerischen Bundesgerichtes in ihrer Montag den 6. April 1891, Vormittags 10 Uhr, im Bundesgerichtsgebäude zu Lausanne abgehaltenen Sitzung, an welcher Theil nahmen Herr Bundesrichter Dr. Hafner, Vizepräsident des schweizerischen Bundesgerichtes, als Vorsitzender, die Herren Bundesrichter Weber und Soldan als Mitglieder, Bundesgerichtsschreiber Dr. Rott als Protokollführer, nach Einsicht der auf Beschluß des schweizerischen Bundesrathes vom 15. September 1890 geführten Untersuchung, sowie der von der Bundesanwaltschaft mit Eingabe vom 11. Dezember 1890 gestellten Anträge, welche dahin gehen:

625 ,,I. Seien folgende Personen in den Anklagezustand zu ver,,setzen und an die eidgenössischen Assisen zu überweisen: ,,a. Die oben (s. den Ingreß dieses Beschlusses) unter l bis 21 erwähnten Angeschuldigten -- Niemand verhaftet -- indem dieselben sub 11. September 1890 mit rechtswidrigem Vorsatz an einem Unternehmen Theil genommen, welches die gewaltsame Vertreibung oder Auflösung der Regierung des Kantons Tessin zum Zwecke hatte (Art. 36 der Bundesst rafrechtspflege, Art. 11, 45, 52 und 73, litt, d, des Bundesstrafrechts); ,,b. Angelo Castioni von Stabio, wohnhaft in London, indem derselbe bei dem Aufstände vom 11. September in Bellinzona, nachdem das eiserne Thor des ,,Palazzo governativo" erbrochen war, im Innern dieses Gebäudes den Staatsrath Luigi Rossi mittelst eines Revolverschusses absichtlich tödtete (Art. 51 und 76 des Bundesstrafrechts, Art. 287 und 288 des Codice penale per il Cantone del Ticino) ; ,,II. Sei gegen Angelo Castioni das Kontumazialverfahren ein,,zuleiten (Art. 130 et seq. derBundesstrafrechtspflege)"t ; nach geschehener geheimer Berathung und- Abstimmung, im Hinblick auf Art. 32 der Bundesstrafrechtspflege, wonach der Beschluß der Versetzung in Anklagezustand nicht mo ti virt wird, beschlossen: 1. Die im Ingresse dieses Beschlusses unter l--21 erwähnten Angeschuldigten werden wegen am 11. September 1890 mit rechtswidrigem Vorsatze erfolgter Theilnahme an einem Unternehmen, welches die gewaltsame Vertreibung oder Auflösung der Regierung des Kantons Tessin zum Zwecke hatte (Art. 36 der Bundesstrafrechtspflege, Art. 11, 45, 52 und, 73 litt, d, des Bundesstrafrechts), in Anklagezusland versetzt und den eidgenössischen Assisen überwiesen ; 2. Angolo Castioni, des Giuseppe, von Stabio, geboren den 31. Mai 1834, Marmorarbeiter, wohnhaft in London, wird überdem in Anklagezustand versetzt und den eidgenössischen Assisen überwiesen wegen absichtlicher Tödtung des Staatsrathes Luigi Rossi, verübt bei dem Aufstande in Bellinzona vom 11. September 1890 durch einen nach Erbrechung des eisernen Thores des ,,Palazzo governativo" im Innern dieses Gebäudes abgegebenen Revolverschuß (Art. 51 und 76 des Bundesstrafrechts, Art. 287 und 288 des tessinischen Strafgesetzbuches);

626 3. Angelo Castioni ist durch Ediktalladung öffentlich aufzufordern, sich bis zum 1. Mai nächstkünftig bei der Anklagekammer des schweizerischen Bundesgerichtes im Bundesgerichtsgebäude in Lausanne zu stellen, widrigenfalls gegen ihn nach Blaßgabe der Art. 130 u. S. der Bundesstrafrechtspflege in contumaciam verfahren würde ; 4. Dieser Beschluß wird dem Generalanwalt der Eidgenossenschaft für sich und zu Händen jedes Einzelnen der Beschuldigten schriftlich mitgetheilt.

Namens der Anklagekammer des schweizerischen Bundesgerichtes, Der P r ä s i d e n t : Hafner.

Der Protokollführer:

Rott.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung über die infolge der Vorgänge im Kanton Tessin vom Februar und März 1889 und September 1890 an die eidgenössischen Assisen überwiesenen Prozesse. (Vom 15. Juni 1891.)

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