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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Verweigerung der Konzession für eine Eisenbahn vom Rothhorn nach dem Brünig.

(Vom 1. Juni 1891.)

Tit.

Mit Eingabe vom 30. November, eingelangt den 4. Dezember 1890 reichten die Herren C. B r ü c k , Fabrikant, und A. L i n d n e r , Ingenieur, beide in Brienz, zu Händen der Rothhornbahngesellschaft, eventuell einer neu zu bildenden Aktiengesellschaft, das Gesuch ein um Ertheilung der K o n z e s s i o n zum Bau und Betrieb einer Z a h n r a d b a h n vom Rothhorn nach dem B r ü n i g .

Die Petenten begründen das Gesuch mit dem Interesse der Brienz-Rothhorn-Bahn, zu einer durchgehenden Touristenbahn zu werden, um als solche die Konkurrenz der bestehenden und im Werden begriffenen Bergbahnen besser bestehen und sich eine größere Eendite sichern zu können.

Als Ausgangspunkt der Bahn auf der Brünighöh wäre die Station der Jura-Simplon-Bahn im Aussicht genommen. Die Linie würde von hier über Gspann nach dem Wyler-Vorsäss, als erster Station, gelangen, stiege über die Wyleralp gegen das Wylerhorn, welches mittelst eines Tunnels durchbrochen würde und käme nach der Breitenfelderalp, als zweiter Station.

Von hier an folgte die Bahn dem Grat des Bergrückens, durchbräche den ,,Arnifirst" und den ,,Arnihaken" mittelst Tunnels, geBundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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langte zur dritten Station ,,Eysec" und stiege von hier, fast die Höhe des Grates erreichend, diesem entlang bis zum Eothhorn, dessen Kamm zur Erreichung der Endstation zweimal durchtunnelt würde.

Da die projektirte Bahn als eine Portsetzung der im Bau begriffenen Brienz-Rothhorn-Bahn betrachtet wird, so ist auch gleiches Oberbau- und Betriebssystem in Aussicht genommen.

Das Gesuch wurde am 19. Dezember 1890, gemäß Art. 2 des Eisenbahngesetzes, den Regierungen der Kantone Bern, Luzeru und Obwalden, deren Gebiet durch die projektirte Linie berührt wurde, zur Vernehmlassung mitgetheilt.

Die Kegierung von Luzern erhebt keine Einwendungen gegen das Projekt, diejenige von Obwalden grundsätzlich ebenfalls nicht; sie setzt aber immerhin voraus, daß für den Personen- und Güterverkehr nach der Zwischenstation Breitenfeld, welche möglicherweise infolge der Bahn zum Kurort werden könnte, angemessene, der kilometrischen Entfernung entsprechende Taxreduktion vorgenommen werde und wünscht Aufnahme bezüglicher Bestimmungen im Konzessionsakt, ebenso solche betreffend den Güterverkehr Breitenfeld-Brünig.

Dagegen beantragt die bernische Regierung in ihrer Vernehmlassung vom 4. März abbin die Verweigerung der nachgesuchten Konzession.

Die projektirte Linie entspreche nicht nur keinem öffentlichen Verkehrsbedürfnisse, sie sei gegentheils eher geeignet, bestehende Verkehrseinrichtungen zu schädigen. Dieselbe durchziehe von ihrem Ausgangs- (Brünig) bis zu ihrem Endpunkte (Rothhorn) eine gänzlich unbevölkerte Gegend. Soweit sie dazu bestimmt sein solle, in Verbindung mit der im Bau befindlichen Bergbahn Brienz-Kothhorn einen durchgehenden Verkehr Brünig-Eothhorn-Brienz oder umgekehrt herzustellen, könne dies nur auf Kosten der Ausgangsstation Brienz und der bereits bestehenden Linie Brünig-Meiringen-Brienz geschehen.

Von welcher Seite auch man das vorliegende Projekt betrachten möge, nirgends lasse sich demselben ein volkswirtschaftlicher Nutzen abgewinnen und überall stoße man nur auf die Schädigung berechtigter Interessen.

Wir sind schon mehrmals in der Lage gewesen, unseru Standpunkt bei derartigen Einsprachen klarzulegen und thun es auch hier in aller Kürze wieder.

Die Einsprache einer Kantonsregierung hat nicht peremtorische Wirkung; der Bundesversammlung steht vielmehr nach Art. 4 des Eisenbahngesetzes das Recht zu, eine Konzession nach Prüfung aller in Betracht kommenden Verhältnisse gleichwohl zu ertheilen, und sie

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hat von diesem Rechte auch schon zu wiederholten Malen Gebrauch gemacht. Aher in der Regel wird die motivirte Einsprache einer Eantonsregierung zu berücksichtigen sein, wenn nicht Gründe des öffentlichen Wohls, seien es nun allgemeine, wichtige Verkehrsinteressen oder sei es das ausgesproche Bedürfniß nach Belebung des lokalen Verkehrs oder dergleichen f ü r die Konzessionirung sprechen.

Es wäre nun allerdings schwierig, hei vorliegendem Projekte das Vorhandensein solcher Gründe nachzuweisen, und die Petenten haben diesen Nachweis auch gar nicht versucht, sondern sie erklären offen, daß es sich bei diesem Projekt bloß um eine bessere Alimentirung der im Bau begriffenen Brienz-Rothhorn-Bahn handle.

Einer solchen Begründung gegenüber erscheint uns die Einsprache der bernischen Kegierung von vornherein als ausschlaggebend.

Die Bfienz-Rothhorn-Bahn ist seiner Zeit als für sich abgeschlossenes Projekt auf seine technische Ausführbarkeit und Rendite hin studirt und geprüft, sowie auch in diesem Sinne konzessionirt worden.

Für ein Unternehmen auf d i e s e r Grundlage hahen sich die nöthigen Mittel zur Finanzirung gefunden und es kann nun nicht in der Aufgabe des Bundes liegen, diesem privaten Spekulationsunternehmen durch Konzessionirung einer Linie, deren wirthschaftlicher Werth für die Gegend auch nach unserem Ermessen gleich Null ist, noch besondere Förderung angedeihen zu lassen, zum Schaden eines a n d e r n Bahnunternehmens, welches nicht bloß aus dem Touristenverkehr Nutzen ziehen will, sondern auch dem allgemeinen Verkehr und der Verbindung zweier Landestheile gute Dienste leistet und daher in seinen Interessen gegenüber einem reinen Spekulationsunternehmen Schutz verdient.

Es scheint uns hier der Anlaß gegeben zu sein, das von Hrn. Ständerath Wirz unterm 2. Oktober v. J. eingebrachte und vom Ständerath angenommene Postulat: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, die Frage zu prüfen und darüber einzu berichten, welche Grundsätze in Zukunft bezüglich der Konzessionsertheilung für Bergbahnen zur Geltung kommen sollen,'1 zu beantworten.

Der Antragsteller begründete seine Eingabe im Wesentlichen wie folgt: Die Eidgenossenschaft habe nicht nur die Pflicht, alle Eisenbahnen, welche entstehen, zu konzediren, sondern zu prüten, ob sie wirklich ein Verkehrsbedürfniß, oder nur Luxusbahnen seien, die der fremden Börsenspekulation dienen, und ob eine Existenz der Bahn möelich sei.

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132 Es sei eine scharfe Aufsicht geboten, da bei dieser Börsenspekulation eine Ausbeutung des Mittelstandes erfolge. Auch müsse in Betracht gezogen werden, daß den Bahnen das ExpropriationsBrecht gewährleistet sei; es sei darauf zu halten, daß auch hier das Bigenthum geschützt und nicht für Luxusbauten und bloße Spekulationszwecke geopfert werden. Endlich verlange die Gefahr, welche den Thalschaften durch Verminderung der Hochwälder drohe, daß man mit Gebirgsbahnen sehr vorsichtig verfahre.

Er sei weit davon entfernt, keine Bergbahnen mehr bewilligen zu wollen, allein es sollen dieselben wenigstens von den Kantonen und Landesgegenden als Bedürfniß des Verkehrs oder der Fremdenindustrie begründet und verlangt werden. Das Eisenbahngesetz erleide durch eine Direktive, die man in dieser Beziehung aufstelle, keine Abänderung, es handle sich nur darum, Stellung zu nehmen, wie bestehende Linien zu schützen, Ausbeutung zu verhüten und die Gebirgswelt vor Profanirung zu bewahren sei.

Diese Begründung hebt in durchaus richtiger Weise die Gesichtspunkte hervor, nach welchen die Konzessionsgesuche für Bergbahnprojekte zu beurtheilen sind. Sie zeigt aber gleichzeitig die Schwierigkeiten, welche einer Schematisirung dieser Grundsätze entgegenstehen.

Die lokalen Verhältnisse werden in den meisten Fällen darüber entscheiden, ob im konkreten Falle ein Verkehrsbedürfniß oder unleugbare Interessen der Hotelindustrie die Erstellung einer Bahn verlangen, ob der Schaden, den dadurch bereits bestehende Unternehmungen erleiden können, die Vortheile überwiegt, welche das neue Unternehmen der Gegend zu bringen verspricht, oder ob sich ein derartiges Projekt von vornherein als ejn reines Spekulationsobjekt darstellt oder nicht.

Die Aufstellung fester Normen erschwert diese freie Würdigung der thatsächlichen Verhältnisse, sie wird für den einzelnen Fall bald zu eng, bald zu weit, selten aber eine nach allen Richtungen zutreffende sein.

Wir beantworten deshalb das standeräthliche Postulat in dem Sinne, daß unsererseits die Entscheidung von Fall zu Fall vorgezogen wird. Daß diese Praxis nicht zu einer unbeschränkten und unbesehenen Konzessionirung geführt hat, beweisen die Konzessionsverweigerungen (wie bei der Drahtseilbahn auf den Seelisberg [Bundesbl. 1887, Bd. II, S. 242 ff.], Drahtseilbahn Melano-Monte Generoso
[Bundesbl. 1888, Bd. IV, S. 1093 ff.], der Drahtseilbahn Weggis-Rigi Känzeli [B. A. S. X, 97], Zahnradbahn Weggis-Staffelhöhe [E. A. S. X, 98], Zahnradbahn Papierfabrik Enge-Kolbenhof-

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üto Kulm [Bundesbh 1890, Bd. III, S. 247 ff.]), wo die Verweigerung entweder wegen mangelnden allgemeinen Interessen, oder wegen direkter Schädigung einzelner Gemeinwesen und bestehender Unternehmungen erfolgte.

Auch bei vorliegendem Projekte treffen unseres Brachtens die hauptsächlichsten Gründe, welche gegen eine unbeschränkte Konzessionirung der Bergbahnprojekte vorgebracht wurden, voll zu.

Wir stellen uns deßhalb auf den von der bernischen Eegierung eingenommenen Standpunkt und beantragen Ihnen, auf das Konzessionsgesuch nicht einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit.,. die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den I.Juni 1891.

Im Namen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bnndesbeschluß betreffend

Verweigerung der Konzession für eine Eisenbahn vom Rothhorn nach dem. Brünig.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren C. Brück, Fabrikant, und A. Lindner, Ingenieur, in Brienz, vom 30. November / 4. Dezember 1890 ; 2. einer Botschaft des Bundesrathes vom 1. Juni 1891, beschließt: 1. Auf das Konzessionsgesuch der Herren C. Brück und A. Lindner in Brienz für eine Eisenbahn vom Rothhorn nach dem Brünig vom 30. November / 4. Dezember 1890 wird nicht eingetreten.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Verweigerung der Konzession für eine Eisenbahn vom Rothhorn nach dem Brünig. (Vom 1. Juni 1891.)

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