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Kreisschreiben des

Bundesrathes an die "Kantonsregierungen, in deren Gebiet .Dampfschiffunternehmungen im Betrieb sind, betreffend die Sicherung des Verkehrs vermittelst der Dampfschiffe.

(Vom 7. Juli 1891.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

In Ermanglung eines Bundesgesetzes über den Betrieb der Dampfschifffahrt stehen, abgesehen von der sog. Postkonzession, die Bewilligung zum Dampfschiffbetrieb und die Ueberwachung desselben, namentlich auch in technischer Beziehung, bei den Regierungen der Kantone, in deren Gebiet dieser Betrieb ausgeübt wird.

Der Bundesrath glaubt eine allgemeine Verpflichtung zu erfüllen, wenn er sieh gestattet, den Kantonsregierungen die Wichtigkeit einer genügenden Ueberwachung in Erinnerung zu rufen. Derselbe hat schon unterm 1. August 1890 Anlaß genommen, von diesem Gesichtspunkte aus durch sein Eisenbahndepartement die Kantonsregierungen auf Mängel aufmerksam zu macheu, welche in der Anlage, und im Unterhalte einzelner Landungsstege sich herausgestellt haben. Heute ist derselbe in der Lage, die Aufmerksamkeit der Kantonsregierungen darauf zu lenket), daß wohl noch in andern wesentlichen Richtungen keine oder keine genügende Kontrole besteht. Wir haben dabei vornehmlich die Seetüchtigkeit der Schiffe, den Zustand der Dampfkessel and namentlich auch die Frage im Auge, ob die Tragfähigkeit der einzelnen Schiffe, bezw. ob die Zahl der Personen, welche mit denselben geführt werden dürfen, in zuverlässiger Weise festgestellt und thatsächlich kontrolirt sei.

Es bestehen in keiner dieser Richtungen allgemein angenommene Normen. Dagegen ist unterm 9. Juli 1887 das Uebereinkommen zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Schifffahrt auf

918 dem Genfersee abgeschlossen worden, welches sowohl über den Bau als über die sachliche und personelle Ausrüstung der Schiffe und den Betrieb eingehende Vorschriften enthält. Dieses Uebereinkommen findet sich abgedruckt in der amtlichen Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen N. P. X, 171. Wir wollen mm durchaus nicht behaupten, daß die einzelnen Bestimmungen dieses Uebereinkommens geeignet seien, auf alle Verhältnisse Anwendung zu finden, aber wir denken, daß der Inhalt desselben mangels anderweitiger Grundlagen eine willkommene Wegleitung. sein durfte für die Organisation der kantonalen Aufsicht, soweit solche noch nicht existiren sollte.

Im Besondern wollen Sie beachten, wie in diesem Staatsvertrag die Postkonzession, welche von der Bundesbehörde zu ertheilen ist (Art. 1), und die Bewilligung zum faktischen Schifffahrtsbetrieb (Art. 4) auseinander gehalten sind. Ganz gleich verhält es sich von Rechtswegen für alle Dampfschiffunternehmungen ; dur Bund bewilligt den Personentransport durch die Postkonzession: zur A u s ü b u n g der D a m p f s c h i f f f a h rt selbst aber ist die Bewilligung der kantonalen Behörde nöthig, ohne welche von der Postkonzession kein Gebrauch gemacht werden kann. Im Art. 5 des Uebereinkommens sind sodann die Angaben bezeichnet, welche dein Gesuch um Erthcilung der Schifffahrtsbewilligung (durch die kantonale Behörde) beiliegen müssen. Die Vorschriften, welche in Art. 6 u. ff.

über den Bau der Schiffe enthalten sind, möchten wir im Allgemeinen als normale Bestimmungen bezeichnen, deren Beachtung für die Betriebssicherheit unerläßlich ist. Was die Dampfkessel betrifft, so glauben wir, daß billigen Ansprüchen au die Kontrole liberal! genügt ist, wenn die Untersuchung derselben durch den schweizerischen Verein der Dampfkesselbesitzer stattfindet, und von diesem der betriebssichere Zustand jedes einzelnen Kessels in angemesseneu Zeiträumen konstatirt wird. (Vergl. auch Art. 14 des Uebereinkommens.)

Der Bundesrath hat die ihm von der Bundesversammlung gestellte Aufgabe, die Frage zu prüfen, ob nicht die Bedingungen des Dampfschiffbetriebes durch ein Bundesgesetz regulirt werden könnten, nicht außer Auge gelassen. So lange aber die Kompetenz des Bundes zu bezüglichen gesetzlichen Anordnungen nicht anerkannt ist und ein allgemein verbindliches Gesetz nicht vorliegt,
muß der Bundesrath die Verpflichtung der Kantone konstatiren, diejenige Kontrole zu üben, welche zur Sicherung des Verkehrs vermittelst der Dampf schüfe nöthig ist.

Wenn gesagt werden wollte, daß auch im Abgang dieser Kontrole besondere Unglücksfälle im Dampfschiffbefrieb glücklicher-

919 weise nicht zu verzeichnen sind und daß die Gesellschaften und mit ihnen die Konstruktionswerkstätten das größte Interesse haben, eine strenge Kontrole selber zu üben, so haben wir thatsächlich nichts einzuwenden. Aber die so theuer bezahlte Mahnung, welche in allerneuester Zeit das Eisenbahnunglück bei Mönchenstein gegeben hat, muß auch für den Dampfschiffbetrieb gelten, wo ein Unfall leicht noch größere Dimensionen annehmen könnte.

Schließlich benutzen wir diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz; zu empfehlen.

B e r n , den 7. Juli 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

NB. Mitgetheilt an die .Regierungen der Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Zug, Freiburg, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an die Kantonsregierungen, in deren Gebiet Dampfschiffunternehmungen im Betrieb sind, betreffend die Sicherung des Verkehrs vermittelst der Dampfschiffe. (Vom 7. Juli 1891.)

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