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Bundesrathsbeschluss über

die Rekursbeschwerd betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Caneggio (Muggio).

(Vom 14. August 1891.)

Der schweizerische Bundesrath

hat in Sachen der Rekursbesehwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Caneggio (Muggio) nach dem Bericht des Justiz- uad Polizeidepartements folgenden T h a t b e s t a n d gefunden: A. Betreffend die Gemeinde Baierna.

1. Durch Ausfüllung eines gedruckten Formulars verlangten am 2. Februar 1889 Pessina, Adolfo, und Arrigoni, Giovanni, beim Regierungskommissär die S t r e i c h u n g von 8 Bürgern aus dem für die Grossrathswahlen vom 3. März aufgestellten Stimmregister, indem 6 derselben mit Steuern im Rückstand seien, einer, Maspoli, Vincenzo, seit Jahren in Genf domizilirt sei, einer, Sassi, in Brissago.

Mit Eingabe vom 4. Februar verlaugten Advokat Ed. Canova und Dr. Theod. De Abbondio vom Regierungskommissär die E i n t r a g u n g von Sulmoni, Giuseppe, lediglich vergessen, Quadri, Alessandro, di Pasquale, Quadri, Giuseppe, di Pasquale, Sassi, Antonio, fu Giovanni,

191 indem zugleich die Quittungen für bezahlte Steuerrückstände beigelegt werden, und zwar von , Quadri, Alessandro, für die Jahre 1884--1888, Quadri, Giuseppe, für die Jahre 1886--1888, Sassi, Antonio, für die Jahre 1887 und 1888.

Ferner die S t r e i c h u n g von: Gerosa, Pasquale, fu Domenico, wegen Rückstandes der Steuern für die Jahre 1886 und 1887.

Primavesi, Antonio, di Domenico, Advokat, domizilirt in Mendrisio.

Alfieri, Antonio, fu Paolo, noch nicht seit 3 Monaten in Baierna domizilirt.

Pessina, Pietro, fu Felice, Pfarrer, ebenso.

Cavadini, Luigi, fu Antonio, ebenso.

Tarchini, Roberto, di Vincenzo, im Frühjahr 1888 weggezogen.

Cattaneo, Bei-nardo, fu Luigi, Polizeisoldat, Crivelli, Giuseppe, di Francesco, Polizeisöldat, Crivelli, Angelo, di Francesco, Polizeisoldat, Galli, Andrea, di Carlo, Polizeisoldat, Bernasconi, Costante, fu Giuseppe Polizeisoldat, Torti, Enrico, di Antonio, Polizeisoldat, welche in der Gemeinde, wo sie Stationiren, einzuschreiben sind.

Der Kommissär fand : Quadri, Alessandro und Giuseppe. Es steht nicht fest, daß sie die Kantonalsteuern bezahlt haben.

Gerosa, Pasquale, ebenso.

Primavesi ist in Mendrisio nur für seinen Beruf, steht dort nicht auf dem Stimmregister und hat auch nie dort gestimmt, hat einen Theil seiner Familie in Baierna, wohnt abwechselnd hier und in Mendrisio, hat immer in Baierna gestimmt und zahlt daselbst alle seine Steuern.

Pessina soll seit einigen Monaten Professor am Seminar von Pollegio sein, hat aber noch in Baierna Verwandte, die er oft besucht, und zahlt da die Steuern.

Alfieri, Antonio, Cavadini, Luigi, Tarchini, Roberto, sind periodische Auswanderer im Ausland und zahlen die Steuern in Baierna.

Die Polizeisoldaten haben eine besondere Stellung.

192 Demgemäß wurde verfügt : E i n z u t r a g e n sind Sulmoni Primavesi, Alfieri, Pessina, Cavadini, Tarchini, Cattaneo, Crivelli, Giuseppe und Angelo, Galli, « Bernasconi.

Zu s t r e i c h e n Quadri, Alessandro und Giuseppe, Gerosa und Torti.

II. Hiegegen appellirte Ant. Tarchini Namens Gerosa, Pasquale, an den Staatsrath. .

Er sagt: Gerosa stellte sich rechtzeitig ein, um alle seine Steuerrückstände zu bezahlen ; es wurde ihm daraufhin nichts Anderes als der Steuerzettel für 1888 als rückständig übergeben. Er steht auch in der That nicht unter den Rückständigen anderer Jahre, wovon der Staatsrath sich durch Einsicht der Steuerregister überzeugen möge.

Auch Canova und .De Abbonclio appellirt an den Staatsrath.

Sie f uh rea aus : Quadri, Angelo, ist vom Kommissär gestrichen worden wegen Steuerrückständen Er lebt aber stets als Haussohn bei seinem Vater, dessen Stütze er ist; die Munizipalität hat nie ein focatico von ihm verlangt, die Steuerkommission nie eine Kantonalsteuer. Er ist.

Kutscher bei Herrn Novi, abwechselnd in Baierna und Mailand.

Maspoli, Vincenzo, wurde gestrichen, weil er zwar die Gemeinde-, nicht aber die Kantonalsteu bezahlt habe. Eine solche ist aber nie von ihm verlangt und darum auch von ihm nicht verweigert worden. Er hat im Jahre 1887 auf der Munizipalität gefragt, ob er noch Steuern schuldig sei; man antwortete ihm nein.

Sassi, Rodolfo, wurde gestrichen, weil in Brissago domizilirt, während dagegen der Priester Pessina, der in Pollegio Professor ist, eingetragen werden soll ! Wir verlangen gleiches Recht für Alle! Beide sind Haussöhne, haben ihre Familien in Baierna und zahlen da das testatico. In ganz gleicher Lage hat der Kommissär einen ändern Arbeiter, Figini, am Orte, wo seine Familie wohnt, in Morbi Inf., stimmen lassen.

Quadri, Alessandro und Giuseppe, wohnen bei ihrem Vater, er zahlt die Kantonalsteuer, sie haben sie nicht zu zahlen.

Sassi, Antonio, zahlte laut beiliegender Quittung alle Steuern, die er schuldete, und doch kümmerte der Kommissär sich gar nicht um das Begehren seiner Eintragung.

193 Primavesi ist seit 5 Jahren ohne Unterbruch in Mendrisio domizilirt, ökonomisch und im Haushalt getrennt von seinen Eltern, die in Baierna wohnen, hat sein Advokatur- und Notariatsbüreau, seine Haushaltung, Frau und Kinder, in Mendrisio.

Galli, Andrea, Korporal, hat seine Familie, Frau und Kinder, seit mehr als 5 Jahren in Brissago; in Baierna zahlt er gar keine Steuern und doch hat der Kommissär ihn nicht gestrichen, trotz unserm Begehren.

Torti, Enrico, Polizeisoldat, hat Frau und Kinder in Baierna und zahlt da alle Steuern -- der Kommissär hat ihn hier gestrichen; die ändern, in ganz gleicher Lage befindlichen Polizeisoldaten Cattäneo, Crivelli, Angelo und Giuseppe, und Bernasconi hat er auf dem Stimmregister stehen lassen ; warum zweierlei Maß ?

Wir verlangen also : a. E i n t r a g u n g von Quadri, Angelo, Alessandro und Giuseppe, Maspoli, Vincenzo, Sassi, Rodolfo und Antonio; b. S t r e i c h u n g von Pessina, Primavesi, Korporal Galli; c. Aufrechterhaltung der S t r e i c h u n g von Gerosa, der E i n t r a g u n g von Sulmoni.

Der Staatsrath fand : Die Rekurrenten Canova und De Abbondio haben ein einziges Dekret des Kommissärs eingereicht, in welchem nicht die Rede ist von Quadri, Angelo, Maspoli, Vincenzo, und Sassi, Rodolfo; mit Bezug auf diese ist also der Entscheid des Kommissärs in Rechtskraft erwachsen; in Anbetracht des Widerspruches der Rekurrenten -- und es ist nicht der einzige -- der darin liegt, daß sie sagen, Sassi, Rodolfo, sei in gleicher Lage wie Pessina, und doch verlangen, daß jener eingetragen, dieser gestrichen werde, des Umstandes, daß Quadri, Angelo, nie Kantonalsteuern bezahlt hat, daß Maspoli, Vicenzo, seit Jahren in Genf domizilirt ist und die Kantonalsteuern nicht bezahlt hat, daß Sassi, Rodolfo, in Brissago domizilirt ist und in gleicher Lage wie Pessina, daß die Gebrüder Quadri die Kantonalsteuer deswegen nicht bezahlt haben, weil sie mit ihrem Vater zusammenleben, «^ daß Sassi, Antonio, nie Kantonalsteuer bezahlt hat, daß Pessina seine Eintragung in Pollegio nachgesucht und erhalten hat, Bandesblatt. 43. Jahrg. Bd. IV.

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daß Prinaavesi seit, Jahren mit Familie sich in Mendrisio niedergelassen hat, daß die Polizeisoldaten dasjenige Domizil behalten, welches sie bei ihrem Eintritt in die Gendarmerie hatten, daß .Sulmoni nach dem Bericht der Munizipalität lediglich vergessen worden ist, daß Gerosa noch zu rechter Zeit dasjenige zahlte, was man ihm als noch ausstehend bezeichnete, wird verfügt : Die E i n t r a g u n g von Quadri, Giuseppe und Alessandro, und Gerosa.

Die S t r e i c h u n g von Pessina, Primavesi, Sassi, Antonio.

Im Uebrigen sind die beiden Dekrete des Kommissärs bestätigtIII. Schon am 18. Februar hatten sich Canova und De Abbondio an den Bundesrath gewendet und ihm eine Abschrift ihresRekurses an den Staatsrath übersandt unter lebhaften Protesten gegen das zweierlei Maß, welches hier angewendet worden sei.

Am 27. Februar wollte Carlo Regazzoni der Munizipalität die Steuerrückstände von 6 Bürgern bezahlen, damit sie noch auf dasStimmregister genommen werden, er wurde aber abgewiesen.

Am 1. März verlangte Dr. De Abbondio, daß der lediglich vergessene Delparente, Stefano, noch auf das Stimmregister genommen werde.

Auch dieses Begehren wurde abgeschlagen.

Am 1. März gaben Canova und De Abbondio dem Bundesrath telegraphisch Kenntniß von diesen beiden Vorgängen des27. Februar und 1. März und baten um dessen Schutz. In einer zweiten Depesche vom gleichen Tage beschwerten sie sich über die Ausschließung von Sassi, Rodolfo, in einer dritten über die von.

Delparente.

Am 3. März sandten die Ausgeschlossenen Sassi, Antonio, fu Giovanni, Delparente, Stefano, Maspoli, Vincenzo; am 7. März Quadri, Angelo, Sassi, Giuseppe, Galli, Angelo, Sassi, Rodolfo;

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am 18. März Ârrigoni, Rodolfo dem Bundesrathe die Stimmzettel, die sie in die Urne gelegt haben würden, wenn sie zur Abstimmung zugelassen worden wären.

Am 6. März reichte De Abbondio dem eidgenössischen Bundeskommissär eine Beschwerde ein über den Ausschluß von Galli, Angelo, fu Giovanni, Antonio, Sassi, Giuseppe, fu Giovanni, Arrigoni, Enrico, fu Pietro, Maspoli, Vincenzo, fu Vittore, Sassi, Antonio, fu Giovanni, Quadri, Angelo, di Pasquale, ausgeschlossen wegen rückständiger Steuern, Delparente, Stefano, der vergessen worden war. .

, Er fügte hinzu, daß Monti, Luigi, fu Vittore, ein italienischer Bürger, an der Abstimmung theilgenommen habe.

Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab Folgendes: Galli, Angelo, Kalkbreuner, in Val Intelvi, hat seit 20 Jahren die Steuern nicht bezahlt.

Sassi, Giuseppe, hat sie ebenfalls seit Jahren nicht bezahlt.

Arrigoni, Enrico, ebenso.

Maspoli, Vincenzo, Schuster, wohnt seit vielen Jahren in Genf, kam am 2. März nach Baierna. Er war in Genf für das Jahr 1888 eingeschrieben, hat sich aber für das Jahr 1889 streichen lassen.

Sassi, Antonio, hat die Gemeindesteuern bezahlt, ist aber im Rückstand mit den Kantonalsteuern. De Abbondio erklärt, er habe sich innert der 15 Tage nach Ausstellung des Stimmregisters beim Gemeindeschreiber bereit erklärt, die Rückstände für ihn zu bezahlen; sei es ihm geantwortet worden, Sassi sei im Rückstande mit der Gemeindesteuer von 2 Jahren, die habe er auch bezahlt; von Staatssteuer habe man ihm nichts gesagt. Der Sindaco entgegnete, er hätte sich beim Gemeinderath und nicht beim Gemeindeschreiber erkundigen sollen.

Quadri, Angelo, Kutscher, wohnt nnd hat seine Familie in Lanzo, Italien. Der Vice-Sindaco erklärt, der Vater Quadri zahle 2 testatici; da er jedoch 2 Söhne habe, so wisse man nicht, für welchen der beiden außer ihm selbst bezahlt werde.

Sassi, Rodolfo, Schuster, seit 2 Jahren in Brissago, hat daselbst gestimmt.

196 Galli, Andrea, Polizeikorporal, von Baierna, bald da bald dort stationirt, hat immer und so auch am 3. März hier gestimmt.

Die Munizipalität schreibt auf Anfrage des Delegirten: Monti, Luigi, ist Bürger von Baierna, da geboren, steht da auf der Militärkontrole, zahlt die Militärtaxe, die kantonalen und kommunalen Steuern, besitzt hier Liegenschaften, hat das Schweizerbürgerrecht niemals aufgegeben. Er hat auch immer wie am 3. März an unsero Wahlen theilgenommen. Wir wissen nichts davon, daß er italienischer Bürger sei.

B. Betreffend die Gemeinde Morbio Inferiore.

IV. Am 8. März schrieb Donegani, es haben hier am 3. März an der Wahl theilgenommen Catenazzi und Cavadini, welche schon um die Mitte des Jahrhunderts das Schweizerbürgerrecht aufgegeben haben, um Italiener zu werden, obgleich er dagegen protestirt habe.

Die Munizipalität, vom Buudesdelegirten hierüber angefragt, antwortete mit Schreiben vom 8. April, daß die Genannten niemals das Schweizerbürgerrecht aufgegeben haben, im Gegentheil dasselbe stets in der Gemeinde ausüben und auch die Steuern daselbst bezahlen; sie seien auch stets auf dem Stimmregister gestanden, ohne daß Jemand dagegen Einsprache erhoben hätte ; die radicale Partei habe Catenazzi sogar zum Sindaco vorgeschlagen.

C. Betreffend die Gemeinde Cabbio.

V. Am 27. Januar 1889 verlangte Fontana, Giuseppe, beim Regierungskommissär die S t r e i c h u n g folgender Bürger: Codoni, Pietro, fu Francesco.

Codoni, Michele, di Pietro.

Codoni, Remigio, di Pietro, mit Familie in Rorschach domizilirt.

Fontana, Costantino, fu Michele, ebenso in Herisau domizilirt.

Codoni, Guglielmo, fu Francesco, ebenso in Cama (Graubünden) domizilirt.

Fontana, Marco, fu Pacitìco, seit Jahren mit den Steuern im Rückstand.

Soldati, Francesco, ebenso.

Bernasconi, Giuseppe, fu Francesco, nicht hier domizilirt, zahlt die Steuern nicht hier.

Auch die Erstem zahlen keine Steuern.

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Die Munizipalität antwortete hierauf: Es ist richtig, daß die fünf Erstgenannten an den angegebenen Orten wohnen; sie sind aber oft in ihre Heimat zurückgekommen, haben da noch Liegenschaften und zahlen ihre Steuern ; da, wo sie wohnen, üben sie keine politischen Rechte aus, was sie mit den beiliegenden Zeugnissen beweisen: Mit Datum vom 11. Januar 1889 bescheinigt der Gemeindeammann von Rorschach, daß Codoni, Pietro, Michele und Remigio ,,seit 7. Oktober v. J. an keiner Gemeindeversammlung in hier ihr Stimmrecht ausgeübt haben".

Am 16. Januar 1889 bescheinigt die Gemeindekanzlei Herisau, daß Fontana, Costantino, dort niedergelassen und also stimmberechtigt sei und deßhalb an einem zweiten Ort der Schweiz sein Stimmrecht nicht ausüben könne.

(Diese zwei Zeugnisse sind in deutscher Sprache abgefaßt.)

"

Am 23. Januar 1889 bescheinigt der Sindaco von Cama, daß Codoni, Guglielmo, in den letzten drei Monaten an keiner Abstimmung der Gemeinde theilgenommen habe.

Fontana, Marco, hat immer seine Steuern bezahlt.

Soldati, Francesco, war nie im Rückstand mit seinen Steuern.

Er wurde um solche gar nicht angegangen ; denn er ist 66 Jahre alt, hat also kein testatico zu zahlen, und da er Diener im Hause eines Ändern ist, zahlt dieser das focatico.

Bernasconi. Hier gilt das Nämliche, er ist 65 Jahre alt und wohnt bei seiner Schwägerin, die das focatico zahlt. Er ist in seiner Heimat Chiasso laut beiliegender Zuschrift der dortigen Munizipalität vom Stimmregister gestrichen worden.

Der Kommissär fand : Die Codoni und Fontana Costantino haben ihr Domizil in ändern Kantonen; sie werden daher g e s t r i c h e n .

Fontana, Marco, Soldati und Bernasconi werden nicht gestrichen.

Ferner wurde auf das Begehren von Ceppi, Angelo, g e s t r i eh en: Bellati, Abbondio, fu Giovanni, in Herisau domizilirt.

Die Munizipalität appellirte hiegegen an den Staatsrath. Im Uebrigen früher Gesagtes wiederholend, schrieb sie betreffend Bellati : Er ist periodischer Auswanderer, Kastanienbrater, kehrt jedes Jahr wieder nach Cabbio zurück, sobald seine Saison vorüber ist.

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Der Staatsrath fand : Es ist nicht widerlegt, daß Bellati seit langer Zeit mit seiner Familie in Herisau ist, im Uebrigen aus den vom Kommissär angeführten Gründen : der Rekurs ist abgewiesen.

Der Sindaco schreibt, daß Codoni, Pietro, und Söhne, Fontana und Bellati zur Wahl gekommen sein würden, wenn sie nicht ausgeschlossen worden wären.

Codoni, Guglielmo, schrieb am 3. März einen Protest gegen seine Ausschließung und sandte seinen Stimmzettel dem Bundesrathe ein.

D. Betreffend die Gemeinde Sagno.

VI. Durch (freilich nur in Bleistiftschrift vorliegendes) Dekret verfügte der Regierungskommissär die S t r e i c h u n g von drei C h i e s a wegen rückständiger Steuern, nachdem die Munizipalität diese Rückstände bezeugt hatte. Dieselben protestirten am 6. März gegen ihren Ausschluß, da sie im Besitze aller Steuerquittungen bis auf diesen Tag seien, fügten hinzu, daß sie für die radikalen Kandidaten gestimmt haben würden, und legten ihre Stimmzettel bei.

Sie wohnen seit Jahrzehnten in Mailand.

Vor dem Bundesdelegirten wurde behauptet, es seien drei Brüder D o n i n e 11 i, in Italien und Oesterreich wohnhaft, zur Wahl zugelassen worden, welche seit mehr als zwei Jahren mit den Steuern im Ruckstände seien. Der Sindaco bestritt dies.

In einem Briefe vom 31. März 1889 an das eidgenössische Justizdepartement versichert Advokat Stoppa in Chiasso, unter Anerbietung des Zeugenbeweises, daß von den drei Doninelli nur zwei zur Abstimmung sich eingefunden haben, daß aber einer von den beiden für den abwesenden dritten Bruder gestimmt habe. Die Munizipalität, hierüber angefragt, antwortete bloß, daß laut Protokoll am 3. März drei Doninelli gestimmt haben.

E. Betreffend die Gemeinde Morbio Superiore.

VII.

Fontana, Wir folgender

Am 14. Februar 1889 schrieben Agustoni, Giuseppe, und Faustiuo, an den Bundesrath : verlangten beim Regierungskommissär die S t r e i c h u n g Bürger vom Stimmregister :

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Ortelli, Pasquale, Pietro, Paolo, Alessandro, Gerardo, weil sie seit mehreren Jahren ständig in Lavorgo domizilirt sind ; ferner Livio, Antonio, Giovanni, Giuseppe, weil seit über zwölf Jahren in Lausanne domizilirt, wo sie ihre bürgerlichen Rechte ausüben ; Ortelli, Antonio, fu Francesco, Ortelli, Domenico, fu Pietro, seit einem Jahrzehnt mit ihren Familien in Monthey domizilirt.

Entgegen dem Gesetz hat der Kommissär noch immer keine Antwort gegeben, worüber wir uns beschweren.

Am 6. März schreiben dieselben dem liberalen Kantonalkomi te von Lugano, es seien Regazzoni, Gioachimo, fu Angelo, und Pagani, Carlo, di Battista, «rst am Morgen des 1. März vom Stimmregister gestrichen worden, da nicht mehr Zeit zu einem Rekurs an den Staatsrath gewesen sei, und zwar auf Anordnung des Kommissärs, unter dem Vorwande, daß die Genannten domizilirt und auf die Stimmregister genommen seien im Kanton Neuchâtel, was nach der Behauptung der Betreffenden selbst gar nicht wahr sei.

Vor dem Bundesdelegirten erklärte der Sindaco, es habe Pagani die Steuern nicht bezahlt. Faustino Fontana aber sandte dem Delegirten sämmtliche auf die Namen von Regazzoni und Pagani ausgestellten Steuerquittungen der Jahre 1885--1888 ein.

Der B u n d e s r a t h z i e h t in ; E r w ä g . u n g : 1. Der Umstand, daß die Rekurrenten Canova und De Abbondio dem Staatsrathe nur das eine der von ihnen angefochtenen Dekrete des Kommissärs eingereicht haben ,· hat keineswegs die Folge, daß nun das andere entgegen ihrer ausdrücklichen Anfechtung als in Rechtskraft erwachsen zu betrachten ist, da das Gesetz nirgends jener Unterlassung eine so weitgehende Tragweite verleiht, wie übrigens auch der Staatsrath selbst in ändern Rekursfallen thatsächlich anerkannt hat. Es muß also auch noch auf das Stimmrecht der Bürger Quadri Angelo, ' Maspoli Vincenzo, und Sassi .Rodolfo materiell eingetreten werden.

2. Q u a d r i , A n g e l o , betreffend, steht in der That nicht fest, daß er gerade mit Steuern im Rückstande sei, wenn auch seih Vater für sich 'und zwei Söhne zusammen nur zwei testatici bezahlt ; und dieser Zweifel muß dem Bürger zu 'gut kommen ; er ist daher e i n z u t r a g e n .

200 M a s p o l i , Vincenzo, ist offenbar gar nicht in Baierna domizilirt und hat darum auch da die Eantonalsteuer nicht bezahlt. Seine Streichung erscheint daher als gerechtfertigt.

S a s s i , Rodolfo, ist in Brissago domizilirt, also ebenfalls mit Recht gestrichen.

3. Mit Bezug auf die übrigen streitigen Stimmrechte der Gemeinde Baierna fällt in Betracht: S a s s i , A n t o n i o , ist jedenfalls nicht mit allen Steuern zweier Jahre im Ruckstande, sondern nur mit der Kantonalsteuer. Zudem hat der Gemeindesehreiber erklärt, was die Gemeinde noch zu fordern habe, und das ist bezahlt worden ; wenn er sich dabei geirrt hat, so kann dies dem Bürger nicht zum Schaden gereichen ; der Einwand aber, man hätte nicht ihn, sondern die Munizipalität fragen sollen, ist nicht stichhaltig, da der Gemeindeschreiber als eine im Besitz der Register befindliche Amtsperson gar wohl in der Lage war, genaue Auskunft zu geben. Sassi ist also e i n z u tragen.

G a l l i , A n d r e a , Polizeikorporal. Es ist nicht bestritten, daß er seifte Familie in Brissago hat; dort ist also auch sein Domizil und nicht am Orte seiner Heimat oder seiner Station. Er ist daher hier zu s t r e i c h e n.

Dagegen hat der Polizeisoldat T o r t i , Enrico, Frau und Kinder gerade in Baierna, er ist also hier e i n z u t r a g e n .

R e g a z z o n i konnte am 27. Februar nicht mehr durch nachträgliche Zahlung von Steuern Ausgeschlossenen Stimmrecht erwerben, wie von diesseitiger Stelle schon mehrfach bei ändern Rekursen ausgeführt worden ist; und ebenso wenig war am 1. März mehr eine Aufnahme von Delparente, des Vergessenen, möglich.

Auf die Frage, ob M o n ti stimmberechtigt sei, ist aus formellen Gründen nicht einzutreten, da ein Rekurs seinetwegen nicht erhoben ist.

e. Das gilt auch für die Bürger C a te n a zzi und C a v ad in i aus der Gemeinde Morbio Inferiore; die diesfällige Reklamation entzieht sich, weil nicht vor eine kantonale Behörde gebracht, der Entscheidung durch den Bundesrath.

5. Mit Bezug auf die Rekurse aus der Gemeinde G ab b io erscheinen Entscheid und Begründung des Staatsrathes als zutreffend.

B e l l a t i . Es ist vom Kommissär erklärt worden, daß er dauernd in Uerisau wohne und dort seine Familie bei sich habe; die Munizipalität behauptet, er sei ein wahrer periodischer Aus-

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Wanderer, der sein tessinisches Domizil beibehalte; ein Beweis, daß er nicht bei seiner Familie in Herisau sein Domizil habe, ist nicht erbracht; Bella ist unter diesen Umständen n i c h t einzutragen.

6. Auf die Beschwerden aus den Gemeinden S a g n o und M o r b i o S u p e r i o r e kann hierorts nicht eingetreten werden, da dieselben nicht Gegenstand staatsräthlicher Entscheide gewesen sind.

Da das vom Wahlbüreau verkündigte absolute Mehr dieses Wahlkreises betrug 646 Stimmen, der mit der geringsten Stimmenzahl Gewählte erhielt 712 ,, der mit der größten Nichtgewählte erhielt . . . 557 ,, so bleibt die nach den obigen Erwägungen vorzunehmende Modifikation der Stimmregister ohne Einfluß auf das Wahlresultat.

Demnach Hat der B u n d e s r a t h beschlossen: 1. Die Rekurse werden im Sinne obiger Erwägungen entschieden.

2. Mittheilung an den Staatsrath des Kantons Tessin für sich und zu Händen der betheiligten Behörden und Bürger.

B e r n , den 14. August 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kauzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Bundesrathsbeschluss über die Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Caneggio (Muggio). (Vom 14. August 1891.)

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19.08.1891

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