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Aus den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrathes, (Tom 22. Mai 1891.)

Den 18. September 1890 erließ der Landrath des Kantons Uri eine Verordnung betreifend die ,,Erhebung einer Staatsgebühr für polizeiliche und fabrikpolizeiliche Bewilligungen". Dies geschah unter Bezugnahme auf die ihm verfassungsgemäß (Art. 59, litt, m, der Kantonsverfassung) zustehende Befugniß zur Feststellung der dem Staate zu entrichtenden Gebühren und der damit verbundenen Vorschriften. Folgendes sind die hauptsächlichen Bestimmungen dieser Verordnung : Für die Bewilligung gesetzlich zuläßiger polizeilicher und fabrikpolizeilicher Ausnahmeverhältnisse und für Einrichtungen, welche mit der Sicherheitspolizei in Beziehung stehen, setzt der Regierungsrath eine Staatsgebühr fest (Art. 1).

In fünf Fällen, nämlich bei Bewilligungen für Sonntagsarbeit, für Waarentransport an Sonn- und Feiertagen, für Ueberzeitbewilligungen, für Verkehrshemmungen und Absperrungen, und für Einrichtungen zur Aufbewahrung und Lagerung von Sprengstoffen, wird die Befugniß des Regierungsrathes nach oben und unten begrenzt, wobei das Maximum der Gebühr in vier Fällen 500 Fr.

und in einem Falle 300 Fr. beträgt; das Minimum dagegen in vier Fällen 10 Fr. und ia einem Falle 20 Fr. Bezüglich der Übrigen Fälle, welche unter Art. l subsumirt werden können, wird angeordnet, daß der Regierungsrath deren Staatsgebühr unter Berücksichtigung der für die genannten Fälle aufgestellten Ansätze be.stimmen solle (Art. 2).

Eine fernere Wegleitung für die Ausmessung dieser Gebühren enthält der Artikel 3 der Verordnung; danach soll der Regierungsrath das Minimum der Gebühren dann anwenden, wenn es sich um einmalige Ausübung oder um eine Einrichtung von kurzer Dauer und kleinem Umfange handelt. Höhere Gebühren und das Maximum sollen bedingt sein durch die Art und den Umfang der bewilligten Arbeiten, beziehungsweise den Zweck und die Lage der Einrichtung.

1023 Bewilligung und folglich auch Gebühr sollen für jeden Fall besonders ertheilt und festgestellt, sowie alljährlich erneuert werden (Art. 4).

Artikel 6 weist die Regierung an, diese Gebühren bereits für ·das letzte Quartal des Jahres 1890 festzustellen.

Die Rekurrenten haben von der Gotthardbahn Bauloose zum ^Zwecke der Erstellung des zweiten Geleises der Gotthardbahn übernommen. Als sie an den Regierungsrath Gesuche stellten, um die Bewilligung für die Sonntagsarbeit und die Erstellung von vier Hütten zur Aufbewahrung von Sprengstoffen zu erhalten, verband «dieser mit den unterm 17. und 31. Januar ertheilten Bewilligungen, in Anwendung der oben genannten Verordnung vom 18. September 1890 eine sog. ,,Staatsgebühr" von je 310 Fr.

Gegen diese beiden Schlußnahmen der urnerischen Regierung richten die Herren G. L e i t e n p e r g h e r , Bauunternehmer in Gurtnellen, und B u c h s e r & Cie., Bauunternehmer in Wassen (Uri), durch ihren Anwalt, Herrn Dr. Joh. Winkler, Advokat in Luzern, ·einen Kollektivrekurs an den Bundesrath (eingelangt den 24. Februar 1891), in welchem das Begehren gestellt wurde, der h. Bundesrath wolle die Erhebung der von der Regierung von Uri an G. Leitenpergher ·und an Buchser & Cie. geforderten Gebühren von je 310 Fr. als ·unzuläßig erklären.

Der Bundesrath hat, nach Einsichtnahme der Vernehmlassung des Regierungsrathes von Uri und des Berichts des Justiz- und Polizeidepartements, den Rekurs, gestützt auf folgende Erwägungen, abgewiesen.

1. Die Rekurrenten stützen ihre Begehren auf Art. 31 der Bundesverfassung, welcher die Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet. Nun behält aber der zitirte Artikel ausdrücklich Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben und über Besteuerung des Gewerbebetriebes vor, sofern dieselben den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen. Es fragt sich daher, ob dieser Grundsatz durch die Verordnung des Kantons Uri vom 18. September 1890 und deren "Anwendung im Spezialfalle verletzt werde.

2., Wenn es nach der Bundesverfassung eine Besteuerung des Gewerbebetriebes geben kann, welche den Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigt, so ist damit auch festgestellt, daß es Gebühren geben kann, welche mit dem Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar sind und dieselbe nicht beeinträchtigen. Denn die ,,Gebühr" 1 bildet ihrem Begriffe nach die O

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1024 Gegenleistung für eine dem Staate dadurch verursachte Ausgabe,, daß man, und zwar ein Einzelner oder eine Mehrheit von Personen,, seine Dienste in Anspruch genommen hat. Ueberschreitet die Gebühr den dem Staate verursachten direkten oder indirekten Aufwand und ergibt sich ein Ueberschuß, so fällt dieser unter den Begriff' der Steuer. Die Gebühr, als das Geringere, ist darum ihrer Natur nach schon weniger geeignet, eine Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit herbeizuführen, als eine Steuer. Es ist also für die Frage, ob eine Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung vorliege, die Untersuchung unerheblich, ob die Verordnung des urnerischen Landrathes vom 18. September 1890 entweder an sich schon oder aber deren Anwendung im speziellen Falle den Namen des Gebührenbezuges verdiene oder aber denjenigen eines versteckten Steuerbezuges. Denn im einen wie im andern Falle muß die Hauptfrage noch beantwortet werden : Beeinträchtigt in Wirklichkeit der Bezug, der geforderten Gebühren oder Steuern die Gewerbefreiheit?

3. Um diese Frage zu beantworten, ist erforderlich, daß man den Einfluß, den die Gebühr oder Steaer auf den Gewerbebetrieb des Belasteten ausübt, würdigt. Die bundesrechtliche Praxis hat in wiederholten Fällen den Grundsatz aufgestellt, daß dann eine Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit anzunehmen sei, wenn der Gewerbebetrieb durch die Höhe der Steuer (Gebühr) so ungünstig: beeinflußt wird, daß der zum ",,Lebensunterhalte und zum Betrieb, des Geschäftes nöthige Gewinn" nicht mehr resultirt (vergi. BundesbL 1882, I. Bd., pag. 359). ,,Die richtig verstandene Freiheit von, Handel und Gewerbe besteht in der Möglichkeit eines auf solider, dauerhafter und gleichzeitig ökonomisch fruchtbarer Grundlage beruhenden Gewerbebetriebs"1 (vergi. Bundesbl. 1885, II. Bd., pag. 694).

4. Wendet man diese Grundsätze auf die vorliegenden Verhältnisse an, so ergibt sieh daraus, daß eine Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit erst dann angenommen werden könnte, wenn die geforderten Gebühren die Erstellung der von den Rekurrenten ausgeführten Bauten (Herstellung eines Theiles des zweiten Gotthardbahngeleises) unverhältnismäßig vertheuern würden. Dies ist aber nicht der Fall. Denn die geforderten Beträge bilden nur einen ganz kleinen Theil der voraussichtlichen Herstellungskosten, welcher die Rentabilität des
ßaugeschäftes nicht in erheblicher Weise zu beeinflussen vermag.

5. Von einer Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit kann im vorliegenden Falle übrigens um so weniger gesprochen werden, als die geforderten Gebühren sich auf Erleichterungen des Gewerbebetriebes, auf Vergünstigungen beziehen, welche den Re-

1025 kurrenten, allerdings in Berücksichtigung besonderer Verumständungen, aber doch in Abweichung von allgemein geltenden polizeilichen Vorschriften, gewährt worden sind.

Die spanische Regierung hat erklärt, der Phylloxera-Uebereinkunft vom 3. November 1880 beizutreten.

Herr Dr. Karl B u r c k h a r d t in Basel hat seine Entlassung als Ersatzmann des Bundesgerichtes eingereicht.

Der Eisenbahngesellschaft Glion-Naye wird auf Grund der ihr ertheilten Konzession vom 17. Juni 1890 die Bewilligung zum Bau und Betrieb einer Drahtseilbahn von der Station auf dem Plateau zum Gipfel von Naye, als integrirender Bestandtheil der Linie Glion-Naye, ertheilt.

Die Eröffnung des regelmäßigen Betriebes der neuen Strecke der Genfer Tramways in der rue de Lausanne bis zu den Niederlagshäusern von Cornavin wird gestattet.

(Vom 26. Mai 1891.)

Die Einführungsgesetze der Kantone Zürich und Uri zum Bundesgesetze über Schuldbetreibung und Konkurs werden unter den gleichen Erwägungen genehmigt, wie dasjenige des Kantons Thurgau (s. Bundesbl. I, 752).

Herr Heinrich S c h e l l h a a s , Maschineningenieur, von Außersihl (Zürich), wird ala Professor für mechanisch-technische und Konstruktionsfächer an der chemisch-technischen Abtheilung des eidgenössischen Polytechnikums berufen.

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"Wählern.

Militär département.

(Vom 22. Mai 1891.)

II. Sekretär des eidg.

Militärdepartements :

Herr Major Kaspar Suter, bisheriger Kanzlist dieses Departements.

Post- und Eisenbahndepartement.

(Vom 26. Mai 1891.)

Posthalter in Möhlin (Aargau): Frau Wittwe Hortensia Böhny.

Postkommis in Lausanne : Herr Alfred Ch. Pavillard, von Orny (Waadt).

,, Emil Pfund, von Lenk (Bern).

,, Charles Ramelet,von Orbe ( Waadt).

Postkommis in Vevey : Frl. Marie Weber, von Laufen (Bern).

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