schweizerisches Bundesblatt.

IX. Iahrg. H.

Nr. 50.

10. .Oktober 1857.

B e r icht der

kommission des Nationalrathes über die Beschwerde wegen Beschrankung der Holzausfuhr im Kanton Wallis.

(Vom 24. Juli 1857.)

Tit.

Mit Vorlage vom l. Juli l. J. erstattet der Bundesrath seineu Bericht über die Beschwerden wegen Beschränkung der Holzausfuhr iru .Kanton W a l l i s. Jn einer an die Bundesversammlung gerichteten Petition vom 13. Juli 1855 beschwerte sich nämlich eiu Herr NieoletJaquemin in Aigle, Kantons Waadt, die Regierung von Wallis lege der Holzausfuhr aus diesem Kanton Hindernisse in den Weg, die mit Art. 29 der Bundesverfassung im Widerspruch stehen. Diese Eingabe wies der Nationalrath zur Untersuchung und Berichterstattung an den Bundesrath. Ungefähr zu gleicher Zeit langten zwei weitere, denselben Gegenstand betreffende Vorstellungen beim Bundesrathe ein, die eine vou eitf Einwohnern von Monthch (KantonsWallis) , die andere mit 18 Unterschristen versehen, von Aigle.

Nach den Akten, welche über die Angelegenheit vorliegen, stellt fich die Sache in tatsächlicher Beziehung so :

1) Der Kanton Wallis hat ein vom 1. Juni 1850 datirtes Forstgesez ,.

dasselbe nebst dem damit zusammenhängenden Forstreglement vom 1. Juli 1853 liegt vor (loi forestière et réglenIent forestier).

Dieses wallisanische F o r s t g e s e z enthält folgende hier in Betracht fallende Bestimmungen: ,,Die Wälder stehen unter der Aufficht des Staatsrathes , welcher diese Aufficht einem seiner Departement über-

trägt (Art. 3) ; die Holzfchläge werden in gewöhnliche (ordinaires)

und außerordentliche (extraordinaires) abgetheilt ; leztere können nicht ohne Bewilligung des Staatsrathes vorgenommen werden (Art. 12),

Bundesblait. Iahrg. IX.. Bd. I...

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274 während für erstere (Holzschlag zu eigenem Verbrauch) eine solche Be.willigung nicht erforderlich ist; in den Partikularwaldungen dürfen

Holzschläge von über 25 Klaster nicht ohne Bewilligung des Staats-

rathes unternommen werden (Art. 23); jeder außerordentliche Holzschlag in den Gemeindswäldern, und jeder Holzschlag in Privatwaldungeu von über 25 Klafter, der ohne Bewilligung ausgeführt wurde, wird mit Konfiskation bestraft (Art. 39).

2) Ein vom 25. Februar 1854 datirtex Beschluß des Staatsrathes von Wallis sagt: ,, Alles in einer Gemeinde.. oder Partikularwaldung geschlagen^ Holz, das nicht zur eigenen Beheizung (à l'affouage) oder zu öffentlichen oder Privatbauten bestimmt ist , unterliegt einer Gebüh^ von 50 Centimen per Klafter, unter dem Gesichtspunkte einer kantonalen Ertragssteuer.. (Art. 1), welche übrigens später aus 25 Eentirnen herabgesezt worden ist; serner verfügt der befagte StaatsrathsBeschluß (Axt. 4): ,,Kein Holz soll aus dem Kanton ausgeführt we:^.

den, bevor es bei dem, dem Ausgangspunkte zunächst gelegeneu Gränzbüreau, unter Vorweisung der Quittung füx die bezahlte Taxe, angegeben worden ist^. Gränzbüreanx find drei bezeichnet; die Ansfuhr über andere Gränzpunkte wird von einer Spezialbewilligung ab-

häugig gemacht (Art. 5).

3) Sodann ist der vom 16. Februar 1855 datirte Beschluß des wallisanischen Staatsrathes in's Auge zu fassen, welcher bezüglich der außerordentlichen Holzschläge unter Andern^ festsezt:

,,Für Bauholz und Nuzholz aller Art per Zugthierlast ist eine Schlagbewilligungsgebühr von 75 Centimen; füx die Steuer selbst

25 Eentimen, zusammen also Fr. 1, oder per Klafter Fr. 2...

4) Endlich kömmt in Betracht das Finanzgesez des Kantons Wallis vom 6. Dezember 1850 und das revidirte Finanzwesen des gleichen Kan^ tons vom 31. Mai 1856. Beide Geseze enthalten das Prinzip einer Kapital- und E i n k o m m e n s t e u e r , welche auf den Liegenschasten und Gebäuden gesucht wird ; über den Bezugsmodus sagt das leztere (^. 25) : ,,Die Pflichtigen entrichten ihre Steuer in denjenigen Ortschaften, wo sie sich auf dem Register eingeschrieben befinden.^ Von einer besondern Kontrole an der Gränze bezüglich der Holzausfuhr ist in diesem Geseze keine Rede.

Die R e g i e r u n g von W a l l i s hat in ihrem Berichte an den Bundesrath wesentlich Folgendes hervorgehoben : 1) Die Staatsrathsbeschlüsse vom 25. Februar 1854 und 16. Februar 1855, welche den Gegenstand der Beschwerdeführung bilden, sind

lediglich eine Ausführung des Gesezes, welches den Ertrag der Wälder

mit Steuern belegt; es regulire.n dieselben den daherigen Abgabeubezug.

2) Die Unterscheidung der Steuer nach ordentlichen (gewöhnlichen) und außerordentlichen Holzschlägen liege in der Natur der Sache, d. h.

sei bedingt d...rch die Rüksicht eines gerechten Verhältnisses zwischen

2 7 .

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.

.

.

Steuer und Wexth des Steuerobjektes, daher eine bestimmte jähx..

li che Abgabe für ordentliche Holzschläge und eine Auflage fü..:

a u ß e r o r d e n t l i c h e S eh l ä g e ; die erstere werde auf die gewöhnlichen Steuerregister getragen; die Abgabe für außerordentliche Schläge hingegen wird jeweilen erhoben, wenn leztere stattfinden.

.^) Jn der Regel soll die Gebühr für außerordentliche Holzschläge da

erhoben werden, wo der Schlag stattfindet; die Manipulation an der Gränze sei lediglich eine Kontrolmaßregel.

4) Es ergebe sich daher, daß nicht die A u s f u h r des Holzes, sondern lediglich die A u s b e u t u n g d e r W ä l d e r der Steuer unterworfen .^ worden ist, wobei Walliser und andere .Schweizer gleich behan-

delt sind.

Der Bundesrath hat in seinem Berichte an die Bundesversammlung sein Gutachten dahin gestellt : Es sei der Bezug der besprochenen Gebühren mit den Bestimmungen der Bundesverfassung (Art. 29 und 37) nicht im Einklange, die Regierung von Wallis daher einzuladen, die Erhebung derselben einzustellen.

Der Ständerath, welcher die Priorität für Behandlung dex Ange-.

legenheit hatte, hat unterm 20. d. M. folgenden Beschluß gefaßt:.

der

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g s c h w e i z e r i s c h e n . E i d g e n o s s e n s chaft,

nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes vo.n^

1. Juli 1857,

in Erwägung:.

daß es jedem Kanton freisteht, die Wälder gleich anderm Grundeigenthum zu besteuern, beziehungsweise auch die Steuer vom Ertrag des Grundeigentums z. B. in der Form des Zehntens oder bei Wäldern in der Form einer Hö^lzschlaggebühr zu erheben, und daß nicht minder jedem

.Kanton freisteht, eine solche Holzschlaggebühr auf alle Holzschläge gleich-

rnäßig zu verlegen, oder aber kleinere Holzsehläge schwächer oder gar nicht zu besteuern ; daß dagegen Art. 29 der Bundesverfassung nicht zuläßt, die Frage der Besteurung eines Holzfchlages davon abhängig zu machen, ob das Holz zum eigenen Gebrauche einer Haushaltung oder einer Gemeinde. oder ob es zu fremdem Gebrauche diene, d. h. in den Verkauf übergehen soll, indem sonst in Fällen der leztern Art eine ausnahmsweise Steuer auf den Holzverkehr gelegt würde; daß im Fernern auch die bisherige Art dex Erhebung Dieser Steuer zu Ungleichheiten führt und mehr den Eharaktex ^iner Ausgangssteuer, als denjenigen einer kantonalen Ertragssteuex zur Schau trägt,

beschließt: Es sei die bisherige Art und Weise des Bezugs der Holzschlagstaxeu

.uicht im Einklange mit den Bestimmungen dex Bundesverfassung, und die

276 Regierung von Wallis sei daher einzuladen, Weise einzustellen.

die Erhebung in bisherigem

Die Auffassung des Ständerathes, welche er in seine Erwägungen.

.niedergelegt hat, steht in vollem Einklange mit der Anschauungsweise des

bundesräthlicheu Brrichtes. Dagegen stellt sich bei Vergleichung der Motive des ständeräthlicheu Beschlusses mit dem Dispositive des leztern sogleich^ heraus, daß das Dispositive zu den Motiven nicht ganz paßt, indem die

Motive mehr sagen, als das Dispositive sagt. Der Schlüssel zu dem

Räthfel liegt in der Entstehungsgeschichte des ständeräthlichen Dekretes.

Das Dispositiv war von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagen, mit eine:^ Motivixung, die allerdings zum Dispositive paßte (die Motivirnng hatte nämlich nur die Art und W e i s e , die Form der Steuererhebung ange^ griffen). Jm Laufe der Verhandlung im Rathe aber wurde der Motivi^ rung der Kommiffionsmehrheit eine andere entgegengestellt, welche nichr bloß gegen die Bezngsweise, sondern auch und zwar vorab infoweit gegen die Sache geht, als eine Unterscheidung in der Besteurung zwischen f. g..

Konsumholz (für eigenen Gebrauch) und Verkaufsholz gemacht ist.

Jn der Abstimmung hat der Ständerath diese leztere Motivirung angenommen, gleichwohl aber das Dispositive der Kommissionsmehrheit stehen.

lassen. Es liegt aus der Hand, daß das Dekret, so wie es redigirt ist, der Berichtigung bedarf, und daß, wenn man der Auffassung des Stände^ rathes d. h. seiner Motivirung beitritt, dieser dann auch ein dem Sinne derselben entsprechendes, dieselbe dekendes Dispositive angehängt werden muß.

Die Kommission des Nationalrathes nun, für welche Referent zu be^ richten die Ehre hat, ist einmüthig zu dem Schlusse gekommen, es sei die Sache so zu beurtheilen, wie dieselbe in den Motiven des ständeräthlichen Beschlusses, welche mit der bundesräthlichen Auffassung einig gehen, be-

urtheilt wird.

Die Frage ist die: Jst, angesichts des heutigen schweizerischen Bun^ desstaatsrechtes , es zulässig, daß Wallis den Kauf und Verkauf von.

Holz in der Weise erschwere und beschränke, daß der hiefüx vorgenommene Holzschlag ausnahmsweise einer Abgabe unterworfen wird, welcher andere Holzschläge nicht unterworfen find, und daß der Bezug dieser auf den

Verkehr gelegten Abgabe durch Gränzkontrolbüreaux beaufsichtigt, kontrolirt wird.

Es kann keinen Augenblik zweifelhaft sein, daß diese Fre.ge v e r n e i n t werden muß.

Wohl ist unbestreitbar das Recht der Besteurung des Waldeigenthums,.

sei es in der Form der Kapital-, sei es in derjenigen der Ertragssteuer, ein der Steuerhoheit der souveränen Kantone inhäxirendes, wobei es der kantonalen Gesezgebung völlig freisteht, wenn sie die Form von Holzschlaggebühren wählt, diese auf alle Schläge gleichmäßig zu verlegen, ode^

277^ aber kleinere Holzschläge schwächer oder gar nicht zu besteuren. Eben so.

unbestreitbar ist es im Gesezgebungsrecht der Kantone gelegen, vom sorstwir.thschaftlichen Standpunkte aus beschränkende und erschwerende Aussichtsund Kontrolmaßrege.n einzuführen, immer vorausgesezt, daß die Beschränkung eine alle gleich treffende sei. Aber ein Anderes ist, Unterscheidungen aufzustellen, welche eine ausnahmsweise Belästigung, ein eigentliches Privilegiuni odiosuIn für den Kauf und Verkauf von Holz involviren, welche^ offenbar darauf gehen , die Holzaussuhr von einem Kanton in den andere zu erschweren. Daß dem Kanton Wallis eine solche ausnahmsweise Belästigung des Kaufes und Verkaufes von Holz, eine solche Erschwerung ..^er Holzausfuhr von einem Kanton in den andern zur Last falle, kann, angesichts des ^oben angeführten Dekretes des Staatsrathes von Wallis.

vom 25. Februar 1854 und desjenigen vom 16. Februax 1^55, unmöglich bestritten werden, sowohl wenn man auf die Form, als wenn man auf die Sache sieht. Nun lautet der Art. 29 der Bundesverfassung:^ ,,Für Lebensmittel, Vieh- und Kaus.nannswaaren, L a n d e s - und G e w e r b s e r z e u g n i s s e j e d e r A r t sind freier Kauf und V e r k a u f , freie Ein-, Aus.^ und Durchfuhr von einem Kanton in den andern gewährleistet.^ Diesem Artikel der Bundesverfassung .läuft das dargestellte Verfahren der Regierung von Wallis schnurgerade entgegen. Der freie Verkehr im Jnnern dex Schweiz von Kanton zu Kanton sollte durch die nene Bundesverfassung.

eine Wahrheit in der That werden. Handhabe man diesen Willen d^ Bundesverfassung und widerstehe man den Anfängen, wenn der Versuch gemacht wird, das Prinzip des freien Verkehrs zu umgehen. .

Dieses sind die Ansichten der Kommission des Nationalrathes übe.^ den Gegenstand.

Dieselbe legt Jhnen den A n t r a g vor: Es fei dem Befchlnsse des Ständerathes in der Meinung beizustimmen,.

daß das Dispositiv laute: ,,Es sei die Regierung von Wallis einzuladen,

den Bezug der Holzfchlagtaxen im Sinne der Erwägungen einzustellen^).^

Eine M i n o r i t ä t hinwieder will das Dispofitiv so fassen: ,,Der Bezug von Ausfuhrgebühren auf Holz, wie dasselbe im Kantou Wallis stattfindet, widerspricht dem Art. 29 der Bundesverfassung, und es.

wird daher die Regierung dieses h. Standes eingeladen, die Erhebung.

jener Gebühren einzustellen.^

Bern, den 24. Juli 1857.

Namens der Kommission, Der Berichterstatter:

Streng.

*) Der Nationalrath hat obigen Antrag zum Beschlusse erhoben.

sammlung, Band V, Seite 590)

(S. eidg. Gese.^

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Bericht der Kommission des Nationalrathes über die Beschwerde wegen Beschränkung der Holzausfuhr im Kanton Wallis. (Vom 24. Juli 1857.)

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