Schweizerisches Bundesblatt.

IX. Iahrg. H.

Nr. 68.

23. .Dezember 1857.

B e r icht der

.Mehrheit der Kommission der Bundesversammlung, betreffend die vom Großen Rathe des Kantons Waadt erhobene Kompetenzeinrede im Westbahnkonflikt.

(Vom 15. Dezember 1857.)

Tit..

Jn ihrer Sitzung vom 10. Dezember abhiu überwies die h. Bnndesversammlung den vom Großen Rath des Kantons W a a d t in dem s. g. Westbahnstreit erhobenen Kompetenzkonflikt , welcher mittelst Botschast des Bundesrathes vom 25. November 1857 an den Entscheid derselben gebracht worden ist, zur Prüfung und Begutachtung an eine IXr Kommission. Dieselbe besteht aus den Herren Escher, P f y s f e r , Niggeler,

Jäger, Beroldingen, Fazy, Streng, Vigier und dem Berichterstatter.

Die Kommission hat nach vorgängiger Einsichtnahme von den sachbezüglichen Akten den ihr zur Begutachtung überwiesenen Gegenstand in zwei Sitzungen unbefangen und reiflich geprüft und gibt sich nun die Ehre, das Ergebniß ihrer Vorberathung in nachfolgendem Berichte und Antrage.

Jhxem Entscheide zu unterstellen.

Wenn Jhre Kommission einerseits sieh besreut, daß, was das Dispositiv ihres Antrages betrifft, unter allen Mitgliedern nur eine Ansieht waltet, so liegt es auderseits in der Natur der Sache, daß dieselben, was die Begründung des einmüthigen Kommissionalantrages anbelangt, in ihren Ansichten divergiren --, Divergenzen, welche die gegenwärtige Berichterstattung nicht eingehend berühren, deren allfäl.ige Geltendmachuug vielmehr der Minorität und den dieser sich anschließenden Mitgliedern de....

Kommission im Sehooße der Behörde gänzlich anheimstellen will.

Bundesb.att. Jahrg. IX. Bd. II0

65

556 Der Beschluß des Großen Rathes des Kantons Waadt vom 25. Sep.tember.l. J., kraft welchem der Kompetenzkonflikt erhoben wird und de.^

das Hauptaktenstück in vorwürfiger Angelegenheit bildet, Bautet wörtlich ^wie^olgt.

Der Große Rath des K a n t o n s W a a d t , nach Anhörung des slaatsräthlichen Berichtes,

iu E r w ä g u n g .

daß der schweizerische Nationalrath und der Ständerath, 1) indem fie dem Kanton die Errichtung einer Eisenbahn auf feinet Territorium auch dann noch verweigert haben, nachdem fie anerkannt, daß dieselbe die militärischen Jnteressen der Schweiz in keiner Weise verletze; 2) indem sie auf dem Wege der Zwangskonzession die Erstellung einer.

Eisenbahn durch einen Kanton bewilligten, welcher sich der Erstellung derselben nicht widersetzt hat, sondern nur deren Genehmigung vou der Einräumung gleicher Rechte -- von der Reziprozität -- abhängig machte, ohne dabei irgend welche Bedingungen aufzustellen, aus welchen.

der Eidgenossenschaft und dem Kanton hätten Lasten erwachsen können ^ 3) indem sie durch Art. 54 der Zwangskonzession vom 4. August l 857 dem Kanton die seiner Souveränetät zustehenden Rechte entzogen haben, um dieselben an den schweizerischen Bundesrath überzutragen^ in die Kautoualfouveräuetät übergegriffen haben; in E r w ä g u n g , daß der Bundesrath durch Anwendung des Art. 54 aus den im Art. 8 der Konzession vom 4. August 1857 vorgesehenen Fall nicht nur diesen Artikel falsch ausgelegt, sondern abermals in die Kantonalsouveränetät eingegriffen hat; in E r w ä g u n g , d..ß es in der Pflicht des Großen Raihes liegt.

alle gesetzlichen Mittel zu erschöpfen. um diesen Eingriffen Widerstand zu leisten ; in E r w ä g u n g , daß es im allgemeinen Jnteresse der Schweiz und des Kantons liegt, daß die verfassungsmäßige Lösung dieses Konfliktes ^beförderlichst erfolge und alle Theile steh derselben unterziehen, hat b e s c h l o s s e n ^ Art. 1. Der Stand W a a d t erhebt den Kompetenzkonflikt, indem ^er die Kompetenz der Bundesbehörden bestreitet.

Art. 2. Der Staatsrath ist beauftragt, diesen Beschluß dem Bundes^ rathe mitzutheilen, damit derselbe in kürzester Frist die Bundesversammlung einberufe, welche über den Konflikt, nach Maßgabe des Art. 74, .^. 17 .und nach Anleitung des Art. 80 der Bundesverfassung, zu entscheiden hat.

557 Art. 3. Der Staatsrath wird diesen Beschluß sämmtlichen Kantons'regiernngen und allen Mitgliedern der Bundesversammlung mittheilen.

Art. 4. Während des Zeitraumes bis zur Erledigung des Konfliktes wird sich der Staatsrath aller materiellen Akte gegen die Verfügungen des Bundesrathes enthalten, indem der Staatsrath, ohne sich dabei zu betheiligen, die ganze Verantwortlichkeit der Folgen dem B u n d e s r a t h e .uberläßt.

Also beschlossen vom Großen Rath des Kantons Waadt, L a u f a n n e , den 25. September 1857.

.^

Der P r ä s i d e n t des G r o ß e n R a t h e s .

Jules ..Martin.

Der Sekretär.

..^s. Jaeeard.

Bei näherer Prüfung dieses Beschlusses stellt sich sofort heraus, daß die Kompetenzeinrede, welche der Große Rath des h. Standes Waadt erhebt, eine z w i e f a c h e , eine von der andern verschiedene ist.

Die e r s t e Kompetenzeinrede ist g e g e n die B e s c h l ü s s e der b e i den g e s e t z g e b e n d e n R ä t h e in Sachen der Eisenbahn von Lausanne über Freibnrg an die bernifche Grenze gerichtet.

Der z w e i t e Konflikt, der sich ebenfalls in der Form einer Kompe-

tenzeinrede geltend macht, besehlägt hingegen V o l l z u g s v e r f ü g n n g e n ,

w e l c h e vom B u n d e s r a t h e a u s g e g a n g e n sind, und laut deu Erwägungen des waadtländifchen Großrathsbefchlusses namentlich die Frage der Genehmigung der Pläne für die Bahnfektionen zwischen O r o n und L a u s a n n e betreffen.

Die Berichterstattung Jhrer Kommission hält diese beiden Punkte auseinander und behandelt zuerst die Frage, o.b der National^ und Ständexath bei Fassung ihrer Beschlüsse im s. g. Westbahnkonflikt wirklich ihre Kompetenz überfchritten und fich unbefugte Eingriffe in die Souveränetät .des Kantons Waadt erlaubt haben oder nichts

I.

Der waadtländische Große Rath behauptet , der National - und Ständerath hätten die Souveränetät des Kantons Waadt dadurch beein-

trächtigt, daß sie:

1) dem Kanton Waadt die Errichtung einer Eisenbahn auf seinem Gebiete verweigert und dem Kanton Freiburg den Zwangsdurchzug für

558 die Eisenbahn von Lausanne über Freiburg an die bernische Grenze

^auf waadtländischem Gebiete gewährten, ohne gleichzeitig auch den

Zwangsdurchzug sür die Eisenbahn von J sert en auf freiburgischem Gebiete über Mur t en an die bernische Grenze zu gewähren; und daß fie .2) ^uxch den Art. 54 der detaillirten Konzesfionsbedingungeu für die Lausanne-Freiburg-Bexn-Bahn, welche von den beiden Räthen ani 4. August 1857 erlassen worden find, die dem Kanton Waadt dießfalls zustehenden Rechte weggenommen und unbefugt dem Bundesrathe übertragen habe.

Auf diese doppelte Behauptung gestützt, glaubt der Große Rath des Kantons Waadt den Art. 74, Ziffer 17 der Bundesverfassung anrufen, die angefochtenen Beschlüsse der beiden Räthe den nach Art. 80 v e re i.nigten Räthen zu gemeinschaftlicher Verhandlung vorlegen und von der Bundesversammlung den Ausspruch erwarten zu können. daß der Nationalund Ständerath in eben ausgehobener doppelter Beziehung ihre Kompetenz überschritten und in die Souveränetät des Kantons Waadt eingegriffen haben.

Wenn Jhre Kommission in beiden Richtungen keinerlei Ueberfchreitung der Kompetenz Seitens des National^ und Ständerathes und. keinerlei Uebergrisse in die Souveränetät des Kantons Waadt zu erblicken vermag, so stützt sie sich . im Wesentlichen auf folgende Gründe:

Ad 1. Nachdem zwischen den h. Ständen Freiburg und Waadt sich die bekannten Anstände über Ertheilnng von Zwang^konzessionen zu Gunsten der von der einen und andern Seite projektirten oder patronirten Schienenwege erhoben und diese Stände ihre dießfälligen Begehren in den bekannten Eingaben und Denkschriften selbst an die b e i d e n R ä t h e zum Entscheide gebracht. hatten , war der National- und Ständerath angesichts und krafts des Art. 17 des Bnndesgesetzes über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen im Gebiete der Eidgenossenschaft vom 28. Juli 1852 nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die von den genannten Kantonen an die Bundesversammlung gebrachten Eisenbahnkonflikte von sich ans zu entscheiden.

Der eben erwähnte Art. 17 lautet wörtlich : ,,Wenn ein Kanton ,,die Bewilligung zur Erstellung einer im Jnteresse der Eidgenossenschaft ,,oder eines großen Theils derselben liegenden Eisenbahn auf seinem Ge..

.biet verweigert, ohne selbst die Erstellung derselben zu unternehmen, odex .wenn er sonst den Bau oder den Betrieb. einer solchen Bahn irgendwie .in erheblichem Maaße erschweren sollte, so steht der Bundesversammlung .das Recht zu, nach Prüfung aller hiebet in Betracht kommenden Ver.hältnisfe, m a ß g e b e n d e i n z u s c h r e i t e n und von sich aus das ,, E r f o r d e r l i c h e zu v e r f ü g e n . ^ Man weiß nun, daß das Bundesgesetz über das Eisenbahnwesen mit dem eben angeführten eingreifenden Art. 17, in Verbindung mit dem Bun^ desgesetz über Zwangsenteignung vom 1. Mai 1850, nichts anderes ist.

5 .

^

...ils Ausfluß und weitere Ausführung des Art.

21 der Bundesverfassung..

Dieser Verfassungsartikel gibt bekanntlich dem Bunde das Recht, i^

Jnteresse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theiles derselben , au^ Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung dexfelben zu unterstützen.

Zu diesem Zwecke räumt er dem Bund.

die Befugniß ein, gegen volle Entschädigung das Recht der Expropriation

geltend zu machen und die nähern Bestimmungen durch Bundesgesetze festzustellen.

Die zu näherer Ausführung des Axt. 2l der Bundesverfassung nothwendigen Bundesgesetze über Expropriation und Eisenbahnwesen wurden .^dann eben von den beiden Räthen, in Gemäßheit der Art. 74, Ziffer 1 und 1 2 , sowie des Art. 80 der Bundesverfassung nach einander in abgesonderter Berathung erlassen.

Der Art. 74 , Ziffer 1 legt die Erlassung von Gesetzen und Beschlüssen zur Ausführung der Bundesverfassung, u..d die Ziffer 12 des

gleichen Artikels die Errichtung öffentlicher Anstalten und Werke und Ver-

sügungen über hierauf bezügliche Expropriationen ausdrücklich in den Geschäftskreis beider Räthe. Der Art. 80 schreibt vor, daß mit Ausnahme von Wahlen nach Art. 74, Ziffer 3 , ferner bei Ausübung des Begnadigungsrechts und für Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten ,, j e d e r Rat h a b g e s o n d e r t verhandlet Wenn nun aber die beiden Räthe das Bundesgesetz über den Bau und Betrieb schweizerischer Eisenbahnen vom 28. Juli 1852 mit feinem Art. 17 formell und materiell kompetent erlassen haben, so waren dieselben in gleicher Weise auch k o m p e t e n t , den Art. 17 dieses Gesetzes in vorkommenden Fällen a u s z u l e g e n und a n z u w e n d e n . Sie wareu in konkreto kompetent , den über eine Zwangskonzession, einerseits für eine Jferten-Murten-Bern-, beziehungsweise Jferten-Peterlingen-Freiburg-Bern^.

anderseits für eine Lausanne-Freibnrg-Bern^Bahn zwischen den Kantonen Freiburg und Waadt waltenden Konflikt zu entscheiden , und zwar selbst.^ verständlich auch zu Gunsten der letz^rn, insofern sie fanden, daß die BernFreiburg-Lausanne^Bahn im Jnteresse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theils derselben liege.

Die Behauptung des Großen Rathes von Waadt , es habe dem National.. und Ständerath die Kompetenz zu diesem Entscheide gemangelt, erscheint um so unstatthafter, da derselbe gerade der erste war, welcher, als er die Zwangskonzession gegen Freiburg zu Gunsten der Murtnerlinie xekl^nirte, die Kompetenz der beiden Räthe unbedingt anerkannte.

Die waadtlä^difche Behörde hat es auch während der mehrjährigen Dauer des

s^g. Westbahnkonflikts für und für nie versucht , das Recht der dießfälligen Entscheidung durch

die

beiden Räthe in Frage zu stellen und deßwegen

einen Kompetenzstreit im Sinne des Art. 74, 17 und Art. 80 der Bnn-

^esversassung vor der Bundesversammlung zu erheben und von derselbe^ entscheiden zu lassen.

560 Daß die beiden Räthe bei ihrem wiederholten Sachentscheide von..

der Grundansieht ausgiengen, es liege .im nationalen Jnteresse überhaupt^ und im Verkehxsbedürfnisse der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung der^ westlichen Schweiz, wenn statt einer einzigen Monopol-Bahn übexMurten, z w e i Schienenwege, einer von den Endpunkten H e r z o g e n b u c h s e e und Morse..

aus in der ^eise erstellt werden, daß die Alpenlinie die Städte Bern, Freiburg^ und L a u s a n n e , die Thal- oder Juralinie die Städte S o l o thurn, Biel und N e u e n b u r g verbinde, und wenn in Folge dessen dex Entscheid zu Ungunsten der Murtner- oder einer Freiburg-Peterlingerlinie ausgefallen ist, so kann dieses natürlich dex Kompetenz der Räthe als solcher nicht den mindesten Eintrag thun.

Ad 2.

Gleichwie die beiden gesetzgebenden Räthe bei Ertheilung der Zwangskonzession für die eine, unbestreitbarer Weise im Nationalinteresse liegende Linie und der Versagung der Zwangskonzession für die andere in Anwendung des Art. 17 des schweizerischen Eisenbahngesetzes ihre Kompetenz nicht überschritten und nicht in die Souveränetät des Kantons Waadt eingegriffen haben , eben so wenig haden dieselben bei Erlassung des Art. 54 der Detailbedingungen der Konzession vom 4. August 1857 die Kompetenz überschritten und den Kanton Waadt unbefugt eines Theils feiner Souveränetätsrechte beraubt.

Der Art. 54 des Pfliehtenhefts für die Bangefellschaft der LaufanneFreiburg-Bernlinie setzt wörtlich fest: ,,Wenn sich betreffend Ausübung ,,der gemäß dieser Konzession dem Kanton Waadt eingeräumten Rechte, ,,oder wenn sich in Fällen, welche durch die Konzession nicht vorgesehen ..sind, Anstände zwischen dem Kanton Waadt und der Gesellschaft ergeben, ,,so entscheidet, ans eingelangte Beschwerden im Sinne der ertheilten Kon,,zeffion und der ihr zu Grund liegenden Akten, der Bundesrath...

Auch dieser Art. 54 ist nichts anderes, als der folgerichtige Ausfluß des Art. 17 des Eisenbahnnetzes , welcher die Jntervention der Bundes^ gewalt in Fällen für zuläßig erklärt, in welchen ein Kanton beharrlich sich weigert, den Bau einer vom Bunde selbst als im Jnteresse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theils derselben liegend erklärten Schienenwegs auf seinem Gebiete zu gestatten. Damit nun aber eine solche Jntervention nicht wirkungslos sei und
zu leerem Spiel und zum Schaden des bauenden Konzessionärs werde, so war es nach Ertheilung der in Frage liegenden Zwangskonzession unbedingt nothwendig , daß dem Bundesrath das Recht eingeräumt werde, über Anstände und Kontestationen, welche sich zwischen der Regierung des den Bahnbau verweigernden Kantons und den Konzessionären ergeben, von sich aus zu entscheiden. Gegen die in.

diesem Artikel dem Bundesrath eingeräumte Befn^niß ist auch bei der Berathung des Pslichtenhefts erstlich in der Konferenz zu Bern am 31. Jenner laufenden Jahres, dann in dex letzten Sommersession dex Räthe von keiner Seite Einsprache erhoben, derselbe vielmehr als sich von selber verstehend angenommen worden.

Die Frage möge nicht verübelt

561 .werden, ob dex Große Rath des Kantons Waadt die Festsetzung des .Art. 54 des Pflichtenhefts durch die beiden Räthe auch als bundesver^ ^ .fassungs- und kompetenzwidxig erklärt hätte, wenn derselbe gegen den .Kanton Freiburg zu Gunsten einer Murtner- oder einer Freiburg-Pa^exne- .

linie erlassen worden wäre .^ Wenn irgendwo , so gilt bei dem heute au^gefvchteuen Art. 54 des Pflichtenhests der Grundsatz:. Wer das Recht ^ .und die Pflicht hat, einen Zwei.k anzustreben, .der muß auch die Mittel wollen l ^ Nach dieser gedrängten Erörterung über die sub 1 und 2 ausgehobeneu .Momente muß, Tit., Jhre Kommission die zuerst gestellte Frage: Ob ^dex National^ und Ständerath bei Fassung ihrer Beschlüsse im sog. West^ahnkonflikt, wie der Beschluß des waadtländischen Großen Rathes, iu .Ziffer 1, 2 und 3 seiner ersten Betrachtung behauptet, die Kompetenz überschritten habe, mit aller Entschiedenheit verneinen.

Il.

Die Berichterstattung geht nun aus die Beschwerde des waadtländi^chen Großen Raths gegen den Bundesrath über, - eine Beschwerde, die ^uach Maßgabe der z w e i t e n Erwägung des waadtländischen Rathsbeschlusses vom 25. September I857 ebenfalls in Form einer K o m p e t e n z . e i n r e d e , beziehungsweise als die Klage vorliegt, daß der Bundesrath in Anwendung des Art. 54 auf die im Art. 8 der Detailkonzesfion vom 4. August abhin vorgesehenen Fälle ebenfalls in die Souveränetätsrechte ^es Kantons Waadt eingegriffen habe.

Ueber 'diesen zweiten Punkt des Kom.^etenzkonflikts kann sich die Kom.nnsfionalberichterstattung um so kürzer fassen, je einläßlicher der Bundesrath in seiner den Mitgliedern der h. Bundesversammlung rechtzeitig mit^etheilten, gedruckten Botschaft vom 25. November abhin, welche hier iiu Allgemeinen als bekannt vorausgefetzt wird, den ganzen Sachverhalt dar-

gestellt hat.

Jndem sich daher die Berichterstattung im Allgemeinen auf diese .Botschaft beruft, beschränkt sie sich ihrerseits auf Aushebung weniger sachbezüglicher Momente.

Der Art. 8 des Pflichtenhefts , welchen der Bundesrath nach der .Behauptung des waadtländischeu Großen Raths falsch ausgelegt und

.dadurch kompetenzwidrig gehandelt haben soll , lautet wörtlich wie folgt :

,.Die endgültigen Studien sür die Eisenbahn auf dem Gebiete des Kan...tons Waadt sind dem Staatsrathe zur Genehmigung vorzulegen.

,,Vor dem Beginn der Arbeiten an jeder Sektion des Traeé find die ^Detailpläne und Kostenberechnungen mit Deiner vollständigen und detaillir^ten Uebersicht der Arbeiten in zwei Doppeln dem Staatsrathe zur Ge...uehmigung vorzulegen.

.

,,Die Pläne werden Lage und Traeé der Ausweichungsstationeu uud ^Haltstellen bestimmen...

.^6.^

Der Art. 54 des Pflichtenhefts ist bereits oben inhaltlich angeführt worden.

Wenn die Kommission nun die Frage, ob wirklich die in Folge Aussiihrung der allegirten Art. 8 und 54 durch den Bundesrath, vom waadtländischen Großen Rathe geltend gemachte Kompetenzeinrede, beziehungsweife Kompetenzüberschreitung vorliege, e b e n f a l l s e i n s t i m m i g v e r nei n t, so erachten dagegen einzelne Mitglieder, daß der Bundesrath in^ Betreff der Fragen, welche aus die Plangenehmigung Bezug haben, den Art. 8 und 54 des Pflichtenhefts eine angemessenere Vollziehung hätte angedeihen lassen sollen. Andere Mitglieder, die zu dieser Ansicht hinneigen , verhehlen sich dessen uugeachtet aber nicht , daß man über Maß^ nahmen , die in das exekutorische Gebiet einschlagen und expost beurtheilt wexden, sehr verschiedener Ansicht fein könne; sie geben zu, daß man einer

Vollziehungsbehörde ein gewisses Maß von Freithätigkeit ungeschmälert

lassen müsse, wenn man die Exekution nicht paral^firen wolle, und daß endlich, nachdem der Bundesrath, in Folge verzögerter oder unterlassener Genehmigung durch den waadtländifchen Staatsrath, die definitiven De^ tailpläne, soweit selbe angefertigt waren, am 14. Oktober 1857 von sich

aus genehmigt, die Auflage der bezüglichen Katastralpläne ans die Ge^

meindskanzleien zwar früher verlangt, aber erst nach Sanktion der Detail^ pläne wirklich bewerkstelligt und so die Möglichkeit fortgesetzter Expropria^ tionen und Arbeiten auf der Linie eingeräumt habe , -- der diessallfig^

Konfliktpunkt ohne weitere praktische Bedeutung sei.

Die Mehrheit der Mitglieder Jhrer Kommission hingegen ist der Ansicht, daß der Bundesrath in Vollziehung der Art. 8 uud 54 des Pflichtenhefts, namentlich in Anwendung des Art. 54 auf die in Art. <^ der Detailkonzeffionen dem Kanton Waadt vorbehaltenen Rechte nicht nur k o m p e t e n t , sondern im Ganzen auch sach- uud den U m s t ä n ^ d e n g e m ä ß gehandelt habe. Aus dem bundesräthlichen Protokolle geht auch hervor, daß die^ angefochtenen Vollziehungsverfügungen fammt un.^ sonders einstimmig gesaßt worden sind.

Um diese Ansicht klar zu machen, muß man freilich nicht vergessen, daß der Bundesrath, -- nachdem der waadtländische Staatsrath die von der Bundesversammlung am 23. .September 1856 in Grundsatz ausgesprochene Zwangskonzession sür die Oron-Bahn vollständig ignorirt, und die Genehmigung des ihm am 29. Dezember gleichen Jahres zuge^ sandten, von den Herren T h i r i o n und N o x d l i n g unterzeichnete...

Situationsplans samn.t Längenprosil für das Bahntraeé aus waadtländi^ schem Gebiet beharrlieh verweigert hatte, -- diesem Plan am 9. Mär^

1857 von sich aus die Genehmigung ertheiit hat und pflichtgemäß ex-

theilen mußte. Warum ^ Weil der gleiche Bundesbeschluß ...om 23. Sept..

1856 die Bahnkonzessionäre verpflichtete , die Expropriationen sofort vorzunehmen, bis zum 1. Jennex 1857 auf der Strecke von Freiburg geger^ Lausanne mit den Erdarbeiteu zu beginnen und die ganze Bahn auf bei^

.den Gebieten bis zum 1. Juli 1860 zu vollenden.

56.^ Mau muß fexner die entscheidende Thatsache nicht übersehen^ daß.

eben um der Beförderung der Arbeiten willen ausnahms^, aber kompetenterweise -- bevor die endlichen Detailpläne für das Bahntraeé fertig warer^

-.- schon im Juli 1857 Parzellarpläne, namentlich mit Bezug auf die Ge-

meinde Eull^ zum Zwecke der Expropriation angefertigt und deren Auflag^ in den Gemeinden vom Bundesrath am 31. des genannten Monats an.^ befohlen waren. Man muß endlich nicht vergessen, daß gemäß dieser genehmigten Pläne wirklich expropirt und gebaut worden ist.

Wenn nun, nachdem dieses Alles geschehen und erst am 4. August^ darauf die Detailkonzefsionsbedingungen mit dem bekannten Art. 8 vou der Bundesversammlung nachträglich extheilt worden waren , der Staats^ath von Waadt gestützt darauf, daß die ihm durch den Axt. 8 eingeräumt^ Genehmigung der endgültigen Studien und Detailpläne des Traeés -- der.

Auflegung s ä m m t l i c h e r der älteren, wie dex neuereu Pareellarplän^ v o r a n g e h e n und also dem Art. 8 des .Pflichtenhefts unbedingte rück-.

w i r k e n d e Kraft vindizirt und gegeben werden müsse, so war derselbe offenbar zu weit gegangen, und er steht diesfalls nicht im Rechte. Denn hätte dex Bundesrath den Staatsrath gewähren lassen und die Sanktion.

der Pläne vom 9. März, auf welche gestützt die Baugesellschaft eine Reih^ freiwilliger Expropriationen begonnen und Arbeiten ausgeführt hatte, nicht^ in ihrer vollen Wirkung aufrecht erhalten, so wäre die Baugesellfchaft iu.

ihren erworbenen Rechten verletzt, dex Fortgang des Unternehmens gehemmt, ja das Unternehmen selbst wesentlich gefährdet worden. Der Bundesrath hat daher dem Staatsrathe von Waadt in richtiger Auslegung des Art. 8.

des Pslichtenheftes erklärt, daß ihm nach demselben allerdings die Prüfung und Genehmigung der definitiven Detailpläne zukomme, daß diese sich abe.^ innerhalb der von ihm (dem Bundesrathe) am 9. März kompetent, auch^ keineswegs bloß p x o v i f o x i s c h ausgesprochenen Genehmigung des General^ plans und Längenprofils zu bewegen habe und diese letztere nicht in Frage.

gestellt werden dürfe.

Die Majorität dex Mitglieder Jhrer Kommission ist im Weitern der Ansicht, daß die vom Bundesrathe beim Staatsrathe des h. Stande^.

Waadt im Beschluß vom 2. September verlangte Deposition dex Parzellaxpläne mit Berufung auf den genehmigten Generalplan, während dex^ definitive Detailplan noch ausstand, bei etwas besserem Willen und freund^ licherem Entgegenkommen der waadtländischen Behörde, sicherlich kein nach-^ haltiger Gegenstand des Konfliktes geworden wäre. Nachdem der Staatsxath im Sinne des waadtländischen
Großrathsbeschlusses (Art. 4) erklärt hatte , er enthalte sich , bis der Kompetenzkonfiikt ausgetragen sei , al.le^ materiellen Akte gegen die Verfügungeu des Bundesrathes, genehmigte dex^ Bundesrath die technischen Deta.lpläne von sich aus. Ferner ist es^ wie scho.^.

oben bemerkt wurde, Thatfache und es geht auch aus dem Berieht dex eidg. Kommissarien hervor, daß die Parzellarpläne erst nach der Genehmigung der Detailpläne bei den Gemeindskanzleien aufgelegt worden sind.

..Beruhigend in materieller Beziehung ist es jedenfalls, daß die definitivem

^4 .Detailpläne des ^..ahntraeés, auf welchen der Bundesrath, anstatt des fich ^..weigernden Staatsrathes von Waadt, auf den Antrag der eidgenössische^ ..Kommissarten die Genehmigung ertheilt hat, vorgängig von dem beigezo.^genen sachkundigen und unbefangenen technischen Experten Hrn. Oberingenieur ...Hartmann als in allen wesentlichen Theilen mit großer Genauigkeit, ^Zweckmäßigkeit und Sachkenntniß angefertigt erklärt worden ist. .

Gestützt auf diese Erörterung hält die Mehrheit der Kommission de^ nachfolgenden gutachtlichen Beschlussesantrag für wohlbegxündet.

der

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g schweizerischen Eidgenossenschaft,

.^

nach Anficht des Beschlusses des Großen Rathes des Kantons Waadt ...oom 25. September 1857 und der bezüglichen Botschaft des Bundesrathes ^om 25. November 1857, so wie sämmtlicher einschlägiger Akten, betreffend ^.en Kompetenzkonflikt wegen der Eisenbahn von F r e i b u x g über O r on ^ach L a u s a n n e , Ju E r w ä g u n g :

..l) daß der National- und Ständerath bei der Anwendung des Art. 17 des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf

dem Gebiete der Eidgenossenschaft, vom 28. Juli 1852, von dem

Standpunkte ausgieng, es werden zwischen H e r z o g e n b u c h se e und M o r s e e zwei, ausschließlich im nationalen Jnteresse liegende Bahnen, die eine über B e ru, F r e i b u r g , O r o n , L a u s a n n e , die andere dem linken Ufer der Juraseen entlang (über S o l o t h n x n , Biel, N e u e n b u r g , J f e r t e n ) erstellt werden; ^) daß sie, von diesem Standpunkte ansgehend, die Erstellung einer dritten Linie über M n r t e n oder über F r e i b n r g - P e t e r l i n g e u nicht als durch das Jnteresse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theils derselben geboten erachteten, und demgemäß die Anwendung des Art. 17 des Eisenbahngesetzes zu Gunsten derselben wiederholt und definitiv ablehnten ; .^) daß die beiden Räthe hierbei inner den Schranken der verfassungs-

mäßigen Kompetenz gehandelt haben , und ihre Entscheidung folglich

endgültige Kraft besitzt, welche um so weniger in Frage gestellt werden kann, als in Folge dieser Entscheidung die Verträge zwischen dem Kanton und der Gesellschaft für die Oron-Bahn in Rechtskraft er.

wachsen und theilweife bereits in Vollziehung gesetzt worden find.

Jn E r w ä g u n g , daß die Bestimmung von Art. 54 der von den Beiden Räthen ertheilten Detailkonzesfion vom 4. August 1857 als eine ^ur Vollziehung der einschlägigen Bundesbeschlüsse notwendige erscheint, ^nd darum uicht als ein Eingriff in die Kantonalsouvexänetät angesehen.

^werden kann ;

565 in Erwäguug, daß der Axt. ^ 5 4 d e r Detailkonzesfion erforderliche.^ ^alls auch auf die in Art. 8 derselben .dem Kanton Waadt vorgehaltenen ^Rechte Anwendung finden durste, und daß überhaupt der Bundesrath in .Handhabung und Ausführung .der erwähnten Konzession inner. dem Kxei^ seiner .Kompetenz verfügt und namentlich dem definitiven Detailplan für ^ie Bahnstrecke auf waadtländisehem Gebiet in endgültiger Weise die Ge^

..nehmignug ertheilt hat,

^

beschließt:

1. Dem durch Beschluß des Großen Rathes des Kantons Waadt,.

^om 25. September 1857, erhobenen Kompetenzkonflikt wird keine Folge gegeben.

2. Dieser Beseh.uß ist dem Kanton W a a d t , so wie dem Kantou .Frei b u r g für sich und zu Handen der betreffenden Gesellschaft mitzutheilen.

Nur was die Motivirung dieses Antrages betrifft, geht die Kommas^ion in eine Mehrheit und Minderheit auseinander.

Die Mehrheit der Kommission

rechtfertigt die F o r m ,

.... h. die

.nähexe Motivirung, mit welcher sie die abweichende Erledigung

^es aufgeworfenen Kompetenzkonflikts beantragt, mit nachfolgenden wenigen ^Momenten ; Zuvörderst glaubt die Mehrheit der Kommission, daß, wenn die oberste ^.Landesbehörde eines Kantons in einem seierlichen Dekrete und in einläß^ichfter Motivirung einen Kompetenzkonflikt wider, von den beiden gesetzgebenden Räthen erlassene Bnndesbeschlüsse bei der Bundesversammlung erhebt, es schon ein .^lkt der Schicklichkeit sei und in der Würde der VerSammlung liege , ihren Entscheid motivirt , d. Z. so zu fassen , daß sie demselben die Gründe voranschickt, warum sie so und nicht anders entschieden habe. Die Einwendung, daß ja diese Gründe aus den Rapporten ^.er .kommissionen und den Debatten der Versammlung entnommen werden .mögen, ist nicht stichhaltig. Abgesehen davon, daß die Erfahrung bei uns ^keiue seltene ist, daß dergleichen Rapporte hintennach falsch gedeutet oder ^iit der Erklärung auf die ^eite gestellt werden, daß ihr Jnhalt, soweit Derselbe nicht in die Motive und Dispositive der Beschlüsse selbst über^gegangen sei, keinerlei rechtliche Bedeutung habe; -- abgesehen davon, .^aß wir über die parlamentarischen Verhandlungen keine offiziellen Bülletins .herausgeben, -- wird man nicht in Abrede stellen, daß in der Regel die ^.Nasse des Volkes keine Zeit findet, solche Rapporte und Debatten nach.zulesen, daß es dagegen mit Recht erwartet, es werden wichtige supreme ^Entscheide, wie sie hier in Frage liegen, in guter, republikanischer Weise.

^ie Gründe der Entscheidung an ihrer Stirne tragen. Wir geben zu, ^aß für Gesetze u.^d Beschlüsse mancher Art das Voranschicken von Kou-

^6 fidexanden entbehxlich erscheint und besser weggelassen werden. Das ist^ aber in vorliegender Kompetenzangelegenheit, in welcher die oberste .Bundes.^ Behörde den höchsten Entscheid zu fassen hat, offenbar nicht ^er Fall.

Man sagt uns im Fernern:: Durch Weglassung aller und jeder Mo.^ tive, beziehungsweise durch das Unterlassen der Auffrischung früherer that^ sächlicher Hergänge im sog. ...^estbahnkonflikt, würde ohne Zweifel die.

Erneuerung einer mißbeliebigen Debatte im Schooße der Bundesversammlung nicht nur unterbleiben, sondern der vorwürfige Kompetenzkonflikt mit^ einer an Einmnth grenzenden Mehrheit der Versammlung durch Tagesord^ nung beseitigt werden.

Niemand beklagt es mehr, als die Majorität Jhrer Kommission, daß^ diese, wie Jedermann hoffte, durch die Befchlüsse der gefetzgebenden Räthe vom 4. August abhin definitiv erledigte Angelegenheit nicht ruhen ge^ lassen und abermals vor die Bundesbehörden gebracht wurde. Wenn da^ durch viermalige, hitzige Debatten zum fünften Male erneuert werden, so hat die Majorität der Kommission diefe Erneuerung weder veranlaßt, noch kann sie für die Folgen verantwortlich gemacht werden. Uebrigens ist es höchst unwahrscheinlich, daß ein Beschlussesantrag, wie der vorwürsige, deßwegen, weil er in nnmotivirter Form erscheint, allerseits ohne alle Diskussion mit Stillschweigen hingenommen und zum Bes.^luß erhoben würde. Nachdem einmal der Konipetenzkonflikt erhoben worden ist, erscheint es gewiß für Alle besser, derselbe werde in Offenheit, klar und unzwei^ deutig , ohne Rück^ und Hintergedanken , als durch eine farb^ und grund.^ satzlose Schlußnahme erledigt, die nachher wieder der vielfachsten Deutung unterläge, und zu neuem Hader und neuen Rechtsunsieherheiten Stoff und Veranlassung böthe.

Jn s o l c h e r Erledigung liegt nebenbei auch die Gewähr, daß nicht

schon in nächster Räthesession neue Begehren in dieser oder jener Form eingebracht werden, um die rechtskräftigen Bundesbeschlüße bezüglich der Oronbahn abermals in Frage zu stellen und so das Unternehmen nicht nur zu gefährden, sondern ganz unmöglich zu machen.

D i e s e s h i n d e r t auch dur ch aus n i c h t , daß d a ^ v o n d e r O r o n g e s e l l s c h a f t b e i d e n b e i d e n R ä t h e n i n Fol^ d e s f o r t w ä h r e n d e n P l a c k s und A n g r i f f s S e i t e n s d e r R e ^ g i e r u n g v o n W a a d t g e s t e l l t e Gesuch u m e i n P r i v i l e g i u m , den o r d e n t l i c h e n W e g u n d V e r l a u f d e r E r l e d i g u n g i u d e n beiden R ä t h e n nehme.

Was endlich die dem Befchlußantrage der Mehrheit vorangestellte^ Erwägungen im Besondern betrifft, s o s i n d s i e P u n k t s ü r P u n k t

ledigli ch eine w i d e r l e g e n d e A n t w o r t aus die im

w a a d t l ä n d i s e h e n G r o ß r a t hsbesch lu ^ zur B e g r ü n ^ dung der K o m p e t e n z e i n r e d e n a n g e f ü h r t e n K o n f i d e r a n d e n nnd^ enthalten nur die tatsächliche Rechtfertigung der von Waadt angefochtenen .Bundesbeschlüsse. Ja, diese Motive enthalten, wenn sie richtig ausgefaßt .und denselben keine Falschheiten unterschoben werden .-- nur alte rechtskräf.^

567 ^ige Thatsachen -- nur res judicat^ -.- , und greifen a l t e n und n e u e n , ^dex Kompetenz beider Räthe unterliegenden Entscheidungen in keiner Weise ^or. Es ist unrichtig, wenn man behauptet, wir muthen der BundesVersammlung bei Anlaß der ..^erathung eines Kompetenzkonflikts zu, über ^.ie von den beiden Räthen erlassenen Bundesbeschlüsse hinaus und gegen ^diefelben einen Beschluß zu fassen , der nur in der Kompetenz der beiden ..Räthe, nicht aber der Bundesversammlung als solcher liege. Es ist illoyal, ^venn man den Motiven des Mehrheitsantrages d i e Deutung geben will, ^Ils beabsichtige man, der Orongesellschaft auf Umwegen ein Monopol ein^uräu.nen, welches die beiden Rathe in den frühern Bundesbeschlüßen nicht ^aben einräumen wollen.

.^ Der Berichterstatter der Mehrheit, indem er die einläßlichere BeGründung der Motive den Mitgliedern derselben im Verlauf der Debatten ausdrücklich vorbehält, fühlt fich um so mehr verpflichtet, aus frühern Protokollen und Akten der beiden Räthe die Z i f f e r n 2 und 3 der e r s t e n E r w ä g u n g etwas näher zu beleuchten, als mehrere verehrte ^Mitglieder in der Bundesversammlung sitzen, welche ihr in der abgewicheneu

.Legislativperiode nicht angehört haben. Er fühlt sich verpflichtet, Namens

der Mehrheit der Kommission zu erklären, in welchem Sinne und Geiste die Ziffern 2 und 3 der ersten Erwägung aufgenommen worden sind.

A.d Z i f f e r 2 der e r s t e n E r w ä g u n g . Der Staatsrath des .Kantons ..^aadt hat fich behufs Erhaltung einer Zwangskonzession für eine. .

Eisenbahn über Mnrten , beziehungsweise Peterlingen-Freibnrg

am 29. Juni 1855,

am 26. November 1855, am 2. Juli 1.^56, und

am 13. März 1857,

also in zwei und einem halben Jahre v i e r m a l an die Bundesbehörden gewendet und ist ^on den beiden gesetzgebenden Räthen mit diesem wiederholten Begehren allemal und endlich abgewiesen worden.

Jn den ersten fachbezüglichen Eingaben vom 29. Juni und 26. Nov e m b e r 1855 schon verlangte Waadt von den Bu..desbehörden, auf den

Fall der Bewilligung einer Linie über Freiburg, die gleichzeitige Zwangs-

Konzession gegen den Kanton Freiburg für die Murtnerlinie. Die beiden Räthe behandelten und erledigten diese beiden Gesuche in der Februarfessiou.

des verflossenen Jahres. Die Minderheit der nationalräthlichen Kommission, welche die Zwangskonzeffiou für die Murtnerlinie empfahl, trug eventuell darauf an, den Bundesrath zu ermächtigen. sowohl die Oronlinie, als die Freiburg-Peterlingen-Linie gleichzeitig Namens des Bundes zu konzessioniren, falls darum nachgefucht werde. Der Nationalrath verwarf mit 78 gegen 31 Stimmen diesen Antrag. Noch mehr. Die Kommission behielt iu .hrem Antrage die Möglichkeit für Freiburg offen, die Bahn von Freiburg aus, statt über Peterlingen, über Or o n zu führen, und stellte zu diesem Zwecke den Antrag, zu befchließen :. es habe sich Freiburg nicht speziell sii..:.

die Linie Freiburg-Peterlingen-Jferten, sondern ...pour une jonction assuré^

568 ^1e 1a ligne sribourgoise avec une 1igII.^ a11ant à Genève'^, d. h. für eine^ ^.ie V e r b i n d u n g mit G e n f bezweckende Linie überhaupt auszuweisen, und es sei deßhalb die erloschene Konzession auf Waadtländergebiet zwa.^ wohl von Morfee bis an die Gensexgrenze, n i c h t a b e r von J f e r t e ^ an d i e . F r e i b u r g e r g r e n z e zu erneuern. Der Nationalrath erhole diesen Antrag zum Beschluß (Art. 4 des Bundesbeschlusses vom 6. Febr.

1856) und verwarf den Antrag einer Kommissionsminderheit, welche einfach^ die Genehmigung der Bahn von Freiburg über Peterlingen aussprechen,.

aber zugleich auch die Konzession aus W a a d t l ä n d e r g e b i e t von.

J f e r t e u an die F r e i b u r g e x g r e n z e ertheilen wollte. Der Stände-.

rath erhob in der erstmaligen Berathung diesen letzteren Antrag zum Be-.

schluß, ließ denselben jedoch wieder fallen, als der Nationalrath auf seiner^ ersten Schlußnahme unentwegt beharrte.

Endlich sollte der Stand Freiburg nach den. Mehrheitsantrage der .nationalräthlichen Kommission bis zum l. Juli 1856 den Ausweis de^ Beginns mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn leisten. F ü r ^o e n Fall., d a ß F r e i b n r g d i e s e F r i st n icht e i n h a l t e , fei , s.^ lautete der Antrag weiter, der Bundesrath schon je.tzt zu beauftragen, der Bundesversammlung auf die ordentliche Session im Monat Juni nächstkünftig die nöthigen Vorlagen zu machen , um die Bahnrichtung ü b e r^ M u r t e n zu bewilligen. Dieser Antrag wnrde in beiden Räthen zun^ Beschluß erhoben (Art. 7 des Bundesbeschlusses vom 6. Februar 1856)..

Es geht hieraus (so fand es auch der Bundesrath in feiner Botschast vom 13. April l. J.) deutlich hervor, daß schon bei diesen erstem Verhandinngen der Räthe die Gesuche von Waadt d. d. 29. Juni un.^ 26. November 1855 und die entsprechenden Anträge im Schooße derselben

sur eine reziprozixliche oder gleichzeitige Bewilligung der Murtnerlinie mit^ derjenigen über Freiburg des Bestimmtesten verworfen und der Bahn über Murten nur eventuell, d. h. lediglich für den Fall noch gedacht wurde, daß Freiburg sich für die Erbauung der obern Linie nicht auszuweisen inr Stande sei.

Es ist den meisten von Jhnen, Tit., noch in frischer Erinnerung, daß der Staatsxath von Waadt trotz dieser Abweisung seiner Eingaben vom 29. Juni und 26. November 1855, das ganz gleiche Gesuch am 2. Juli 1856 erneuerte und daß dasselbe in der Session vom September gl. J. von beiden Räthen abermals abgewiesen wurde. Keine Fraktion der nationalräthlichen Kommission, welche in eben erwähnter Sitzung den Westbahnkonflikt zu begutachten hatte, wagte den Antrag zu stellen, es möchte demselben entsprochen und neben der Oronlinie auch die ^Murtnerlinie vom Bunde konzessionirt werden.

Und als aus dem .Schooße der Behörde zwei individuelle Anträge in verschiedener Form, aber in gleicher Tendenz d.^hin gestellt wurden, es solle neben der Oron^ linie auch die Linie über Peterlingen, beziehungsweise Murten, vom Bunde konzessionirt werden , -- blieben beide Anträge in entschiedener Min^erheit.

56^ ^ Aus der Schlußabstimmung gieng der Antrag der Minderheit der Kom.^.

misfiou (Oronlinie) gegenüber demjenigen der Kommissionsntehrheit (Freiburg..Petexlingen^inie) mit 59 gegen 47 Stim.^e.^ als Beschluß hervor,..

und der Ständerath stimmte demselben am 23. ^..^ptembex l856 mit 24.

Stimmen gegen 16 bei, nachdem auch in diefex Behörde ein Antrag auf^ gleichzeitige Bewilligung der Murtnerlinie neben derjenigen über Oxou..

mit großer Mehrheit abgewiesen worden war. .

Dex Staatsrath von Waadt kam nun iu seiner Eingabe vom.^ ..3. März l.. J. zun1 v i e r t e n Mal und erneuerte zum vierten Mal das^ gleiche zum zweiten Mal von der Bundesversammlung abgewiesene Gesuch^ ohne ueue Thatsachen, ohne ewas anderes anzuführen, als die Behaup^ung, die Zwangskonzessiou für die Linie O^ron sei am 23. September 1856 unter dem Vorbehalt des Art. 17 des Eifeubahngesetzes ertheilt^ worden, und es solle und ^ könne darum die Bestimmung dieses Artikel.^ durch die Bewilligung der Linie Murteu geltend gemacht und augewendet.

werden.

.

.

Dieses letzte Gesuch um zwangsweise Konze^nirung einer drittem Linie wurde dann von den beiden Räthen im Juti 1857 in der seierlichen und definitiven Weise von der Hand gewiesen, .daß auch das von de.^ ^Minderheit der Rathstommissionen vorgeschlagene Wort ..einstweilen.^ -^pour 1e InoInent... in den beiden Räthen mit überwiegender Mehrheit be.^ seitigt worden ist.

.

Diese wiederholte definitive Abweisung wurde von der Mehrheit de^ nationalräthlich^ Kommission unter Anderm wörtlich dahin motivirt, weil 1) über den Ausschluß der Linie Murten neben der Linie über Frei-^ bnrg bereits wiederholt von der Bundesversammlung verfügt worden sei, und weil -- bis n e u e T h a t s a c h e n v o r l i e g e n . - auf di.^ gleichzeitige Zwangskonzessionirung der Linie Murten neben der Linie .

Freiburg nicht zurückgekommen werden dürfe ; weil 2) die zur Anwendung des Art. 17 des Eisenbahngesetzes erforderlicher^ Voraussetzungen nicht vorhanden seien ; weil 3) die Bewilligung der Murtenltnie die Ausführung der Oronliuie ge^. .

sährden und das sanktionirte Bahnnetz sür die Westschweiz wieder zernichten, und 4) die erworbenen Rechte der Baugesellschaft der Oronlinie verletzen

würde ; weil endlich

5) nicht nur keine neuen T h a t s a c h e n , welche die Rückgängig.^ machung des Bundesbeschlusses vom 23. September 1856 xechtfex-.

tigen, vorliegen, sondern sogar die Gründe entkräftet erscheinen^ welche von Waadt gegen den Bau der Oronlinie früher geltend ge^ macht worden seien.

Der Abweifungsbeschluß vom 3l. Juli 1857 selbst ist dahin moti^ ^irt. Jn Erwägung, daß... ,,seither keine Thatsaehen eingetreten find, welche ..ein Abgehen von den gefaßten Beschlüssen rechtfertigen.^

^70 Es ist also wirklich eine d r i t t e Linie in gleicher Richtung ^n d e m Sinn d e f i n i t i v a b g e w i e s e n w o r d e n , a l s e i n e Z w a n g s K o n z e s s i o n durch .den Bund nicht e r f o l g e n k a n n , s o l a n g e .uicht n e u e Thatsa^en e i n t r e t e n , w e l c h e d i e s e r Linie nach ^.em W o r t l a u t d e s A x t . 17 d e s E i s e n b a h n g e s e t z e s e i n e eid..

.geuössische B e d e u t u n g g e b e n .

Ad Z i f f e r 3 d..x ersten E r w ä g u n g . Wenn hier für die erste Erwägung die Folgerung gezogen wird, daß durch die kompetent gefaßten Beschlüsse der beiden Räthe, die zwischen dem Kanton Freiburg und der Gesellschaft für die Oxonbahn abgeschlossene Konvention vom 8. April 1856 in Rechtskraft erwachsen sei , so geht diese rechtliche Thatsache na^mentlich aus dem Bundesbeschluß vom 23. September 185.^ hervor. J.^ tiefem Befchlusse heißt es in Art. 1 wörtlich .

,,Dem Dekrete des Großen Rathes des Kantons Fxeiburg, vom ,,24. Mai 18.^6 und der d e m s e l b e n zu Grund l i e g e n d e n Eon.^ A v e n t i ou für die Erstellung und den Betrieb einer Eisenbahn von der ^Bernergränze bei Thörishaus über Freiburg bis Lausanne wird unter ,,nachstehenden Vorb^aiten und Bedingungen die Genehmigung ertheilt.^ Die beiden Räthe haben also nach dem Wortlaute dieses Artikels den Vertragsbestimmungen , denen in Ziffer 3 der ersten Erwägung des ^Mehrheits^Antrags gerufen wird, expressis verbis die Genehmignng er^ theilt. Seither find auch die Bestimmungen dieses Vertrags theilweis bereits in Vollzug getreten.

Wenn das erwähnte sreiburgische Großrathsdekret sowohl als diese Konvention, namentlich deren Art. 6, der von dem Ausschluß von Par^llelbahnen handelt , m i t dem in Art. 8 des gleichen Bundesbeschlußes, d. h. so genehmigt wurde, daß damit den Befugnissen nicht vorgegriffen sein solle, welche der Bundesversammlung nach dem Art. 17 des Eisenbahngesetzes zukommen , -.- so geschah hier, was bei der Bundesgenehmi^ gung der Konzessionen von allen andern schweizerischen Bahnen geschah, uud es versteht sich, daß sich die Konzessionäre der Oronbahn diesen all^ gemeinen geglichen Vorbehalt, wie andere Baukonzessionäre schweizerischer Schienenwege, ebenfalls gefallen lassen müssen.

Was die letzte E r w ä g u u g betrifft, so antwortet dieselbe einfach auf ^as
enfprechende zweite ,,attendu.^ des waadtländischen Großrathsbeschlusses, mit welchem er erklärt, der Bundesrath habe in Anwendung des Art. 54 und 8 seine Kompetenz überschritten und in die Souveränetät des Kantons

Waadt eingegriffen. Sie ist selbstverständlich, rechtfertigt zugleich den an^

gegriffenen Bundesrath und macht nebenbei neuen Streitigkeiten übex die Definitive Genehmigung der technischen Detailpläne ein Ende.

Die Mehrheit der Kommission schließt ihren Bericht mit den gleichen,

in die Erwägungen des Dekrets selbst übergegangenen Worten, mit welchen die Majorität der Kommission des waadtländischen Großen R.aths ihren , in vorwürfiger Angelegenheit erstatteten Rapport geschlossen hat. Auch

sie hegt die tiefe Ueberzeugung .

571 ,,0u'il est de l'intéret général de la Suisse et du Canton de Vaud ...que 1a solution constitutionnelle de ce conflit intervienne proniptement, ,,et que chacun s'y soumette."

Auf Deutsch : ,,Es l i e g e im a l l g e m e i n e n J n t e r e s s e der E i d g e n o s s e n ,,schaft, wie des K a n t o n s W a a d t , daß die Lösung des ge,,genwärtigen Konflikts unverweilt erfolge, und daß Jeder,, m a n n sich dem Entscheid unterwerfe."

Bern, den 15. Dezember 1857.

Hochachtungsvoll ....I..

Namens der Mehrheit der Kommission der Bundesversammlung , bestehend aus den Herren N i g g e l e x ,

B e r o l d i n g e n , F a z y , V i g i e x und dem Berichterstatter: Hungerbühler.

Die Minderheit der Kommission formulixte ihren Antrag folgendermaßen.: Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Beschlusses des Großen Rathes des Kantons Waadt, vom 25. September 1857, über Erhebung eines Kompetenzkonfliktes wegen Konzession einer Eisenbahn von F x e i b u r g über Oron nach Lausanne, und nach Anhörung der Botschaft des Bundesrathes vom 25. November 1857,

be schl i e ß t : Dem durch Beschluß des Großen Rathes des Kantons W a a d t vom 25. September 1857 erhobenen Kompetenzkonslikt wird keine Folge gegeben.

Aus den Verhandlungen des schweizeri schen Bundesrathes.

(Vom 20. Dezember 1857.)

Der Bundesrath hat beschlossen , den beiden gesezgebenden Räthen empfehlend vorzulegen : 1) die vom Großen Rathe des Kantons Luzern ertheilten Konzessionen für Eisenbahnen von L u z e r n ü b e r E b i k o n a n die K . . n t o n s g r ä n z e , in der Richtung nach Zürich, und von der B e r n e r g x ä n z e bei Krö.schenbrunnen durch das E n t l e b u c h bis L u z e r n ; 2) das von der Regierung des Kantous Tefsin gestellte Gesuch um Fristverlängerung für die Erstellung der Eisenbahnstxekeu LukmanierB x i s f a g o und B e l l i n z o n a - E h i a s s o .

Zu einem Kommis auf dem Hauptpostbüreau Lausanne ist Herr Jaques Dautan, von Lutrv, Kts. Waadt, gewählt worden.

Bundesblatt. Jahrg. IX. Bd. II.

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Bericht der Mehrheit der Kommission der Bundesversammlung, betreffend die vom Grossen Rathe des Kantons Waadt erhobene Kompetenzeinrede im Westbahnkonflikt (Vom 15. Dezember 1857.)

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1857

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23.12.1857

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