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Bericht der

Mehrheit der ständeräthlichen Kommission, niedergeht zur Vorberathung der Neuenburgerfrage

(Vom 16. Januar 1857.)

Herr P r ä s i d e n t !

Meine Herren S t ä n d e r ä t h e !

Die von Jhnen in Sachen des Neuenburgerkonfliktes niedergesetzte .Kommission theilt sich in^ Mehrheit und Minderheit, letztere bestehend aus Einem Mitglieds Die Mehrheit hat mich beauftragt, Jhnen in gedrängter Kürze die Motive vorzulegen, welche fie bewogen, Jhnen den Antrag zu hinterbringen, es m ö c h t e der S t ä n d e r a t h dem Beschlusse d e s Nationalrathes, der nur in unwesentlichen Punkten vom Beschlussesantrage des Bundesrathes differirt, auch s e i n e r s e i t s beipflichten.

Es ist überflüssig, im jetzigen Augenblicke auf die vielfach verwickelte

Rechtsfrage einzutreteu, welche den Kern des Neuenburgerkonfliktes enthält.

und ebenso überflüssig , den mannigfaltig verschlungenen Gang der bisherigen diplomatischen Unterhandlungen zu entwickeln. Der Boden, welchen die Bundesversammlung für ihre Anschauungsweise sich einstimmig selbst

gelegt hat, ist der Bundesbeschluß vom 30. Dezember 1856.

Jn diesem Beschluß beauftragte die Bundesversammlung den Bundesrath , vor dem Entscheide durch das Schwert die Unterhandlungen zum Zwecke einer friedlichen Ausgleichung fortzusetzen, und gab ihm in dieser .Beziehung eine nur durch zwei bestimmte Direktionen begränzte Vollmacht.

Diese beiden Direktionen lauteten : 1. Alle in Anwendnng zu bringenden Mittel sollen als absolut unver.änderliches Z i e l die Anerkennung der Unabhängigkeit Neuenburgs vor.

jedem auswärtigen Verbande irn Auge haben; 2. die M i t t e l s e l b s t sollen nicht der Art sein, daß .sie mit de....

Ehre und Würde der Schweiz unverträglich wären. .

Der Bundesrath hat auf dem in seiner Botschaft bezeichneten Wege die Unterhandlungen fortgesetzt und ist darin aus einem Punkte angelangt, .wo er der Bundesversammlung einen annehmbaren Vorschlag vorlegen zu .können glaubte. Jn der Steuung der Räthe liegt es nun wohl einfach, die beiden Fragen zu betrachten: ob einerseits die gemachten Vorschläge .nichts der Ehre und Würde der Schweiz Nachtheiliges enthalten, und ol^

fie das bezeichnete Ziel hinlänglich sichern..

57 Bei Prüfung der erstbezeichneteu Frage, derjenigen nämlich über E h r e n h a f t i g k e i t der vorgeschlagenen Mittel, müssen wir mit Rücksicht ...Ins das in diesem Punkte äußerst zarte Gefühl unserer Nation mit großer.

Serupulosität verfahren und alle Zweifel sorgfältig erwägen , die etw^ gegen den Vorschlag des Bundesrathes im Vaterlande laut geworden find.

Der Bundesrath schlägt als Mittel zum Zwecke friedlicher Aus-

gleichung, die Niederschlagung des gegen die Theilnehmer der Jnsurrektion vom 3. September angehobenen Prozesses vor.

Die Bedenken gegeu.

diesen Vorschlag resümiren sich unter drei Kategorien. Man wendete ein..

erstlich, er sei verfassungswidrig, zweitens, er sei der Ehre nachtheilig und drittens, er fei unklug. Prüfen wir sueeessive diese Bedenken l V e r f a s s u n g s w i d r i g wollte man den Vorschlag deßwegen finden^.

.weil der Bundesversammlung nur das Recht der Begnadigung n a ch erfolgtem Urtheil, nicht aber auch dasjenige der Niederschlagung eines Prozesses v o r dem Urtheile zustehe. Es ist richtig, daß wenn auch diese Beiden Rechte Ausflüsse Einer und derselben Ouelle, nämlich der Staatshoheit, sind, dennoch zwischen ihnen eine gewisse Verschiedenheit besteht,.

und es muß durchaus zugegeben werden, daß das Recht der Niedersehlagung eines Prozesses durch einen unmittelbaren Eingriff in den Gang der Justiz, ein noch weiter gehendes Souveränetätsrecht ist, als dasjenige der Begnadigung. Allein in der Materie der politischen Prozesse hat jener theoretische Unterschied in der Praxis des eidgenössischen Staatsrechtes ni^ e x i s t i x t . Ganz abgesehen von einer Reihe ähnlicher Vorgänge, die früheru Perioden angehören, genügt es, zum Belege hiesür zu verweisen auf den Bundesbeschluß vom 25. Juli .1855,^ zufolge welchem ein im Kanton Tefsin eingeleiteter politischer Prozeß ebenfalls niedergeschlagen wurde. Damit fällt der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit einer solche^

Maßregel gänzlich dahin.

Aus dem Standpunkte der E h r e der Schweiz lassen sich die Be.^ denken gegen die Niederschlagung des Prozesses dahii.^ formuliren . erstlich, es enthalte diese Maßregel das Zugeständniß eines begangenen Unrechtes^ zweitens, sie habe den Eharakter einer einseitigen Eonzesfion. ^ Den erftern Punkt anbelangend , wurde allerdings seiner ^eit vo.^ preußischer Seite verlangt , es solle die Eidgenossenschaft die Jnsurgenteu vom 3. September freilassen, weil diefelben nur die Beseitigung einer unrechtmäßigen und die Wiederherstellung einer rechtmäßigen Gewalt angestrebt .haben. Allein dieser Zumuthung wurde auf das Bestimmteste widersprochen, und dermalen wird lediglich von befreundeter Seite im Jnteresse einer gütlichen Ausgleichung und der Erhaltung des europäischen Friedens die Niederschlagung des Prozesses empfohlen. Hierin liegt nicht nur keine Be.^ streitung. sondern im Gegentheil die Anerkennung der Kompetenz der^ Eidgenossenschaft zur Ausfällung eines Strafurtheils; denn es ist klar, daß .venu man der Eidgenossenschaft gax kein Recht zur strafrechtlichen Behand^lung der Jnsuxgenten zugestehen wollte, man mit sich selbst in Widerspruch käme, wenn man ihr die Berechtigung zur Niederschlagung des Prozesses

^8 .einräumen würde. Die Stellung eines Verlangens nach dieser Richtung setzt ja mit Notwendigkeit voraus, daß man demjenigen, au welchen das ^erlangen gerichtet ifi^ die Besugniß zugesteht, dem Verlangen zu willfahren. Hat dieser aber das Recht zu willfahren , so hat er offenbar.

auch gleichmäßig das Recht, nicht zu willfahren; und wenn ex somit

willfährt, so thut ex es aus freiem Willen, in Ausübung s e i n e x Souv e r ä n e t ä t . Zur Beseitigung jedes Zweifels hierüber schlägt der Bundes...äth vor, das Letztere ausdrü.klich zu sagen, womit Jhre Kommission ganz einverstanden ist.

Materiell ist jene Anschauungsweise Preußens noch viel weniger begründet. Es ist ein.. sest.tehende Thatsache, daß die Jnsurgenteu vom 3. September durch nächtlichen Ueberfall die bestehende Regierung des .Kantons Neuenburg zu stürzen suchten. Angenommen nun selbst, die von Preußischer Seite aufgestellte Behauptung, die bestehende Regierung ienes Kantons sei keine legitime, wäre vollständig gegründet, so würde selbst dieß jenes Attentat von ferne nicht rechtfertigen. Wie im Privatleben der .Besitz, ganz abgesehen von der Eigenthumsfrage , Anspruch auf Schutz .hat, so hat im Staatsleben j e d e b e s t e h e n d e Regierung, kraft ihres Bestandes, ganz abgesehen von ihrer Legitimität, das Recht zur .^ufrecht^ Haltung dieses Besitzstandes. Eine entgegengefetzte Theorie würde die Ruhe des Privat-, Familien- und Völkerlebens den größten Gefahren preisgeben, im Jnnern der Gesellschaft eine wahre Anarchie erzeugen und jeden Prätendenten zur eigenmächtigen Gewaltthat privilegixeu. Da nicht zu befürchten ist, daß jene Theorie um ih^ex gefährlichen Konsequenzen willen bei Fürsten oder Völkern Anklang finden könnte, so hat auch die Schweiz uicht zu besorgen, daß man der Niederschlagung des Prozesses einen solchen schiefen Sinn unterschieben könnte. Denn in den Augen jedes vorurtheilsfreien Menschen ist es klar, daß der nächtliche Ueberfall vom 3. September ^ine ungerechtfertigte Gewaltthat war, über welchen die Schweiz, kraft

ihrer Staatshoheit, z^ Gericht zu sitzen befugt ist, und daß die Schweiz in

dieser Beziehung fich auch durch keine Einschüchterung davon abwendig machen lassen würde. beweist die vollständige Einstimmigkeit von Volk und Behörden zur Handhabung eines entschlossenen Widerstandes gegen unge.bührliche Drohungen.

Wenn die Bundesversammlung fich entschließt, den Prozeß niederzuSchlagen, so find es Gründe ganz anderer Art, welche fie hiezu bestimmen .werden; es ist vornämlich die Rü.^sich^aus Neuenburgs Vergangenheit und Zukunft. Prüfen wir einmal die tatsächliche Stellung Neuenburgs in den letzten 40 Jahren ohne juristische Spitzfindigkeiten . Seit dem Wiener.vertrag war die Souveränetät Neuenburgs de facto getheilt unter einen Fürsten und die Schweiz.

Neueuburg hatte also von diesem Zeitpunkte .33 Jahre lang zwei Souverän, und demgemäß auch in der Bevölkerung gelbst zwei getrennte Heerlager. Realisten und Republikaner. Was ^vax die Folget Ewiger Hader ini Lan^e, Stillstand in der Administration, Konflikte uach Außen. Jm Jahr 1848^ löste fich nun allerdings das..

59 ^...oppelverhältuiß, und zwar gewiß in rationeller Art.

Allein wer will billiger Weise läugnen, daß der Aufstand vom 3. September eine NachWirkung der vormaligen, unglücklichen Doppelsonveränetät und ihrer Folgen .war.

Ganz Europa ist gegenwärtig von der Unhaltbarkeit des alten

Zwitterverhällnisses überzeugt und willig, diestaatsrechtlicheStellung Neuen-

hurgs einheitlich zu ordnen. Unter solchen Umständen ist es dann aber .gewiß gerechtsertigt, wenn die Schweiz auch ihrerseits, was in irriger Auffassung des alten unklaren Staatsrechtes verbrochen worden ist, mit milderem Auge beschaut und sich eutschließt, es aus ihrem Gedächtnisse auszulöschen, um dem Neuenburgervolke mit der Uebergabe eines neu geordtreten Staatsrechts in allen seineu Gliedern einen durch^ die Schatten der Vergangenheit ungetrübten Empfang an ihrem Herzen zu bereiten.

Dieß ist der innere Grund, warum die Schweiz im vorliegenden ^alle zu dem beantragten Akte der Humanität sich entschließen darf, ohne .Gefahr zu laufen , ihrer Ehre und Würde etwas zu vergeben.

Liegt nun in diesem Akte eine e i n s e i t i g e und darum uuehrenhafte Konzession .^ Die Bundesversammlung kann dieß unmöglich darin finden, ^Ind zwar aus dem einfachen Grunde, da sie das Gegentheil schon förmlich ausgesprochen hat.

Es hat allerdings im Anfang der Unterhandlungen der Bundesrath gewünscht, die Gefangenen gegen die Anerkennung der Unabhängigkeit ^Neuenburgs a u s z u t a u s c h e n ; allein ex hat schon bei ^er Sendung des Generals Dufour nach Paris bereits sich dahin ausgesprochen, daß ex hierauf kein entscheidendes Gewicht lege. Der Bundesrath .egte in diesen und andern nachfolgenden Unterhandlungen mit vollem Recht das entscheidende Gewicht darauf, daß die Freilassung der Gefangenen nicht ohne Aussicht auf eine entsprechende Gegenleistung Preußens gestattet .werden könne. Es ist gewiß vollkommen klar, daß-bei^ jedem derartigen Arrangement der Z e i t p u n k t einer Gegenleistung etwas höchst Unterge...xduetes ist. Die Haupsache ist die Z u s i c h e r u n g dieser Gegenleistung.

Da Preußen es für passend erachtet hat, den direkten Verkehr mit der Schweiz abzubrechen, so kounte hinwieder auch jene Zusicherung keine d i r e k t e sein. Die Natur der Sache brachte es deshalb mit sich, daß die Schweiz ^ür die in Aussicht stehende Gegenleistung grundsätzlich auf i n d i r e k t e Zusicherungen angewiesen war.

Der Buudesrath legte diesen Stand der Sache der Bundesversammlung iu seiner Botschaft vom 26. Dezember 1856 ...or und hob noch ausdrücklich heraus, daß er anläßlich der projektirten ..Kollektivnote vom 20. Dezember den Gesandten sämmtlicher Mächte erklärt .habe , er werde der Bundesversammlung
Niederschlagung des Prozesses empfehlen, falls ihre resp. Regierungen sich verpflichten, alle Anstrengun^en zu machen, um den König von Preußen zu einer Verzichtleistung im Sinne gänzlicher Unabhängigkeit Neuenburgs zu bestimmen. Die BundesVersammlung mußte wohl einsehen, daß der Buudesrath nicht mehr hinter diese offizielle Erklärung zurückgehen könne. Sie fand aber mit dem Bundesrathe, jene i n d i r e k t e n Zuficherungen seien unter Umständen einer d i r e k t e n

.Verzichtleistnng im Werthe ganz gleich ; sie beschloß einstimmig, der Bun-

^0 desrath folle in g l e i c h e r W e i s e wie b i s a n h i n die Unterhandlungen fortsetzen. Gestützt auf diese Anschauungsweise der Bundesversammlung,^ hat der Bundesrath seine Jnstruktionen für die Gesandtschaft an den Hof der Tuillerien abgefaßt; gestützt darauf haben die Gesandten ihr Begehreu.

formulixt, das von der Regierung des Kaisers vollständig aeeeptirt wurde.

Es wäre nun in der That ein höchst eigentümliches Beginnen, wenn die Bundesversammlung ihr eigenes Votum vom 30. Dezember , den Bundesrath und die Gesandtschaft desavouiren wollte, und es dürfte sich gewiß Niemand wundern, w.^nn auch das Kabinet der Tuillerien ein solches Vorgehen als eine Art von feindseliger Rücksichtslosigkeit von Seite de^ Schweiz betrachten würde. Ob ein solcher Schritt mit der Ehre .und Würde der Schweiz besser verträglich wäre, als das Festhalten am ge^ faßten Befchlnsse, wäre wohl in den Augen des schweizerischen Volkes bald ausgemacht. Unser Volk ist überhaupt verständig genug, um die Wahrung der Ehre nicht im W o r t zu suchen, sondern in der T h a t . Die schönste Motivirung eines Beschlusses würde ihm schwerlich genügen, wenn die Thatsachen hintenher jene Motive Lügen strafen würden ; umgekehrt aber hängt es sich aber auch nicht ^n die Form und das Wort, wo erst die T h a t sprechen kann.

Es bleibt deshalb die zweite Frage: Jst durch den Vorschlag des

Bundesrathes das Ziel gesichert^ zu erörtern, da die Frage, ob das Aufgeben des Pfandes, das wir in den Angeklagten besitzen, vom Standpunkte der Klugheit aus gerechtfertigt sei, ga.^z mit jener zusammenfällt. Es ist allerdings diese Freilassung der Augeklagten eine sehr bedeutende Konzession..

Folgt derselben die Anerkennung der Unabhängigkeit Neuenburgs, so ist sie durchaus gerechtfertigt; allein wäre dieß nicht der Fall, so könnte dieser Akt dex Großmuth von iibeln Folgen sein , weil er zur Wiederholung.

solcher Jnsurrektionsversuche ermuntern und damit neue Verwicklungen und schwere Opser für jenen Kanton wie für die Eidgenossenschaft ^ur Folge haben könnte. Dieß war der Grund, warum die Schweiz, ebe ^.e den Regungen ibres Gefühls sich hingeben durfte , eine gew.sse Sicherheit füx die Zukunft verlangen mußte. Worin liegen nun die Garantien, daß sie ihr Ziel erreiche..

1. Es darf darauf hingewiesen werden, daß es im eigenen Jnteresse aller ^europäischen Staaten liegen muß , daß ein Verhältniß dauernd beseitigt werde, welches als ein wahrer Erisapfel die R..he Europas weit über Gebühr feiner Wichtigkeit bedroht. Dauernd beseitigt aber wird da^ Verhältnis^ offenbar nur dadurch, wenn derjenige Zustand allgemein anerkannt wird, welcher geographisch, politisch und militärisch dem Kanton und der Schweiz zusagt, und welcher aus dem schon wiederholt entschieden ntanifestirten Volkswillen beruht.

2. Eine weitere Bürgschaft hiefür liegt in .den Noten sämmtlichex

Großmächte Europas, welche in so bestimmte... Ausdrücken, als die Natux .der Sache es gestattete, übereinstimmend andeuteten, daß sie zu einer, der^

61 Gelaunten Wünschen der Schweiz entsprechenden, definitiven Regulirung der Angelegenheit mitwirken werden.

3. Eine ganz besondere Garantie von erhöhter Wichtigkeit liegt in den offiziell vorliegenden Erklärungen des französischen Kabinets und S. M.

des Kaifers selbst. Schon die im Originaltexte Jhnen vorliegende Note ....es französischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten vom 5. Januar

18.^.7 erklärt sich mit Bestimmtheit dahin, daß die kaiserliehe Regierung,

auf den Fall der Freilassung der Gesangene.n, alle ihre Anstrengungen machen werde, um ein den Wünschen der Schweiz entsprechendes Arrangement herbeizuführen, welches die gänzliche Unabhängigkeit Neuenburgs sichern werde durch das Mittel eines Verzichts des Königs von Preußen..

Die^ bisherige Art des Vorgehens der kaiserlichen Regierung in dieser Sache beweist, daß das sranzöfische Kabinet schwerlich eine derartige weitgehende und so scharf fpezialisirte Verpflichtung auf fich genommen haben würde, wenn nicht Erklärungen über die Jnteutionen des Königs von Preußen in seinen Händen lägen ; und die offiziell verkündete Thatsache, daß der König von Preußen die ^Vermittlung des Kaifers Napoleon persönlich in Anspruch genommen, ist geeignet, jener Vermuthang einen noch höhern Grad von Wahrscheinlichkeit z.., geben.

Es läßt sich nun allerdings nicht läugnen, daß eine bestimmte offizielle Zuficherung des Vorhandenseins eines solchen Verzichtes sich nicht in unsern Händen befindet.

Jnsosern hat das Mißtrauen einen formellen äußern Anhaltspunkt. Allein, wenn bei der Kommission anfänglich noch Zweifel walten konnten, ob wirklich das Ziel der Anerkennung der Unabhängigkeit Neuenburgs in sicherer Ausficht stehe, so mußten sie nach ^ .Anhörung der Eröffnungen, welche der Kommission von demjenigen ihrer Mitglieder, welches die Jnteressen der Schweiz bei dem Kaiser der Franzosen in ebenso patriotischer, als gewandler Art in der Eigenschaft eines außerordentlichen Gesandten vertrat, vollständig zurücktreten. Es bedauert Jhre Kommission, der hohen Versammlung die ihr gewordenen Mittheilungen nicht in .hrem ganzen Umfange zur Kenntniß bringen zu können. So sehr sie das Gewicht der dadurch auf sie fallenden vergrößerten Verantwortlichkeit sühlt und sich desselben gerne entlastet hätte, so muß sie aus naheliegenden Gründen dennoch davon abstrahiren, und sie kann Jhnen bloß eröffnen, daß der T o t a l e i n d r u c k dieser Mittheilungen auf fie . der gleiche .^var, welcher auch den Bundesrath sowohl, als die nationalräthliche Kommission bewogen hat, die vertrauensvolle Annahme der gemachten Vorschläge anzurathen und zu befürworten.

Die Kommission darf noch beifügen,^ daß andere, ebenfalls zuverläßige Mittheilungen über die vom König von Preußen geäußerten Jntentionen dazu geeignet waren, sie in ihrem Vertrauen
auf eine bevorstehende , den Wünschen der Schweiz entsprechende Lösung der obschwebenden Frage zu bestärken.

..^enn das obwaltende Mißtrauen sich namentlich noch darauf geworfen hat, daß durch die weitern diplomatischen Verhandlungen die Erledigung

62 der Sache verschleppt, daß dem Verzichte lästige Bedingungen beigefügt oder daß gar die Gelegenheit ergriffen werden könnte , um anderweitigen Beschwerden gegen die Schwe.z Ausdruck zu verschaffen, so hat die Kommission Jhnen zu eröffnen, daß auch nach dieser Richtung hin ihr beruhigende Zusichexungen ertheilt worden sind. Die Verschleppung der Sache ist nicht wohl gedenkbax, weil die Angeklagten, unter welchen sich viele Gewerbsleute befinden, mittlerweile die Schweiz meiden müssen, nun aber nicht gedenkbar ist, daß d^r König von Preußen dazu mitwirken werde, dieselben länger als absolut nöthig die Leiden des Exils tragen zu lassen.

Etwaige Bedingungen, welche eine Einmischung in den innern Staatshaushalt des Kantons Neuenburg enthalten würden , sind durch die in dex sxanzöfischen Note vom 5. Januar befindlichen Worte: Dentière indépendance^ mit Bewußtsein ausgeschlossen worden, und nach den oft gegebeneu und dem Eharakter des Königs von Preußen entsprechenden Erklärungen ist nicht zu fürchten, daß der Konflikt sich zuletzt in eine Geldfrage ver- ^ lieren werde.

Gegenüber der befürchteten Ausschreitung etwaiger Konferenzen über das bezeichnete Ziel sind dagegen förmlich^e Zuficherungen erfolgt,

daß solches n^cht stattfinden werde.

Wenr^ die abschließliche Regulirung

des Konfliktes eine Konferenz nöth.ig machen sollte, so geschieht dieß nur deshalb, um die Veränderung der bisherigen Protokolle durch ein neues Protokoll in Form Rechtens vor sich gehen zu lassen.

Es kann nicht g.läugnet werden, daß es bei allem dem eine Sache des Vertrauens ist, ob man ans das angetragene Arrangement sich einlassen wolle, und ebenso unzweiselhast ist , daß das Vertrauen sich vorzugsweife an ^ie Person des Kaisers der Franzofen heftet, der in dieser Streitfache von beiden Parteien mit b e s o n d e r ^ Z u t r a u e n bedacht worden ist. Die Mitglieder Jhrer Kommission habe^ im Vollgefühl der auf ihnen lastenden Verantwortlichkeit diese Fragen mit aller Besonnenheit erwogen .und gefunden, daß fur das V e r t r a u e n eine große Menge von Gründen vorhanden seien, s ü r das M i ß t r a u e n aber kein einziger, der mit irgend welchen positiven Thatsachen hätte belegt werden können. Und so ^ gewiß es ist, daß ein b l i n d e s V e r t r a u e n den Männern, welchen die Geschicke der Nation anvertraut find, r.icht ziemen würde, so gewiß ist es hinwiederum auch , daß ein b l i n d e s M i ß t r a u e n im Verkehr der .Völker, wie der Einzelnen unendlichen Schaden stistet.

Gesetzt, es träte das ga..z undenkbare Aeußerste ein, wir würden g e t ä u sch t. Was hätten wir dabei verloren..' Wir hätten einen fruchtlosen Akt der Humanität . vollzogen und aber Neuenburg immer noch im Besitze; dannzuma. würde wohl unser betrogenes Volk den letzten Blutstropfen verspritzen, ehe es sich Neuenburg entreißen lassen würde.

Aber das wäre nicht einmal mehr nöthig; denn wo könnte es in irgend einem Lande der Erde einen rechtlichen Menschen geben, der alsdann nicht mit Herz und Hand sür uns Partei nehmen müßte; und hätten wir damit nicht weit mehx Garantien gewonner., daß Neuenburg unser bleibe, als in dem

63 schönst geschriebenen diplomatischen Protokoll, das jetzt zu unfern Gunsten ausgestellt wird..

^ Setzen wir aber den Fall umgekehrt . proklamireu wir das Mißtrauen als republikanisches Leitprinzip l Dann haben wir zufolge eines ganz u n b e s t i m m t e n Mißtrauens einen b e s t i m m t e n Krieg , oder vielleicht noch Schlimmeres als einen offenen Krieg, nämlich Vexationen, gegen die wir nutzlos unsere Kräfte aufreiben, um am Schlnsse sroh zu sein, im Hafen einer europäischen Konferenz einlaufen zu können. Und die heilige Begeisterung für die Sache des Vaterlandes, welche jetzt die Nation einmüthig zur Opferbereitwilligkeit entflammt, w ä r e m o r g e n schon gew i c h e n einer t i e f g e h e n d e n i n n e r u E n t z w e i u n g , welche die Nation schlimmer zerfleischen dürfte, als solches in der blutigsten Feldschlacht geschehen .könnte.

Bannen wix daher rechtzeitig den schwarzen Wurm des Mißtrauens, welcher die so schön errungene Einigkeit der Schweiz im Marke zu erschüt..

tern droht, und einigen wir uns zu dem vorgeschlagenen Akte der Huma.nität, der das Friedenswerk in würdiger Weise einleitet. Gott beschütze .das Vaterlandl B e r n , den 16. Januar 1857.

Namens der Mehrheit der Kommission, Der Berichterstatter:.

J. Dubs.

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Summarische Uebersicht der

Ein-, Ans- und Durchfuhr in der Schweiz im Monat ..Dezember 1856.

E i n s n h r.

Die Gesammteinfuhr dieses Monats betrug :.

. 13,621. Stüke Vieh, wovon Schmalvieh . Großvieh .

.

.

Stüke.

.

.

.

.

Für Franken 93,838 an Werth, bestehend in Mühlsteinen, Akergeräthen, Oekonomiefuhrwerken, Gefährten u. f. w.

7,846 5,775

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24.01.1857

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