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Vertrag, betreffend

die Konzession einer Eisenbahn von der lombardischen Kranze.

bei Chiasso über Lugano nach Bellenz.

(Vom 4. Christmonat 1856.)

Die Regierung des Kantons Tessin ertheilt der tessinisch-lombardischer...

Gesellschaft, vertreten durch die Herren : Herzog Raimondo Visconti di Modrone, ^ ,.

Antonio Litta Viseonti Arese, Jngenieur Salvatore Saccianino l .Giulio Bellinzaghi, . alle von Mailand.

Eugenio Eantoni, ^ Dr. Ambrogio Trezzi, l Franeeseo Turati, ^ Giuseppe Patoechi, von Peeeia, Eefare Bexnaseoni, von Ehiasso, Giovanni Battista Ramelli, von Barbengo, das Pxivilegium für den Bau und Betrieb einex Eisenbahn von der lombardischen Gränze bei Chiasso über Lugano nach Bellenz, unter folgenden ^ Bedingungen : ^ Art. 1. Die Dauer der Konzession ist auf 99 Jahre, vom Tage der eidgenössischen Genehmigung an gerechnet, festgefezt. Der Kanton behält sich das Recht vor, die Konzession nach. deren Ablauf, auf eine dannzumal zu bestimmende Zeit und unter festzustellenden Bedingungen , zu erneuern oder die Bahn an sich zu ziehen, unbeschadet jedoch dem Rükkaufsrechte, das der schweizerischen Eidgenossenschaft kraft der Bunde..geseze survie Dauer der Konzession, so wie auch dem Kanton bei vier Jahre zum Voraus gemachter Kündigung zusteht.

Art. 2. Der Bau und Betrieb soll nach den Regeln der Kunst und unter jeweiliger Einführung der Verbesserungen, welche die Wissenschaft^ an die Hand geben wird, stattfinden.

Art.

3.

Falls der Kanton nach Ablauf der Konzession die Eisenbahn

an sich ziehen will und e.ne Verständigung über die zu leistende Entfchä-

digung nicht zu Stande kommen sollte, so wird die leztere durch ein aus.

fünf Mitgliedern bestehendes Schiedsgericht bestimmt, in welches jeder

Theil zwei Schiedsrichter wählt. ^Weigert sich eine der Parteien, ihre

Schiedsrichter zu bezeichnen, oder können sich diese Schiedsrichter über die Person des fünften Mitgliedes nicht verständigen, so werden diese Wahlen dem Bundesrathe anheimgestellt.

8^ Bei der Festsetzung der Entschädigung wird das Schiedsgericht be-

xüksichtigen :

a. das ursprüngliche Anlagekapital; h. den durchschnittlichen Reinertrag der Eisenbahn während 10 Jahre; . c. die mnthmaßlichen Anlagekosten zur Zeit des Rükkaufs.

Art. 4. Die erforderlichen Expropriationen des Bundesgesezes statt.

finden

der lezte^

nach Maßgabe

Der den Gemeinden , Bürgerfchaften , Korporationen , Kreisen , Bezirken und dem Kanton zustehende und gegenwärtig in deren Besiz befindliche Boden, ferner der Kies, die gewöhnlichen und die Hausteine und.

andere Materialien, welche von den Ufern und aus dem Bette der Flüsse und Bäche, an den Abhängen und am Fuße der Berge, und im Allgemeinen von unbebauten Orten genommen werden , so wie auch die de...

genannten moralischen Personen gehörenden Kalk- und G^psgruben, sind der Gesellschaft für den Ban der Eisenbahn und deren Gebäulichkeiten unentgeltlich abzutreten.

Die .in den Kanton Tessin geschehende Einfuhr von Eisenschienen, Lokomotiven, Lastwägen, Waggons, Schienenstühlen, so wie überhaupt aller sur den Bau der Bahn und der Gebäulichkeiten erforderlichen Gegenstän.^e und des nöthigen Brennmaterials wird von aller und jeder kantonalen Besteurung für die ganze Dauer der Konzession befreit.

Art. 5. Die Gesellschaft hat für die Konzession aller in den Bezirken Lugano und Mendrisio zu erbauenden Eisenbahnen den Vorzug.^ Wenn die Gesellschaft innert drei Monaten,. nach erfolgter Kenntnißgabe, die Konzession nicht annimmt, so erlischt das Vorrecht und die Gesellschaft ist verpflichtet, den Anschluß anderer Eisenbahnen zu gestatten und zu den für die eigene Linie geltenden Ansähen die Reisenden und Waaren zu be-.

fördern.

^ie Regierung verpflichtet sich dagegen , für die Dauer der Konzession keine andere , mit der in Frage stehenden gleichlaufende Eisenbahn.

zu konzediren.

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Art. 6. Für den Fall, daß ^die bestehenden Geseze nicht genügenden .^chuz für die Eisenbahn und deren Betrieb darbieten , macht sich der Danton verbindlich, wirksame, die Bahn vor jeder Beschädigung und den^ betrieb vor jeder Störung schüzende Vorkehrungen, so wie überhaupt für die Wahrung des Unternehmens geeignete Maßregeln zu treffen.

Uebrigens ist die Eifenbahnpolizei , unter der Anfficht des Staates, uid^ den Befugnissen der allgemeinen und besondern Polizei unvorgreiflich,.

de. Gesellschaft .anvertraut. Dieselbe ernennt zu diefem Behufe ihre ^lngefeilten und Auffeher und läßt sie vor den zuständigen Behörden be^ eidgen.

90 Axt. 7. Die Gesellschaft ist hinsichtlich ihrer Bildung sowol , als ^uch in ^Bezug auf den Bau und Betrieb der Eisenbahn für die ganze Dauer der Konzession von allen Kantons- uud Gemeindesteuern befreit, eben so auch der Bahnkörper, nebst den Zugängen, Bahnhöfen, Gebäulichkeiten, Stationen^. s. w., .so wie alles bewegliche oder unbewegliche Material jeder Art.

Die im Kanton wohnenden Angestellten nnd die außer dem Bereich ^es Bahnkörpers liegenden Gebäulichkeiten und Liegenschaften unterliegen ^gleich Andern der Besteurung.

Eben so bleibt die Bxandversichernngsabgabe vorbehalten.

Art. 8. Die Gesellschaft ihrerseits ist verpflichtet, während des Baues der Eisenbahn alle für die Privat. nnd öffentliche Sicherheit nöthi.gen Veranstaltungen zu treffen, namentlich für Offenhaltung der bestehenden Straßen und für die Kommunikation dießfeits und jenseits der Bahn zu sorgen, und die hiezu erforderlichen Brüten, Durchgänge uud Straßen auf ihre Kosten zu erstellen und zu unterhalten.

Deßgleichen hat die Gesellschaft da , wo wegen Anlegung der Eisenbahn eine bereits bestehende Haupt- oder Verbindungsftraße eine veränderte Richtung erhalten muß, die dießfälligen Kosten allein, und bei späterer Erbauung von Straßen , welche die^ Bahn durchkreuzen , einen Viertheil ^der dadurch verursachten Mehrkosten zu tragen.

Ueber die Notwendigkeit und Ausdehnung solcher Bauten und Anlagen entscheidet die Kantousregierung.

Die Regierung hat das Recht , gegen Bezahlung der Mehrkosten, auf den von der Gesellschaft für den Eisenbahndienst zn erstellenden Brüken ^en nöthigen Raum für Wägen und andere Beförderungsmittel zu verlangen.

Art. 9. Sowol während des Baues, als beim uachherigen Betriebe ^der Bahn find von der Gesellschaft und aus ihre Kosten alle nöthigen Vorkehrungen gegen Störung des Verkehrs auf den Straßen, gegen Beschädigungen an Grundstufen und Gebäulichkeiten, so wie überhaupt gegen ^Gesährdung der öffentlichen Sicherheit zu treffen.

Die Kantonsregierung behält sich vor , die dießfalls erforderliche^ Maßnahmen vorzuschreiben , und zu jeder beliebigen Zeit die Eisenbahr mit allen ihren Einrichtungen untersuchen zu lassen.

Art. 10. Die Bahn soll fortwährend, so lange die Konzession Dauert , in beständig regelmäßigem Betriebe erhalten und das Publikuu gut und sicher bedient werden.

Dem Kanton steht das Recht zu, sich von der Sicherheit der Bauten ^nnd des Betriebes jederzeit Gewißheit zu verschaffen.

Die Gesellschaft ist gehalten , alljährlich einen Auszug ans ih.en Rechnungen und Verhandlungen, woraus drr jeweilige Stand des Un.er^ehmens ersichtlich ist, der Regierung vorzulegen.

91 Art. 11. Sämmtliche Statuten sür die Bildung der anonymen Aktiengesellschaft , so wie Baupläne , insbesondere die Pläne betreffend die ^Bahneinrichtung, die Anlegung der Babnhöfe und Stationen, die Ueberaänge und Durchgänge, die Korrektionen von Straßen und Gewässern bedürfen der Gutheißnug der Kantonsregierung und können nur mit deren Zustimmung wieder abgeändert werden.

Art. 12. Die Gesellschaft ist für alles im vorliegenden Vertrag nicht Vorgesehene den eidgenössischen und kantonalen Gesezen unterworfen.

Die Baudirektion der Eisenbahn soll ihren Siz im Kanton ^haben, wo auch die Verwaltung der Gesellschaft gesezlich vertreten sein muß.

Art. 13. Die kantonalen Truppen und das Kriegsmaterial sind . unter den für den Bund festgesezten Begünstigungen zu befördern.

Die Gesellschaft verpflichtet sich im Fernern, bei Anlaß des durch die Verfassung vorgeschriebenen Wechsels des Kantonshauptortes alle StaatsAffekten nnd diejenigen der Angestellten der Regierung , so wie ihre Personeu, unentgeltich zu befördern.

Art. 14. Die Tarife werden von der Gesellschaft aufgestellt.

Sie dürfen die Maximalansäze . anderer schweizerischen , in ähnlichen Verhältrissen stehenden Eisenbahnen nicht übersteigen.

Art. 15. Die Bauarbeiten müssen, bei Verlust des hienach im Art. 17 bestimmten Depositums, binnen vier Monaten, nachdem die Lukmanier-Linie von Loearno nach Olivone von Seite der betreffenden Konzessionäre gesichert und. die Streke Loearno-Biasea in Angriff genommen sein wird, begonnen werden.

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Art. 16. Die Arbeiten müssen auf der Streke Ehiasso-Lugano zwei .Jahre nach dem Beginne des Banes.^ vollendet fein und die Bahn in vollem Betriebe stehen, sei es, daß sie unter Benuzuna^ der gegenwärtigen Brüke über den See^ welche in diesem Falle für den Gebrauch der ^ifenbahn, fo wie gewöhnlicher Fuhrwerke angemessen zu verändern wäre, ununterbrochen fortlaufen kann , sei es , daß für den Tranfit über den See Dampffchiffe verwendet werden. Drei Jahre später muß die Bahn bis nach Bellenz vollendet und in Betrieb gefezt sein. .

^ Wenn von Seite der Gesellschaft ein Dampfschiffdienft eingerichtet .werden sollte, so ist diese verpflichtet, das Dampfschiff ,,i1 Ceresio^ nebst Zu..

gehör zu einem billigen Preise, nach Maßgabe des Gesezes vom 29. Wintermonat 1855, zu übernehmen.

Art. 17. Die Gesellschaft wird die Summe oon fünf und siebenzig tausend Franken , nach .hrem Belieben in Baar oder in annehmbaren Werthschriften, als Kaution in die Hände der teffinifchen Regierung hinter^egen , welche Kaution sofort , nachdem der Große Rath die Konzession ^rtheilt haben wird, zu entrichten ist.

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^ Dieses Depositum wird zurükerstattet werden, wenn die ausgeführten Arbeiten den Werth von 500,000 Franken erreicht haben, oder wenn die Bundesgenehmigung nicht ertheilt würde , oder wenn binnen drei Jahren^ die im ^Art. 15 vorgesehenen Zusicherungen und Bedingungen sich nicht verwirklichen sollten. Jn diesem leztern Falle is^ auch die gegenwärtige^ Konzession als erloschen zu betrachten.

Art. 18. Wenn nach Verfiuß von sechs Monaten über die Frist für die Jnbetriebsezung der Bahn diese (höhere Gewalt vorbehalten) dem Verkehr noch nicht eröffnet worden ist , so behält sich die Regierung des^ Kantons Tessin vor, die Dauer der Konzession zur Strafe auf 90 Jahre hexabzusezen. Und wenn die Bahn nach weiteru sechs Monaten noch . nicht vollendet sein sollte, so hat die Regierung da^ Recht, die Konzession als erloschen zu erklären und alle errichteten Bauten und vorhandenen Ma^ terialien an sich zu ziehen oder einer andern Gesellschaft abzutreten, gegen Entrichtung des Werthes an die frühern Konzessionäre, welcher Werth nach Maßgabe der im Art 3. hinsichtlich des Rükkaufs der Bahn beim Ablauf der Konzession festgestellten Vorschriften zu bestimmen ist. unter Abzug des^ Kautionsbetrages, falls dieser bereits zurükerstattet wurde.

Art. 19.

Wenn bei den Arbeiten eine oder mehrere Metallmineu entdekt werden , so bleiben diese gänzliches Eigenthnm der Gesellschaft, gegen Entrichtung von 10 .^ des Reinertrages an den Staat.

Gegenstände von naturhistorischem, antiquarischem, plastischem, überhaupt wissenschaftlichem Werthe, wie Fossilien, werthvolle Steinarten,.

Münzen, Medaillen, welche beim Bau der Bahn gesunden werden dürsten, sind und bleiben Eigenthum des Staates.

Art. 20. Den Konzessionären steht es frei , eine anonyme Aktiengefellfchast für den Bau der in Frage stehenden Linie zu bilden, oder auch nur den Betrieb und die Verwaltung andern Gesellfehasten anzuvertrauen.

und ihnen die Konzession für die Eisenbahn ganz oder theilweife abzutreten.

^lrt. 21.

^..ie Gesellschaft muß innert Jahresfrist nach der Bundesgenehmigung hinlängliche Sicherheit für den Bau der ihr konzedirte^ Eisenbahn ieisten.

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Art. 22.

Wenn die Gesellschaft es verlangt ^ so macht sich de^ Staat anheischig , für den Betrag von einer Million Franken Aktien zu.

nehmen.

Art. 23.

Die Regierung hat das Recht, ein Mitglied in
den Verwaltungsrath zu eruennen.

Art. 24.

Die Angestellten und Arbeiter sollen größernteils aus.

Tefsinerbürgern bestehen. Unter Angestellten sind alle von der Gesellschaft besoldeten Personen verstanden.

93 Art. 25. Sän^ntliche allfällig entstehende Anstände und Streitig..^ leiten sind durch das im Art. 3 vorgesehene Schiedsgericht aufzutragen.

B e l l e n z , den 4. ^hrifimonat 1856.

Für den Staatsrath,

.Der Präsident..

^ .

...^emareh....

Der Staatsschreiber:.

^. B. ^iodn.

Jngenienr S a l v a t o r e E a e ei an i-

..^ sür fich s^fi 1^d s^ .^

Herzog R a i m o n d o V i s e o n t i di M o d r o n e .

Giulio Bellinzaghi.

H^g A n t o n i o Litta.

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Franees.^o Turati.

t^r. A m b r o g i o T r e z z i .

Gius. P a t o e c h i , Nationalrath.

E e s a r e B e r n a s e o n i , eidg. Oberst und Nationalrath.

G. B. R a m e l l i , Scharfschüzen^ hauptmann und Nationalrath.

Eugenio Eäntoni.

Der Große Rath des Freistaats und Kantons Tessin hat den vor^ . stehenden Entwurf des Staatsraths in Betracht gezogen , denselben angekommen und . zum gesezlichen Dekret erhoben.

B e l l e n z , den 4. Ehristmonat 1856.

^ Für den Großen Rath , Der P r ä s i d e n t : .

(L. ^.)

Adv. ^. Beroldingen.

Die als Sekretäre funktionirenden Großräthe: Adv. .^raneese^ .^ampngnani..

,, ^aj. ..^atti.

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Vertrag, betreffend die Konzession einer Eisenbahn von der lombardischen Gränze bei Chiasso über Lugano nach Bellenz. (Vom 4. Christmonat 1856.)

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1857

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07.02.1857

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