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Bundesblatt 92. Jahrgang.

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Bern, den 31. Januar 1940.

Band I.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die XX. Völkerbundsversammlung.

(Vom 30. Januar 1940.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die XX. Völkerbundsversammlung wies einen von den früheren Versammlungen sehr verschiedenartigen Charakter auf. Es war ursprünglich beschlossen worden, sie mit Rücksicht auf die Zeitumstände nicht einzuberufen und sich lediglich darauf zu beschränken, eine Kommission zu bilden, die, unter Vorbehalt der späteren Zustimmung der Staaten, mit der Aufstellung des Voranschlages des Völkerbundes für das Jahr 1940 betraut werden sollte.

Mochten auch zahlreiche Eegierungen in der Absicht, über ihre Neutralität keine Zweifel bestehen zu lassen, es vorziehen, nicht an einer Versammlung teilzunehmen, die sich vielleicht, sei es auch nur indirekt, veranlasst sehen könnte, sich über die Kriegsereignisse zu äussern, so erschien es doch niemandem erwünscht, von der Einberufung auch einer Kommission rein administrativer Natur, wie die Budgetkommission es war, abzusehen. Wie hätte der Völkerbund ohne Voranschlag für das kommende Rechnungsjahr auskommen können ?

Die Budgetkommission der Versammlung war im Begriff, sich zu vereinigen 1), als Finnland, das soeben Opfer eines russischen Angriffs geworden war, den Generalsekretär mit Brief vom 3. Dezember ersuchte, «in Anwendung der Art. 11 und 15 des Völkerbundspaktes unverzüglich den Bat und die Versammlung einzuberufen und diese Instanzen zu veranlassen, zwecks Aufhaltung des Angriffes alle nützlich erscheinenden Massnahmen zu ergreifen».

Die Versammlung wurde auf den 11. Dezember einberufen. Angesichts des eng umschriebenen Gegenstandes, der zur Verhandlung kommen sollte, beschlossen wir, uns nur durch zwei Delegierte, Herrn Prof. William. Bappard, Direktor des Universitätsinstitutes für höhere internationale Studien in Genf, 1 ) Wir hatten beschlossen, uns durch Herrn Prof. Bappard und Herrn Minister Gorgé vertreten zu lassen.

Bundesblatt. 92. Jahrg. Bd. I 12

142 und Herrn Minister Camille Gorgé, Chef der Sektion für Völkerbundsangelegen heiten im Politischen Departement, vertreten zu lassen. Da diese Versammlung unter Umständen Anlass dazu geben konnte, uns in eine etwas heikle Lage zu versetzen, beauftragten wir von vornherein unsere Delegation, auf dem geeignetsten Wege in Genf den Standpunkt zu vertreten, dass die politischen Verhandlungen strikte auf den russisch-finnischen Konflikt zu beschränken seien.

Diese vorsorgliche Massnahme ist durchaus begreiflich. Die Schweiz ist neutral, und mögen ihr gegenüber der Institution, die sie beherbergt, auch gewisse selbstverständliche Pflichten der Gastfreundschaft zukommen, so soll doch nicht inmitten des Krieges ihr Gebiet zum Schauplatz für die Polemik kriegführender Staaten werden.

Unsere Vertreter konnten sich indessen schnell vergewissern, dass alle Delegationen von der Sorge beseelt waren, der Schweiz jegliche Schwierigkeiten dieser Art zu ersparen. Sie waren tatsächlich sowohl im Eat als auch in der Versammlung beflissen, allzu offensichtliche Abschweifungen auf Fragen, die nicht auf der Tagesordnung standen, zu vermeiden. So konnte diese Session, die sich immerhin unter einigermassen für uns beunruhigenden Umständen eröffnete, ohne wirkliche Schwierigkeiten zu Ende geführt werden.

Nachdem die Versammlung ihren Präsidenten in der Person des Herrn Hambro (Norwegen) bezeichnet und ihr Bureau, in welchem der erste Delegierte der Schweiz den Sitz des Vizepräsidenten1) einnahm, konstituiert hatte, beschloss sie, ihre Tagesordnung auf die vier folgenden Fragen zu beschränken : 1. die Budgetfragen; '2. Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem wirtschaftlichen und sozialen Gebiete; 8. Wahlen in den Eat; 4. Appell der finnischen Eegierung.

Obwohl die XX. Versammlung offiziell als ordentliche Versammlung betrachtet wurde, die sich statutengemäss im September hätte vereinigen sollen, wies sie nichtsdestoweniger, besonders angesichts der beschränkten Tagesordnung, alle Merkmale einer ausserordentlichen Session auf. Diese Eigenart kam auch in dem Zeitgewinn zum Ausdruck, der durch die rasche Abwicklung der gewöhnlichen Verhandlungsformalitäten erzielt wurde.

1. Budgetfragen.

Die letzte Versammlung hatte eine Eesolution gefasst, nach deren Wortlaut der Eat ersucht wurde, «einen Ausschuss von 5
Mitgliedern zu ernennen, dem der Präsident der Kontrollkommission von 1938--1939 und ein Vertreter des Verwaltungsrates des Internationalen Arbeitsamtes angehören sollten, um die in den Budgets des Sekretariats und der Internationalen Arbeitsorganisation 1 ) Abgesehen vom Präsidenten der Versammlung umfasste das Bureau die Präsidenten der Kommissionen, sowie auch die ersten Delegierten folgender Staaten : Belgien, Grossbritannien, Kanada, Ägypten, Frankreich, Griechenland, Portugal und Schweiz.

143 stehenden ständigen Ausgabenposten einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und alle Einsparungen zu empfehlen, die, sei es sofort, sei es in nächster Zukunft, verwirklicht werden könnten». Die Versammlung lud des weitern «den Generalsekretär und den Direktor des Internationalen Arbeitsamtes ein, ihre Budgetentwürfe für das Jahr 1940 im Lichte der Empfehlungen dieses Ausschusses vorzubereiten»'. Letzterer wurde alsobald bestellt und trat Ende 1938 zu mehreren Sitzungen zusammen. Er kam insbesondere zum Ergebnis, «dass das Budget um ca. 20 % verringert werden müsse». Auf Grund dieser Beschlüsse wurde denn auch der neue Voranschlag von den Organen des Völkerbundes vorbereitet und schliesslich von der Versammlung genehmigt.

Das Budget des Sekretariats beträgt 10 771 957 Schweizerfranken, d. h.

5 416 106 Fr. oder 33,45 % weniger als für das Jahr 1939. Was den Voranschlag der Internationalen Arbeitsorganisation anbetrifft, verzeigt er eine Verminderung von 2 491 779 Schweizerfranken oder 23,96 %. Das Budget wurde auf diese Weise erheblich herabgesetzt. Es fragt sich jedoch, ob bei der stark verminderten Tätigkeit des Völkerbundes nicht noch grössere Einsparungen hätten erzielt werden können. Es oblag indessen nicht der schweizerischen Delegation, die Initiative in dieser Eichtung zu ergreifen. Nachdem sich der Sitz des Völkerbundes auf schweizerischem Boden befindet, sind wir immerhin zu einer gewissen Zurückhaltung verpflichtet.

Die allgemeine Diskussion über die finanziellen Fragen war übrigens ausserordentlich kurz, zumal die einzelnen Delegationen kein grosses Interesse bekundeten, über Zahlen in einem Augenblick zu verhandeln, da Finnland dem noch zu erörternden Angriff zum Opfer gefallen war.

Niemand wird sich darüber wundern, dass eine Verminderung des Völkerbundspersonals unvermeidlich geworden ist. Doch muss darauf geachtet werden, dass das Personal in gerechter und billiger Weise entlassen wird. So hatte uns die Art, in welcher viele schweizerische Beamte und insbesondere zahlreiche Mobilisierte beurlaubt wurden, Anlass zu Einsprachen gegeben.

Unser Vertreter in der vierten Kommission drängte lebhaft darauf, dass bei der Entlassung von Personal mehr auf die geltenden statutarischen Bestimmungen Eücksicht genommen werde. Unsere Vorstellungen haben denn auch bewirkt, dass die
Kontrollkommission ihre Einstellung gegenüber dem schweizerischen Personal erheblich geändert hat; sie hat sich ausserdem dazu verpflichtet, nochmals mit Wohlwollen die Frage der Kündigung zum Nachteil schweizerischer Beamter zu prüfen, die infolge der Einziehung in den Militärdienst unvermittelt ihrer Stelle enthoben worden sind. Wir hoffen gerne, dass in dieser Sache eine Lösung wird gefunden werden können, welche den Interessen unserer Landsleute in jeder Beziehung gerecht wird.

Das von der Versammlung endgültig genehmigte Ausgabenbudget des Völkerbundes erhebt sich auf 21451408 Schweizerfranken (für 1939 : 32 234 012 Fr.) *).

*) Vgl. in der Beilage die von der vierten Kommission vorgeschlagenen Resolutionen.

144 2. Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet.

In den Kreisen des Sekretariates in Genf beschäftigte man sich seit einiger Zeit damit, Mittel und Wege zu finden, «um den vom Völkerbund geschaffenen Apparat für die Prüfung technischer Prägen weiter auszubauen, wie auch die aktive Teilnahme aller Staaten zur Lösung dieser Probleme zu sichern». Im Anschluss an eine vom Generalsekretär ausgegangene Anregung hatte der Völkerbundsrat am 27. Mai 1939 beschlossen, «Herrn Bruce, Präsident des Koordinationskomitees für Wirtschafts- und Finanzfragen1), einzuladen, im Einvernehmen mit dem Generalsekretär die Mitglieder dieses Komitees zu bezeichnen, in welchem er die Präsidentschaft übernehmen würde».

Das genannte Komitee war im August dieses Jahres in Paris zu einer Tagung zusammengetreten und hatte einen Bericht ausgearbeitet, in welchem auf die Wichtigkeit der wirtschaftlichen und sozialen Bestrebungen des Völkerbundes hingewiesen wurde, sowie auch auf die Notwendigkeit, möglichst viele Staaten, gleichgültig ob Mitglieder des Völkerbundes oder nicht, für dieses Werk zu vereinigen. Der Bericht endete mit einem «Entwurf zur Gründung eines Zentralkomitees für Wirtschafts- und Sozialfragen», dessen Wortlaut folgender war: «1. Es wird ein Zentralkomitee gegründet, dem die Leitung und die Kontrolle über die Tätigkeit der einzelnen Ausschüsse für Wirtschafts- und Sozialfragen übertragen wird.

2. Das Zentralkomitee setzt sich in erster Linie aus den Vertretern von 24: Staaten zusammen, welche von der Versammlung auf Antrag ihres Bureaus für die Dauer eines Jahres gewählt werden. In der Folge wird die Zahl der im Komitee sitzenden Staaten sowie die Dauer ihrer Mandate durch die Praxis festgesetzt werden.

3. Jedes im Zentralkomitee nicht vertretene Mitglied des Völkerbundes wird bei Fragen, die ihm von speziellem Interesse für sein Land erscheinen, eingeladen, einen Vertreter zu bestellen, der in der Eigenschaft eines Mitgliedes für die Prüfung der entsprechenden Fragen an den Sitzungen des Komitees teilnehmen wird.

4. Das Zentralkomitee wird ermächtigt, auf dem Wege der Ergänzungswahl höchstens acht Mitglieder beizuziehen, die ad personam und mit Eüeksicht auf ihre speziellen Kenntnisse und ihre persönliche Autorität ernannt werden und deren Mitarbeit von besonderer
Nützlichkeit erscheint.

5. Das Zentralkomitee wird beauftragt, die Bedingungen für die Zusammenarbeit unter denjenigen Staaten zu prüfen, die an der Lösung von Wirtschafts- und Sozialfragen teilnehmen wollen, und wird ermächtigt, alle ihm geeignet erscheinenden Massnahmen für eine solche Mitarbeit zu ergreifen.

1

) Über dieses Koordinationskomitee vgl. unsern Bericht über die XIX. Völkerbundsversammlung, Bundesbl. 1938, II, S. 816 ff.

145 Jeder auf diesem Gebiet mitwirkende Staat geniesst diejenigen Eechte, die einem Mitglied des Völkerbundes gemäss § 3 zukommen.

6. Der Generalsekretär hat dem Zentralkomitee jährlich einen Budgetentwurf für die Gebiete der Wirtschafts- und Sozialfragen zu unterbreiten.

Dieser Entwurf wird nach Prüfung von Seiten des Zentralkomitees dem im Finanzreglement des Völkerbundes vorgesehenen Verfahren unterstellt werden.

Dieser Voranschlag hat alle direkten oder indirekten Ausgaben zu enthalten, die mit den erwähnten Arbeitsgebieten zusammenhängen.

7. Das Zentralkomitee tagt mindestens einmal im Jahre. Der Generalsekretär hat der Versammlung einen Jahresbericht über die Tätigkeit des Zentralkomitees zu unterbreiten sowie auch über das in Aussicht genommene Arbeitsprogramm, welches die Inanspruchnahme von Budgetkrediten erfordert.

8. Das Zentralkomitee hat die Befugnis, sein internes Eeglement sich selbst zu geben, seine Tagesordnung zu genehmigen, seinen Präsidenten und sein Bureau zu ernennen, die Mitglieder der grossen ständigen Kommissionen zu wählen, soweit die geltenden internationalen Verträge es zulassen, und im Bedarfsfalle andere Ausschüsse zu schaffen. Die Tagesordnung des Zentralkomitees hat alle Fragen zu enthalten, welche ihm ein an dessen Arbeiten mitwirkender Staat zur Prüfung unterbreitet hat. Alle Beschlüsse werden mit der absoluten Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. Das Zentralkomitee ist befugt, für die Zeit ausserhalb seiner Tagungen, das Bureau mit der Ausübung aller ihm etwa übertragenen Funktionen zu beauftragen.» Die Versammlung beschloss, den Bericht Bruce einer speziellen, von Herrn Bourquin (Belgien) präsidierten Kommission, der alle Staaten angehören sollten, zur Prüfung zu übertragen. Nach einem Meinungsaustausch, an dem einige Delegationen teilnahmen, fasste die Kommission auf Antrag Grossbritanniens eine Eesolution, deren Wortlaut im Anhang zu finden ist x).

3. Ratswahlen.

Die Versammlung beschloss, unverzüglich zur Wiederbesetzung der drei nichtständigen Ratssitze zu schreiten, welche zuletzt von Schweden, Neuseeland und Bolivien eingenommen worden waren. Sie beschloss zugleich, mit Eücksicht auf die Zeitumstände von der 1926 angenommenen Eegel der Wiederwählbarkeit abzusehen. Für die folgende Periode von 3 Jahren wurden Finnland, Südafrika und Bolivien
bezeichnet, welch letzteres auf Veranlassung der lateinamerikanischen Staaten sich einverstanden erklärt hatte, seine Kandidatur wieder aufzustellen. Was die beiden andern provisorisch geschaffenen Eatssitze anbetrifft, welche von China und Lettland besetzt waren, wurde im Benehmen mit dem Eat deren Beibehaltung für eine weitere Periode !) Siehe S. 157 ff.

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von drei Jahren beschlossen. Die Wahl entfiel auf China und Ägypten, das zum erstenmal Eatsmitglied wurde1).

4. Appell der finnischen Regierung.

Nach Kenntnisnahme der Protesterklärung Finnlands gegen den Sowjetrussischen Angriff beschloss der Völkerbundsrat am 9. Dezember, die Angelegenheit vor die Versammlung zu bringen. Diese nahm den Streitfall in ihre Tagesordnung auf und beschloss, nachdem sie in ihrer Sitzung vom 11. Dezember den eindrucksvollen, ja erschütternden Bericht des finnischen Delegierten, Herrn Holsti, über den russischen Angriff auf sein Land entgegengejaommen hatte, die Angelegenheit ohne weiteres einer aus dreizehn Mitgliedern bestehenden und von Herrn da Matta (Portugal) präsidierten Spezialkommission zu übertragen. Indessen hatte die sowjetrussische Eegierung erklärt, sie werde sich in der Versammlung nicht vertreten lassen, worauf die Spezialkommission sich zur Absendung eines Telegramms entschloss, mit welchem die genannte Eegierung eingeladen wurde, unverzüglich die Feindseligkeiten einzustellen. Auf die Weigerung Moskaus hin war diese Kommission nunmehr der Meinung, dass der Versammlung «die Pflicht obliege, den im Völkerbundspakt vorgesehenen Bericht zu veröffentlichen, um auf diese Weise die näheren Umstände des K o n f l i k t e s sowie die Vorschläge bekanntzugeben, welche ihr zur Beilegung des in Frage stehenden Streites am billigsten und angemessensten zu sein schienen».

Der genannte Bericht wurde alsbald veröffentlicht. Er liess keinen Zweifel über die Tatsache des Angriffes bestehen. Er endete mit der im Anhang wiedergegebenen Resolution, die dem Völkerbundsrat empfahl festzustellen, «welche Folgerungen aus der durch die U: S. S. E. begangenen Vertragsverletzung sowie aus dem Umstand zu ziehen seien, dass dieser Staat durch sein eigenes Verhalten sich ausserhalb des Völkerbundspaktes gestellt habe».

Inzwischen hatte der Vertreter Argentiniens, Herr Freyre, in einer eindrucksvollen Eede vor der Versammlung erklärt, dass sein Land sich nicht mehr als Mitglied des Völkerbundes betrachten könne, solange die Sowjet*) Angesichts des Ausschlusses von Bussland und mit Bücksicht auf den Umstand, dass nunmehr zwei Jahre verflossen sind, seit Italien seinen Austritt aus dem Völkerbund erklärt hat, wird der Völkerbundsrat fürderhin folgende Zusammensetzung aufweisen: Ständige Mitglieder: Frankreich Grossbritannien.

Nichtständige Mitglieder: Iran Südafrikanische Union Peru Bolivien Belgien Pinnland Jugoslwaien China Dominikanische Bepublik Ägypten.

Griechenland

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Union darin ihren Sitz habe. Andere gleichartige Erklärungen waren schon durch einige lateinamerikanische Staaten innerhalb des Dreizehnerkomitees abgegeben worden. Sehr bald gab es keine Zweifel mehr darüber, welche Aufnahme der von der argentinischen Eegierung gestellte Antrag in Genf finden würde, zumal beinahe die gesamte Weltmeinung einem solchen Begehren kräftig zustimmte.

Der vom Spezialkomitee der Versammlung unterbreitete Resolutionsentwurf wurde ohne Widerspruch, wenn auch mit einigen Stimmenenthaltungen, angenommen. Auch die Schweiz enthielt sich der Stimmabgabe, da ihr die Eesolution vom 14. Mai 1938, derzufolge sie die integrale Neutralität im Rahmen des Völkerbundes wiedererlangt hatte, die Pflicht auferlegte, «in keiner Weise mehr an der Durchführung der Bestimmungen des Völkerbundspaktes betreffend die Sanktionen teilzunehmen»1). Dieser Text war klar, unsere Verpflichtung unzweideutig. So begründet die Entrüstung unserer öffentlichen Meinung über den russischen Angriff auch war, hätte sich die Eidgenossenschaft wohl schwerlich einem Beschluss der Versammlung anschliessen können, der auf die Ausschliessung der Sowjet-Union aus dem Völkerbunde hinzielte, ohne zugleich gegen ihre vor etwas mehr als einem Jahre abgegebenen Erklärungen zu verstossen. Es blieb ihr daher kein anderer Weg als derjenige der Stimmenthaltung übrig. Um aber keine Zweifel über unsere Gefühle gegenüber dem finnischen Volk bestehen zu lassen, beauftragte der Bundesrat seine Delegation, in der Versammlung folgende Erklärung abzugeben : « Jedermann kennt die Gefühle, die das Schweizervolk gegenüber Finnland hegt. Wir empfinden für dieses tapfere Volk, das in stolzer Weise seine Unabhängigkeit gegen einen ungerechten Angriff verteidigt, vollste Sympathie und eine tiefe Bewunderung. Anderseits hat die Schweiz bekanntlich auf Grund der Resolution des Völkerbundsrates vom 14. Mai 1938 ihre integrale Neutralität im Rahmen des Völkerbundes wieder erlangt. Diese Resolution macht es der Schweiz zur Pflicht, in keiner Weise an der Durchführung der Bestimmungen des Völkerbundspaktes betreffend die Sanktionen teilzunehmen.

Aus diesem Grunde, und einzig und allein aus diesem Grunde, wird sich die schweizerische Delegation bei der Abstimmung über die der Versammlung vorgelegte Resolution der Stimme enthalten.» Da die Resolution
der Versammlung eine technische Unterstützung von Seiten des Völkerbundssekretariats vorsah, hielt es unsere Delegation für angebracht beizufügen, dass nach ihrer Überzeugung «die Mitwirkung der technischen Dienstzweige des Völkerbundssekretariats bei der Organisation der Hilfeleistung für Finnland, welche in der zur Debatte stehenden Resolution vorgesehen ist,, keine Tätigkeit auf eidgenössischem Boden in sich schliessen wird, welche mit der schweizerischen Neutralität im Widerspruch stehen könne».

J

) Siehe Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 3. Juni 1939 über die Neutralität der Schweiz innerhalb des Völkerbundes, Bundesbl. 1938, Bd. I, S. 845.

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Nachdem die Kesolution von der Versammlung angenommen worden war, vereinigte sich der Völkerbundsrat am 14. Dezember zu einer denkwürdigen Sitaung, in der folgende Eesolution gefasst wurde: «Der Eat, nach Kenntnisnahme der am 14. Dezember 1939 von der Versammlung gefassten Eesolution betreffend den Appell der finnischen Eegierung, 1. schliesst sich der von der Versammlung ausgesprochenen Verurteilung der sowjetrussischen Aktion gegen Finnland an, 2. stellt, gestützt auf die in der Eesolution der Versammlung erwähnten Gründe und im Hinblick auf Art. 16, Abs. 4 des Paktes fest, dass die U. S. S.E.

sich durch ihr eigenes Verhalten aus dem Völkerbund ausgeschlossen hat.

Sie ist daher nicht mehr Mitglied des Bundes.»

Das durch den Eat auf Veranlassung der Völkerbundsversammlung gefällte Verdikt bedarf keines weiteren Kommentars. Es ist zu begrüssen, dass das finnische Volk in seinem heldenmütigen Kampf um seine Unabhängigkeit die einstimmige Sympathie der Versammlung gewonnen hat, und man begreift auch, dass sein Angreifer eine Sanktion verwirkt hat, die vielleicht als die schwerste für ein Mitglied der Völkergemeinschaft betrachtet werden kann.

Indem sich der Völkerbund gegen den Eechtsbrecher auflehnte, hat er eine Stellung eingenommen, die mit den grossen, seiner Schaffung zugrunde liegenden Prinzipien im Einklang steht. Der Angriff ist gebrandmarkt worden, und damit ist der Gerechtigkeit Genüge geschehen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 30. Januar 1940.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Pilet-Golaz.

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Der Bundeskanzler:

L Bovet.

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Resolutionen der Versammlung.

Resolutionen zur Berichterstattung der vierten Kommission.

I.

Die Versammlung billigt den Bericht der vierten Kommission.

II.

Die Versammlung: 1. genehmigt endgültig die geprüften Rechnungen des Völkerbundes für das zwanzigste, am 81. Dezember 1938 abgeschlossene Eechnungsjahr und beschliesst, unbeschadet der Bestimmungen des Art. 38 des Finanzreglementes, das Defizit des erwähnten Geschäftsjahres, das 89 162.55 Goldfranken beträgt, dem Fonds für die Herabsetzung der zukünftigen Beiträge zu überweisen; 2. genehmigt das Ausgabenbudget für das am 31. Dezember 1940 ablaufende 22. Eechnungsjahr, das sich auf 21 451 408 Schweizerfranken beläuft, und das Einnahmenbudget, das 15172720.95 Goldfranken beträgt; 3. nach Prüfung des ersten, zweiten, dritten und vierten Berichtes der Kontrollkommission (Dokumente A. 5, A. 5 (a), A. 5 (b), A. 5 (c) 1939 X): a. fügt dem Finanzreglement den nachstehenden neuen Absatz ein: Artikel 23, neuer Absatz 3: «Die Zinsen oder Gewinne aus Fonds, welche der Völkerbund für besondere Zwecke innehat (und welche in der Buchhaltung unter der Bezeichnung von ausserordentlichen oder transitorischen Eechnungsposten bezeichnet sind), werden jährlich zum Kapital dieser Fonds geschlagen, ausser bei gegenteiligem Beschluss der Versammlung auf Grund einer Berichterstattung der Kontrollkommission».

b. nimmt Kenntnis von der nachfolgenden Abänderung des Finanz règlements, die gemäss dem in der Resolution der Versammlung vom 30. September 1938 eingeführten Sonder verfahren erfolgt ist: Art. 29 wird durch folgenden Wortlaut ersetzt: «1. Die Umschreibungen von einer Rubrik zur andern innerhalb eines gleichen Kapitels des Voranschlages können für das Sekretariat durch einen Beschluss der Kontrollkommission erfolgen, für die andern Selbstverwaltungskörper dagegen durch einen Beschluss der zuständigen Behörde.

2. Unter Vorbehalt der Bestimmungen des Art. 33 werden andere als die im obigen Absatz l vorgesehenen Umschreibungen nicht vorgenommen werden. Für das Eechnungsjahr 1940 können indessen Umschreibungen von einem Kapitel zum andern durch Beschluss der Kontrollkommission erfolgen.

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3. Die auf Grund von Absatz l und 2 gefassten Beschlüsse werden unverzüglich allen Vertragsstaaten des Völkerbundes und der Versammlung zu Beginn der ordentlichen Jahressession mitgeteilt werden.»

c. fasst folgenden Beschluss: Während des Jahres 1940 werden alle Kompetenzen und Befugnisse des Völkerbundsrates, die ihm gemäss Eeglement über die Finanzverwaltung des Völkerbundes und Statut über die Versicherungskasse des Personals zukommen, von der Kontrollkommission mit der gleichen Wirkung ausgeübt werden, wie wenn der Bat selbst handeln würde.

d. billigt: i. die Einfügung des neuen Absatzes 3 zu Art. 10 des allgemeinen Réglementes über die Kommissionen, dessen Wortlaut folgender ist: «3. Wenn ein ad personam ernanntes Kommissionsmitglied von dem Land, in dem es zur Zeit seiner Ernennung Wohnsitz hatte, in ein anderes zieht und dem Völkerbund dadurch erheblich höhere als die im Budget vorgesehenen Umzugskosten verursacht, hört es auf, Mitglied der betreffenden Kommission zu sein. Die Kontrollkommission kann jedoch, in Ausnahmefällen, auf Antrag des Generalsekretärs von dieser Kegel absehen.» ii. die Einfügung des neuen Absatzes IV è in die Bestimmungen über die Vergütung der Keisespesen für Kommissionsmitglieder (Formular Nr. 14 des Sekretariats): «D7&. -- Komrnissionsmitgheder, die zugleich der Delegation ihrer Begierung in der Völkerbundsversammlung angehören, haben, sofern die Kommission, der sie angehören, während der Session tagt, weder Anspruch auf Vergütung der Eeisespesen, noch wird ihnen, solange sie diese Doppelfunktion erfüllen, ein Taggeld entrichtet. Die Kontrollkommission kann jedoch in Ausnahmefällen, auf Antrag des Generalsekretärs, von dieser Eegel absehen.» e. nimmt Kenntnis vom Bericht der Kontrollkommission über den Beschluss betreffend ihre Zusammensetzung, welcher gemäss dem in der Besolution der Versammlung vom 30. September 1938 eingeführten Sonderverfahren gefasst worden ist, und bittet S. E. den Grafen Carton de Wiart und S. E.

Dr. H. Colijin, in der Kommission weiterhin mitzuwirken ; /. genehmigt die im ersten Bericht (Dok. A. 5. 1939. X, Kapitel D), im dritten Bericht (Dok. A. 5 (b) 1939. X, Kapitel VI) und im vierten Bericht (Dok. A. 5, (c) 1939. X, Kapitel A. UI (b)) enthaltenen Empfehlungen der Kontrollkommission bezüglich der Eückerstattung an Chile und Venezuela ihrer Anteile im Vorschusskonto und genehmigt ebenfalls die Vorschläge betreffend den Fonds für die Herabsetzung der künftigen Beiträge, sowie den Garantie- und den Eeservefonds ;

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g. nimmt Kenntnis von den übrigen in den Berichten der Kommission enthaltenen Empfehlungen; 4. beschliesst, dass der Generalsekretär und der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, die beide mit der Zustimmung der Kontrollkommission handeln (welch letztere mit einfacher Mehrheit entscheidet), die ihnen in der Eesolution der Versammlung vom 30. September 1938 zuerkannten Sondervollmachten auch bis zur nächsten ordentlichen Völkerbundsversammlung innehaben sollen.

III.

Die Versammlung: 1. billigt die besonderen, das Personal betreffenden Massnahmen, die im Anhang I des Dokumentes A. 5 (b) 1939. X, enthalten und im vierten Bericht der Kommission (Dokument A. 5 (c) 1939. X, Kapitel E) abgeändert und erweitert worden sind; 2. beschliesst, dass die Art. 18 und 73 des Statuts für das Personal des Völkerbundssekretariats und die Art. 19 und 83 des Statuts für das Personal des Internationalen Arbeitsamtes, die sich auf die Entlassung von Beamten infolge Eeorganisation und Aufhebung von Posten beziehen, von heute ab und bis auf weiteres, unter Vorbehalt folgender Abänderungen, anzuwenden sind: i. Wenn der Beamte gemäss Art. 73 des Statuts für das Personal des Völkerbundssekretariats oder gemäss Art. 83 des Statuts für das Personal des Internationalen Arbeitsamtes Anspruch auf eine Entschädigung hat, beträgt die Kündigungsfrist höchstens einen Monat. Hat er dagegen keinen Anspruch auf Entschädigung, beträgt die Kündigungsfrist ein bis drei Monate, je nach der Dauer seiner Anstellung.

ii. a. Jede Entschädigung, die einem Beamten in Anwendung des Art. 73 des Statuts für das Personal des Sekretariats oder des Art. 83 des Statuts für das Personal des Internationalen Arbeitsamtes geschuldet wird, ist. in jährlichen Eaten zahlbar. Jede Eate entspricht einem Gehalt von drei Monaten oder, falls sie auf Grund dieser Berechnung Schweizerfranken 1200 nicht erreichen sollte, einem Betrag, der dieser Summe von Fr. 1200 möglichst nahekommt, ohne jedoch die geschuldete Totalleistung zu überschreiten.

b. Obige Bestimmungen hindern jedoch nicht, in Spezialfällen und mit Zustimmung der Kontrollkommission die Entschädigung schneller auszuzahlen, sofern die finanzielle Lage des Völkerbundes dies gestattet.

iii. Wenn der Vertrag eines Beamten bereits suspendiert worden ist, wird die Gratifikation, die in den oben unter Absatz l genehmigten Empfehlungen der Kontrollkommission über die Suspendierung der Anstellungsverhältnisse vorgesehen ist, für die Berechnung der zu entrichtenden Entschädigung angerechnet werden.

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iv: Die Versammlung: nimmt Kenntnis vom Bericht, den der Verwaltungsrat der Pensionskasse des Personals für das Jahr 1939 abgefasst hat, sowie auch von den Ergänzungen zu diesem Bericht (Dokumente A. 9 und A. 9 Addendum. 1939, X); genehmigt die in diesem Berichte vorgeschlagenen Abänderungen des Eeglementes der Pensionskasse, nämlich: i. Abänderungen, die nur den französischen Text betreffen: Der Titel des Eeglementes heisst fürderhin: «Eèglement de la Caisse des pensions du personnel.» Im Titel des Abschnittes I des Eeglementes wird das Wort «nouveau» gestrichen.

Im Art. 8, Absatz l, lit. (ii), sind die Worte «article 7, littera a^» durch die Worte «l'article 7, a)» zu ersetzen.

Im Art. 10, Absatz 3, sind die Worte «dudit traitement» durch die Worte «du traitement» zu ersetzen.

ii. Änderungen, die nur den englischen Text betreffen: Im Art. 26, erster Absatz, sind die Worte «or of rules made in virtue thereof» zwischen die Worte «thé présent Eegulations» und die Worte «in regard to an officiai» einzufügen; · beschliesst, unbeschadet der befolgten Praxis einer jährlichen Veranschlagung der Kasse durch den beratenden Aktuar, den Kassenanschlag für das Jahr 1940 nur teilweise vornehmen zu lassen, und ersucht den Verwaltungsrat und seinen beratenden Aktuar, den Stand der Kasse sorgfältig zu überwachen ; nimmt den vom beratenden Aktuar vorgelegten Bericht über den sechsten Kassenanschlag zur Kenntnis; genehmigt endgültig die geprüften Eechnungen der Pensionskasse des Personals für das Eechnungsjahr 1938; beschliesst auf Grund von Art. 7, lit. a, des Eeglementes der Pensionskasse für das Personal, den Beitrag des Völkerbundes an die Pensionskasse für das Jahr 1940 auf 10,5 % des Betrages der abzugspflichtigen Gehälter der Pensionskassenmitglieder festzusetzen; beschliesst, dass für Beamte, die unter Art. 4, Absatz a, i, des Eeglementes der Pensionskasse für das Personal fallen, der für das Jahr 1940 zu entrichtende zusätzliche Betrag l % ihres abzugspflichtigen Gehaltes beträgt und für die unter Art. 4, Absatz a, ii, fallenden Beamten mit einem abzugspflichtigen Jah.resgehalt von mehr als Fr. 6500 % % bzw. % %, wenn dieses Gehalt Fr. 6500 oder weniger beträgt ; ernennt für die am 31. Dezember 1942 ablaufende Periode zu Verwaltungsratsmitgliedern der Pensionskasse für das Personal:

153 In der Eigenschaft als titularisiertes Mitglied: Herrn Francis T. CEEMINS (Irland) ; Herrn Professor William EAPPABD (Schweiz); Herrn Professor Harold CEAMEE (Schweden).

In der Eigenschaft als Ersatzmitglied: Herrn M. Nicolas MOMTCHILOFF (Bulgarien) ; Herrn Jurgis SAVICKIS (Litauen); Herrn Alfred EIVE (Kanada).

V.

Die Versammlung beschliesst, folgende Abänderungen des Beglementes der Pensionskasse für das Personal vorzunehmen: a. Im Absatz l des Artikels 3bls sind die Worte «von der Kontrollkommission ernannt» durch die Worte «vom Eat auf Antrag des Finanzausschusses ernannt» zu ersetzen.

b. Der nachstehende neue Artikel -- Spezialartikel Nr. 2 -- wird in das Eeglement eingefügt. Dieser Artikel tritt mit der vorliegenden Eesolution in Kraft, ausser für Beamte, deren Verträge schon vor diesem Zeitpunkt suspendiert worden sind. Auf diese Beamten ist der genannte Artikel im Einzelfall nur von dem Tage an anwendbar, da sie aufgehört haben, ihr Amt auszuüben.

«Spezialartikel Nr. 2.

Abschnitt 1. -- Beamte, deren Verträge infolge der Krise suspendiert sind.

1. i. Die nachstehenden Vorschriften sind auf die dem vorliegenden Eeglement unterstehenden Beamten anwendbar, deren Verträge infolge der Krise suspendiert worden sind.

ii. Die genannten Vorschriften sind auf einen Beamten von dem Tage an anwendbar, da er aufgehört hat, sein Amt auszuüben, bis zu jenem, da er seinen Dienst wieder antritt oder, wenn letzteres nicht der Fall ist, bis zu dem Tage, den die zur Ernennung des Beamten zuständige Behörde als offiziellen Endtermin seiner Funktionen bezeichnet.

iii. Die Behörde, welche einen Beamten angestellt hat, entscheidet endgültig über die Frage, ob der betreffende Beamte die unter dem obenerwähnten Absatz i vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.

2. Der Völkerbund wird sowohl die von einem Beamten zu leistenden Beiträge als auch seine eigenen zugunsten dieses Beamten der Pensionskasse überweisen. Diese Beiträge werden auf der Basis des abzugspflichtigen Gehaltes eines Beamten berechnet, wobei dieses Gehalt, nach den Eegeln des nachfolgenden Abschnitts 2, Absatz i bestimmt wird.

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3. i. Die Wiederaufnahme der Dienste durch den Beamten wird an die Bedingung geknüpft, dass dieser auf ärztliches Attest hin weder an den folgen einer Körperverletzung noch an denjenigen einer Krankheit leidet, die sich während der Dauer der Suspension ereignet oder verschlimmert liât und voraussichtlich den betreffenden Beamten unfähig machen wird, sein Amt in befriedigender Weise auszuüben.

ii. Der Beamte hat die nötigen Massnahmen zu treffen, damit eine .Körperverletzung oder Krankheit, die ihn zu einer befriedigenden Ausübung seiner amtlichen Funktionen im Dienste des Völkerbundes unfähig machen könnte, seiner Ernennungsbehörde innert kürzester Frist zur Kenntnis gebracht wird. Dieser Mitteilung ist ein Zeugnis des behandelnden Arztes beizufügen. Die Ernennungsbehörde und der Verwaltungsrat sind berechtigt, aber nicht verpflichtet, dieses Zeugnis als einen hinreichenden Beweis für den Zustand des Beamten zu betrachten.

4. Wird ein Beamter wegen Invalidität aus dem Dienst des Völkerbundes entlassen, hat er keinen Anspruch auf eine Invalidenpension.

Dieser Fall wird behandelt, als ob das Dienstverhältnis aus einem andern Grund als der Invalidität ein Ende genommen hätte, und Art. 9 ist anwendbar.

5. i. Stirbt ein Beamter nach zehnjähriger Dienstzeit, sind die Art. 11 und 12 anwendbar, unter Vorbehalt jedoch, dass die geschuldeten Leistungen auf der Basis derjenigen Alterspension berechnet werden, die dem Beamten in Anwendung von Art. 9 zugekommen wäre, falls, am Todestage, das Dienstverhältnis aus einem andern Grund als Invalidität oder Tod ein Ende genommen hätte.

ii. Stirbt ein Beamter innerhalb der minimalen, in Art. 11 verlangten Dienstdauer (mindestens zwei Dienstjahre) und hinterlässt er eine Witwe, erhält diese die Hälfte der Summe, die dem Beamten gemäss Art. 9 Absatz 5 zugekommen wäre, wenn am Todestage das Dienstverhältnis aus einem andern Grund als Invalidität oder Tod ein Ende genommen hätte. Hinterlässt der Beamte Kinder von weniger als 18 Jahren, wird der geschuldete Betrag nach folgenden Prozentsätzen erhöht: a. für ein einziges Kind 25%; b. für zwei Kinder 45%; c. für drei Kinder 60%; d. bei mehr als drei Kindern: 10% für jedes Kind bis zu einer totalen Erhöhung von 100%.

Hinterlässt ein Beamter bzw. eine Beamte weder Witwe noch Witwer, wohl aber Kinder von weniger als 18
Jahren, wird diesen eine Summe entrichtet, die dem Zweifachen des Zusatzbetrages entspricht, den die Witwe zugunsten der Kinder erhalten würde. Der Verwaltungsrat wird von Fall zu Fall entscheiden, ob die Vergünstigung des vorliegenden

155 Absatzes auch dem Witwer zugute kommen soll. Will der Verwaltungsrat dem Witwer keine Leistungen gewähren, kann er indessen .zugunsten der Kinder der verstorbenen Beamten eine Summe auszahlen, die nicht über die in diesem Absatz vorgesehene Höchstgrenze für Leistungen an Kinder hinausgehen darf. Der Verwaltungsrat entscheidet von Fall zu Fall, ob der vorliegende Paragraph auch auf adoptierte, Stief- oder aussereheliche Kinder anwendbar ist.

6. Ist der Verwaltungsrat, nach Befragung der für die Ernennung des Beamten .zuständigen Behörde, der Meinung, dass ein wegen Invalidität entlassener Beamter durch sein Verschulden versäumt hat, gemäss § 8 Absatz ii eine Körperverletzung oder Krankheit unverzüglich bekanntzugeben, während bei Erfüllung dieser Pflicht das Dienstverhältnis früher ein Ende genommen hätte, kann er diesem Beamten die Leistungen gewähren, auf welche er Anspruch gehabt hätte, falls das Dienstverhältnis tatsächlich in diesem früheren Zeitpunkt aufgelöst worden wäre. Ist in diesem Fall eine Annuität zu entrichten, so ist sie am. ältesten Datum als zahlbar zu betrachten, so dass alle nach diesem Zeitpunkt an die Kasse ' geleisteten Beiträge zugunsten des Beamten dem Völkerbund zurückvergütet werden müssen.

7. Eine infolge Todes eines Beamten geschuldete Pension ist vom Zeitpunkt des Todes an zahlbar, und alle nach diesem Zeitpunkt an die Kasse entrichteten Beiträge zugunsten des Beamten müssen dem Völkerbund zurückvergütet werden.

8. Der vorliegende Artikel hindert nicht, dass das Dienstverhältnis mit der Erreichung der Altersgrenze oder mit Ablauf der Anstellungsdauer ein Ende nimmt. Auch bleiben der Behörde, welche die Ernennung des Beamten vorgenommen hat, ihre allfälligen Befugnisse zur Auflösung des Dienstverhältnisses vorbehalten.

Abschnitt 2. -- Berechnung des abzugspflichtigen Gehaltes.

Solange der vorliegende Artikel in Kraft bleibt, ist Artikel 6 unter Vorbehalt folgender Abänderungen anwendbar: i. Als abzugspflichtiges Gehalt eines Beamten, dessen Vertrag suspendiert ist, gilt dasjenige, auf welches er im Zeitpunkt Anspruch hatte, da er sein Amt auszuüben aufgehört hat.

ii. Eine aus Krisengründen vorgenommene Herabsetzung des Gehaltes eines Beamten, dessen Vertrag nicht suspendiert ist, wird bei der Berechnung des abzugspflichtigen Gehaltes nicht berücksichtigt und
letzteres so behandelt, wie wenn keine Herabsetzung erfolgt wäre. Jede aus einem andern Grund erfolgte Herabsetzung vermindert verhältnismässig den Betrag des abzugspflichtigen Gehaltes des Beamten.

1156 Abschnitt 3. -- Beamte in unbezahltem Urlaub.

Solange der vorliegende Artikel in Kraft bleibt, finden die Bestimmungen des § 3 Absatz ii und die §§4, 5, 6, 7 und 8 des obigen Abschnittes l auf einen in unbezahlten Urlaub versetzten Beamten für die ganze Dauer dieses Urlaubs Anwendung; bezüglich der Wiederaufnahme der Dienste durch den Beamten ist § 3 Absatz i anwendbar.»

VI.

Die Versammlung: genehmigt den Bericht des Sonderausschusses für die Beiträge in seiner berichtigten Form (Dokument A. 17 (1). 1939. X); .

billigt die Empfehlungen des Sonderausschusses bezüglich Albanien, Österreich, China, Spanien, Äthiopien, Liberia, Litauen und der Tschechoslowakei ; beschliesst mit Eücksicht auf das zu Beginn 1939 über Chile hereingebrochene Unglück und gestützt auf eine in ähnlichen Fällen befolgte Praxis, die Hälfte des von Chile geschuldeten Beitrages für 1939 zu erlassen; beschliesst, in Abweichung von dem am 28. September 1935 aufgestellten Grundsatz betreffend die Nichtigerklärung der Abkommen über die Schuldenregelung, dass es dem Ermessen des Sonderausschusses anheimgestellt werden soll, die Anwendung des erwähnten Grundsatzes gegenüber Cuba zu suspendieren (d. h. die von der Versammlung erlassene Schuld nicht wieder aufleben zu lassen), sofern eine befriedigende Eegelung mit der cubanischen Eegierung erzielt werden kann; gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten, trotz der heutigen Schwierigkeiten, ihre Sympathie zum Völkerbund durch pünktliche und rasche Zahlung der Beiträge für 1940 beweisen werden; ernennt für die am 31. Dezember 1940 ablaufende Periode zu Mitgliedern des Sonderausschusses für Beiträge: Graf CAETON DE WIAET (Belgien); Sir Frederick PHILLIPS (Grossbritannien); Herrn Eaghavendra EAO (Indien); Herrn C. J. HAMBEO (Norwegen) ; und im Bedarfsfall ein fünftes Mitglied, welches vom Ausschuss selbst bezeichnet wird.

VII.

Die Versammlung: genehmigt den Bericht des Ausschusses für die Verteilung der Ausgaben des Völkerbundes (Dokument A. 11 1939. II. A.), beschliesst jedoch, dass der neue Verteilungsschlüssel nur für das Eechnungsjahr 1940 in Kraft bleiben wird;

157 lädt sein Bureau ein, eine Kommission für die Verteilung der Ausgaben zu bilden, und ermächtigt diese Kommission, für den Verteilungsschlüssel für 1941 diejenigen Änderungen vorzuschlagen, welche sie unter Berücksichtigung aller erheblichen Erwägungen und Umstände für nötig erachten wird.

(U. Dezember 1939.)

Resolution zur Frage der Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet.

Die Versammlung: 1. billigt den Bericht über die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Wirtschafts- und Sozialfragen, den ihr das vom Bat am 23. Mai 1939 geschaffene Spezialkomitee unterbreitet hat. Sie billigt ebenfalls die darin enthaltenen Vorschläge; 2. anerkennt in Übereinstimmung mit diesem Bericht, dass die genannten Vorschläge lediglich eine erste Massnahme darstellen sollen, um den heute bestehenden Apparat für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Wirtschafts- und Sozialfragen der Entwicklung der Weltereignisse anzupassen ; 3. erachtet es bei der heutigen Weltlage mehr denn je als notwendig, dass die im obigen Bericht1) umschriebenen wirtschaftlichen und sozialen Ziele des Völkerbundes auf breitester Basis weiterverfolgt werden; 4. ersucht das Bureau, die geeigneten Massnahmen für die Schaffung des im Bericht vorgesehenen Zentralkomitees zu ergreifen, das die Tätigkeit des Völkerbundes auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet vereinheitlichen und die übrigen im vorgenannten Bericht bezeichneten Funktionen ausüben soll; dieses Komitee wird im Bedarfsfälle seine Tätigkeit in Einklang bringen mit derjenigen des Internationalen Arbeitsamtes, das seine Selbständigkeit und seine Befugnisse wie bisher beibehält; 5. gibt der Hoffnung Ausdruck, dass das Zentralkomitee möglichst rasch die Voraussetzungen für die Mitwirkung derjenigen Staaten prüfen wird, die zusammen mit dem Völkerbund die wirtschaftlichen und sozialen Fragen an die Hand zu nehmen gedenken.

(14. Dezember 1939.)

Resolution zur vorläufigen Beibehaltung der beiden von Bat und Versammlung im Jahre 1936 geschaffenen nichtständigen Sitze.

Die Versammlung: erachtet es als wünschenswert, die Anzahl der nichtständigen Eatssitze für die Periode, welche mit der Wahl der nichtständigen Mitglieder des Völkerbundsrates anlässlich der Session von 1939 beginnt und mit der
Erneuerungswahl im Jahre 1942 endet, vorläufig auf elf zu belassen; und 1 ) Siehe insbesondere S. 6 des Berichtes über die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Wirtschafts- und Sozialfragen (Dokument A. 23. 1939).

ßundesblatt. 92. Jahrg. Bd. I.

13

158 lädt den Generalsekretär ein, diese Eesolution dem Völkerbundsrat zur Kenntnis zu bringen.

(13. Dezember 1939.)

Resolution zum Appell der finnischen Regierung.

Die Versammlung: I.

stellt fest, dass die U. S. S. E. mit dem Angriff auf Finnland sowohl ihren besonderen politischen Vereinbarungen mit diesem Staat als auch dem Art. 12 des Völkerbundspaktes und dem Pariser Pakt zuwidergehandelt hat; dass sie am Vorabend ihres Vorgehens den zwischen ihr und Finnland im Jahre 1932 geschlossenen Nichtangriffspakt, der bis Ende 1945 Geltung haben sollte, ohne rechtlichen Grand gekündigt hat; verurteilt feierlich das Vorgehen der U. 8. S.E. gegen den finnischen Staat; richtet an jedes Völkerbundsmitglied den inständigen Aufruf, Finnland die materielle und humanitäre Unterstützung zu gewähren, die es zu bieten in der Lage ist, und sich jeder Handlung zu enthalten, die geeignet wäre, die Widerstandskraft Finnlands zu schwächen; ermächtigt den Generalsekretär, die technischen Dienstzweige des Sekretariats für die Organisation der erwähnten Hilfeleistung für Finnland zur Verfügung zu stellen; ermächtigt den Generalsekretär, ebenfalls gestützt auf die Eesolution der Versammlung vom 4. Oktober 1937, die Nichtmitgliedstaaten des Völkerbundes im Hinblick auf eine allfällige Zusammenarbeit zu konsultieren.

II.

zieht in Betracht, dass die U. S. S. E. trotz zweimaliger Aufforderung sich geweigert hat, zur Behandlung ihres Streitfalles mit Finnland vor dem Eat und der Versammlung zu erscheinen; dass sie demnach mit der Weigerung, die dem Eat und der Versammlung, für die Vollziehung des Art. 15 des Paktes zustehende Aufgabe anzuerkennen, eine der für die Garantie des Friedens und die Sicherheit der Völker wesentlichsten Verpflichtungen im Völkerbunde verletzt hat; dass sie vergeblich versucht hat, ihre Weigerung damit zu rechtfertigen, dass 'sie Beziehungen mit einer angeblichen Eegierung angeknüpft habe, die weder rechtlich noch faktisch die im» freien Spiel der staatlichen Einrichtungen VOIQ finnischen Volke anerkannte Eegierung ist; dass die U. S. S. E. sich nicht nur eines Paktbruches schuldig gemach t, sondern sich durch ihr eigenes Verhalten ausserhalb des Völkerbundspaktes gestellt hat; dass der Völkerbundsrat gemäss Art. 16 des Paktes zuständig ist, um die sich aus dieser Lage ergebenden Folgerungen zu ziehen; empfiehlt dem Eate, über die Angelegenheit zu bestimmen.

(U. Dezember 1939.)

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die XX.

Völkerbundsversammlung. (Vom 30. Januar 1940.)

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