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Bundesblatt 92. Jahrgang.

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4061

Bern, den 21. August 1940.

Band I.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der Abänderung von Art. 55bis, 56, 57, 58, 59 und 60 der Verfassung des Kantons Glarus.

(Vom 17. August 1940.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

An der Landsgemeinde vom 5. Mai 1940 haben die stimmberechtigten Bürger des Kantons Glarus beschlossen, im Hinblick auf die Eeorganisation des Gerichtswesens und die Anpassung der kantonalen Strafgesetzgebung an das schweizerische Strafgesetzbuch die Bestimmungen der Kantonsverfassung über die richterlichen Behörden soweit nötig einer Eevision zu unterziehen.

Es handelt sich um eine Änderung der Art. 55bis, 56, 57, 58, 59 und 60 der Verfassung. Mit Schreiben vom 17. Juli 1940 sucht der Eegierungsrat des Kantons Glarus für diese Verfassungsänderung die eidgenössische Gewährleistung nach.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten wie folgt: Bisheriger Text .

Neuer Text Art. 55bis.

Art. 55bis.

Der Zivilgerichtspräsident entscheiDer Einzelrichter in Zivil- und Strafdet mit endgültiger Kompetenz über: Sachen entscheidet die ihm durch die a. die ihm durch das kantonale Ein- Zivilprozessordnung, die kantonalen führungsgesetz zum Bundesgesetz Einführungsgesetze zum schweizeriüber Schuldbetreibung und Kon- sehen Zivilgesetzbuch, zum schweizekurs zugewiesenen Fälle; rischen Obligationenrecht, zum Bunb. Porderungsstreitigkeiten bis auf desgesetz über Schuldbetreibung und den Betrag von Fr. 50.

Konkurs, durch die StrafprozessordFerner steht ihm die Bewilligung nung und durch andere Gesetze überdes Arrestes und die Eechtbotsbewil- tragenen Fälle, ligung zu.

Bundesblatt. 92. Jahrg. Bd. I.

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866 Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 56.

Art. 56.

Das Zivilgericht, bestehend aus einem Präsidenten und sechs Mitgliedern, beurteilt erstinstanzlich die Vaterschaftsklagen und Ehestreitigkeiten, sowie alle Zivilstreitigkeiten, mit Ausnahme der nach Art. 55Ws in die ausschliessliche Kompetenz seines Präsidenten gehörigen Fälle und der dinglichen Klagen.

Das Zivilgericht übt die Oberaufsicht über das Konkurs- und Betreibungswesen aus.

Der Gesetzgebung steht es frei, für Zivilstreitigkeiten von untergeordnetem Belange zum Behufe rascher und wenig kostspieliger Erledigung anderweitige Vorkehr zu treffen.

Das Zivilgericht, bestehend aus einem Präsidenten und sechs Mitgliedern, und die aus dem Zivilgericht gebildete Gerichtskommission, bestehend aus dem Zivilgerichtspräsidenten und zwei Mitgliedern des Zivilgerichtes, sind zuständig für die Entscheidung über die ihnen durch die Zivilprozessordnung, durch die kantonalen Einführungsgesetze zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, zum schweizerischen Obligationenrecht, zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs und durch andere Gesetze übertragenen Fälle. Dabei beurteilt das Gesamtgericht erstinstanzlich die appellablen Fälle, die Gerichtskommission endgültig die nicht appellablen Fälle.

Das Zivilgericht ist einzige Instanz in den gesetzlich vorgesehenen Fällen.

Art. 57.

Das Augenscheingericht, bestehend aus einem Präsidenten und vier Eichtern, beurteilt in erster Instanz alle Streitsachen über unbewegliches Gut und darauf bezügliche Eechtsame.

Art. 57.

Das Augenscheingericht, bestehend aus dem Präsidenten und vier Augenscheinrichtern, beurteilt in erster Instanz die ihm durch die Zivilprozessordnung und in andern Gesetzen übertragenen Fälle.

Art. 58.

Das Kriminalgericht, aus einem Präsidenten und sechs Mitgliedern bestehend, beurteilt alle Verbrechen und schweren Vergehen in erster Instanz.

Zur Beurteilung von Ehrverletzungen, leichtern Vergehen und blossen Polizeiübertretungen treten nur der Präsident und die vier erstgewählten

Art. 58.

Das Kriroinalgericht, bestehend aus einem Präsidenten und sechs Mitgliedern, ist zuständig für die Beurteilung der ihm durch die Strafprozessordnung, das Einführungsgesetz zum schweizerischen Strafgesetzbuch und durch andere Gesetze übertragenen Fälle.

867 Bisheriger Text

Neuer Text

Mitglieder des Kriminalgerichtes als Polizeigericht in Tätigkeit.

Dem Präsidenten des Kriminal- und Polizeigerichtes können bestimmte Einzelkompetenzen in Strafsachen, unter Vorbehalt des Weiterzuges an die Gerichte, zugewiesen werden. Das Nähere über die Ausscheidung der Kompetenzen zwischen den bezeichneten Strafbehörden bestimmt das Gesetz.

Das Kriminalgericht ist vorgesetzte Behörde des Verhöramtes und des Staatsanwaltes.

Das Polizeigericht, bestehend aus dem Präsidenten und zwei Mitgliedern des Kriminalgerichts, ist zuständig für die Beurteilung der ihm durch die Strafprozessordnung, das Einführungsgesetz zum schweizerischen Strafgesetzbuch und durch andere Gesetze übertragenen Fälle.

Die Jugendstrafrechtspflege wird ausgeübt durch das vom Begierungsrat gewählte Jugendamt und ein von der gleichen Wahlbehörde gewähltes Jugendgericht, bestehend aus einem Präsidenten und zwei Mitgliedern, während der Obergerichtspräsident und die zwei erstgewählten Mitglieder des Obergerichts Appellationsinstanz sind.

Das Kriminalgericht ist vorgesetzte Behörde des Verhöramtes und des Staatsanwaltes.

Art. 59.

Das Obergericht, bestehend aus einem Präsidenten und sechs Richtern, beurteilt in zweiter und letzter Instanz alle durch das Gesetz als appellabel erklärten Straffälle, sowie alle zivilrechtlichen Fälle, sofern dieselben immerwährende Eechte betreffen, oder der Streitgegenstand einen Wert von über Fr. 500 hat.

Die Ehestreitigkeiten und Paternitätsfälle sind immer appellabel.

Das Obergericht ist die Aufsichtsbehörde über die untern Gerichtsstäbe, über die Vermittlerämter und über die Gerichtskanzlei.

Art. 59.

Das Obergericht, bestehend aus einem Präsidenten und sechs Eichtern, ist als Zivilkammer zweite und letzte kantonale Instanz zur Beurteilung der ihm durch die Zivilprozessordnung und durch andere Gesetze übertragenen Fälle.

Als Strafkammer ist das Obergericht in zweiter und letzter kantonaler Instanz zuständig für die Beurteilung der ihm durch die Strafprozessordnung, das Einführungsgesetz zum schweizerischen Strafgesetzbuch und durch andere Gesetze übertragenen Fälle.

Das Obergericht ist Aufsichtsbehörde über die Geschäftsführung des Einzelrichters und der untern Gerichte und beurteilt Beschwerden gegen deren Geschäftsführung.

868 Bisheriger Text

Neuer Text

Das Obergericht ist Kassationsinstanz gegenüber dem Einzelrichter und den untern Gerichten, sowohl in Zivilsachen wie in Strafsachen, nach Massgabe der Bestimmungen der Zivilund Strafprozessordnung. Eine Nichtigkeitsbeschwerde ist nur statthaft, wenn der angefochtene Entscheid nicht mit dem Rechtsmittel der Appellation angefochten werden kann.

Art. 60

Art. 60

In Ausstandsfällen ergänzen sich die Gerichte wie folgt:

Die Frage der Stellvertretung der Präsidenten und der Gerichtsergänzung in Ausstands- und Verhinderungsfällen ordnet das Gesetz betreffend die Gerichtsorganisation (Organisationsgesetz).

Das Zivilgericht aus den Mitgliedern des Augenschein- und eventuell des Kriminalgerichts.

Das Augenscheingericht aus den Mitgliedern des Zivil- und eventuell des Kriminalgerichts.

Das Kriminalgericht aus den Mitgliedern des Zivil- und eventuell des Augenscheingerichts.

Das Obergericht ergänzt sich, soweit erforderlich, durch die beim betreffenden Falle in erster Instanz nicht in Funktion gewesenen Gerichtspräsidenten, eventuell durch die unbeteiligten Mitglieder der Untergerichte, und zwar im einen wie im andern Falle nach der im Ingress dieses Artikels angegebenen Reihenfolge.

Sofern die in diesem Artikel vorgesehene Ergänzung für die vollständige Besetzung eines untern oder des Obergerichts nicht ausreichen sollte, hat der Landrat die erforderlichen ausserordentlichen Ersatzmänner für den besondern Fall zu wählen.

869 Die bisherige Kantonsverfassung enthält eine Eeihe von Bestimmungen, die Organisation und Zuständigkeit der Gerichte bis in Einzelheiten regeln.

Die neuen Texte dieser Verfassungsartikel sind nun viel allgemeiner gehalten.

Sie verweisen die Vorschriften über die Zusammensetzung und die Tätigkeit der Gerichte in die Gesetzgebung, nämlich in die Zivil- und Strafprozessordnungen sowie in die kantonalen Einführungsgesetze zum ZGB, zum OE, zum SchKG und zum schweizerischen Strafgesetzbuch. Das bringt den Vorteil mit sich, dass allfällige künftige Änderungen der Kompetenzen einzelner Gerichtsinstanzen sich wohl ohne Verfassungsänderung werden durchführen lassen.

Die Organisation der richterlichen Behörden und die Umschreibung ihrer Befugnisse ist gemäss Art. 64, letzter Absatz, und Art. 64biB, Abs. 2, BV grundsätzlich Sache der Kantone. Die vorliegende Verfassungsrevision hält sich somit im Rahmen der kantonalen Zuständigkeit. Die neuen Vorschriften enthalten nichts, was mit der Bundesverfassung in Widerspruch stehen würde.

Wir beantragen Ihnen deshalb, den abgeänderten Art. 55bls, 56, 57, 58, 59 und 60 der Kantonsverfassung durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung!

Bern, den 17. August 1940.

Im Namen des Schweiz Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

870 (Entwurf.)

Bundeslbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Art. 55bis, 56, 57, 58, 59 und 60 der Verfassung des Kantons Glarus.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 17. August 1940 über die Gewährleistung der Abänderung von Art. 55Ws, 56, 57, 58, 59 und 60 der Verfassung des Kantons Glarus, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts enthalten, das der Bundesverfassung zuwiderläuft, beschliesst:

Art. 1.

Den von der Landsgemeinde am 5. Mai 1940 beschlossenen Änderungen der Art. 55bl8, 56, 57, 58, 59 und 60 der Verfassung des Kantons Glarus wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

2111

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der Abänderung von Art. 55bis, 56, 57, 58, 59 und 60 der Verfassung des Kantons Glarus.

(Vom 17. August 1940.)

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1940

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21.08.1940

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