428 # S T #

4045 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Revision von Art. 43, Ziff. 5, und Art. 55 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz.

(Vom 19. April 1940.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Ständerat hat am 22. Juni 1932 folgendes Postulat von Herrn Ständerat Bertoni und Mitunterzeichneten angenommen: «In der Erwägung, dass die Zahl der Begnadigungsgesuche aus dem Gebiete des Jagdrechtes ausserordentlich hoch ist, dass diese Gesuche sehr oft von den Behörden selbst unterstützt werden, die die Strafen ausgesprochen haben, dass der Bundesrat in einer grossen Zahl solcher Fälle den Antrag auf Herabsetzung der Strafen unter das gesetzliche Mindestmass stellt, wird der Bundesrat eingeladen, zu prüfen, ob es nicht geboten erscheine, durch gesetzliche Massnahmen die Milderung einiger Strafbestimmungen des Jagdgesetzes vorzusehen, insbesondere solcher, die den Schutz gewisser Eaubtiere und Eaubvögel bezwecken.» Das Postulat wurde zur Prüfung entgegengenommen, ohne dass ihm jedoch besondere Dringlichkeit zuerkannt werden konnte. Es schien-geboten, mit einer Revision des erst seit wenigen Jahren in Kraft stehenden Bundesgesetzes zuzuwarten, bis man die Auswirkungen der neuen Vorschriften besser zu überblicken vermochte.

Heute kann festgestellt werden, dass das Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 sich im allgemeinen bewährt hat. Im Jagdwesen herrscht bessere Ordnung als unter der Herrschaft des früheren Jagdgesetzes. Dank der strengeren Jagdaufsicht und der abschreckenden Wirkung der scharfen Strafandrohungen ist der Wildfrevel in den letzten Jahren zurückgegangen. Der Wildbestand hat im allgemeinen zugenommen.

Wenn somit einerseits die gute Wirkung der scharfen Strafbestimmungen des Jagdgesetzes betont werden muss, so hat sich anderseits in der Praxis

429 doch vielfach gezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung der hohen Mindeststrafen zu wenig Eücksicht genommen hat auf die leichten Widerhandlungsfälle. Die hohen Strafminima hindern in vielen Fällen die Straf' behörde, bei der Strafzumessung dem Grad des Verschuldens, den Beweggründen und den persönlichen Verhältnissen des Täters gebührend Eechnung zu tragen. Der an die hohe Mindeststrafe gebundene Eichter ist oft gezwungen, Strafen auszufällen, die nach seinem Eechtsempfinden zu streng sind. In zahl^ reichen Jagdstrafurteilen wird vom Eichter selbst auf diese Härte des Gesetzes hingewiesen und schon im Urteil die Einreichung eines Begnadigungsgesuches empfohlen. Seit dem Inkrafttreten des eidgenössischen Jagdgesetzes von 1925 hat die Zahl der Begnadigungsgesuche in Jagdsachen beträchtlich zugenommen.

Die eidgenössische Begnadigungskommission, sie sich alljährlich mit 80 bis 100 solchen Begnadigungsgesuchen zu befassen hatte, sah sich ebenfalls veranlasst, eine Eevision des eidgenössischen Jagdgesetzes im Sinne einer Herabsetzung gewisser Strafminima zu empfehlen.

Eine Milderung der Strafbestimmungen des eidgenössischen Jagdgesetzes ist angezeigt, sie darf aber nicht so weit gehen, dass die Wirkung des Jagdstrafrechtes abgeschwächt wird. An der bisherigen Bewertung der einzelnen Jagdvergehen und dem bisherigen System der Strafbestimmungen ist grundsätzlich festzuhalten. Es besteht auch kein Bedürfnis, die bestehenden Höchstansätze der Strafen herabzusetzen. Die Eevision hat sich nur mit den Strafminima zu befassen. Dem Eichter soll die Möglichkeit gegeben werden, in Fällen besonders geringfügigen Verschuldens oder bei Vorliegen von bestimmten andern besonderen Milderungsgründen Bussen auszusprechen, die unter dem gesetzlichen Mindestmass stehen. Soll in solchen Fällen dem Eichter bei der Strafzumessung nach unten volle Freiheit gelassen werden -- wie sie ihm das Gesetz schon gegenüber dem jugendlichen Täter (Art. 54) und gegenüber dem Täter, der fahrlässig gehandelt hat (Art. 55, Abs. 2), einräumt -- oder ist nur eine Herabsetzung der gesetzlichen Bussenminima vorzusehen? Gegen die erstgenannte Lösung erhebt sich das Bedenken, dass manche Strafbehörden allzu leicht von dieser Freiheit Gebrauch machen würden, dass die im Gesetz festgelegte Bewertung der einzelnen Jagdvergehen durch eine
solche Praxis verwischt und die abschreckende Wirkung des Jagdstrafrechts beeinträchtigt würde. Zur Beseitigung der gerügten Härte des Gesetzes genügt es, wenn dem Eichter die Möglichkeit gegeben wird, beim Vorliegen der genannten besonderen Milderungsgründe auf die Hälfte der gesetzlichen Mindestbussen hinunterzugehen. Diese Möglichkeit wird durch den vorgeschlagenen Zusatz zu Art. 55 geschaffen. Um einer missbräuchlichen Anwendung der Bestimmung entgegenzutreten, ist vorgesehen, dass sämtliche Strafentscheide dieser Art der Bundesanwaltschaft ohne Verzug mitzuteilen sind.

In einer Kleinen Anfrage vom 16. Juni 1939 regte Herr Nationalrat Grünenfelder an, es sollten ausser den Strafansätzen auch einzelne andere Bestimmungen des Jagdgesetzes für die Abänderung in Betracht gezogen werden, so diejenige über das Kaliber der bei der Jagd auf Hirsche, Gemsen

430

und Murmeltiere zulässigen Kugelwaffen. (Herabsetzung des zulässigen Mindestkalibermasses von 9 auf 8 mm.) Durch die neue Fassung von Art. 43, Ziff. 5, wird diese Anregung berücksichtigt und zugleich eine Unklarheit des bisherigen Wortlauts hinsichtlich des Verbotes der jagdlichen Verwendung von Eepetierwaffen und des Verbotes der Verwendung von Schrotflinten bei der Jagd auf Hirsche, Gemsen und Murmeltiere beseitigt. Beide Verbote sind durch die neue Fassung eindeutig festgelegt.

Indem wir Ihnen den beiliegenden Entwurf eines Bundesgesetzes zur Annahme empfehlen, versichern wir Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 19. April 1940.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Pilet-Golaz.

Der Vizekanzler: Leimgruber.

431 {Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

Abänderung von Art. 43, Ziff. 5, und Art. 55 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Ausführung des Art. 25 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrats vom 19. April 1940, beschliesst:

Art. 1.

Art. 43, Ziff. 5, und Art. 55 des Bundesgesetzes vom 10. Juni 1925 über Jagd und Vogelschutz werden aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt : Art. 43, Ziff. 5. Wer Stockflinten, zusammenlegbare, zusammenschraubbare oder andere zum Zwecke der Verheimlichung konstruierte Feuerwaffen, oder wer Eepetierwaffen, Luftgewehre, automatische oder Flobertgewehre zu Jagdzwecken trägt oder verwendet, wer bei der Jagd auf Hirsche, Gemsen oder Murmeltiere Schrotflinten oder Kugelwaffen mit einem Kaliber von weniger als acht Millimeter trägt oder verwendet, wird mit Busse von Fr. 100 bis 400 bestraft.

Art. 55. Die in den Art. 39 bis 44, 45, Abs. l, 46 bis 52 vorgesehenen Strafandrohungen gelten für das vorsätzlich begangene Jagdvergehen.

Erweist sich die vorsätzliche Widerhandlung als besonders geringfügig oder sind die Beweggründe oder die persönlichen Verhältnisse des Täters derart, dass die Anwendung der gesetzlichen Mindestbusse als eine offenbare Härte erschiene, so kann die Strafbehörde bei der Strafzumessung bis auf die Hälfte des gesetzlichen Mindestmasses der Busse hinuntergehen ; sie hat dies jedoch im Strafentscheid ausdrücklich zu begründen. Sämtliche Strafentscheide dieser Art sind der Bundesanwaltschaft ohne Verzug mitzuteilen.

Handelt der Täter bei Verübung eines der in Abs. l genannten Jagdvergehen fahrlässig, so ist bei dessen Beurteilung die Strafbehörde an das gesetzliche Mindestmass der Busse nicht gebunden.

Art. 2.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

1879

»-
Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Revision Art. 43, Ziff.

5, und Art. 55 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz. (Vom 19. April 1940.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1940

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

17

Cahier Numero Geschäftsnummer

4045

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.04.1940

Date Data Seite

428-431

Page Pagina Ref. No

10 034 253

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.