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Bundesblatt 92. Jahrgang.

Bern, den 27. November 1940.

Band I.

Erscheint wöchentlich

Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr ; 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der am 22. September 1940 abgeänderten Bestimmungen der Verfassung des Kantons Zug.

(Vom 21. November 1940.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Regierungsrat des Kantons Zug hat uns mit Zuschrift vom 28. September 1940 mitgeteilt, dass in der Volksabstimmung vom 22. September 1940 die vom Kantonsrat am 22. Juli 1940 beschlossene Abänderung der kantonalen Verfassung mit 3096 gegen 877 Stimmen angenommen worden ist. Diese Eevision betrifft die §§ 41 und 47 sowie die §§ 49--69 der Kantonsverfassung. Der Eegierungsrat sucht um die Gewährleistung des Bundes nach.

Die bisherigen und die neuen Texte lauten folgendermassen : Bisheriger Text:

Neuer Text:

§ 41.

§ 41.

Dem Kantonsrate kommen folgende Obliegenheiten und Befugnisse zu:

Dem Kantonsrate kommen folgende Obliegenheiten und Befugnisse zu:

m. Die Ernennung der ersten Kanzleibeamten und zweier Rechnungsrevisoren der Kantonalbank.

n. Das Bestätigungsrecht über die vom Eegierungsrate ausgehenden Vorschläge für die Oberoffiziere, den Verhörrichter, den Staatsanwalt, den Polizeidirektor, die Kanzleisekretäre und drei Bankräte der Kantonalbank.

m. die Ernennung des Landschreibers, des Grundbüchverwalters, des ersten Gerichtsschreibers und der vom Kanton zu wählenden Eechnungsrevisoren der Kantonalbank ; n. die Bestätigung der vom Eegierungsrat getroffenen Wahlen für folgende Behörden und Beamte: 1. die vom Kanton zu wählenden Mitglieder des Bankrates der Kantonalbank, 104

Bundesblatt. 92. Jahrg. Bd. I.

1258 Bisheriger Text:

Neuer Text: 2. die Regierungssekretäre, 8. den Kantonskassier, 4. den Präsidenten der Steuerkommission, 5. den Verwalter der Assekuranzkasse, 6. den Kantonsförster, 7. den Kantonsingenieur, 8. den Konkursbeamten, 9. den Kantonschemiker, 10. den Kreiskommandanten, 11. den zweiten Gerichtsschreiber, 12. den Staatsanwalt, 13. den Verhörrichter, 14. den Polizeirichter.

§ 47.

Der Regierungsrat ist mit dem Vollzuge der Gesetze, Verordnungen und Beschlüsse und mit der Staatsverwaltung und Rechnungsführung in allen Teilen beauftragt. Ihm kommen insbesondere folgende Befugnisse und Verpflichtungen zu:

§ 47.

Der Regierungsrat ist mit dem Vollzuge der Gesetze, Verordnungen und Beschlüsse und mit der Staatsverwaltung und Rechnungsführung in allen Teilen beauftragt. Ihm kommen insbesondere folgende Befugnisse und Verpflichtungen zu:

d. Der Erlass der nötigen Verordnungen, sowie der Vollzug der in Rechtskraft erwachsenen Urteile.

g. Vorschläge für die Oberoffiziersstellen, den Verhörrichter, den Staatsanwalt, den Polizeidirektor, die Kanzlei-Sekretäre und drei Bankräte der Kantonalbank (§ 41, lit. n), sowie alle Wahlen, welche ihm durch die Gesetze übertragen sind.

d. der Erlass der notwendigen Verordnungen; g. Vorschläge für die vom Kantonsrat zu bestätigenden Wahlen von Behörden und Beamten; i. der Vollzug der in Rechtskraft erwachsenen Strafurteile ; k. die Vornahme aller dem Kanton zustehenden Wahlen, welche nicht durch Verfassung oder Gesetz einer andern Behörde oder dem Volk übertragen sind.

IV. Abschnitt.

Richterliche Gewalt.

IV. Abschnitt.

Richterliche Gewalt und Rechtspflege.

A. Friedensrichter.

§ 49.

Jede Gemeinde wählt einen Friedensrichter und einen Ersatzmann.

A. Friedensrichter.

§ 49.

Jede Gemeinde wählt einen Friedensrichter und einen Ersatzmann.

1259 Bisheriger Text: § 50.

Neuer Text: § 50.

Der Friedensrichter sucht alle Zivilstreitigkeiten mit Inbegriff der Injurienklagen, welche in seinen Gerichtsstand gehören, vermittelnd zu erledigen.

Mit Ausnahme der durch das Gesetz bestimmten Fälle kann keine Zivilstreitsache, die nicht zuerst vor Friedensrichteramt gewaltet und durch einen Weisungsschein desselben begleitet ist, von den Gerichten an Hand genommen werden.

Der Friedensrichter sucht alle Zivilstreitigkeiten mit Inbegriff der Ehrverletzungsklagen vermittelnd zu erledigen.

Wo dies nicht möglich ist und der im Gesetz vorgesehene Streitwert seine Zuständigkeit nicht übersteigt, hat er endschaftlich zu urteilen.

§ 61.

§ 51.

Streitsachen, deren Wert Fr. 80 nicht übersteigt und die vom Friedensrichter nicht vermittelt werden können, beurteilt derselbe endschaftlich.

Gegen seinen Entscheid sind die Bechtsmittel der Kassation und Eevision zulässig.

Mit Ausnahme der durch das Gesetz bestimmten Fälle kann keine Zivilstreitsache, die nicht zuerst vor Friedensrichteramt verhandelt wurde und mit einem Weisungsschein begleitet ist, von den Gerichten an die Hand genommen werden.

§ 52.

, Streitsachen von über Fr. 30 oder von unbestimmbarem Werte, sowie Injurienfälle, die nicht vermittelt werden können, leitet der Friedensrichter an das Kantonsgericht (§§54 und 55).

B. Kantonsgericht.

B. Kantonsgericht.

§ 53.

Das Kantonsgericht besteht aus dem Präsidenten und 4 Mitgliedern; demselben sind 4 Ersatzmänner beizugeben.

§ 54.

In die Kompetenz des Kantonsgerichtes fallen alle Zi vii-Streitsachen, die über die Kompetenz des Friedensrichters gehen.

§ 52.

Das Kantonsgericht besteht aus dem Präsidenten und vier Mitgliedern.

Dem Gericht werden vier Ersatzmänner beigegeben.

1260 Bisheriger Text: Zu einem gültigen Entscheide ist die Vollzähligkeit des Gerichtes erforderlich.

§ 55.

Streitsachen bis auf den Betrag von Fr. 100 unterliegen der EinzelKompetenz des Gerichtspräsidenten.

Der Gerichtspräsident wie der Friedensrichter hat die ihm zukommende Einzel-Kompetenz nach Anhörung der Parteien allein in kurzem summarischem Instruktions-Verfahren zu vollziehen.

§ 56.

Das Kantonsgericht entscheidet: a. erst- und letztinstanzlich -- mit Vorbehalt der Bestimmungen des § 55 -- über Zi vii-Streitigkeiten von einem Werte bis auf Fr. 300; b. erstinstanzlich über Zivil-Streitigkeiten von einem unbestimmbaren oder Fr. 800 übersteigenden Werte und über Injurienfälle.

Gegen die in §§55 und 56, lit. a, genannten Entscheide sind die Eechtsmittel der Kassation und Eevision zulässig.

§ 57.

Bei Injurienklagen entscheidet das Gericht zugleich mit der zivilrechtlichen auch die strafrechtliche Frage, sofern ein Antrag auf Strafverfolgung gestellt ist.

§ 58.

Das Kantonsgericht bewilligt gerichtliche Provokationen und entscheidet in Betreibungs- und Konkurssachen; dasselbe oder eine von ihm bestellte Kommission fertigt die Benefizien-Inventarien.

Neuer Text:

1261 Bisheriger Text: § 59.

Der Kantonsgerichts-Präsident bewilligt Eechtsgebote, verordnet Verhaftungen von Personen und Beschlagnahme von Effekten, verfügt und entscheidet ferner über Schuldbetreibung und Konkurs und über Ausweisung von Mietern und Pächtern.

Beschwerden gegen daherige Verfügungen gehen an das Kantonsgericht.

C. Strafgericht.

§ 60.

Die Überweisung in Strafsachen steht den richterlichen Behörden zu.

Das Nähere bestimmt das Gesetz.

§ 61.

Das vollzählige Kantonsgericht, in schweren Fällen mit Beiziehung von 2 Ersatzmännern bildet das Strafgericht.

Leichte Straffälle sind -- soweit sie nicht in die einwohnerrätliche Kompetenz fallen -- von der KantonsPolizeidirektion mit Eekursvorbehalt an das Strafgericht zu beurteilen. Ein Gesetz wird die Kompetenzen festsetzen.

§ 62.

Strafanträge und Strafurteile, welche auf Geldbusse von über Fr. 100, auf Gefängnis oder Untersuchungshaft von über 14 Tagen oder auf Einstellung im Aktivbürgerrecht oder auf Wirtshausverbot lauten, sind appellabel.

Neuer Text:

C. Strafgericht.

§ 53.

Das Strafgericht besteht aus den Mitgliedern des Kantonsgerichtes.

In Strafsachen findet Anklage und Verteidigung statt. Wenn der Angeklagte sich nicht selbst einen Verteidiger wählen kann, wird er ihm von Amtes wegen bestellt.

1262 Bisheriger Text:

Neuer Text:

Gegen Urteile unter genanntem Betrag oder gegen anderweitige Strafsentenzen sind die Eechtsmittel der Kassation und Eevision zulässig.

§68.

In Strafsachen findet Anklage und Verteidigung statt. Wenn der Angeklagte sich nicht selbst einen Verteidiger wählen kann, wird ihm derselbe von Amtes wegen bestellt.

Die Vertretung der Zivilpartei ist hinsichtlich der Überbindung der strafrechtlichen Kosten und der Zivilklage gestattet.

Wenn die streitige Summe betreffend Zivilentschädigung Fr. 300 übersteigt, so ist für die Zivilsache die Appellation an das Obergericht zulässig, sonst das Eechtsmittel der Kassation und Eevision.

D. Obergericht.

D. Obergericht.

§ 64.

§ 54.

Das Obergericht besteht aus dem Präsidenten und sechs Mitgliedern.

Dem Gericht werden sechs Ersatzmänner beigegeben.

Das Obergericht besteht aus dem Präsidenten und 6 Mitgliedern; demselben sind sechs Ersatzmänner beizugeben.

§ 65.

Das Obergericht als Appellations-, Eekurs-, Kassations- und EevisionsInstanz entscheidet endschaftlich über alle appellations-, rekurs- und kassationsfähigen Sprüche der Friedensrichter und des Gerichtspräsidenten in ihrer Einzel-Kompetenz, des Kantonsund Strafgerichts, über Injurienfälle, in Betreibungs- und Konkurssachen, sowie über Eevisionsbegehren. Bei

§ 55.

Das Obergericht ist die oberste kantonale Gerichtsbehörde in Zivilund Strafsachen. Es übt die Aufsicht .über die gesamte Eechtspflege aus, Inbegriffen das Schuldbetreibungsund Konkurswesen.

1263

Neuer Text:

Bisheriger Text: Kassationsbeschwerden und Eevisionsgesuchen gegen Obergerichtsurteile selbst entscheidet dasselbe mit Zuzug von 2 Mitgliedern des Kantonsgerichts der Eeihenfolge nach.

§66.

Zur Fällung eines gültigen Urteils ist die Vollzähligkeit des Gerichtes erforderlich. Der Gesetzgebung bleibt jedoch überlassen, einen Teil der obergerichtlichen Kompetenzen einer Kommission desselben zu übertragen.

§ 67.

Dem Obergericht kommen auf Begutachtung des Kantonsgerichtes die Entscheide betreffend den Entzug des Stimmrechtes und Wiedereinsetzung in die bürgerlichen Ehren und Eechte laut § 27 d und / zu.

§ 68.

Das Obergericht beaufsichtigt und kontrolliert die Tätigkeit sämtlicher Gerichte und gerichtlicher Beamten.

Es bestimmt denselben die Geschäftsordnung.

E.

Jugendstrafrechtspflege.

§ 56.

Für die Untersuchung und Beurteilung strafbarer Handlungen von Kindern und Jugendlichen kann das Gesetz besondere Gerichte, Untersuchungs- und Verfahrensvorschriften aufstellen.

E. Gewerbliche Schiedsgerichte.

§69.

Der Gesetzgebung bleibt überlassen, für gewerbliche Streitsachen ein oder mehrere gewerbliche Schieds-

F. Schiedsgerichte.

§ 57.

Dem Gesetz bleibt die Einführung gewerblicher Schiedsgerichte überlassen.

1264 Bisheriger Text:

Neuer Text:

gerichte aufzustellen und deren Wahlart, Zusammensetzung und Kompetenz zu bestimmen.

Vertragliche Schiedsgerichte sind zulässig.

G. Allgemeine Bestimmungen.

§ 58.

Das Gesetz bestimmt die Organisation und Zuständigkeit der Gerichtsbehörden sowie das gerichtliche Verfahren vor ihnen unter Wahrung der in der Verfassung aufgestellten Grundsätze.

Innerhalb der Gerichte können Abteilungen mit besonderer Zuständigkeit geschaffen und den Präsidenten bestimmte Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden.

§ 59.

Die Verhandlungen vor dem Kantons-, Straf- und Obergericht sind öffentlich und mündlich.

Das Gesetz bestimmt die Ausnahmen.

§ 60.

Das Prozessverfahren soll so geordnet werden, dass es der Ermittlung der Wahrheit und der Eechtssicherheit dient. Seine Kosten sollen dem Streitwert angemessen sein. Für Prozesse von geringem Streitwert ist ein abgekürztes Verfahren einzuführen.

§ 61.

Zu einem gültigen Eechtsspruch ist die Anwesenheit der festgesetzten Mitgliederzahl der Gerichte oder ihrer Abteilungen erforderlich.

1265

Bisheriger Text:

Neuer Text: § 62.

Ein vom zuständigen Eichtet gefälltes Urteil kann weder von der gesetzgebenden noch von der vollziehenden Gewalt aufgehoben oder abgeändert werden.

Soweit die Verfassungsänderungen nicht nur redaktioneller Natur sind, betreffen sie die Kompetenz Verteilung zwischen Kantonsrat und Begierungsrat, die Gerichtsorganisation und die sachliche Zuständigkeit der Gerichte; die revidierten Paragraphen enthalten ebenfalls einige verfahrensrechtliche Bestimmungen. Während die Zuständigkeit der Gerichte bisher in der Verfassung geordnet war, soll sie in Zukunft durch Gesetz geregelt werden. Die abgeänderten Verfassungsbestimmungen sehen insbesondere auch eine gesetzliche Eegelung der Gerichtsorganisation und des Verfahrens für die Jugendrechtspflege vor.

Die neuen Bestimmungen enthalten nichts, das der Bundesverfassung widerspricht. Wir beantragen Ihnen daher, diese Bestimmungen zu gewährleisten und den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. November 1940.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

1266 (Entwurf.)

Bundesbeschlusg über

die Gewährleistung der abgeänderten §§ 41, 47 und 49 bis 62 der Verfassung des Kantons Zug.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. November 1940, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts enthalten, das der Bundesverfassung widerspricht, beschliesst:

Art. 1.

Den in der Volksabstimmung vom 22. September 1940 beschlossenen Abänderungen der §§ 41, lit. m und n, 47, lit. d und g, und den neuen lit. i und fc, sowie dem neuen IV. Abschnitt (§§49 bis 62) der Verfassung des Kantons Zug wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

2300

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der am 22.

September 1940 abgeänderten Bestimmungen der Verfassung des Kantons Zug. (Vom 21.

November 1940.)

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1940

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27.11.1940

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