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Bundesblatt 92. Jahrgang.

Bern, den 22. Mai 1940.

Band I.

Erscheint wöchentlich Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, anzüglich Nachnahme- and Postbestettungsgebühr.

Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Zusatzvertrag vom 31. Januar 1940 zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika.

(Vom 17. Mai 1940.)

Herr Präsident!

Hochgeachtete Herren!

Am 10. Januar 1935 wurde mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Vertrag abgeschlossen, wonach als neue zur Ausliefung führende Delikte der betrügerische Bankerott und gewisse Vergehen gegen die Vorschriften betreffend Betäubungsmittel in den Katalog des schweizerisch-amerikanischen Auslieferungsvertrages vom 14. Mai 1900 aufgenommen wurden. Dieser Zusatzvertrag ist nach in beiden Ländern erfolgter Eatifizierung am 16; Mai 1935 in Kraft getreten (A. S. 51, 405).

Im Juni 1939 liess die amerikanische Eegierung durch ihre Gesandtschaft in Bern mitteilen, dass ihr sehr daran gelegen wäre, wenn die Schweiz einwilligen würde, zu einer nochmaligen Erweiterung der Verbrechensliste des Auslieferungsvertrages Hand zu bieten, um die zur Erpressung eines Lösegeldes begangene Entführung und Gefangenhaltung von minderjährigen und grossjährigen Personen beider Geschlechter als auslieferungspflichtig zu erklären.

Nach dem bisherigen Wortlaut des Auslieferungsvertrages war eine Auslieferung nur möglich wegen Menschenraubes und Entführung von Minderjährigen. Angesichts des Interesses, das die Eegierung der Vereinigten Staaten von Amerika am Zustandekommen eines neuen Zusatzvertrages bekundete, traten wir in Verhandlungen ein, die jedoch wegen der Unterschiedlichkeit der Gesetzgebung in beiden Staaten gewisse Schwierigkeiten boten. Während in den .Vereinigten Staaten das oben geschilderte verbrecherische Verhalten als einheitlicher Tatbestand unter Strafe steht, trifft dies in der Schweiz nicht Bundesblatt.

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702 zu. Nach dem gegenwärtig noch geltenden kantonalen Straf recht, aber auch nach dem kommenden eidgenössischen Strafgesetz bestehen Einzeltatbestände, die jedoch nicht das ganze deliktische Handeln im Sinne der amerikanischen Gesetzgebung umfassen. Das neue eidgenössische Strafgesetz, auf das ganz besonders abgestellt werden musste, sieht z. B. keinen allgemeinen Tatbestand des Menschenraubes vor. Es bestraft die Nötigung, die Freiheitsberaubung (allgemein), die Entführung von Frauen, den Frauen- und Kinderhandel und die Entführung von Kindern unter 16 Jahren. Die Entführung von männlichen Personen über 16 Jahren geniesst keines strafrechtlichen Schutzes und bleibt straflos, wenn nicht Freiheitsberaubung, allenfalls in Verbindung mit Erpressung, vorliegt. Man einigte sich trotzdem und kam überein, die Deliktsbezeichnungen «Menschenraub» und «Entführung von Minderjährigen» aus dem bestehenden Auslieferungsvertrag zu entfernen, dafür aber die Deliktsbezeichnungen «Erpressung», «Frauen- und Kinderhandel», «Freiheitsberaubung» und «Entführung» in den Zusatzvertrag aufzunehmen. Im Kahmen der in beiden Ländern geltenden Gesetzgebung kann daher inskünftig die Auslieferung für die genannten Tatbestände beantragt und erwirkt werden. Die Eegelung steht sinngemäss mit dem Bundesgesetz über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 in Übereinstimmung.

Der Zusatzvertrag wurde am 81. Januar 1940 in Bern von den beidseitigen Bevollmächtigten unterzeichnet. Er besteht ausser der Präambel aus zwei Artikeln, die bestimmen, dass Art. II des bestehenden Auslieferungsvertrages vom 14. Mai 1900 als durch die neuen Deliktstatbestände ergänzt gelte und dass der Zusatzvertrag als integrierender Bestandteil des Auslieferungsvertrages zu betrachten sei.

Der Zusatzvertrag unterliegt in beiden Ländern der Eatifikation. Er soll am Tage des Austausches der Eatifikationsurkunden in Washington in Kraft treten.

Wir möchten Ihnen empfehlen, dem Zusatzvertrag durch Annahme des mitfolgenden Beschlussesentwurfes die Genehmigung zu erteilen, und benutzen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeachtete Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 17. Mai 1940..

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Pilet-Golaz.

Der Bundeskanzler; G. Bovet.

703 (Entwurf.)

ßundesbeschluss betreffend

den Zusatzvertrag zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 17. Mai 1940, beschliesst :

Art. 1.

Der am 31. Januar 1940 abgeschlossene Zusatzvertrag zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika, vom 14. Mai 1900, wird genehmigt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

928

Übersetzung.

Zusatzvertrag zum

Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Abgeschlossen in Bern am 31. Januar 1940.

Der schweizerische Bundesrat

und der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,

vom Wunsche geleitet, die Justizpflege zu verbessern und die auf ihrem Gebiete und unter ihrer Gerichtsbarkeit begangenen Verbrechen zu bekämpfen, sind übereingekommen, einen Zusatzvertrag zu vereinbaren, durch den die Liste der Verbrechen und Vergehen, für welche gemäss den Verträgen zwischen

704

der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 14. Mai 1900 und 10. Januar 1935 die Auslieferung vereinbart ist, erweitert wird, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der schweizerische Bundesrat: Herrn Bundesrat Johannes Baumann, Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartementes ; Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika: Herrn Leland Harrison, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Vereinigten Staaten von Amerika in Bern; welche nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart haben: Artikel I.

Die Liste der Verbrechen und Vergehen, für welche die Auslieferung beantragt werden kann und die in Art. II des genannten Vertrages vom 14. Mai 1900, abgeändert durch den Zusatzvertrag vom 10. Januar 1935, aufgeführt sind, wird wie folgt ergänzt: Ziffer B: Das Wort «Erpressung» wird eingefügt nach dem Worte «Baub» und vor den Worten «nächtlicher Einbruchdiebstahl, Einbrechen oder Einsteigen in ein Haus oder in ein Geschäftslokal».

. Ziffer 9: Die Worte «Menschenraub» und «Entführung von Minderjährigen» fallen weg. Die Worte «Frauen- und Kinderhandel; Freiheitsberaubung, verstanden als unrechtmässige Festnahme oder Gefangenhaltung einer Person oder als auf andere Weise bewirkter Freiheitsentzug gegenüber derselben; Entführung» werden eingefügt vor den Worten «Notzucht; Bigamie; Abtreibung».

Artikel II.

Der gegenwärtige Vertrag gilt als integrierender Bestandteil des Vertrages vom 14. Mai 1900, und der Artikel II des letztern Vertrages ist so zu verstehen, als hätte die Liste der darin aufgeführten Verbrechen oder Vergehen von Anfang an die in den Ziffern 3 und 9 von Artikel I des gegenwärtigen Vertrages aufgeführten und näher bezeichneten Abänderungen enthalten.

Der gegenwärtige Vertrag wird durch die Hohen vertragschliessenden Teile ratifiziert werden und im Zeitpunkt des Austausches der Ratifikationsurkunden, der sobald als möglich in Washington stattfinden soll, in Kraft treten.

Zu Urkund dessen haben die obengenannten Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihn mit ihren Siegeln versehen.

Also geschehen in Bern, in doppelter Ausfertigung, in französischer und englischer Sprache, den 31. Januar 1940.

1928

(LS) (gez.) J. Baumann.

(LS) (gez.) Leland Harrison.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Zusatzvertrag vom 31. Januar 1940 zum Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika. (Vom 17. Mai 1940.)

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1940

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22.05.1940

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