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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Locarno nach Minusio (eventuell Gordola).

(Vom 14. März 1905.)

Tit.

Die Erstellung einer elektrischen Straßenbahn von Locamo nach Minusio (eventuell Gordola) bildete den Gegenstand zweier Konzessionsgesuche, deren eines, am 28. November 1903 eingereicht und am 30. Oktober 1904 ergänzt, von einem Komitee ausging, an dessen Spitze Herr F. Balli, Stadtpräsident von Locamo und alt Ständerat, steht, während das andere von Herrn Luzian Volonterio, Advokat und Notar in Locamo, ausging und vom 22. Oktober 1904 datiert war. In der Folge einigten sich die Konzessionsbewerber auf ein gemeinsames Gesuch für eine Konzession zu gunsten eines Initiativkomitees, bestehend aus den Herren Franz B a l l i , Stadtpräsident von Locamo, Präsident des Komitees, Luzian B a l l i , Gemeindepräsident von Muralto, Johann P e d r a z z i n i , Fabrikant in Locamo, Achilles Gia n eil a, Direktor der schweizerisch-amerikanischen Bank in Locamo, und Luzian V o l o n t e r i o , Advokat und Notar in Locamo.

Dem Konzessionsgesuche wurden die von der Gruppe Balli eingereichten Vorlagen zu Grunde gelegt.

Dem allgemeinen und dem technischen Berichte entnehmen wir folgende Angaben : Das Projekt einer Straßenbahn Locarno-Minusio (Gordola) verdanke seinen Ursprung dem Bedürfnis, die Station Locamo der

913 im Bau befindlichen Maggiatalbahn mit dem Langensee und mit ·der am andern Ende der Stadt Locamo liegenden Station der Gotthardbahn zu verbinden. Diese ursprüngliche Idee habe dann bald die weitere Idee geboren, die Straßenbahn bis nach Minusio und nach Gordola fortzusetzen, und man nähre sogar die Hoffnung, sie eines Tages in Bellinzona endigen zu lassen.

Von Locamo (Station der Maggiatalbahn) bis zum Langensee (Dampf bootlände und Güterausladeplatz) solle die projektierte Bahn nach den gleichen Normalien gebaut werden, wie die Linie ins Maggiatal, was dem Rollmaterial der letztern gestatte, ohne Umlad bis zum Langensee zu verkehren. Von der Gasfabrik hinweg solle dagegen derjenige Teil der projektierten Straßenbahn, welcher nach Locamo und Minusio abzweige, die Bauart der Maggiatalbahn aufgeben und ganz als städtische Trambahn gebaut werden. Die Durchführung der Bahn durch die Stadt Locamo begegne nämlich sehr engen Straßen, scharfen Biegungen und großen Höhenunterschieden, welchen die Bauart der Maggiatalbahn nicht entsprechen würde. Es sei indessen nicht ausgeschlossen, daß das Rollmaterial derselben bis in die Gotthardbahnstation Locamo gelangen könne, wenn es so gebaut werde, daß die Kurve von 25 Meter Radius bei der Gasfabrik für dasselbe passierbar sei.

Das Tracé der Bahn ist gemäß dem technischen Berichte folgendes : Von der Station Locamo der Maggiatalbahn ausgehend, wende sie sich in einem Bogen von 100 Meter Radius nach Süden und gelange zur Gasfabrik, wo die Seestrecke von der Hauptlinie nach Minusio abzweige. Die Seestrecke gehe in gerader Linie durch die Antonio Orelli - Straße bis zum Quai. Hier beschreibe sie eine Kurve von 55 Meter Radius und führe dann wieder in gerader Linie auf etwa 100 Meter bis zum See-Ausladeplatz. Die Trarabahn nach Minusio benutze von der Abzweigung bei der Gasfabrik hinweg die neue Muracciostraße, durchschneide hierauf die Wiese zwischen dem Schulgebäude und dem Etablissement Taglio, um auf den Muraccioplatz hinauszutreten. Von hier gelange sie auf der Palestrastraße auf die Piazza grande vor der Post, folge den öffentlichen Anlagen und der Muraltostraße bis zur eisernen Brücke, auf welcher die Kantonsstraße die Ramogna überschreite. Von hier folge die Trambahn beständig der Kantonsstraße bis zum Endpunkt vor der Kirche des Gekreuzigten in Minusio.
Die ganze Länge der Bahn betrage 3970 Meter, nämlich 3150 für die Trambahn nach Minusio und 820 für die Seelinie.

Der Kurvenradius erreiche bei der Gasfabrik das Minimum von 25 Meter.

914 Da die Bahn als Tramway betrieben werden solle, werde sie keine Aufnahmsgebäude erhalten; nur bei der Anfangsstation werde eine Lokalität mit Magazin und Wagenremise erstellt werden.

Der Voranschlag für die Baukosten enthält folgende Beträge : 1. Expropriation Fr.

6,000 2. Unterbau ,, 54,000 3. Oberbau ,, 80,000 4. Hochbauten ,, 10,000 5. Rollmaterial ,, 85,000 6. Mobiliar und Gerätschaften ,, 2,000 7. Telegraph, Signale etc ,, 500 8. Elektrische Einrichtungen ,, 24,400 9. Studien, Verwaltung und Bauleitung . .

,, 7,000 10. Unvorhergesehenes ,, 11,100 Total

Fr. 280,000

Das Initiativkomitee schätzt die jährlichen Ausgaben auf Fr. 36,000 und die Einnahmen auf Fr. 47,900, was einen Einnahmenüberschujß von Fr. 11,900 ergäbe, der eine 4prozentige Verzinsung des Anlagekapitals erlauben würde.

Der Staatsrat des Kantons Tessin erklärte sich mit Schreiben vom 5. November 1904 für die Erteilung der Konzession. Mit der Benützung der Kantonsstraße nach Maßgabe des Dekretes vom 3. Juni 1899 ist er einverstanden. Auch die Gemeinde Locarno gab unterm 31. Oktober 1904 ihre Einwilligung, soweit ihre Straßen in Frage kommen.

Die übliche Konferenz fand am 20. Dezember 1904 in Bern statt. Der Vertreter der Konzessionsbewerber anerkannte gewisse Vorbehalte, die das Eisenbahndepartement mit Bezug auf den Kosten veranschlag, das Rollmateria] und die Kreuzung der Gotthardbahn im Bahnhof Locamo machte. Eine Schwierigkeit erhob sich aber mit Bezug auf das Rückkaufsrecht, welches sich die Gemeinde Locamo gegen Überlassung ihrer Straßen und Plätze gewahrt hatte. Der Vertreter des Kantons Tessin machte darauf aufmerksam, daß die Linie Locarno-Minusio das Territorium mehrerer Gemeinden in Anspruch nehme und daß es somit unbillig wäre, der Gemeinde Locamo allein das Recht vorzubehalten, das ganze Unternehmen zurückzukaufen. Dieser Punkt konnte in der Konferenz nicht erledigt werden und bildete in der Folge den Gegenstand weiterer Korrespondenzen, die schließlich zu einer vollständigen Einigung der Interessenten, d. h. der Konzessionsbewerber, der Gemeinde Locamo und der Kantonsregierung führten.

915 Danach ist das Rückkaufsrecht der Gemeinde Locamo auf den auf ihrem Gebiete liegenden Teil der Bahn beschränkt. Dieses Rückkaufsrecht der Gemeinde, das selbstverständlich dem Rückkaufsrecht sowohl des Bundes als des Kantons nachgeht, darf von den Bundesbehörden als ein zwischen Dritten vereinbartes Recht betrachtet werden, dessen Erwähnung in der Konzession nicht erforderlich ist. Bezüglich der Einzelheiten dieses Abkommens erlauben wir uns, zu verweisen auf die Erklärung des Stadtrates von Locamo vom 22. Januar 1905, auf das Begleitschreiben der Konzessionsbewerber vom 22. Januar 1905 und auf das Zustimmungsschreiben des Staatsrates von Tessin vom 10. Februar 1905.

Durch dieses Abkommen werden die Rückkaufsbestimmungen des vom Eisenbahndepartement aufgestellten Konzessionsentwurfes nicht berührt. Im übrigen erlitt der letztere in der Konferenz vom 20. Dezember 1904 nur unbedeutende Änderungen.

Da nunmehr der Konzessionserteilung nichts mehr im Wege steht, können wir Ihnen dieselbe empfehlen im Sinne des nachstehenden Beschlußentwurfes, der zu weitern Bemerkungen unserseits keinen Anlaß gibt.

Wir benützen auch diese Gelegenheit, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung "o zu versichern.

B e r n , den 14. März

1905.

Im Namen des Schweiz. Bimdesrates, Der Bundespräsident:

Bücket.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Kiügier.

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(Entwurf.)

betreffend

Konzession

einer elektrischen Straßenbahn von Locamo nach Minusio (eventuell Gordola).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Initiativkomitees für eine Straßenbahn von Locamo nach Minusio (eventell Gordola) vom 17. November 1904; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 14. März 1905, beschließt: Dem Initiativkomitee, bestehend aus den Herren Franz B a l l i , Stadtpräsident von Locamo, Luzian B a l l i , Gemeindepräsident von Muralto, Job. P e d r a z z i n i , Fabrikant in Locamo, Achilles G i an e l l a , Direktor der schweizerisch-amerikanischen Bank in Locamo, und Luzian Volonterio, Advokat und Notar in Locamo, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer elektrischen Straßenbahn von L o c a m o (Station der Maggiatalbahn) zum Langensee und nach M i n u s i o (eventuell G o r d o l a ) unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt : Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

917 Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Locamo.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 18 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist der Anfang J mit den Erdarbeiten für die Erstellung o der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen einem Jahre, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 6bi8. Die Gesellschaft kann die Bahn in zwei Sektionen, nämlich Locamo (Ma,ggiatalbahn>Langensee-Minusio und MinusioGordola bauen. In diesem Falle hat die Nichtbeachtung der in Art. 5 und 6 festgesetzten Fristen für die 2. Sektion nur den Hinfall der Konzession für diese, nicht auch für die 1. Sektion zur Folge.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von einem Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Straßen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die Vorschriften des Gesetzesbeschlusses des Kantons Tessin vom 3. Juni 1899 und des Beschlusses des Stadtrates von Locamo vom 22. Januar 1905,

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soweit diese Vorschriften nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen daß Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen und von Gepäck, sowie auf der Strecke von der Station der Maggiatalbahn bis zum Langensee und bis zur Station der Gotthardbahn auch die Beförderung von lebenden Tieren und von Gütern.

Mit Einwilligung des Bundesrates kann sie den Güter- und Tierverkehr auf die ganze konzessionierte Linie ausdehnen.

Art. 13. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens achtmal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum andern und mit Anhalten auf allen Stationen erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 14. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche

919 ^erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrat .genehmigt werden muß.

Art. 16. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen eine Taxe von 10 Rappen per Kilometer der Bahnlänge beziehen.

Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen. Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20% niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnenientsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werdeu kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertiguogsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste nicht über vier Rappen und deren niedrigste nicht über zwei Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm ·oder fünf Tonnen) hat gegenüber den Slüeksendungen Anspruch, auf Rabatt.

Bundesblatt. 57.. Jahrg. Bd. I.

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Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe un> 100% des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

*o" Art. 19. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Geld und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist filr Fr. 1000 per Kilometer höchstens zwei Rappen zu erheben.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen« gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger., wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxefür Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln u. s. w. zeitweise niedrigere Taxen zu bewilligen, welche vom Bundesrat nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 22. Für den Transport lebender Tiere mit Güterzügen sind Taxen zu beziehen, welche nach Klassen und Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und den Betrag von 24 Rappen per Stück und Kilometer für die höchste und 4,5 Rappen für die niedrigste Klasse nicht übersteigen dürfen. Bei Beförderungin Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis auf 40 °/o erhoben werden.

Art. 23. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck, für Gütersendungen und für Tiersendungen beträgt höchstens 40 Rappen.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stations verlad platze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungs-

921 gutem, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers fUr einen ganzen Kilometer gerechnet.

Bezüglich des Gewichtes werden Gütersendungen bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet und Gepäcksendungen bis auf 10 kg. für volle 10 kg.; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 5CO als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der gemäß diesen Vorschriften berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 26. Für die Einzelheiten des Transportdienstes besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

sind

Art. 27. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlieh die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstutzungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondere Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

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Art. 30. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes öder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirkliehen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen Übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstiitzungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Ruckkaufssumme in Abzug zu bringen.

«. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1940 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1940 und 1. Januar 1955 erfolgt, den 22 I /afachen Wert; -- wenn der Ruckkauf zwischen dem 1. Januar 1955 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneueiungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

·e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und

923 Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 31. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsreeht, wie es im Art. 30 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 32. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche am 1. Mai 1905 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Locarno nach Minusio (eventuell Gordola). (Vom 14. März 1905.)

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15.03.1905

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