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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Theodor Mengissen, Fabrikarbeiters in Bettlach (Kanton Solothurn).

(Vom 24. November 1905.)

Tit.

Theodor Mengissen, Fabrikarbeiter in Bettlach, wurde am 29. August 1905 vom Sektionschef dieser Gemeinde dem Richteramt Solothurn-Lebern wegen Nichtbezahlung der Militärsteuer pro 1905 im Betrage von Fr. 6 verzeigt. Am 19. September bezahlte Frau Mengissen die Steuer an das Oberamt des Bezirkes, und gleich darauf wurde das Dienstbüchlein mit der Empfangsquittung dem Richteramt vorgewiesen. Das Amtsgericht SolothurnLebern verurteilte jedoch den Verzeigten am 2. Oktober 1905 zu drei Tagen Gefängnis, l/t Jahr Wirtshausverbot im Gebiete des Kantons Solothurn und zu den Gerichtskosten.

Mengissen ersucht nun um Aufhebung des Urteils unter Hinweis darauf, daß er vor Ausfällung des Urteils seine Schuld bezahlt habe.

Nach dem Bericht des Oberamtes Solothurn-Lebern werden vom dortigen Amtsgerichte sämtliche säumigen Militärsteuerpflichtigen bestraft, wenn sie nicht nachweisen, daß ihnen die Zahlung innert der von der Militärbehörde angesetzten Frist unmöglich geBundesblatt. 57. Jahrg. Bd. VI.

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wesen ist. Dies konnte bei Mengissen nicht angenommen werden, da ein Bericht des Stationspolizisten in Selzach aussagt, dieser Mann gebe seinen Verdienst für Branntwein aus und es müßten seine Kinder infolge des Müssigganges der Eltern betteln gehen.

Der eben erwähnte Polizeirapport ist zwar geeignet, de» vorliegenden Fall in einem wenig günstigen Lichte erscheinen zu lassen ; doch steht diese Auskunft in direktem Widerspruch zu dem Zeugnis der Gemeindebehörde von Bettlach und zu der Bescheinigung der Uhrenfabrik P. Obrecht & Cie. in Grenchen, wo der Petent bis zum 2. September 1905 während fünf Jahren in Arbeit stand. Die Bundesversammlung hat nun aber seit langem konsequent daran festgehalten, daß Bestrafung wegen Nichtleistung von Militärpflichtersatz auch dann nicht eintreten solle, wenn die Schuld zwar nach Überweisung des Säumigen an das Gericht, aber noch vor der Urteilsfällung getilgt wurde.

Es kann daher gegenüber Mengissen nicht wohl eine Ausnahme gemacht werden. Es kommt noch die Tatsache hinzu, daß in vielen Kantonen, teils infolge dieser Praxis der Bundesversammlung, teils schon vorher, in derartigen Fällen Sistierung des Verfahrens oder Freisprechung gewährt worden ist, so daß nur die mildere Auffassung zu einer einheitlichen Behandlung dieser Übertretungen im Gebiete der ganzen Eidgenossenschaft führen kann..

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei dem Theodor Mengissen die ihm auferlegte Strafe in, Gnaden zu erlassen.

B e r n , den 24. November 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,, Der Bundespräsident: Rucket.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Theodor Mengissen, Fabrikarbeiters in Bettlach (Kanton Solothurn). (Vom 24. November 1905.)

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Bundesblatt

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Jahr

1905

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6

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49

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29.11.1905

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113-114

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