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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes bestraften Johann Gautschi von Reinach (Aargau), Gefängnissträflings in Liestal.

(Vom 6. September 1905.)

Tit.

Johann Gautschi von Reinach (Aargau) wurde durch Urteil des Kriminalgerichtes des Kantons Baselland vom 13. Februar 1901 der Gefahrdung eines Eisenbahnzuges schuldig erklärt und mit fünf Jahren Gefängnis bestraft, ohne Abrechnung des Untersuchungsverhaftes.

Der Verurteilte unterließ, Appellation gegen dieses Erkenntnis einzulegen, stellte aber schon im Sommer 1901, dann neuerdings im April 1904 und wieder im November 1904 das Gesuch um teilweisen Erlaß der Strafe auf dem Wege der Begnadigung.

Alle drei Gesuche wurden vom Bundesrate in ablehnendem Sinne begutachtet, das letzte durch Antrag vom 30. November 1904 mit der Begründung: ,,Es liegen jedoch keinerlei Momente vor, welche eine Änderung des am 16. Juni 1904 gefaßten Beschlusses der Bundesversammlung herbeizuführen geeignet wären. Auch jetzt noch muß die Strafe von fünf Jahren Gefängnis als dem begangenen Verbrechen angemessen bezeichnet werden, weshalb eine Abkürzung derselben durch Begnadigung nicht am Platze ist."

Die Beschlüsse der Bundesversammlung entsprechen den Anträgen des Bundesrates.

Gegenwärtig liegt ein Gesuch der Mutter des Sträflings Gautschi vor, daß ihrem Sohne der Rest der Strafe oder doch wenigstens die Zeit der ausgestandenen Untersuchungshaft ia Gnaden erlassen werde. Sie gibt ihrer Überzeugung Ausdruck, daß ihr Sohn das ihm zur Last gelegte Verbrechen nicht begangen habe, mit dem Beifügen, sie erachte das Unglück, welches über

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ihn gekommen, als Strafe für seinen frühern nicht tadellosen Lebenswandel und sie habe bei den Besuchen in der Strafanstalt die Wahrnehmung gemacht, daß sein heftiger und stolzer Charakter während der Internierung zu seinem großen Nutzen gebeugt worden sei. Die nachgesuchte Abkürzung der Strafhaft sei nach ihrer Ansicht dadurch begründet, daß Gautschi, der nicht vorbestraft war, in der Strafanstalt bisanhin zu keinen Klagen Anlaß gegeben hat. Sie sei überzeugt, daß die von ihm gefaßten guten Vorsätze Stand halten werden.

Der Sträfling Johann Gautschi schließt sich diesem Gesuche an, indem er bemerkt, daß er den in seinen eigenen frühern Gesuchen gemachten Aussagen treu bleibe, indem sie auf Wahrheit beruhen.

Es liegen nun aber keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Momente vor, welche dazu Veranlassung geben könnten, die bei Erledigung der früheren Begnadigungsgesuche des Gautschi in den Beschlüssen des Bundesrates und der Bundesversammlung bekundeten Anschauungen und Schlußfolgerungen zu ändern.

Insbesondere ist der Glaube der Mutter des Sträflings an die Unschuld des Sohnes kein erhebliches Indizium bèi Würdigung der Tatumstände des Falles. Auch für die Abrechnung der Untersuchungshaft liegen keine Gründe vor, zumal der Strafrichter seinerzeit bei Ausfällung des Urteils in Berücksichtigung des ungetrübten Leumundes des Angeklagten davon Umgang genommen hat, das Maximum der gesetzlich angedrohten Strafe auszusprechen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Das Begnadigungsgesuch des Johann Gautschi sei abzuweisen.

B e r n , den 6. September

1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes bestraften Johann Gautschi von Reinach (Aargau), Gefängnissträflings in Liestal. (Vom 6. September 1905.)

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06.09.1905

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