279

# S T #

Bundesratsbeschluß über

«Jen Rekurs der Erdmunda Zulliger, geb. Müller, zum Hotel Hirschen in Solothurn, gegen den Beschluß des Regierungsrates des Kantons Solothurn, vom 28. Februar 1905, ihre Eintragung in das Handelsregister betreffend.

(Vom 11. April 1905.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat hat über den Rekurs der Erdmunda Z u l l i g e r , geb. Müller, .zum Hotel Hirsehen in Solothurn, gegen den Beschluß des Regierungsrates des Kantons Solothurn vorn 28. Februar 1905, ihre Eintragung in das Handelsregister betreffend, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements,

folgenden Beschluß gefaßt: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Erdmunda Zulliger, geb. Müllerin Solothurn, Inhaberin des Gasthofpatentes ,,zum Hirschen" daselbst, war vom Justiz-Departement des Kantons Solothurn durch Verfügung vom 17. Februar 1905 zur Eintragung in das Handelsregister verhalten worden.

280

Beim Regierungsrat des Kantons Solothurn hatte sie mittelst Beschwerde vom 22. Februar Aufhebung dieser Verfügung verlangt, unter folgender Begründung: a. Am 7. Januar 1905 habe ich den Gasthof zum Hirschen in Solothurn erworben, mit der Absicht, denselben durch gründlichen Umbau zu einem angenehmen Gasthofe umzugestalten.

Wegen dieses gründlichen Umbaues war es unmöglich, das Geschäft an einen Pächter zu vermieten. Ich war somit gezwungen, den Betrieb selbst zu übernehmen. Da aber seit Jahren in dem Gasthof zum Hirschen weder Reparaturen noch zweckdienliche Umbauten vorgenommen wurden, konnte der Betrieb nur auf zwei Restaurationslokale, die ebenfalls keineswegs den Anforderungen der Neuzeit entsprechen, ausgedehnt werden. Der eigentliche Hotelbetrieb mußte vollständig sistiert werden.

b. Am 1. Februar 1905 wurde nun mit dem Umbau begonnen.

Infolge dieser Arbeiten war ich gezwungen, den Betrieb in den Restaurationsräumen fast ganz einzustellen, was die täglichen Einnahmen auf ein Minimum reduzierte. Einzig weil die Bauarbeiter die noch vorhandenen Hotelzimmer und Restaurationsräume benutzen, ist der Betrieb nicht vollständig eingestellt worden. Der Umbau erstreckt sich auf: Verlegung der Küche, Erstellung der Zentralheizung, Entfernung der vorhandenen Öfen und Kamine, Erstellung eines neuen Speisesaales, neuer Aufzug, neue Kamine, neue Küche, neuer Hauseingang mit neuer Treppe etc. Der Umbau wird Ende Mai 1905 zur Vollendung kommen.

c. Es ist nun klar, daß bei den oben angeführten Umständen heute keine Rede sein kann von einem richtigen HotelbetriebDie durchschnittlichen Tageseinahmen betragen Fr. 25, oder monatlich Fr. 750, oder per Jahr zirka Fr. 9000. Warenvorräte konnten auch keine wesentlichen angeschafft werden, weil auch die Keller teils neu erstellt, teils unigebaut werden. Die gesetzlichen Erfordernisse zur Eintragung sind somit im gegenwärtigen Zeitpunkte nicht vorhanden. Sobald der Umbau vollendet und der Betrieb' eröffnet sein wird, steht der Eintragung nichts mehr im Wegelind werde ich sie dann selbst verlangen.

n.

Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat das Begehren durch Beschluß vom 28. Februar 1905 als unbegründet abgewiesen, gestützt auf folgende Erwägungen: Die angeordneten Nachforschungen haben ergeben, daß der Hotelbetrieb durch die gegenwärtigen Neubauten etwas einge-

28t

schränkt ist, aber absolut nicht in dem Umfange, daß dadurch die Entlastung von der Eintragspflicht gerechtfertigt werden könnte.

Es müßte ja sonst die Eintragung jeder Hotelfirma während der Zeit der Vornahme einer Baute im Handelsregister gelöscht werden. Unter keinen Umständen könnte der Einwand gutgeheißenwerden, daß zufolge des einigermaßen eingeschränkten Betriebe» die gesetzlichen Voraussetzungen dahingefallen wären, welchezum Eintrag verpflichten. Der Hotelbetrieb ist fortgesetzt ein regelmäßiger. Das zur Zeit beschäftigte Personal besteht ausl Büffetdame, 2 Kellnerinnen, l Magd, l Koch, l Portier und l Stallknecht, also aus 7 und die Besitzerin Inbegriffen 8 Personen.

Die Vorgänger der Beschwerdeführerin waren ebenfalls im Handelsregister eingetragen, sowie auch sämtliche andern Hotelbetriebe der Stadt Solothurn von gleichem oder ähnlichem Umfang. Dritte Personen haben die Eintragung der Firma verlangt. Der Regierungsrat muß deshalb an der Eintragspflicht festhalten.

III.

Mit Eingabe ohne Datum, in Bern zur Post gegeben am 8. März,, hat Frau Zulliger gegen diesen Entscheid rechtzeitig an den Bundesrat rekurriert und stellt den Antrag: 1. Es sei in Abänderung des Beschlusses des Regierungaratesvon Solothurn die bei demselben eingereichte Beschwerde als begründet zu erklären ; 2. es sei zu verfügen, die Rekurrentin sei zur Zeit nicht verpflichtet, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.

Zur Begründung bezieht sich die Rekurrentin in erster Linie auf die Ausführungen ihrer Eingabe an den Regierungsrat des Kantons Solothurn (Ziffer I hiervor) und fügt weiter bei: Aus der Begründung des Abweisungsbeschlusses des Regierungsrates von Solothurn geht hervor, daß die im Rekurs erwähnten Angaben betreffend Umbau des Hotels der Wahrheit entsprechen.

Es wird aber bestritten, daß der Betrieb ein nur einigermaßen eingeschränkter sei. Die Umbauten berühren dus ganze Hotel, und es ist klar, daß bei Erstellung eines neuen Treppenhauses, bei vollständiger Verlegung der Küche und Einrichtung der Zentralheizung, nicht zu sprechen von den weitern im Rekurse an den Regierungsrat angeführten Arbeiten, von einem Hotelbetriebe gar nicht die Rede sein kann. Die Einnahmen sind aus diese» Gründen im gegenwärtigen Zeitpunkte so gering, daß niemals auch nur annährend das gesetzliche Umsatzminimum, welches zur Ein-

·282 tragung verpflichtet, erreicht wird. Aus den Abweisungsmotiven des Regierungsrates von Solothurn geht ferner hervor, daß nur die Hotels von gleichem oder ähnlichem Umfang wie das Hotel Hirschen in das Handelsregister eingetragen sind. Es kann bei ·diesem Maßstabe nur das intakte Hotel Hirschen in vollem Betriebe in Betracht kommen. Das jetzige Hotel in seinem gegenwärtigen Zustande kann aber keineswegs mit diesen genannten Betrieben verglichen werden, ist also auf einer niedrigeren Stufe ·als sie und nur auf der Stufe der nicht eingetragenen Hotels. Die Eigentümerin kann somit verlangen, gleich wie diese letztem gehalten zu werden.

IV.

Mit Vernehmlassung vom 17. März 1905 beantragt der Regierungsrat des Kantons Solothurn, es sei die Beschwerde abzuweisen.

·Gegenüber den Ausführungen der Rekurrentin macht er folgendes geltend : Der Regierungsrat vermag die Beschwerdegründe nicht als stichhaltig zu erachten. Die Beschwerdeführerin betreibt in der Stadt Solothurn ein von jeher gut frequentiertes Hotel, in gün.stiger Geschäftslage. Zurzeit werden in demselben allerdings größere Umbauten vorgenommen und ist der Hotelbetrieb dadurch ohne Zweifel etwas eingeschränkt, aber nicht in dem Umlange, daß die Einschränkung auch nur halbwegs einer Einstellung gleichkäme. Die bisherigen alten Restaurationslokalitäten sind durch die Umbaute nicht in Anspruch genommen, ebensowenig die Hotelzimmer. Die Beschwerdeführerin schützt vor, daß diese Räumlichkeiten zur Zeit nur von Bauarbeitern in Anspruch genommen werden. Es ist aber nicht bekannt, daß anderen Gästen und Übernächtern der Zutritt verweigert wird. Und schließlich ist es gleichgültig, wer im Hause logiert und wem in den Restaurationslokalitäten serviert wird. Es kann auch aus dem derzeitigen Bestand des Hotelpersonals (vergi, oben unter Ziffer II) auf den Umfang des Betriebes geschlossen werden. Der Regierungsrat hält dafür, daß die Voraussetzungen, welche gemäß Art. 13, Ziffer 3,,lit. d und Art. 13, letztes Lemma, der Verordnung über das Handelsregister vom 6. Mai 1890 zur Eintragung ins Handelsregister verpflichten, im vorliegenden Falle vorhanden sind. Wenn hiervon Umgang genommen werden wollte, so müßte es gegenüber Hotelbesitzern, welche größere Umbauten vornehmen lassen, in allen Fällen während der Dauer derselben zu geschehen haben.

Die Beschwerdeführerin taxiert ihre Jahreseinnahme während der Umbauzeit auf bloß Fr. 9000. Wenn dieses Erträgnis erzielt

283 ·werden kann, so muß das Hotel doch ordentlich betriebsfähig «ein. Auch ist aus dieser Angabe zu schließen, daß ein Jahresumsatz von wenigstens Fr. 10,000 erreicht wird. Dem entspricht aber auch in einem Hotelgeschäft ein Warenvorrat von mindestens Fr. 2000.

Es ist noch beizufügen, daß frühere Wirte auf Hotel Hirschen ·ebenfalls im Handelsregister eingetragen waren und die Eintragung der hierortigen Beschwerdeführerin von geschäftlicher Seite mehrfach, unter anderm auch durch die Spar- uod Leihkasse Bern, bei ·unserem Justiz-Departement anbegehrt wurde.

B. ,

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht: Daß der Betrieb des Hotels Hirschen in Solothurn an und für sieh die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister begründe, ist auch von der Rekurrentin nicht bestritten. Es ist auch festgestellt, daß der Vorbesitzer der Frau Zulliger im Handelsregister eingetragen war. Diese macht nun nicht etwa geltend, daß sie den Hotelbetrieb übeihaupt in der Weise reduzieren wolle, daß sie nicht mehr der Eintragspflicht unterliegen würde, sondern sie stützt sich nur darauf, daß momentan mit Rücksicht auf die im Gange befindlichen Umbauten eine Reduktion der Einnahmen ·eingetreten sei, so daß diese, auf das Jahr berechnet, unter die Summe von Fr. 10,000 gesunken seien.

Die Eintragspflicht eines an sich eintragspflichtigen Geschäftes wird aber dadurch nicht aufgehoben, daß dasselbe besonderer Verhältnisse wegen für kürzere Zeit in seinem Betriebe beschränkt werden muß. Der Bundesrat hat im Entscheid Frutiger und Rieser gegen Frau Marie Widmer-Stern vom 5. April 1904 (Bundesbl.

1904, Bd. II, S. 803 ff.) festgestellt, daß Saisongeschäfte sich deshalb nicht der Eintragungspflicht entziehen können, weil sie während eines Teils des Jahres geschlossen bleiben. Der darin ausgesprochene Grundsatz muß aber um so mehr da zur Anwendung gelangen, wo es sich nicht einmal um regelmäßige Beschränkung des Betriebes handelt, sondern um eine durch vorgenommene Umbauten vorübergehende Einschränkung, die mit Beendigung der Bauzeit wegfällt. Es kann auch dadurch nichts geändert werden, daß Frau Zulliger bisher noch nicht eingetragen war; denn sie gibt zu, ein an sich eintragspflichtiges Geschäft erworben zu haben, das nur während der Dauer der von ihr vorgenommenen Umbauten nicht in dem bisherigen Umfang betrieben wird. Diese zeitweise Reduk-

284

tion ändert aber an sich nichts daran, daß sie ein nach kaufmännischer Art geführtes und zu führendes Geschäft betreibt; deshalb bleibt sie der Eintragspflicht unterworfen, selbst wenn vorübergehend die Erfordernisse über die Minimalgrenze des Warenlagers und des Umsatzes nicht vorhanden wären, genau so, wie der Erwerber eines Saisongeschäftes, das der Eintragspflicht unterliegt, eintragspflichtig wird, auch wenn er das Geschäft während der toten Saison erwirbt.

Übrigens ist betreffend die Erfordernisse des letzen Absatzes des Art. 13 der Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt noch zu bemerken: Der Umbau hat am 1. Februar 1905 begonnen und soll Ende Mai 1905 beendet werden. Es kann nun nicht der Jahresumsatz nach den beschränkten Erträgnissen dieser 4 Monate Bauzeit berechnet werden, da die Rekurrentin selbst zugibt, daß sie nach Beendigung des Umbaues den Betrieb in vollem Umfange wie vorher aufnehmen wolle , und die · Umbauten nur den Zweck haben, das Hotel betriebsfähiger zu gestalten. Der erhöhe Umsatz, wie er sich dann einstellen muß, hat aber auch bei Hotelgeschäften von der Art wie das von, Frau Zulliger betriebene Geschäft erfahrungsgemäß die Beschaffung eines Warenlagers in der Höhe von mindestens Fr. 2000 zur Folge, so daß auch von diesem Gesichtspunkte aus die Eintragung gerechtfertigt erscheint.

Demgemäß wird beschlossen: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen; Frau Erdmunda Zulliger ist daher von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen.

B e r n , den 11. April

1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

53-O-SS

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über «den Rekurs der Erdmunda Zulliger, geb. Müller, zum Hotel Hirschen in Solothurn, gegen den Beschluß des Regierungsrates des Kantons Solothurn, vom 28. Februar 1905, ihre Eintragung in das Handelsregister betreffend. (Vom 11. A...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1905

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

17

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.04.1905

Date Data Seite

279-284

Page Pagina Ref. No

10 021 419

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.