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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde von Michel Zufferey und Genossen, betreffend Kassation von Gemeinderatswahlen in Siders durch den Staatsrat des Kantons Wallis.

(Vom 24. November 1905.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über die Beschwerde von M i c h e l Z u f f e r e y und Gen o s s e n , betreffend Kassation von Gemeinderatswahlen in Siders durch den Staatsrat des Kantons Wallis, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

An der Abstimmung in Siders vom 11. Dezember 1904 über die Wahl von 9 Gemeinderäten haben laut Wahlprotokoll 411 Bürger teilgenommen, 6 Wahlzettel wurden als nichtig erklärt und demnach das absolute Mehr auf 203 Stimmen angesetzt.

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Es wurden 8 Gemeinderäte als gewählt erklärt, nämlich: de Sépibus, César mit 337 Stimmen, Zwissig, Pierre-Marie ,, 224 ,, Zufferey, Michel ,, 224 ,, Berclaz, Casimir ^ 223 ,, d e Preux, Albert . . . . . . . . ,, 2 2 0 ,, Mnsserey, Joseph ,, 214 ,, Salamin, André ,, 211 ,, Meyer, Gaspard ,, 206 ,, Für den noch zu wählenden 9. Gemeinderat wurde ein zweiter Wahlgang auf den 12. Dezember 1904 angesetzt, zu dem sich 184 Wähler einschreiben ließen, und in welchem Alexander Caloz gewählt wurde; im gleichen Wahlgang wurden auch Gemeindepräsident und Gemeindevizepräsident gewählt.

n.

Gegen diese Wahlen vom 11. und 12. Dezember 1904 ist beim Staatsrat des Kantons Wallis seitens Jules de Preux und Genossen Rekurs eingelegt und die Kassation der Wahlen begehrt worden. In teilweiser Gutheißung der vorgebrachten Beschwerdepunkte hat der Staatsrat mit Beschluß vom 4. März 1905, der den Rekurrenten am 23. März 1905 zugestellt worden ist, die Wahl des Albert de Preux, Jos. Masserey, André Salamiu, Gaspard Meyer und Alex. Caloz als Gemeinderäte, sowie die Ernennung des Gemeindepräsidenten und Gemeindevizepräsidenten kassiert, und die Neuwahl von 5 Gemeinderäten und dos Präsidenten und Vizepräsidenten anbefohlen.

Die Gründe dieses Beschlusses sind im wesentlichen folgende: Es ist festgestellt, daß 17 Bürger, sämtlich Arbeiter oder Dienstboten, obwohl sie nicht die mindeste Steuer irgend welcher Art bezahlen, und auch auf die Steuerlisten nicht eingetragen sind, an den Gemeinderatswahlen vom 11. Dezember 1904 teilgenommen haben. Es sind dies Rohr, Blum, Bachmann, Müller, Mürry, Métry, Beney, Mabillard, Imhof, Gailland, Barman, Genton, Erpen, Schmidt, Bouguinet, Zen Klüsen und Jaggy. Der Aufenthalt dieser Personen in Sierre hat nicht den Charakter der Stetigkeit und Ständigkeit, deren es zum Erwerb derjenigen Niederlassung oder des Aufenthaltes bedarf, welchen das Wahlgesetz vorschreibt. Die Genannten haben daher die politischen Rechte in Siders zu Unrecht ausgeübt.

123 Es ist ferner festgestellt, daß die Bürger Blauenstein, Galli und Pont, die ebenfalls an den Wahlen vom 11. Dezember teilgenommen haben, keine dreimonatliche Niederlassung in Siders aufweisen können; auch ihre Wahlbeteiligung war daher eine ungesetzliche.

Der Briefträger Zwissig hat seinen Wahlzettel durch einen Dritten in unverschlossenem Urnschlag abgeben lassen. Dieser Wahlzettel, der durch das Wahlbureau als gültig angenommen worden ist, ist zu annulieren.

Endlich haben 6 Personen an den Wahlen teilgenommen, welche die gegen sie ausgestellten Verlustscheine am 11. Dezember 1904 noch nicht eingelöst hatten. Auch diese 6 Personen sind in ungesetzlicher Weise zur Wahl zugelassen worden.

Anderseits sind die Stimmen der beiden taubstummen Brüder Jossen in willkürlicher Weise als ungültig erklärt worden; der Ausschluß der Jossen von den politischen Rechten ist durch nichts gerechtfertigt.

Zieht man nun von den abgegebenen 411 Stimmen die obgenannteu 27 ab, und addiert man 2 Stimmen, so ergeben sich zusammen 386 und ein absolutes Mehr von 194 Stimmen. Zieht man diese 27 Stimmen nun auch noch von der Summe der im ersten Wahlgang auf die einzelnen Kandidaten gefallenen Wahlstimmen ab, so ergeben sich für die 8 als gewählt erklärten Gemeinderäte folgende Stimmenzahlen : de Sepibus 337 -- 27 = 310 Zwissig 224 -- 27 = 197 Zufferey 224 -- 27 = 197 Berclaz 223 -- 27 = 196 de Preux, Albert 220 -- 27 = 193 Masserey . 214 -- 27 = 187 Salamin 211 -- 27 = 184 Meyer . . 206 -- 27 = 179.

Das absolute Mehr von 194 Stimmen ist somit einzig von den vier Erstgenannten erreicht worden. Es fällt damit nicht nur die Wahl der vier ändern : de Preux, Masserey, Salamin und Meyer, sondern es fallen auch die am 12. Dezember 1904 getroffenen Wahlen dahin, weil die Ergänzungswahl für einen 9. Gemeinderat unter der falschen Voraussetzung der gültig getroffenen Wahl von 8 Gemeinderäten vorgenommen worden ist, und die Wahl des Gemeindepräsidenten und Gemeindevizepräsidenten erst nach der Wahl des Gesamtgemeinderates erfolgen kann.

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III.

Mit einer vom 10. April datierten, am 18. April 1905 zur Post gegebenen Eingabe, die auf Veranlassung des eidgenössischen Justizdopartements in einzelnen Punkten am 12. Juli 1905 ergänzt worden ist, haben Michel Zufferey und mit ihm 10 andere Stimmberechtigte der Einwohnergemeinde Siders für sich und namens der Association démocratique von Siders gegen den Beschluß des Walliser Staatsrates vom 4. März Ì905 die staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesrat erhoben, die Aufhebung dieses Beschlusses, die Anerkennung der Gemeinderatswahlen vom 11. und 12. Dezember 1904, sowie die Auferlegung der Kosten auf Jules de Preux und auf dessen vor dem Staatsrat aufgetretenen Mithaften anbegehrt.

Die Rekurrenten begründen ihr Rechtsbegehren mit folgenden Vorbringen : Der Staatsratsbeschluß verletzt die durch die kantonale und die Bundesverfassung gewährleisteten politischen Rechte der Niedergelassenen und die Rechtsgleichheit, und bedeutet eine willkürliche Auslegung der kantonalen, das Wahlrecht beschlagenden Wahlgesetze. Demnach ist der Bundesrat auf Grundlage des Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 zur Entscheidung kompetent.

Es ist vor allem darauf aufmerksam zu macheu, daß der Staatsrat bei der Feststellung des absoluten Mehres in seinem Beschluß vom 4. März 1905 einen Rechnungsfehler begangen hat, indem er die 6 vom Wahlbureau als ungültig erklärten Stimmen außer Berechnung ließ. Berücksichtigt man diesen vom Wahlbureau gemachten Abzug, so kann niuht von einer Gesamtzahl von 411 Stimmen, sondern von bloß 405 Stimmen ausgegangen werden, wie es das Wahlbureau getan hat. Werden von dieser Zahl gemäß dem Staatsratsbeschluß 27 Stimmen abgezogen, und zwei Stimmen zugezählt, so ergeben sich im ganzen als gültige Stimmen 380, und ein absolutes Mehr von 191 Stimmen, anstatt 194 wie der Staatsrat angenommen hat. Da dem Albert de Preux nach Abzug von 27 Stimmen noch 193 Stimmen verbleiben, so ist auch er gültig gewählt und es bleiben nicht mehr 5 sondern bloß 4 Gemeinderäte in der Wahl.

Was nun die materiellen Ausschließungsgründe des Staatsrates anbetrifft, so ist hinsichtlich der in erster Linie genannten 17 Bürger, die der Staatsrat vom Stimmrecht ausschließt, weil sie keinerlei Steuern bezahlen, folgendes zu bemerken. Alle 17 sind im Besitze eines Wohnsitzes oder einer Niederlassung von

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wenigstens 3 Monaten und alle haben ihre Papiere bei der zuständigen Gemeindebehörde von Siders hinterlegt. Die Situation .der Einzelnen ist die: 1. R o h r arbeitet seit 3 Jahren bei dem gleichen Meister in Siders und ist schon früher zum Stimmrecht zugelassen worden; 2. B l u m ist laut einer den Akten beigegebenen, vom 10. Juli 1905 datierten Erklärung seines Meisters in Siders seit 11. Mai 1903 bei demselben als Arbeiter beschäftigt; laut derselben Erklärung hat er die ordentliche Lehrzeit von 3 Jahren als Lehrling in Zürich durchgemacht; und laut Erklärung des Bezirkseinnehmers hat er in Siders die Gewerbetaxe für 1904 bezahlt.

3. B a c h m a n n wohnt in Siders als Arbeiter seit 23. Januarl904, 4. M ü l l e r seit April 1904, 5. M ü r r y , Walliserbürger und Angestellter, in Siders seit Juli 1903, 6. M é t r y , Walliserbürger, seit 2 Jahren, 7. B e n e y , Walliserbürger, Angestellter in Siders seit 30. Juni 1903, 8. Ma b i l l a r d , Walliserbürger, Angestellter in Siders seit 2 Jahren, 9. I m h o f ist Angestellter in Siders seit 9. April 1904, 10. G ai H a n d , Walliserbürger, Gerbergeselle seit 6. September 1904; 11. B a r m a n , Walliserbürger, in Siders wohnhaft seit Oktober 1902, hat laut der Erklärung eines Experten der Lehrlingsprüfungen für Bäcker, im Oktober 1904 eine Lehrlingsprüfung bestanden, und arbeitet seither bei dem gleichen Meister in Siders als Arbeiter weiter; 12. G en t o n , Walliserbürger, Arbeiter in Siders seit 1901; 13. E r p e n , Walliserbürger, Lehrling in Siders seit dem gleichen Jahre ; 14. S c h m i d t , Walliserbürger. Kuhhirt des Michel Zufferey in Siders seit 2 Jahren; 15. B o u r g u i n e t , Walliserbürger, war vom 16. Januar 1904 bis 1. August 1904 in einem Hotel in Siders angestellt gewesen, hat dann gemeinsame Haushaltung mit seinen Brüdern und Schwestern angefangen und lebt seither mit denselben auf gemeinsamem, in ungetrenntem Eigentum stehenden Besitz der Familie, für welches an Staat und Gemeinde Steuern entrichtet werden.

16. Z en K l ü s e n , in Siders seit 3 Va Jahren, ist Arbeiter und bezieht den Lohn eines solchen.

126 17. J a g g y , WalliserbUrger, ist Angestellter in Siders seit 5 Jahren.

Kein einziger der Genannten kann zur sogenannten flottanten.

Bevölkerung gerechnet werden; sie haben alle den für die Ausübung des Stiminrechtes erforderlichen Wohnsitz in Siders. Das Requisit der Bezahlung von Steuern, das der Staatsrat als conditio sine qua non für die Ausübung des Stimmrechtes aufstellt, ist ein unzulässiges, da es von keinem Gesetze vorgeschrieben wird. Außerdem aber sind die ländlichen Arbeiter steuerfrei, und auch von Löhnen und Gehältern unter 200 Fr. und Kleinindustrien von nicht mehr als 200 Fr. Jahresreingewinn wird laut den Art. 67, 24 und 25 des kantonalen Steuergesetzes vom 10. November 1903 keine Steuer bezogen. Nach der Theorie des Staatsrates wären aber alle Bürger, die unter diese gesetzliche Vorzugsbestimmung fallen, vom Stimmrecht ausgeschlossen, selbst wenn sie jahrelang sich in Siders aufgehalten hätten. Entgegen dieser Theorie des Staatsrates hat der Bundesrat den Satz aufgestellt, es könne von einem Entzug des Stimmrechtes nicht die Rede sein, wenn der Bürger gar nicht auf dem Steuerregister aufgetragen, von ihm also eine öffentliche Steuer nicht einmal verlangt worden sei, und ferner, es bestehe ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Steuerpflicht und Stimmberechtigung kraft Bundesrechtes nicht.

Dazu kommt aber noch, daß die meisten der 17 ausgeschlossenen Bürger, durch Vermittlung ihrer Arbeitgeber die sogenannte Gewerbetaxe bezahlen ; es ist dies eine Taxe von Fr. 2. 40, die der Arbeitgeber an den Staat bezahlen muß, gemäß Art. 66 des Steuergesetzes. Endlich bedeutet der Ausschluß der 17 Bürger auch eine Verletzung der Rechtsgleichheit, da der Staatsrat ändern Bürgern, die weniger lang in Siders gewohnt haben, den Zutritt zu den Gemeinderatswahlen gestattet hat. Es sind dies Jean Brunner und Joseph Supersaxo, der eine seit 2 Jahren, der andere seit 1904 in Siders als Arbeiter angestellt, und Joseph Holzer, Kutscher bei Michel Zufferey; wie oben bemerkt, ist Schmidt, der bei dem gleichen Arbeitgeber seit 2 Jahren als Kuhhirt dient, vom Stimmrecht ausgeschlossen worden.

In zweiter Linie will der Staatsrat ßlauenstein, Galli und Pont wegen .Mangels einer dreimonatlichen Niederlassung das Stimmrecht absprechen. Diese tatsächliche Voraussetzung des Staatsrates trifft aber nicht
zu. B l au en s t ei n, als Arbeiter angestellt, ist in Siders am 23. August 1904 angekommen, was durch die Eintragung im Militärbüchlein bezeugt wird ; er bezahlt durch die Vermittlung seines Arbeitgebers die Gewerbetaxe von Fr. 2.40; die Niederlassungsbewilligung hat er allerdings erst im September 1904 bekommen. G a l l i , in Siders geboren und auferzogen, ist

127 periodisch in der Sommersaison in Zermatt, in der Wintersaison in. Monte Carlo als Hotelangestellter tätig. Seine Familie ist seit langem in Siders ansässig; er besitzt Grundeigentum in Siders^ für das er Steuern bezahlt, und auf dem er mit seinem Bruder in der Zeit lebt, während der er vom Hoteldienst nicht anderswohin gerufen wird; außer für diese beruflichen Geschäfte hat er sich nie von Siders wegbegeben. Im Jahre 1904 ist er bei Anlaß seiner Hochzeit schon im August nach Siders gekommen, hatte am 11. Dezember 1904 also auch jedenfalls einen wirklichen dreimonatlichen Wohnsitz. P o n t , heimatberechtigt in St-Luc, Kanton Waliis, ist seit zweieinhalb Jahren in Siders etabliert, führt dort seine Haushaltung und zahlt dort seine Steuern. Infolge eines Unfalles mußte er sich zur ärztlichen Behandlung in einen Spital nach Lausanne begeben ; unterdessen hat seine Frau die Haushaltung in Siders weiter geführt. Pont hatte also seine Niederlassung in Siders nie unterbrochen und hat am 11. Dezember 1904 gültig gestimmt.

Der Briefträger Zwissig war wegen seiner beruflichen Pflichten an der persönlichen Ausübung seines Stimmrechtes verhindert. Es ließe sich daraus wohl die Berechtigung des Wahlbureaus ableiten, den in einem verschlossenen aber nicht versiegelten Umschlage befindlichen Wahlzettel Zwissigs anzunehmen.

Der Staatsrat hat 6 Bürger vom Stimmrecht ausgeschlossen, weil sie fruchtlos gepfändet worden waren. Dagegen ist zu bemerken, daß vier von diesen Bürgern Antille, Brülhardt, Landry und Viaccoz auf dem Wahlregister eingetragen waren, und innert der vorn Wahlgesetz Art. 30 gegebenen Frist kein Antrag auf Streichung ihrer Namen erhoben worden ist; ihr nachträglicher Ausschluß am Wahltage war daher verspätet. Außerdem haben laut Erklärungen des Betreibungs- und Konkursamtes Siders vom 8. und 30. Juli 1905, Landry am 23. September und 26. Dezember 1904 und Brülhardt am 17. November 1904 ihre Verlustscheine eingelöst. Anstatt der 6 können demnach aus dem genannten Rechtsgrunde bloß 2 Wahlzettel in Abzug kommen.

Der Staatsrat hat endlich die Stimmen der beiden taubstummen Jossen als gültig anerkannt, obwohl er eine Untersuchung über den Geisteszustand bloß eines derselben angestellt hat und andere Taubstumme der Gemeinde Siders nach wie vor vom Stimmrecht ausgeschlossen werden. Außerdem waren
die beiden Jossen nie in das Stimmregister eingetragen gewesen; nach den schon oben angeführten formellen Bestimmungen in Art. 30 des Wahlgesetzes durfte eine nachträgliche Zulassung nicht stattfinden.

Da nun das Wahlresultat vom 11. Dezember 1904 auch bei Annullierung einer Stimme für den Briefträger Zwissig und zweier

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Stimmen von Personen, auf die Verlustscheine ausgestellt waren, keine Veränderung erleidet, so sind sowohl die Wahlen vom 11. Dezember als auch diejenigen vom 12. Dezember 1904 als gültig anzusehen.

IV.

Der Staatsrat hat mit Zuschrift vom 21. Juni 1905 die Abweisung der Rekurrenten beantragt und sich in dieser Zuschrift und in weitern Ergänzungsschreiben vom 8. August, 11. August, 15. September und 19. September 1905 folgendermaßen vernehmen lassen: Die Rekurrenten behaupten vorerst, der Staatsrat habe die vom Wahlbureau als ungültig erklärten 6 Stimmen nicht, in Abzug gebracht und es sei daher die Berechnung des absoluten Mehrs im Beschluß vom 4. März 1905 falsch. Dies ist nicht richtig. Das Wahlgesetz macht in Art. 49 eine Unterscheidung zwischen nichtigen Wahlzetteln und leeren oder unlesbaren Zetteln; nur die letztern werden als nicht eingelegt betrachtet und bei der Berechnung der Zahl der abgegebenen Stimmen nicht mitgezählt. Dagegen werden die nichtigen, wie z. B. die doppelten Wahlzettel bei der Berechnung des absoluten Mehres gezählt, obwohl die als gewählt Erklärten sie nicht zu ihren Gunsten anrechnen dürfen.

Da nun die Rekurrenten niemals bestritten haben, daß es sich bei den 6 fraglichen Wahlzetteln um nichtige Zettel handelte, so war die Berechnungsweise des Staatsrats richtig.

Die im Staatsratsbeschluß vom 4. März 1905 vom Stimmrecht ausgeschlossenen 17 Bürger sind nicht im Besitze einer Niederlassungs-, sondern bloß einer Aufenthaltsbewilligung. Das Walliser Wahlgesetz vom 24. Mai 1876 gibt in Art. 2 Stimmrecht nur ,,den seit 3 Monaten niedergelassenen Walliser- und Schweizerbürgern u ; die Regelung des Stimmrechtes der Aufenthalter hat es der Bundesgesetzgebung vorbehalten, die aber bis jetzt Normen in dieser Materie nicht aufgestellt hat. Die ,,Niederlassung" des Wahlgesetzes vom Jahre 1876 ist nichts anderes als der ,,wirkliche Wohnsitz" des Niederlassungsgesetzes vom 20. Mai 1893, das in Art. 25 bestimmt: ,,In kantonalen und Gemeindeangelegenheiten sind sie (die im Wallis wohnenden Aufenthalter aus ändern Kantonen) in derjenigen Gemeinde stimmberechtigt, wo sie seit drei Monaten ihren Wohnsitz haben. Der Wohnsitz muß ein wirklicher sein und sich aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben, in welchen sich der Wähler befindet." Ob nun im einzelnen Fall der Wohnsitz ein wirklicher ist, wird davon abhängen, ob der betreffende Schweizerbürger mit seiner Familie lebt, ob er eigene

129 Haushaltung besitzt, oder ob er gegenteils bei seinem Arbeitgeber wohnt; wenn er Dienstbote oder Arbeiter ist, wird die Entscheidung davon abhängen, ob er für eine verhältnismäßig lange Zeit «ngagiert oder nur auf 8 oder 14 Tage angestellt ist, ob er ferner einen Beruf austlbt, der notwendigerweise öftere Ortsveränderung mit sich bringt. Insbesondere aber muß als Kriterium für die Beantwortung der Frage angenommen werden, ob der Bürger an seinem Aufenthaltsort die Gemeindesteuern bezahlt. Das kantonale Steuergesetz auferlegt jedem, der einen Beruf ausüben will, die Pflicht, sich in die Gemeindesteuerlisten eintragen zu lassen; wenn der Staatsrat an die Nichteintragung auf diese Listen die Folge des Ausschlusses vom Stimmrecht knüpft, so ist dies ein wirksames Mittel, insbesondere die besser gestellten Klassen zu verhindern, daß sie sich der Bezahlung der Steuer entziehen. Die 17 in Frage stehenden Bürger haben nun offenbar gegen diese Verpflichtung verstoßen ; sie haben sich nicht auf die Liste der {ïewerbesteuerpflichtigen eintragen lassen, keiner von ihnen bezahlt eine kantonale oder eine Gemeindesteuer. Außerdem sind sie alle ihrem Berufe nach entweder Arbeiter oder Angestellte, kein einziger treibt seinen Beruf selbständig, alle wohnen bei ihrem Arbeitgeber und beziehen daselbst ihre Kost; einige sind per Tag angestellt, 5 auf eine Kündigungsfrist von l Monat, die meisten auf eine solche von 14 Tagen; einige haben, was ·für den Charakter ihres Aufenthaltes bezeichnend ist, wenige Tage nach den Gemeinderatswahlen vom Dezember 1904 Siders verlassen.

Im einzelnen ist gegenüber den Behauptungen der Rekurrenten ,zu bemerken, daß Blum gemäß Polizeibericht bloß Lehrling «ein soll, daß Barman und Zen Klüsen früher Lehrlinge waren, jetzt erst Arbeiter sind, daß Erpen Lehrling ist. Aus dem allem ·ergibt sich, daß den 17 in Frage stehenden Bürgern kein wirklicher Wohnsitz und demnach kein Stimmrecht in Gemeindeangelegenheiten zukommt.

Auch die Ausschließung der 3 Bürger Blauenstein, Galli ·und Pont muß aufrecht erhalten werden. Da Blaueustein eine Niederlassungsbewilligung erst am 15. September 1904 erhielt, so war er erst vom 15. Dezember 1904 an stimmberechtigt; seine Papiere hat er übrigens erst am 26. September hinterlegt. Galli befindet sich im gleichen Fall; seine Niederlassungsbewilligung
datiert erst vom 20. Oktober 1904, am gleichen Tage hatte er auch «eine Papiere hinterlegt. Pont hat keine Niederlassung in Sidera nachgewiesen; während eines großen Teiles des Jahres 1904 hat er in Lausanne gewohnt.

Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. VI.

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Die Stimmabgabe Zwissigs durch Vermittlung eines Dritten widerspricht einer ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes.

Hinsichtlich der 4 Bürger, die laut Beschluß vom 4. März 1905 wegen Ausstellung von Verlustscheinen als stimmunfähig bezeichnet worden sind, hat der Staatsrat die Bestimmung zur Anwendung gebracht, wonach solche Bürger durch die genannte Tatsache von Gesetzes wegen ohne weiteres vom Stimmrecht ausgeschlossen sind. Die Bestimmungen des Gesetzes über die Veröffentlichung und Affichierung der Wählerlisten können hiergegen nicht angerufen werden, denn sie erfahren in der Praxis keine starre und absolute Anwendung; es sind Formvorschriften des Gesetzes.

Von Landry und Brülhardt, die von den Rekurrenten unter diesen 4 Bürgern noch besonders genannt werden, ist zu bemerken, daß der erstere einen am 5. Juni 1899 ausgestellten Verlustschein am 23. September 1904 eingelöst hat, daß er dagegen einen ändern, vom 10. September 1898 datierten Verlustschein erst am 26. Dezember 1904, also nach der Abstimmung einlöste.

Brülhardt war nicht nur wegen seines Verlustscheines, sondern auch deswegen stimmunfähig, weil er, wie dies aus einer amtlichen Erklärung des Gerichtsschreibers von Siders hervorgeht, am 12. September 1893 wegen Diebstahls verurteilt worden istr damit aber kraft der Bestimmung des Art. 4, lit. d, des Wahlgesetzes auch die politischen Rechte verloren hat.

Hinsichtlich der beiden Brüder Jossen, die vorn Stimmrecht ausgeschlossen worden sind, besteht rechtlich kein Ausschließungsgrund; ihr Gebrechen schließt sie vom Wahlrecht nich't aus. Da sie auf der Wählerliste nicht aufgetragen waren, muß ein vom Gesetze vorgesehener ,,offenbarer Irrtum" angenommen werden, der berichtigt werden darf. Die Taubstummen werden, wenn sie normales Urteilsvermögen besitzen, in allen Gemeinden des Kantons zum Stimmrecht zugelassen; der Staatsrat hat nie eine allgemeine AusschlußverfUgung gegen die Taubstummen erlassen.

Der Staatsrat hat sich somit in seinem Beschluß vom 4. März 1905 weder einer Verletzung des Art. 43, noch einer Verletzung des Art. 4 der Bundesverfassung schuldig gemacht.

V.

Auf ein von den Rekurrenten gestelltes Begehren um Erlaß einer provisorischen Verfügung, hat der Bundesrat nach Anhörung des Staatsrates des Kantons Wallis über die Frage, mit Beschluß vom 28. April 1905, gestützt auf die Art. 185 und 191 des Organisationsgesetzes verfugt, daß während der Instruktion der staatsrechtlichen Beschwerde der Gemeinderat, der bis Ende 1904 und

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seither provisorisch die Geschäfte von Siders geführt hatte, dieselben provisorisch weiterhin bis zum Entscheid des Bundesrates führen solle.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Die Rekurrenten verlangen in ihrem eigenen Nameu und namens der Association démocratique de Sierre die Aufhebung eines Beschlusses des Staatsrates des Kantons Wal lis vom 4. März 1905, in welchem der Staatsrat eine Rektifikation des Ergebnisses der Gemeinderatswahlen von Siders vom ll./12. Dezember 1904 vorgenommen hat, und die Anerkennung desjenigen Wahlresultates, wie es im Wahlprotokoll festgestellt worden sei, alles unter Kostenfolge für Jules de Preux und Genossen.

2. Die Beschwerde ist rechtzeitig beim Bundesrat eingereicht.

Die Rekurrenten Michel Zufferey uud Genossen sind als Wähler von Sierre jedenfalls zur Beschwerdeerhebung in ihrem eigenen Namen legitimiert; ob sie es auch namens der von ihnen vertretenen Association démocratique de Sierre sind, kann dahin gestellt bleiben, obwohl der Bundesrat, immerhin, ohne die Frage grundsätzlich zu entscheiden, in einem frühern Beschluß die Beschwerdelegitimation eines politischen Vereins anerkannt hat.

(Bundesratsbeschluß vom 24. Dezember 1901 über die Beschwerde des Comité libéral-radical in Freiburg, Bundesbl. 1902, I, 35 ff.)

Die Kompetenz des Bundesrates zur Entscheidung ist auf Grundlage des Art. 189, Absatz 3, des Organisationsgesetzes gegeben.

3. Die 17 Bürger, deren Stimmabgabe der Staatsrat kassierte, können sich nicht auf Art. 43 der Bundesverfassung berufen, weil sie nicht im Besitze einer Niederlassungs-, sondern einer Aufenthaltsbewilligung sind ; sie besitzen im Kanton Wallis nur dieenigen Rechte, die das Walliser Gesetz den Aufenthaltern einräumt. Der Bundesrat ist nach Art. 189, Abs. 3, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 20. März 1893, nicht kompetent zu prüfen, ob die diesen Bürgern zu teil gewordene Behandlung, dem kantonalen Gesetze entspricht oder nicht, sondern nur, ob sie sich als eine willkürliche Auslegung des Gesetzes und somit als eine Verletzung des Artikels 4 der Bundesverfassung darstellt. Der Staatsrat erklärt nun, diese Bürger haben keinen ,,wirklichen Wohnsitz" im Sinne des Walliser Wahlgesetzes vom 20. März 1893, weil sie entweder als

132 Lehrlinge, als Arbeiter oder als Dienstboten ihr Brot verdienen, weil ihr Beruf öftere Ortsveränderung mit sich bringe, weil sie keine Familie in Sierre hätten, dort nicht Haushaltung führen, weil ferner die meisten auf kürzere Kündigungsfristen angestellt seien, und weil sie endlich keine Gemeindesteuern bezahlen.

Trotz alledem kann es fraglich erscheinen, ob es dem Sinne des Wahlgesetzes nicht besser entsprach, wenigstens die Mehrzahl dieser Aufenthalter als wirklich domiziliert anzusehen; eine willkürliche Gesetzesauslegung kann es immerhin nicht genannt werden, wenn der Staatsrat des Kantons Wallis aus diesen Tatsachen folgert, die fraglichen Personen seien mit ihrem Aufenthaltsort nicht so eng verbunden, wie es der Begriff des wirklichen Wohnsitzes fordere. Es mag in dieser Beziehung auf die gleichartige Entscheidung des Bundesrates i. S. Wüthrich (vom 27. Oktober 1905 (Bundesbl. 1905, IV. 489) verwiesen werden.

4. Blauenstein, Galli und Pont sind Niedergelassene und können sich daher auf Art. 43 der Bundesverfassung berufen. Der Buudesrat hat zu prüfen, ob ihnen nach dieser Verfassungsvorschrift das Stimmrecht mit Recht abgesprochen wurde.

Der Staatsrat hat nun ihre Stimmabgabe nicht deswegen kassiert, weil der Niederlassung der drei Bürger das Kriterium des wirklichen Wohnsitzes abgehe, sondern weil ihre Niederlassung im Zeitpunkt der Gemeinderatswahlen nicht drei Monate lang gedauert habe.

Dies ist richtig hinsichtlich Blauensteins und Gallis. Der erstere hat seine Legitimationspapiere am 26. September 1904 hinterlegt, und seine Niederlassungsbewilligung datiert laut amtlichem Zeugnis vom 15. September 1904; Galli hat seine Papiere am 20. Oktober 1904 hinterlegt, seine Niederlassungsbewilligung datiert vom gleichen Tage. Es fehlte also den beiden am 11. Dezember 1904 die vom Gesetze verlangte Dauer der Niederlassung.

Pont scheint eine Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung nicht vorgewiesen zu haben. Da er aber in St-Luc, Kanton Wallis, heimatberechtigt ist, so war er kraft der Vorschriften des Gesetzes vom 20. Mai 1893 von der Einholung einer solchen Bewilligung, wenn sie ihm nicht ausdiüeklich von der Wohnsitzgemeinde abverlangt wurde, dispensiert (Art. l und 6 des Gesetzes). Eine solche Forderung ist nun seitens der Gemeinde Siders nicht gestellt worden und auch der Staatsrat
beruft sich nicht etwa auf den Mangel einer formellen Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung, sondern darauf, daß der Aufenthalt Ponts vor der Abstimmung vom 11. Dezember 1904 nicht drei volle Monate gedauert habe. Nun ist aber unbestritten, daß Pont schon seit mehr

133 als zwei Jahren mit seiner Familie in Siders wohnt und dort seine Haushaltung führt, daß er sich vor der Abstimmung bloß zur Kur von Siders entfernt hat und unterdessen seine Haushaltung durch seine Frau hat fortführen lassen. Unter diesen Verhältnissen ist die Annahme unhaltbar, als ob Pont während des Kuraufenthaltes seinen Wohnsitz in Siders habe aufgeben wollen, und daß er sich bei seiner Rückkehr aus dem Spital in Siders neu etabliert hätte ; denn die ausschließlich dem Aufenthalt in einer Heilanstalt gewidmete Abwesenheit von seinem Heim vermochte rechtlich sein bisheriges Domizil nicht zu unterbrechen. Es ist daher unzulässig, seine Niederlassung in Siders erst vom Tage seiner Ruckkehr aus dem Spital von Lausanne an zu berechnen, sie ist vielmehr vom ersten Tage der Gründung seines Haushaltes in Siders an zu berechnen. Darnach ist das Erfordernis der dreimonatlichen Niederlassung in seiner Person reichlich erfüllt, und er durfte am 11. Dezember 1904 nicht vom Gemeindestimmrecht ausgeschlossen werden.

°ov 5. Die Stimmabgabe des Briefträgers Zwissig durch Vermittlung eines Dritten ist seitens der Rekurrenten selbst nicht als gesetzmäßig bezeichnet worden. Die Ungültigerklärung seines Wahlzettels durch den Staatsrat ist daher unanfechtbar.

6. Im Staatsratsbeschluß vom 4. März 1905 sind endlich noch die Stimmen von 6 Bürgern wegen Ausstellung von Verlustscheinen annulliert worden. Mit Ausnahme Brülhardts, der seinen Verlustschein vor dem Abstimmungstage eingelöst zu haben scheint, der aber auf Grund eines Strafurteiles kraft Art. 4, lit. d des Wahlgesetzes vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, muß nach den Akten der vom Staatsrat angegebene Ausschließungsgrund trotz der gegnerischen Behauptungen der Beschwerdeführer als zutreffend angesehen werden.

Die Rekurrentenhaben ferner behauptet, daß diese sämtlichen 6 Bürger formell richtig in den Stimmregistern eingetragen gewesen seien. Diese Tatsache ist allerdings richtig. Ebenso unangefochten ist auch, daß der in dem Stimmregister eingetragene Bürger von der Teilnahme an der Wahl nicht zurückgehalten werden kann. Damit ist aber keineswegs gesagt, daß die Stimmen aller Bürger, die im Stimmregister eingetragen waren, und die einen Wahlzettel abgegeben haben, bei der Prüfung und Feststellung des Wahlresultates auch als gültig anerkannt werden
müssen. Art. 60 des Wahlgesetzes behält vielmehr noch nach erfolgter Abstimmung eine Prüfung über die Stimmberechtigung der Stimmenden vor, indem er ausdrücklich festsetzt, daß die Anteilnahme Nichtstimmberechtigter an einer Abstimmung gegebenen Falles- die Nichtigkeit der Verhandlung nach sich ziehe. Bei der

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Prüfung eines Wahlresultates ist somit die Behörde hinsichtlich der Stimmberechtiguog der Stimmenden an die Konstatierungen des Wahlregisters nicht gebunden. Aus diesen Gründen ist die Entscheidung des Staatsrates im vorliegenden Fall nicht willkürlich.

7. Neben den bisher angeführten Stimmen, die im Beschlüsse vom 4. März 1905 kassiert worden sind, hat der Staatsrat die Stimmen der zwei taubstummen Brüder Jossen, entgegen dem Wahlprotokoll, als gültig erklärt. Die Rekurrenten haben hier die Behauptung aufgestellt, der eine der beiden Brüder sei nicht auf seine Urteilsfähigkeit geprüft worden und in der Regel seien die Taubstummen vom Stimmrecht ausgeschlossen. -- Da die letztere Behauptung mit keiner Tatsache belegt wird, so kann ihre Richtigkeit gegenüber dem Einspruch des Staatsrates nicht angenommen werden.

Dagegen haben die Rekurrenten noch die Einrede erhoben, daß die Namen der beiden Jossen auf dem Stimmregister nicht innert der gesetzlichen Frist von 8 Tagen eingetragen worden seien. Dieser Einrede begegnet der Staatsrat mit Art. 30, Aba. 4, des Wahlgesetzes, der Berichtigungen des Wahlregisters nach Ablauf der Einspruchsfristen gestattet ,,in Fällen offenbarer, vom Munizipalrat selbst begangener Irrtümer bezüglich der Bürger, gegen welche Einsprache ist erhoben worden".

Es kann dahin gestellt bleiben, ob in casu die im Gesetz erwähnten Voraussetzungen zur Vornahme einer nachträglichen Eintragung der beiden Jossen vorhanden waren. Dieser Fall, den Art. 30, Abs. 4, des Wahlgesetzes im Auge hat, liegt hier nicht vor; es handelt sich vielmehr um den Fall der Wahlanteilnahme von Bürgern, die überhaupt nie eingetragen worden waren, weder vor noch nach Ablauf der achttägigen Einsprachefrist. Daß aber die Stimmen solcher Bürger, die trotz des Mangels ihrer Eintragung gestimmt haben, bei der Feststellung des Wahlresultates als gültig mitgezählt werden können, sagt das Gesetz nirgends und eine solche Praxis widerspräche jedem geordneten Wahlverfahren.

Wird die einmal festgestellte Wählerliste bei der Wahlverhandlung nicht eingehalten, so ist eine richtige Kontrolle nicht möglich.

8. Bevor auf Grund dieser Erwägungen das Resultat der Wahl Verhandlung vom 11. Dezember 1904 festgestellt werden kann, ist noch die Einwendung der Rekurrenteu zu erledigen, es sei die im Beschluß vom 4. März 1905 befolgte Rechnungsweise eine irrtümliche.

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Nach der Erklärung, die der Staatsrat in der letzten Ergänzung zu seiner Vernehm lasaung abgegeben hat, ist diese Einwendung unbegründet. Die Rechnungsweise der Regierung besteht darin, daß, indem die Regierung von 411 abgegebenen Stimmen ausgeht, sie die vom Wahlbureau als nichtig erklärten 6 Stimmen als für die Berechnung des absoluten Mehres gültig mitgezählt hat: insofern befolgte sie allerdings eine andere Rechnungsweise als das Wahlprotokoll. Dagegen hat die Regierung nach ihrer ausdrücklichen Erklärung diese 6 nichtigen Stimmen bei der Berechnung der auf die einzelnen Kandidaten gefallenen Stimmenzahl jedem Kandidaten in Abzug gebracht; indem sie hierbei ihrer Berechnung die vom Wahlbureau für die einzelnen Kandidaten festgestellten Stimmenzahlen (ohne noch selbst vorgängig 6 Stimmen abzuziehen) zu Grunde legte, geht sie von der Annahme aus, daß schon das Wahlbureau in den von ihm angenommenen Stimmenzahlen diesen Abzug berücksichtigt habe : diese Annahme erscheint aus den Akten nicht als ungerechtfertigt.

9. Dies festgesetzt, ist mit dem Staatsrat von 411 abgegebenen Stimmen auszugehen. Davon sind, unter Anwendung der unangefochtenen Berechnungsweise des Staatsrates, abzuziehen die Stimmen der 17 Bürger, die der Staatsrat in erster Linie kassiert hat, sowie die Stimmen von Blauenstein und Galli, die keine dreimonatliche Niederlassung aufzuweisen vermögen ; ferner der durch Vermittlung eines Dritten abgegebene Wahlzettel des Briefträgers Zwissig und endlich die Stimmen der 6 nach dem Gesetz ipso iure auseschlossenen Stimmunfähigen. Unter Abzug dieser 26 verbleiben 85 abgegebene Stimmen; das absolute Mehr beträgt sonach 193 Stimmen. Zieht man nun die 26 Stimmen auch von den vom Wahlprotokoll für die einzelnen Kandidaten festgestellten Wahlziffern ab, so entfallen auf die als gewählt erklärten Kandidaten folgende Stimmenzahlen : de Sepibus ' 337 -- 26 = 311 Zwissig 224 -- 26 = 198 Zufferey 224 -- 26 = 198 Berclaz . . * 223 -- 26 = 197 de Preux, Albert 220 -- 26 = 194 Masserey 214 -- 26 = 188 Salamin 211 -- 26 = 185 Meyer ,, 206 -- 26 == 180 Das absolute Mehr ist somit von den 5 ersten als gewählt erklärten Kandidaten, de Sepibus, Zwissig, Zufferey, Berclaz und de Preux, Albert erreicht; dagegen sind die drei letzten, Masaerey, Salamin und Meyer nicht gewählt. Es bleiben somit einem

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zweiten Wahlgang die Neuwahl von 4 Gemoinderäten vorbehalten, anstatt von bloß einem Gemeinderat, wie das Wahlprotokoll berechnete, und anstatt von 5 Gemeinderäten, wie der Staatsrat annahm.

Von der Annahme ausgehend, daß der zweite Wahlgang in seiner Gesamtheit dahinfalle, wenn sich herausstelle, daß er unter einer falschen Voraussetzung, hinsichtlich der Zahl der zu wählenden Kandidaten, vorgenommen worden, hat der Staatsrat in seinem Beschlüsse den zweiten Wahlgang, gegen dessen Richtigkeit an sich keine Einwendungen bestunden, in seiner Gesamtheit aufgehoben und damit die Wahl des Alexandre Caloz.

sowie die Ernennung des Gemeindepräsidenten und Gemeindevizepräsidenten kassiert. Da der Grundsatz nicht angefochten ist,, so bedingt auch die vom Bundesrat vorgenommene teilweise Korrektur des Ergebnisses des ersten Wahlganges das vollständige Dahinfallen des zweiten. Es sind somit in dem neuen zweitenWahlgang vorerst vier Mitglieder des Gemeinderates zu wählen Und sodann der Gemeindepräsident und der Gemeindevizepräsident zu bestellen.

10. Auf Kosten begehren der Parteien tritt der Bundesrat gemäß konstanter Praxis nicht ein.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird in dem Sinne begründet erklärt, daß.

die Wahl des de Preux, Albert gültig ist, und daß der Staatsrat des Kantons Wallis die Anordnung eines zweiten Wahlganges in Siders zur Wahl von vier Mitgliedern des Gemeiaderates und zur Bestellung des Gemeindepräsidenten und Gemeindevizepräsidenteu zu veranlassen hat.

B e r n , den 24. November 1905.

Im Namen des Schweiz. BundesrateSj, Der Bundespräsident

Buchet.

Der I. Vizekanzler : Schutzmann.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde von Michel Zufferey und Genossen, betreffend Kassation von Gemeinderatswahlen in Siders durch den Staatsrat des Kantons Wallis.

(Vom 24. November 1905.)

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Bundesblatt

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1905

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29.11.1905

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