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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 5. Juni 1905 zur ordentlichen Sommersession zusammengetreten.

Im N a t i o n a l r a t hielt Herr Präsident Schobinger bei der Sessionseröffnung folgende Ansprache : Meine Herren Nationalräte, Seit unserer letzten Session hat der Tod in unsere Reihen eine Lücke gerissen. In der Frühe des Ostermorgens am 23. April ist Nationalrat Sonderegger, Vertreter des 28. Wahlkreises Appenzell A.-Rh., verschieden, nachdem er seit einiger Zeit schon unsern Verhandlungen krankheitshalber nicht mehr beiwohnen konnte.

Joh. Jak. Sonderegger wurde am 11. Februar 1838 in Trogen geboren. Der Basler Bankier Zellweger war dem begabten Knaben behülflich, in Basel durch den Besuch des dortigen Realgymnasiums und der Gewerbeschule sich für den Lehrerberuf auszubilden. In der Folge studierte er an der Universität Basel Naturwissenschaft und Mathematik und besuchte daraufhin noch das Polytechnikum in Karlsruhe, um sich der chemisch-technischen Wissenschaft zuzuwenden. Mit reichem Wissen ins praktische Leben übergetreten, bekleidete der Verstorbene zuerst eine Lehrstelle am Lehrerseminar in Gais und wurde dann 1863 als Reallehrer nach Herisau berufen, wo er als solcher bis 1872 wirkte.

In diesem Jahre auf den Lehrerberuf verzichtend, begann er seine Tätigkeit mit Erfolg der Industrie zu widmen, trat gleichzeitig ins öffentliche Leben und durchlief rasch die Stufenleiter der öffentlichen Würden, welche sein Heimatkanton geben konnte : Gemeinderat, Gemeindehauptmann, Kantonsrat, Regierungsrat und Landammann. Sein reiches Wissen, sein weiter Blick und seine große Energie machten es ihm möglich, alle diese Aufgaben mit Erfolg zu erfassen, und es war wohl eine Anerkennung dieser reichen Wirksamkeit, als ihn sein Heimatkanton im Jahre 1896 zum Mitglied des Nationalrates erkor. Und hier haben wir ihn kennen gelernt als einen Mann von Grundsatz und Überzeugung, der die ihm gewordene Aufgabe mit großem Ernst erfüllte, getragen von der Liebe und Hingabe für sein Vaterland.

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Sodann ist uns vom Bundesgericht soeben die unerwartete und betrübende Nachricht geworden, daß Bundesrichter Dr. Rott gestern Sonntag früh gestorben sei. Seit längerer Zeit leidend, ist er nun im Alter von erst 53 Jahren einem Sehlaganfall' erlegen.

Emil Rott wurde am 25. Juni 1852 in Bern geboren und studierte an hiesiger Universität die Rechtswissenschaft. Nach zweijähriger Beschäftigung im bernischen Staatsdienst und als Privatdozent wurde er 1878 zum außerordentlichen Professor des deutschen Privatrechts, Handels- und Wechselrechts an die Universität Bern berufen, um aber schon nach zwei Jahren, anno 1880, zum deutschen Bundesgerichtsschreiber und im Jahre 1893, bei Anlaß der Erhöhung der Mitgliederzahl des Bundesgerichts von 9 auf 14, zum Bundesrichter gewählt zu werden. In diesen beiden Stellungen hat Eott Ausgezeichnetes geleistet. Rott war geborner Richter. Seine tiefgründige Auffassung und Untersuchung der Rechtsfälle, seine große Gewissenhaftigkeit und Sachlichkeit, verbunden mit einer unermüdlichen Arbeitskraft, machten ihn in seinen gesunden Tagen zu einer Zierde des Bundesgerichtes und sein Hinscheid bedeutet einen schweren Verlust für das Vaterland.

Wir stehen am Abschluß zweier im Dienste des Vaterlandes vollbrachter Leben. Ehre den Namen der Hingegangenen und ihrem Andenken.

Im S t ä n d e r a t gedachte der Vorsitzende, Herr Vizepräsident Dr. Ammann, ebenfalls der verstorbenen Herren Joh. Jakob Sonderegger, Nationalrat, von Rehetobel, und Dr. Emil Rott, Bundesrichter, von Erlach.

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