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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beschwerde des Verwaltungsrates der Appenzellerbahn wegen Verweigerung der Plangenehmigung für die Strecke Herisau-St. Gallen.

(Vom 25. März 1905.)

Tit.

Der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn führt mittelst Eingabe, vom 10. Februar 1905 bei Ihnen Beschwerde darüber, daß der Bundesrat die Bewilligung für den Bau der schmalspurigen Linie von St. Gallen nach Herisau verweigere, und stellt das Gesuch, Sie möchten den Bundesrat einladen, diese Bewilligung zu arteilen.

Wir sehen uns veranlaßt, auf diese Beschwerde folgendermaßen zu antworten: I.

Durch Bundesbeschluß vom 27. Juni 1890 (E. A. S. XI, 72) erteilte die Bundesversammlung den HH. Grauer-Frey in Degersheim, J. Frischknecht-Breitenmoser und Th. Löpfe in St. Gallen zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die K o n z e s s i o n für den Bau und Betrieb einer n o r m a l s p u r i g e n E i s e n b a h n v o n St. G a l l e n ü b e r W a t t w i l n a c h R a p p e r s w i l u n d von Samstagern nach Zug. Diese Bahnlinie sollte in ihrem ersten Teile von St. Gallen aus nach Herisau ansteigen, das so in direkte normalspurige Verbindung mit dem Toggenburg einerseits und der Stadt St. Gallen anderseits gebracht würde. Die Konzessionäre dieser Bahn, die sich später zu einem ,,Initiativkomitee St. GallenZug" erweiterten, gaben im Jahre 1902, als es sich darum han-

813 delte, die Konzession für das Teilstück St. Gallen-Wattwil auf das Initiativkomitee für eine Bodensee-Toggenburgbahn zu übertragen, ausdrücklich ihre Zustimmung, so daß in der Folge dieses letztgenannte Komitee und hernach die Aktiengesellschaft der BodenseeToggenburgbahn als Rechtsnachfolger der HH. Grauer-Frey und Mithafte angesehen werden mußten.

II.

Am 16. Mai 1896 traf der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn, vertreten durch das Initiativkomitee für Fortsetzung der Appenzellerbahn nach St. Gallen, in einer Konferenz unter dem Vorsitze der Regierung des Kantons St. Gallen folgende Ü b e r e i n k u n f t mit den Konzessionären der Linie St. Gallen-Zug: ,,1. Das Initiativkomitee der Appenzellerbahn verzichtet auf die Einreichung eines Konzessionsgesuches für die Linie GübsenmoosSt. Gallen auf die im Juni 1896 stattfindende Bundesversammlung.

,,2. Die Konzessionäre der Linie St. Gallen-Zug verpflichten sich dagegen, dem Initiativkomitee der Appenzellerbahn auf I.Januar 1897 die Konzession für das Teilstück Herisau-St. Gallen unentgeltlich abzutreten resp. das Begehren um Konzessionsabtretung und Abänderung rechtzeitig an das schweizerische Eisenbahndepartement zu Händen der im November 1896 zusammentretenden Bundesversammlung einzureichen oder einem vom Initiativkomitee der Appenzellerbaho direkt gestellten Konzessionsgesuche zustimmend zu begegnen.

,,3. Sollte die zur Prüfung und Begutachtung der verschiedenen Rickenbahnprojekte vom st. gallischen Kantonsrate im Mai 1896 gewählte Eisenbahnkommission einem Tracé von nicht über 22 °/oo Maximalsteigung den Vorzug geben, resp. dasselbe zum Bau empfehlen, so ist den Konzessionären der Linie St. Gallen-Zug eine weitere Frist von 6 Monaten, d. h. bis Ende Juni 1897, zum Versuche der Finanzierung der Linie St. Gallen-Wattwil einzuräumen.

In diesem F a l l e v e r p f l i c h t e t sich das I n i t i a t i v k o m i t e e der A p p e n z e l l e r b a h n , m i t d e m B a u deiL i n i e St. G a l l e n - G ü b s e n m o o s bis z u m 30. J u n i 1897 z u z u w a r t e n u n d i m F a l l e d e r F i n a n z i e r u n g .der Linie St. Gai l e n - W a t t w i l auf die A u s f ü h r u n g des Projektes St. Gallen-Gübsenmoos ü b e r h a u p t zu verzichten.

,,4. Wird es der Norrnalbahngesellschaft St. Gallen-Wattwil nicht möglich, innert der in Ziffer 3 des Übereinkommens festgesetzten Frist zu finanzieren, gelingt es dagegen der Appenzeller-

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bahn, die Linie Gübsenmoos-St. Gallen zu bauen, so verpflichtet sie sich, das Teilstück von km. l,200 des Projektes St. GallenZug bis und mit der Sitterbrücke nach dem 22 °/oo Projekt St. Gallen-Zug zu erstellen, resp. den Unterbau und die Brücke dieser za. 3--4 km. langen Strecke normalspurig auszuführen.

,,5. Die Appenzellerbahn verpflichtet sich im weitern, für das Teilstück Sitterbrücke-Anschluß Appenzellerbahn Studien auf der südlichen Seite des Gübsenmooses für den Anschluß an das Tracé der Appenzellerbahn vornehmen zu lassen und soweit möglich die Richtung des Tracés der Linie St. Gallen-Zug einzuhalten, insofern sich gegenüber der projektierten Anschlußlinie auf der Nordseite des Gübsenmooses keine erheblichen Mehrkosten ergeben.

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,,6. S o l l t e die p roj e k ti erte N or m al bah n St. G a l l e n Herisau-Toggenburg später gebaut werden, so Verpflichtet sich die Appenzellerbahn.hn, die neu z u b a u ende Linie Gübsenmoos-St. Gallen der Normalbahng e s e l l s c h a f t S t. G a l l e n - H e r i s a u - T o g g e n b u r g a b z u t r e t e n und die letztere ist verpflichtet, diese Linie zum Preise des Betrages des Baukontos im Abtretungsjahre zu übernehmen. Zur genauen Ermittlung des Abtretungspreises wird die Appenzellerbahn für das Teilatück vorn Anschluß der Appenzellerbahn im Gübsenmoos bis und mit Bahnhof St. Gallen gesonderten Baukonto führen. a Diese Übereinkunft ist unseres Wissens nie aufgehoben worden, was uns auch vom Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn, als Nachfolger der Konzessionäre für die Normalbahn St. GallenWattwil, bestätigt wurde. Aus derselben und besonders aus den von uns gesperrt gedruckten Stellen geht ganz unzweifelhaft hervor, daß die Kontrahenten die Meinung hatten, es bedürfe zur Verbindung St. Gallens mit Herisau nur e i n e r Bahnlinie und zwar verdiene eine normalspurige den Vorzug. Nur wenn es nicht gelinge, eine solche Bahn zu erstellen, solle gleichsam als Notbehelf eine Schmalspurbahn gebaut werden. Aber auch in diesem Falle müsse man auf die Möglichkeit Rücksicht nehmen, daß die Normalspurbahn doch noch komme und daß d a n n d i e S c h m a l s p u r b a h n z u w e i c h e n habe.

III.

Auf diesem Boden bewegte sich auch das Konzessionsgesuch, das der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn am 22. Oktober 1896 einreichte. Wie damals in der Botschaft vom 15. März 1897

815 (Bundesbl. I, 955) dargelegt wurde, sollte laut dem dem Konzessionsgesuch beigegebenen allgemeinen Bericht die schmalspurige Verbindung zwischen Herisau und St. Gallen nur deshalb in Angriff genommen werden, weil die Erstellung der Normalspurbahn einstweilen nicht möglich sei. ,,Um der Ausführung des Normalbahnprojektes St. Gallen-Rapperswil nicht vorzugreifen, solle der Unterr bau von St. Gallen bis und mit der Silterbrücke nach jenem Tracé normalspurig, aber mit schmalspurigem Oberbau erstellt werden, während von der Sitterbrücke bis zum Anschluß an die Appenzellerbahn sowohl Unter- als Oberbau schmalspurig und nach den Normalien der Appenzellerbahn gebaut würde." Und weiter sagte der allgemeine Bericht: ,,Wird dann später die Linie St. Gallen-Wattwil doch gebaut, so wäre nur die kurze, 1575 Meter lange Strecke von der Sitterbrücke bis zur jetzigen Appenzellerbahnlinie u n v e r w e n d b a r , während die ganze Linie bis und mit Sitterbrücke auch für die Normalbahn benutzt werden könnte und nur der Oberbau umgeändert werden müßte."

Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen wünschte in seiner Vernehmlaasung zum Konzessionsgesuche, daß, ,,um die dereinstige Ausführung der Normalbahn noch mehr zu erleichtern, das normalspurige Tracé bis über die Sitterbrücke hinaus, nämlich bis km. 5 beibehalten werde, so daß seinerzeit nur zirka 575 m. Unterbau verlassen werden müßten" (a. a. O. pag. 956 unten).

Und als das Eisenbahndepartement diesen Sachverhalt einmal außer acht ließ und dem Verwaltungsrat der Appenzellerbahn vorschlug, eine neue einheitliche Konzession für diese Bahn aufzustellen und die projektierte Verbindung mit St. Gallen einzubeziehen, da antwortete der Verwaltungsrat ablehnend, indem er das Departement unter Hinweis auf das Abkommen vom!6.MärzlS96 darauf aufmerksam machte, daß die Möglichkeit einer spätem Abtretung der neuen Linie an eine Bahngesellschaft St. Gallen-Zug im Auge behalten werden müsse.

Unter diesen Umständen wurde von der Bundesversammlung durch Beschluß vom 24. März 1897 (E. A. S. XIV, 331) der Appenzellerbahn die Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn von St. Gallen nach Herisau, beziehungsweise bis zum Anschluß an die Linie Winkeln-Herisau, erteilt. Dabei wurde auf das Verhältnis zur Normalspurbahn in der Weise Rücksicht genommen, daß im Artikel 8 vorgeschrieben
wurde, der Unterbau solle von St. Gallen bis zu einem vom Bundesrate zu bestimmenden Punkte zwischen der Sitterbrücke und der bestehenden Linie der Appenzellerbahn normalspurig erstellt werden.

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IV.

Die technischen und finanziellen Vorlagen sollten gemäß Artikel 5 der Konzession bis am 24. März 1898 eingereicht werden.

Diese Frist wurde auf das Gesuch des Verwaltungsrates durch Bundesratsbeschluß vom 12. April 1898 (E. A. S. XV, 78) um ein Jahr erstreckt. Am 1. November 1898 leistete der Verwaltungsrat den F i n a n z a u s w e i s im Betrage von Fr. 1,500,000, indem er einen Vertrag vorlegte, den er am 24. Oktober gleichen Jahres mit einem Konsortium von Banken abgeschlossen hatte und gemäß welchem der Appenzellerbahn der ganze Betrag gegen 4^2 °/o Obligationen zum Kurse von 98 zur Verfügung gestellt wurde. Laut Artikel 10 dieses Vertrages sollte er in Kraft treten, sofern allgemeines Bauprojekt, Kostenvoranschlag und Finanzausweis innerhalb dreier Monate nach der Ratifizierung des Vertrages durch die Aktionärversammlung der Appenzellerbahn vom Bundesrate genehmigt würden.

Auf den Antrag des Departements erteilte der Bundesrat diesem Finanzausweis unterm 27. Januar 1899 die Genehmigung.

Eine Genehmigung des allgemeinen Bauprojektes hat dagegen n i c h t stattgefunden ; es ist deshalb die Frage gestattet, wie die Appenzellerbahn dazu gelangte, den Vertrag vom 24. Oktober 1898 zu vollziehen, da diese wichtige Voraussetzung für das Inkrafttreten desselben fehlte? Jedenfalls muß festgestellt werden, daß der Bundesrat mit der Genehmigung des Finanzausweises der Bahngesellschaft keinen Anlaß geboten hat, das Anleihen von Fr. 1,500,000 fest zu kontrahieren.

V.

Am 29. Mai 1899 erfolgte dann die Vorlage des a l l g e m e i n e n B a u p r o j e k t s , wobei die Bahn Verwaltung unter Hinweis auf die vollzogene Finanzierung und auf die Vorteile einer sofortigen Ausführung der Sitterbrücke, für welche eine günstige Übernahmsofferte vorliege, um baldige Erteilung der Baubewilligung ersuchte.

Die Regierung des Kantons St. Gallen, der die Pläne von der Bahnverwaltung schon unterm 27. März 1899 zugestellt worden waren, erklärte dem Departement mit Schreiben vom 31. Mai, sie sei noch nicht in der Lage, ihre Vernehmlassung abzugeben, da sie das Resultat einer Untersuchung abwarten wolle, die Herr Oberingenieur Moser im Auftrag der Regierung vornehme

817 über die verschiedenen Normalbahnprojekte für die BodenseeToggenburgbahn. Auch machte der Regierungsrat darauf aufmerksam, daß die Anlage des Gübsenmoosweihers (Kubelwerk) bedeutende Abänderungen an den Plänen bedingen könne, die möglicherweise auch die Lage der Sitterbrücke und des noch zu bestimmenden Endpunktes des normalspurigen Unterbaues beeinflussen würden.

Mittelst Eingabe vom 5. Juni 1899 protestierte der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn gegen diese Tendenz der St. Galler Regierung, indem er sich ausdrücklich auf die Übereinkunft vom 16. Mai 1896 berief und bestritt, zur Ausführung eines ändern Tracés als nach dem 22 %o Projekt verpflichtet zu sein.

Als geschäftsleitende Stelle des Initiativkomitees für die Bodensee-Toggenburgbahn sah sich der Gemeinderat der Stadt St. Gallen veranlaßt, unterm 23. Juni 1899 das Gesuch zu stellen, es möchte der Appenzellerbahn die Baubewilligung nicht erteilt werden, so lange das Gutachten des Experten Moser über das Projekt St. Gallen-Wattwil, sowie der Entscheid über die Ausführung der Rickenbahn mit Basistunnel noch ausständen.

Auch der Gemeinderat St. Gallen berief sich auf die Übereinkunft vom 16. Mai 1896 und erklärte, es wäre unverständlich, wenn die Appenzellerbahn ohne jede Rücksichtnahme auf das andere große Projekt, vor welchem sie selbst später doch zurücktreten müßte, den Bau beginnen und damit eventuell dem Projekt der BodenseeToggenburgbahn Mehrkosten im Betrage von mehreren hunderttausend Franken verursachen würde.

Das Eisenbahndepartement suchte zwischen den Streitenden zu vermitteln, zu welchem Zwecke es die Regierung von St. Gallen und den Verwaltungsrat der Appenzellerbahn auf den 24. Juni 189& zu einer Konferenz einlud. Eine Einigung kam indessen nicht zu stände, die Kantonsregierung wurde eingeladen, ihre Vernehmlassung über das Bauprojekt der Appenzellerbahn innerhalb drei Wochen einzureichen und wenn möglich gleichzeitig das Ergebnis der durch Herrn Moser vorgenommenen Prüfung bekannt zu geben.

Die Antwort der Regierung erfolgte unterm 27. Juli 1899 und lautete wieder ganz bestimmt zu gunsten des Normalbahnprojektes, und zwar nach dem Projekte des Experten Moser.

Insbesondere wurde auch auf Kundgebungen der Gemeinderäte von Herisau und St. Gallen verwiesen, die übereinstimmend von einer Schmalspurbahn nichts wissen wollten und verlangten, daß die Bundesbehörden das Normalbahnprojekt in Schutz nehmen.

Auch wies die Regierung auf die Unmöglichkeit hin, eine Schmal-

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spurlinie Herisau-St. Gallen in nächster Zeit in den Bahnhof St. Gallen einzuführen.

Den Bemühungen des Eisenbahndepartements gelang es schließlich, die Interessenten am 17. November 1899 zum Abschlüsse ·eines V e r t r a g e s auf folgender Gruodlage zu veranlassen: 1. Der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn zog sein Gesuch um Erteilung der Baubewilligung zurück, und zwar bis zur Entscheidung der Rickenbahntracefrage, respektive bis spätestens den 31. Juli 1900. Er behielt sich vor, das Gesuch nach Ablauf dieser Frist zu erneuern.

2. Die Vertreter der Bodensee-Toggenburgbahn, nämlich der Regierungsrat des Kantons St. Gallen und die Gemeinderäte von St. Gallen und Herisau, verpflichteten sich, den Zinsenausfall des Obligationenanleihens von Fr. 1,500,000 bis zum 30.Novemberl899, sowie alle Zinsdiöerenzen von diesem Termin bis eventuell am 31. Juli 1900 zu übernehmen.

3. Die Vertreter der Bodensee-Toggenburgbahn verpflichteten sich ,, f ü r d e n F a l l , d a ß d i e N o r m a l b a h n St. G a l l e n W a t t w i l e r b a u t und die S c h m a l s p u r b a h n St. GallenH e r i sä u n i c h t e r s t e l l t wird", der Appeozellerbahn über
Dieser Vertrag wurde genehmigt: am 23. November 1899 Tom Gemeinderat der Stadt St. Gallen, am 27. November vom Gemeinderat von Herisau, am 28. November vom Regieruugsrat des Kantons St. Gallen und am 8. Dezember vom Verwaltungsrat der Appenzellerbahn.

VI.

Da sich die Frage des Rickenbahntraces bis zum 31. Juli 1900 nicht abklärte, so erneuerte die Appenzellerbahn, wie sie es sich .vorbehalten hatte, am 1. August 1900 das Gesuch um Erteilung der Baubewilligung. Die Interessenten der Bodensee-Toggenburgbahn erhoben aber wieder Einsprache, worauf das Eisenbahn·departement nochmals seine Vermittlung anbot, die zu einem neuen S t u n d u n g s v e r t r a g v o m 9. M ä r z 1901 führte. Hier wurde von der Appenzellerbahn wieder Rückzug ihres Baubewilligungsbegehrens zugestanden und zwar bis Ende Dezember

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1901, innerhalb welcher Frist diö Konsolidierung der BodenseeToggenburgbahn erfolgen sollte. Anderseits erhöhten die Regierung von St. Gallen und die Gemeinderäte von St. Gallen und Herisau ,,für den Fall, daß die Normalbahnstrecke St. Gallen-Herisau der Normalbann St. Gallen-Wattwil erbaut und die Schmalspurbahn St. Gallen-Herisau nicht erstellt wird", das Maximum der in Ziffer 3 des Vertrages von 17. November 1899 stipulierten Entschädigung von Fr. 50,000 auf Fr. 70,000 und übernahmen außerdem ,,an Stelle und mit Vollmacht der Appenzellerbahn für eigene Rechnung die gütliche oder rechtliche Austragung allfälliger Ansprüche der Brückenbaufirma Theodor Bell
VII.

Bevor wir die weitere Entwicklung dieses Interessenstreitea verfolgen, müssen wir uns gegen die Auslegung wenden, die der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn dem Stundungsvertrag vom D. März 1901 geben will. In seiner Beschwerdeschrift betont «r Dämlich, daß in jenem Vertrage nur von einem der Appenzellerbahn f r e i s t e h e n d e n künftigen Verzicht auf die Konzession St. Gallen-Herisau die Rede sei, als ob es ihr auch dann, wenn die Konsolidierung der Bodensee-Toggenburgbahn bis Ende 1901 gelungen wäre, nach Ablauf dieser Frist freigestanden hätte, das Baubewilligungsbegehren wieder zu stellen. Diese Interpretation ist ganz offenbar unrichtig. Oder welchen Grund hätte denn die Appenzellerbahn gehabt, zu einem solchen Stundungsvertrag Hand zu bieten, wenn sie d a m a i s der Meinung gewesen wäre, sie könne die Bewilligung zum Bau der Schmalspurbahn St. Gallen-Herisau auch dann beanspruchen, wenn die Normalbahn St. Gallen-Wattwil zu stände komme ? Nein, der Stundungsvertrag hatte nur den Zweck und konnte nur den Zweck haben, den schon die Übereinkunft vom 16. Mai 1896 verfolgte, nämlich: zu verhindern, daß b e i d e Linien, die schmalspurige und die normalspurige Verbindung Herisau's mit St. Gallen, gebaut werden. Und die Appenzellerbahn konnte den Stundungsvertrag nur dann unterzeichnen, wenn sie anerkannte, daß sie im Falle der Finanzierung der Bodensee-Toggenburgbahn auf die Ausführung ihres Schmalspurbahnprojektes verzichten müßte. Dieser Meinung waren damals nicht nur das Eisenbahndepartement und die Vertreter des Kantons St. Gallen und der Gemeinden St. Gallen und Herisau, sondern auch der Verwaltungsrat der AppenzellerBundesblatt. 57. Jahrg. Bd. II.

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bahn. Andernfalls hätte es doch wahrlich keinen Sinn gehabt, sich für den Fall der Nichterstellung der schmalspurigen Linie eine Entschädigung bis auf Fr. 70,000 versprechen zu lassen ! Hieran ändert der Umstand nichts, daß der'Verwaltungsrat n a c h t r ä g l i c h erklärt, jene Entschädigung wäre ganz unzureichend gewesen.

Übrigens ergibt sich aus der späteren Korrespondenz noch zur Evidenz, daß der Stundungsvertrag auch vom Verwaltungsrat der Appenzellerbahn damals nicht anders aufgefaßt wurde als von den übrigen Vertragsparteien.

VIII.

Unterm 9. Dezember 1901, also kurz vor Ablauf des Stundungsvertvages vom 9. März 1901, teilte der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn dem Eisenbahndepartement mit, daß er angesichts des Fortschreitens der auf die Finanzierung der Bodensee-Toggenburgbahn gerichteten Arbeiten beabsichtige, den Stundungsvertrag um einen weitern Termin zu verlängern, und zwar bis zum 30. Juni 1902, ,,allerdings unpräjudizierlich unserem Rechte, nach genanntem Termin das Gesuch um Erteilung der Baubewilligung an das eidgenössische Eisenbahndepartement neuerdings stellen zu können, f a l l s d i e a n g e s t r e b t e F i n a n z i e r u n g d e r N o r m a l b a h n n i c h t z u s t ä n d e k o m m e n s o l l t e u n d ferner n u r auf Basis des letzten von den Vertretern der Bodensee-Toggenburgbahn unterzeichneten Stundungsvertrages". Der Verwaltungsrat ersuchte das Departement um die Zusicherung, daß durch eine solche Verlängerung nichts präjudiziert sei, sondern daß der Appenzellerbahn nach wie vor das Recht gewahrt bleibe, vom Eisenbahndepartement die Bewilligung für den Bau der Schmalspurlinie Herisau-St. Gallen zu verlangen.

Das Eisenbahndepartement gab diese Zusicherung mit Schreiben vom 17. Januar 1902; ging doch aus dem Schreiben des Verwaltungsrates nichts anderes hervor, als daß er immer noch damit einverstanden war, daß nur die Normalbahn oder die Schmalspurbahn, aber nicht beide zusammen, gebaut werden sollen ! Als die Frist des 30. Juni 1902 verstrich, ohne daß die Finanzierung der Normalbahn gelungen war, fand eine nochmalige Verlängerung ,,bis 1. Juli 1903, eventuell bis zur Erteilung der Baubewilligung an die Bodensee-Toggenburgbahna statt. Und unterm 4. Juli 1903 teilte der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn dem Eisenbahndepartement mit, daß er nochmals in eine
Verlängerung bis zum 30. Juli 1904 gewilligt habe.

Es ist auffällig, daß die Appenzellerbahn heute sich auf den Standpunkt stellt, als sei ihr mit der Verweigerung der Bau-

821 bewilligung unrecht geschehen, während aus ihrem ganzen bisherigen Verhalten hervorgeht, daß sie selbst einsah, daß eben nur für e i n e Bahn, entweder die Schmalspur- oder die Normalspurlinie, Platz sei. Noch in einem Schreiben vom 29. Dezember 1902 an das Eisenbahndepartement bemerkte der Verwaltungsrat: ,,Nachdem nun der st. gallische Kantonsrat mit zirka 120 gegen 3 Stimmen die Übernahme der Zinsengarantie für das zirka 10 Millionen betragende Obligationenkapital beschlossen, bestehen wohl keine Zweifel mehr über die Ausführung der Linie St. GallenWattwil u n d s o m i t ü b e r d i e N i c h t v e r w e n d b a r k e i t u n s e r e s 4Va °/o O b l i g a t i o n e n a n l e i h e n s . " Hätte der Verwaltungsrat das schreiben können, wenn er das Bewußtsein gehabt hätte, daß ihm die Baubewilligung ohne Rücksicht auf das Zustandekommen der Normalbahn hätte erteilt werden sollen ?

IX.

Mit dem Perfektwerden der Finanzierung der BodenseeToggenburgbahn trat die Angelegenheit in ein neues Stadium.

Wie der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn in dem erwähnten Schreiben vom 29. Dezember 1902 selbst anerkannte, wurde das Anleihen, das er seinerzeit für den Bau der schmalspurigen Linie kontrahiert hatte, definitiv unverwendbar, und es handelte sich nun hauptsächlich darum, für die Zeit bis zur Rückzahlung Deckung zu schaffen für die Differenz zwischen dem vertraglichen Anleihenszins und dem Zinsenertrag im Depot beim Schweizerischen Bankverein in Zürich. Nach Ansicht des Verwaltungsrates sollte die Bodensee-Toggenburgbahn entweder bei der Übertragung der Konzession St. Gallen-Wattwil oder später bei der Genehmigung des Finanzausweises zur Übernahme der vollen Entschädigungspflicht angehalten werden. Eventuell müßte der Bundesfiskus für den Schaden, der der Appenzellerbahn ohne ihr Verschulden erwachse, verantwortlich erklärt werden.

Das Eisenbahndepartement antwortete hierauf unterm 25. Juni 1903, es müsse eine Entschädigungspflicht des Bundesfiskus ganz entschieden in Abrede stellen. Dem Gesuche, bei Anlaß der Übertragung der Konzession für die Strecke St. Gallen-Wattwil auf das Initiativkomitee der Bodensee-Toggenburgbahn den Konzessionären die Entschädigungspflicht zu Uberbinden, habe schon, deshalb nicht entsprochen werden können, weil die Bundesversammlung schon vorher, nämlich unterm 19. Dezember 1902, der Konzessionsübertragung zugestimmt hatte. Dagegen erscheine als selbstverständlich, daß diese Frage dann entschieden werden müsse, wenn der Finanzausweis der Bodensee-Toggenburgbahn zur Ge-

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nehmigung vorliege. Das Departement werde nicht ermangeln, der Appenzellerbahn dannzumal Gelegenheit zu geben, ihre Ansprüche ziffermäßig zu begründen.

Als dann der Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn unterm 4. Juni 1904 den Finanzaussveis leistete, stellte das Departement der Appenzellerbahn anheim, ihre Ansprüche ziffermäßig zu begründen. Sie tat dies mittelst Eingabe vom 3. August 1904, indem sie eine Rechnung von Fr. 132,421. 30 für direkt entstandene und noch entstehende Auslagen einreichte und außerdem verlangte, daß ihr für entgangenen und entgehenden Nutzen eine Aversalentschädigung von Fr. 200,000 ausgerichtet omd daß heute schon prinzipiell festgelegt werde, daß der zu erstellende Gemeinschaftsbahnhof Herisau ganz auf Kosten der Bodensee-Toggenburgbahn erstellt werde und der Appenzellerbahn in keinem Falle Kapitalzinsen in Rechnung gebracht werden dürfen. Für den Fall, daß der Appenzellerbahn Gemeinschaftsbetrieb konvenieren sollte, sei die Kostenberechnung der Bodensee-Toggenburgbahn an die Appenzellerbahn auf Basis der im Nebenbahnengesetz festgelegten Bestimmungen auszustellen.

Diese Entschädigungsansprüche wurden aber von der Appenzellerbahn nur subsidiär, d. h. für den Fall, daß ihr nicht gestattet würde, schmalspurig nach St. Gallen zu bauen, geltend gemacht.

Im offensichtlichen Widerspruch zu allen früheren Verhandlungen und im Gegensatz zu der Ansicht, die die Appenzellerbahn früher wiederholt und unzweideutig kundgegeben hatte, stellte sie in erster Linie das Begehren, ihr zu gestatten, die schmalspurige Linie von Herisau nach St. Gallen n e b e n der Normalbahn, eventuell auf gemeinsamem Tracé, zu bauen. Der Verwaltungsrat ersuchte das Departement, zwischen den beiden Bahnen zu vermitteln über einen gemeinsamen Bau. Wenn diese Verständigung scheitern oder wenn sie abgelehnt werden sollte, so habe die Appenzellerbahn immer noch das Recht, ihr konzessioniertes Tracé auszuführen und selbständig zu bauen.

Auf die Einladung des Departements ließ sich der Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn in ausführlicher Eingabe vom 22. August 1904 über das neue Begehren der Appenzellerbahn vernehmen, indem er zunächst nachwies, daß letztere von jeher der Ansicht gewesen sei, daß nur ein e Linie gebaut werden solle. Auch machte er darauf aufmerksam, daß die Bestimmung unter Ziffer
6 der Übereinkunft vom 16. Mai 1896 nie aufgehoben worden, noch aus ändern Rechtsgründen erloschen sei. Sie bestehe somit noch zu Recht, d. h. die Appenzellerbahn müßte, auch wenn ihr die Baubewilligung erteilt würde, das Teilstück St. Gallen-

823 Gübsenmoos der Bodensee-Toggenburgbahn als Rechtsnachfolgerin des Initiativkomitees St. Gallen-Zug zum Selbstkostenpreis abtreten.

Sodann wies der Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn darauf hin, daß die Pläne der Appenzellerbahn vom Jahr 1899 jedenfalls überholt seien, da z. B. die Einfahrt in St. Gallen unter keinen Umständen mehr in der damals vorgesehenen Weise stattfinden könnte. Was die von der Appenzellerbahn mit großem Nachdruck betonten volkswirtschaftlichen Gründe betreffe, die für die doppelte Führung der Linie sprechen sollten, so sei gerade das Gegenteil zutreffend. Das öffentliche Interesse verlange nur eine Bahn, da sonst bei den zu erwartenden hohen Baukosten beide Konkurrenten gefährdet würden. Der Vervvaltungsrat der BodenseeToggenburgbahn sei daher genötigt, den Hauptvorschlag der Appenzellerbahn abzulehnen und sowohl gegen gemeinsamen, als gegen Doppelbau zu protestieren, einen ändern Bescheid könnte er seinen Subvenienten gegenüber nicht verantworten. Er sei bereit, die im Stundungsvertrage vorgesehenen finanziellen Leistungen der Appenzellerbahn gegenüber in guten Treuen zu erfüllen; zu mehr sei er nicht verpflichtet.

Im weitern beschäftigte sich die Vernehmlassung des Verwaltungsrates der Bodensee-Toggenburgbahn mit den einzelnen Posten der von der Appenzellerbahn aufgestellten Schadenersatzrechnung, ohne aber mehr anzuerkennen, als was sich aus dem Stundungsvertrag zu Lasten der Bodensee-Toggenburgbahn ergab.

Über die ändern Forderungen habe der Richter zu entscheiden.

Da in der Tat bei dieser ablehnenden Haltung des Verwaltungsrates der Bodensee-Toggenburgbahn weder das Eisenbahndepartement, noch der Bundesrat kompetent war, denselben durch Verweigerung der Genehmigung des Finanzausweises zur Anerkennung der Schadenersatzansprüche der Appenzellerbahn zu zwingen und da der Finanzausweis bei einem Kostenvoranschlage von Fr. 20,340,000 für ein Kapital von Fr. 21,000,000 geleistet war, so daß die Differenz von Fr. 660,000 auf alle Fälle als genügend erschien, um auch die weitestgehenden Forderungen der Appenzellerbahn zu decken, so sah sich das Eisenbahndepartement nicht veranlaßt, dem Bundesrate die Beanstandung des Finanzausweises zu beantragen. Dieser wurde daher durch Bundesratsbeschluß vom 26. August 1904 genehmigt.

X.

Übergehend zu der Rckurseingabe der Appenzellerbahn vom 10. Februar 1905, können wir uns, da wir im Vorstehenden eine aktenmäßige Darlegung des Sachverhaltes gegeben und gelegent-

824 lieh die Behauptungen der Appenzellerbahn richtiggestellt haben, auf folgende Bemerkungen beschränken: Wenn der Verwaltungsrat der Appenzellerbahn behauptet, er habe auf das Recht, zu bauen, nie verzichtet, und die Sache so darstellt, als könnten beide Bahnprojekte neben einander ausgeführt werden, und wenn er endlich wiederholt behauptet, die Konzession für die Normalspurbahn St. Gallen-Wattwil sei n a c h derjenigen für die Schmalspurbahn St. Gallen-Herisau erteilt worden, so ist hierauf zunächst zu erwidern, daß die Konzession der Appenzellerbahn nicht die ältere, sondern die jüngere ist; sie trägt das Datum des 24. März 1897, während die Normalbahn St. GallenWattwil schon am 27. Juni 1890 konzessioniert wurde.

Daß sich die beiden Konzessionen nicht ausschließen, ist ebenfalls nicht richtig, wenn man die Verhandlungen berücksichtigt, die der Schmalspurbahnkonzession vorausgingen, und die Vorlagen, die dieser Konzession zur Grundlage dienten. Es ist freilich im Bundesbeschlusse nicht expressis verbis gesagt, daß die Konzession mit der Verwirklichung der Normalbahn dahinfalle; das war aber auch nicht nötig, da im Artikel 8 dafür gesorgt wurde, daß die Übereinkunft vom 16. Mai 1896 erfüllt werde, und da die Konzessionsvorlagen der Appenzellerbahn in Verbindung mit der Botschaft des Bundesrates keinen Zweifel darüber aufkommen ließen, wie die Erteilung der Konzession gemeint sei.

Wenn sodann die AppenzeJlerbahn sich darauf etwas zu gute tut, sie habe die Baupläne schon längst eingereicht, so ist ihr entgegenzuhalten, daß die Frist, innerhalb welcher die technischen und finanziellen Vorlagen nebst den revidierten Statuten dorn Bundesrate eingereicht werden sollten, am 24. März 1899 ablief.

Bis dahin waren aber nur die Statuten und der Finanzausweis vorgelegt worden; die Baupläne dagegen wurden erst am 29. Mai 1899 eingereicht. Somit wäre die Konzession am 24. März 1899 erloschen.

Es mag auch hier erwähnt werden, daß eine formelle Baubewilligung weder vom Eisenbahndepartement, noch vom Bundesrate erteilt zu werden braucht; eine solche ist in der EisenbahngesetzgebuQg nicht vorgesehen. Die Ermächtigung zum Bau erhält eine Bahngesellschaft einzig und allein durch die Genehmigung des Bauplanes. Wenn also der Bundesrat dem Gesuche der Appenzellerbahn entsprechen wollte, so könnte dies nur dadurch
geschehen, daß er die von ihr im Jahr 1899 vorgelegten Baupläne genehmigen würde. Ein solcher Beschluß würde aber, auch wenn er materiell, d. h. mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Tracés und namentlich auf die Einführung- in St. Gallen möglich

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wäre, der Appenzelierbahn nichts nützen, weil sie gemäß der Übereinkunft vom 16. Mai 1896 verpflichtet wäre, die Strecke von St. Gallen bis zu einem noch zu bezeichnenden Punkte zwischen der Sitterbrücke und der besteheuden Linie Herisau-Winkeln an die Bodensee-Toggenburg-Bahn abzutreten.

XI.

Wenn die Rekurseingabe ferner geltend macht, die Übereinkunft, welche der Verwaltungsrat der Appenzelierbahn am 16. Mai 1896 mit dem Initiativkomitee St. Gallen-Zug abgeschlossen hatte, sei der Konzession für die Schmalspurbahn St. Gallen-Herisau nicht zu Grunde gelegt worden, so verweisen wir auf das sub III hiervor Gesagte. Angesichts jener Übereinkunft war es eben nicht nötig, die Konzession ausdrücklich als fakultativ zu erklären, da damals niemand ahnen konnte, daß der Verwaltungsrat der Appenzelierbahn einstmals dazu gelangen werde, jene Übereinkunft als für ihn unverbindlich zu erklären.

XII.

Die Appenzelierbahn beruft sich auch darauf, daß sie noch vor Jahresfrist vom Eisenbahndepartement als Mitinteressierte zu einem den Ausbau des Bahnhofes St. Gallen betreffenden Augenschein eiageladen worden sei und daß das Departement bei den Verlängerungen des Stundungsvertrages nie unterlassen habe, zu erklären, daß sie nach Ablauf des Abkommens berechtigt sei, das Baugesuch wieder zu stellen.

Hierauf ist zu entgegnen, daß das Departement die Appenzelierbahn so lange als am Umbau des Bahnhofes St. Gallen mitinteressiert betrachten mußte, als die Frage, welche Bahn, die normalspurige oder die schmalspurige, gebaut werde, eine offene war. Und diese Frage blieb jedenfalls, aber auch nur so lange offen, als der Finanzausweis für die Normalbahn nicht geleistet war. Sowie aber dieser Ausweis die Genehmigung des Bundesrates erhalten hatte, mußte gemäß den verschiedenen erwähnten Vereinbarungen und gemäß dem Sinn der Konzession vom 24. März 1897 die Ausführung der Schmalspurbahn als gegenstandslos betrachtet werden.

Und aus dem gleichen Grunde mußte das Departement die Frage der Appenzelierbahn, ob sie nach Ablauf des Stundungsvertrages das Baubewilligungsgesuch erneuern dürfe, jeweilen be-

826 jähen. Denn solange die Konkurrenzfrage nicht entschieden war, konnte der Bau der Schmalspurbahn nicht-] definitiv verweigert.

werdeo.

XIII.

Der Abschnitt X der Rekurseingabe handelt von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit, von der Bodensee-Toggenburg-Bahn vor dem Richter eine genügende Entschädigung dafür erhältlich zu machen, daß die Appenzellerbahn nunmehr definitiv nicht bauen könne. Dabei wird dem Bundesrate vorgeworfen, es habe unterlassen, die Bodensee-Toggenburg-Bahn anläßlich der Genehmigung des Finanzausweises zur Schadloshaltung zu verpflichten.

Dieser Vorwurf ist gänzlich unbegründet, da, wie wir schon oben unter IX nachgewiesen haben, dem Departement und dem Bundesrate die Kompetenz fehlte, einen solchen Urteilsspruch zu fällen. Und wenn auch diese Kompetenz vorhanden gewesen wäre, so hätte es der Wortlaut der verschiedenen Vereinbarungen verboten; die Appenzellerbahn hatte ja selbst mehr als einmal expressis verbis anerkannt, daß die Schmalspurbahn nur gebaut werden solle, wenn die Normalbahn n i c h t zu stände komme!

Woher rührt überhaupt der finanzielle Nachteil, den die Appenzellerbahn geltend macht? Daher, daß sie sich nicht an den Artikel 10 ihres Anleihensvertrages hielt, wonach dieser erst in Kraft treten, sie also erst Schuldnerin werden sollte, nachdem nicht nur der Finanzausweis, sondera auch die Baupläne für die Schmalspurlinie genehmigt worden seien! Und nun für ihre Voreiligkeit die Bodensee-Toggenburg-Baho verantwortlich machen zu wollen, geht etwas weit !

XIV.

Wenn die Appenzellerbahn schließlich damit droht, den Bund auf Schadenersatz zu belangen, so vergreift sie sich in den Mitteln, um eine Genehmigung des Bauplanes herbeizuführen.

Wir glauben, über diesen Punkt keine Worte mehr verlieren zu müssen. Die Verweigerung der Plangenehmigung ist, wie wir nachgewiesen zu haben hoffen, auf Grund der Konzession, wie namentlich auf Grund der verschiedenen Verträge gerechtfertigt.

Der Bundesrat sieht dem Prozesse ruhig entgegen.

Wir stellen Ihnen daher den Antrag, die Beschwerde des Verwaltungsrates der Appenzellerbahn als unbegründet abzuweisen.

827

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 25. März 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rächet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:: Ringier.

828

# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen wiederholter Gefährdung des Eisenbahnverkehrs bestraften Jakob Benz, Weichenwärter in Richterswil, zurzeit in Strafhaft im Bezirksgefängnis Horgen.

(Vom 25. März 1905.)

Tit.

'

Jakob Benz, Weichenwärter der Station Richterswil der schweizerischen Bundesbahnen, hat sich in zwei Malen der fahrlässigen Gefährdung des Eisenbahnverkehrs schuldig gemacht, und zwar : a. am 17. Mai 1904 durch Anordnung des Abstoßens dreier Wagen im Gebiete des Bahnhofes Richterswil ohne vorschriftsmäßige Besetzung der Bremsen; 6. am 9. Juli 1904 durch Unterlassung des Schließens einer Barriere in der Nähe der Station Richterswil bei Herannahen eines fälligen Personenschnellzuges der schweizerischen Bundesbahnen.

Die objektive Folge dieser Verletzung dienstlicher Pflichten bestand am 17. Mai 1904 darin, daß die abgestoßenen Wagen

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beschwerde des Verwaltungsrates der Appenzellerbahn wegen Verweigerung der Plangenehmigung für die Strecke Herisau-St. Gallen. (Vom 25. März 1905.)

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1905

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14

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29.03.1905

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