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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Emil Schmid, Maurer, August Schneider, Bahnarbeiter und Alfred Schneider, Bäcker, sämtliche in Würenlingen, Kanton Aargau.

(Vom 26. August 1905.)

Tit.

I. Das Obergericht des Kantons Aargau hat am 29. April 1905 in drei getrennten Urteilen die vorstehend genannten Einwohner von Würenlingen wegen schuldhafter Nichtbezahlung der Militärsteuer pro 1904 mit je einem Tag Haft bestraft und den Verurteilten die Kosten der Untersuchung und des Gerichtsverfahrens überbunden.

II. Aus der Begründung der Erkenntnisse ergibt sich : 1. Bezüglich Emil Schmid: Er schuldete Fr. 10. 50 Militärpflichtersatz und wurde nachdem die gesetzlich vorgeschriebenen Zahlungsmahnungen der Militärbehörde erfolglos geblieben waren, am 24. Oktober 1904 durch den Kreiskommandanten beim Bezirksamte verzeigt. Am 4. November 1904 bezahlte er die Steuer, worauf das Bezirksgericht Baden ihn am 13. Dezember von Schuld und Strafe freisprach. Infolge Appellation der Staatsanwaltschaft aber wurde

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dieses Urteil obergerichtlich aufgehoben und die oben erwähnte Strafe verhängt im wesentlichen mit der Begründung: Der Angeklagte habe, ohne durch ökonomische Not dazu gezwungen zu sein, den Mahnungen der Militärbehörde keine Folge geleistet und es vorgezogen, die Zahlung bis zur Anhängigmachung der Untersuchung hinauszuziehen. Darin liege ein schuldhaftes Verhalten, dessen Wirkungen durch die nachträgliche Zahlung nicht aufgehoben werden. So wenig es ins Belieben der Militärpflichtigen gestellt sei, dem Aufgebote zur festgesetzten Stunde Folge zu leisten oder nicht, ebensowenig sei es ins Ermessen des Steuerpflichtigen gestellt, den gesetzten Zahlungstermin nach Belieben zu mißachten und die Zahlung hinauszuzögern, obgleich dieselbe innert gegebener Frist möglich wäre. So lange das Gesetz bestehe, habe es der Richter zu vollziehen, nicht an ihm sei es zu begnadigen.

2. Bezüglich des August Schneider: Er wurde wegen Nichtbezahlung von Fr. 12.90 nach vergeblichen Mahnungen am 24. Oktober 1904 .dem Bezirksamte verzeigt und bezahlte die Schuld am 31. gleichen Monats. Auch ihm gegenüber fällte das Bezirksgericht Baden am 13. Dezember ein freisprechendes Urteil, welches obergerichtlich aus den nämlichen Gründen aufgehoben und abgeändert wurde wie dasjenige gegen Emil Schmid.

3. Bezüglich Alfred Schneider : Dieser Ersatzpflichtige hatte im Mai 1904 gegen seine Taxation bei der obern Militärbehörde Rekurs eingereicht und eine Ermäßigung auf den Betrag von Fr. 7.50 erzielt, welchen er vor der Gerichtsverhandlung bezahlte. Das aargauische Obergericht ging bei Aufhebung des freisprechenden erstinstanzlichen Urteils von den nämlichen Erwägungen aus, wie in den Fällen Emu Schmid und August Schneider mit dem Beifügen, daß nach Maßgabe der aargauischen Vollziehungsverordnung vom 24. Dezember 1901 zu den Bundesgesetzen betreffend den Militärpflichtersatz die Einlegung von Rekurs gegen eine erstinstanzliche Taxation keineswegs ohne weiteres von der Pflicht sofortiger Zahlung entbinde.

in. Die Verurteilten ersuchen um Erlaß der Gefängnisstrafe auf dem Gnadenwege. Sie berufen sich dabei auf die ständige Praxis der Bundesversammlung, welche bisher die Begnadigung dann stets eintreten ließ, wenn die rückständige Ersatzsteuer vor

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Ausfüllung des Strafurteils bezahlt worden war. Die Rechtsprechung des aargauischen Obergerichts entspricht allerdings einer strengen Auslegung und Anwendung des ßundesgesetzes vom 29. März 1901. Bei Entscheidung der Frage aber, ob in solchen Fällen nicht der Vollzug der ausgefällten Freiheitsstrafe aufgehoben und in der Verpflichtung zur Bezahlung der aufgelaufenen Kosten eine genügende Bestrafung der Fehlbaren erblickt werden solle, hat sich die Bundesversammlung jeweilen stets von milderen Erwägungen leiten lassen, welche auch auf die vorliegenden Strafurteile in analogem Sinne Anwendung finden dürften.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A n t r a g:

Es sei den Potenten Emil Schmid, August Schneider und Alfred Schneider die ihnen durch das aargauische Obergericht auferlegte Gefängnisstrafe in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den 26. August 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsideiit:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz bestraften Arnold Mettler, Uhrenmacher, in Pruntrut.

(Vom 26. August 1905.)

Tit.

Arnold Mettler, Uhrenmacher in Pruntrut, verheiratet und Vater von drei Kindern, wurde am 23. September 1904 vom dortigen Kreiskommando dem Regierungsstatthalteramt überwiesen, weil er die Militärsteuer pro 1904 im Betrage von Fr. 19. 30 nicht bezahlt hatte. Die Militärbehörde konstatierte bei der Vorzeigung, daß Mettler gegen die Taxation keine Einsprache erhoben habe und daß die gesetzlichen Mahnungen erfolglos geblieben seien ; auch sei kein Zeugnis über Arbeits- und Verdienstlosigkeit eingereicht worden und anzunehmen, die Taxe hätte bei ein wenig gutem Willen bezahlt werden können.

Vor dem Polizeirichter anerkannte Mettler laut Protokoll die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen der Überweisungsbehörde. Auf sein Begehren wurde ihm am 7. November 1904 Frist gewährt bis zum 19. Dezember, um seine Schuld zu tilgen.

An diesem Termin aber blieb er gänzlich aus, worauf ihn der Richter der Übertretung des Bundesgesetzes vom 29. März 1904 Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. V.

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30.08.1905

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66-69

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