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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Gefährdung des Eisenbahnverkehrs bestraften François Joris, Weichenwärters in Sitten, und Jean Dallèves, Bahnarbeiters, wohnhaft in Salins bei Sitten.

(Vom 1. September 1905.)

Tit.

Am 30. August 1904 stieß der Güterzug Nr. 3124 der Bundesbahnen bei der Einfahrt in die Station Sitten infolge falscher Weichenstellung auf den dort im Geleise III stillstehenden unbesetzten Zug Nr. 3129, was die Gefährdung des Personales des einfahrenden Zuges und eine beträchtliche Schädigung an Maschinen und Wagen beider Züge zur Folge hatte.

Die Ursache des Zusammenstoßes war fahrlässige Diensterfüllung des Weichenwärters François J o r i s und des Bahnarbeiters Jean D a l l è v e s , beide angestellt im Bahnhofe Sitten.

Der erstere hatte die ihm obliegende Kontrolle der Weiche unterlassen, welche den einfahrenden Zug auf das Geleise II leiten sollte, der letztere hatte für ein von ihm geleitetes Manöver die Stellung der kritischen Weiche verändert und sie nicht mehr in die richtige Lage zurückgebracht, beide entgegen klaren und ihnen wohlbekannten Dienstvorschriften. Das Bezirksgericht von Sitten erklärte durch Urteil vom 5. Januar 1905 unter einläßlicher Begründung sowohl Joris als Dallèves der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig und verurteilte sie zu je Fr. 50 Geldbuße

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und Tragung der Kosten, wobei zu ihren Gunsten der Umstand in Betracht gezogen wurde, daß der Bahnhof Sitten notorisch eine ungenügende Anzahl von Angestellten habe.

Die Verurteilten ersuchen um Erlaß der Strafe durch Begnadigung. Sie unterlassen dabei jede Kritik des gerichtlichen Urteils und erklären, daß es sich für sie lediglich darum handle, die finanziellen Folgen der Bestrafung von sich und ihren Familien abzuwenden, weil sie kein Vermögen besäßen und ihr Auskommen mit täglicher Arbeit verdienen müßten. Die erwachsenen Ge richts- und Verteidigungskosten sind riach ihrer eigenen Angabe von der ,,Gesellschaft der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffangestelltena, deren Mitglieder sie sind, für sie bezahlt worden.

Im vorliegenden Falle hat der zuständige Richter das Verschulden der beiden Petenten an dem Eisenbahnunfall, bei welchem Personen gefährdet und Sachen in erheblichem Werte beschädigt wurden, in unanfechtbarer Weise festgestellt. Er hat auch bei Ausmessung der Strafe alle Umstände berücksichtigt, welche zu gunsten der Angeklagten vorgebracht werden konnten, derart, daß die ausgesprochene Strafe sich als milde darstellt.

Eine weitere Ermäßigung oder vollständige Aufhebung der Strafe im Wege der Begnadigung, wodurch die vom Gesetz geforderte strafrechtliche Sühne nahezu oder gänzlich aufgehoben würde, erscheint angesichts des nicht unbedeutenden Schadens und der erwiesenen Fahrlässigkeit der beiden Verurteilten nicht gerechtfertigt.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Das auf Erlaß der verhängten Bußen gerichtete Begnadigungsgesuch von Joris und Dallèves sei abzuweisen.

B e r n , den 1. September 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Gefährdung des Eisenbahnverkehrs bestraften François Joris, Weichenwärters in Sitten, und Jean Dallèves, Bahnarbeiters, wohnhaft in Salins bei Sitten. (Vom 1. September...

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1905

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06.09.1905

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88-89

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