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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen wiederholter Gefährdung des Eisenbahnverkehrs bestraften Jakob Benz, Weichenwärter in Richterswil, zurzeit in Strafhaft im Bezirksgefängnis Horgen.

(Vom 25. März 1905.)

Tit.

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Jakob Benz, Weichenwärter der Station Richterswil der schweizerischen Bundesbahnen, hat sich in zwei Malen der fahrlässigen Gefährdung des Eisenbahnverkehrs schuldig gemacht, und zwar : a. am 17. Mai 1904 durch Anordnung des Abstoßens dreier Wagen im Gebiete des Bahnhofes Richterswil ohne vorschriftsmäßige Besetzung der Bremsen; 6. am 9. Juli 1904 durch Unterlassung des Schließens einer Barriere in der Nähe der Station Richterswil bei Herannahen eines fälligen Personenschnellzuges der schweizerischen Bundesbahnen.

Die objektive Folge dieser Verletzung dienstlicher Pflichten bestand am 17. Mai 1904 darin, daß die abgestoßenen Wagen

829 scharf auf eine andere im Geleise stehende Wagengruppe stießen und daß durch diesen Choc Aloys Bumbacher, Landwirt im Schürli, Samstagern, der sich als Begleiter eines Stückes Vieh in ·einem der abgestoßenen Güterwagen befand, zu Boden geworfen wurde und einen Schädelbruch mit schweren Kopfverletzungen erlitt. Am 9. Juli 1904 verschuldete das Unterlassen des Schließens der Barriere, daß ein zweispänniges, mit Langholz beladenes Fuhrwerk mit seinem Führer in dem Momente die Bahnlinie passierte, als der Personenschnellzug heranfuhr, der den Wagen noch am hintern Ende erfaßte und mit seiner Last beiseite schleuderte. Bei diesem zweiten Unfall wurde zwar der Zugsverkebr schwer gefährdet, aber nur ein Schaden an Rollmaterial von Fr. 233 herbeigeführt, indem der Fuhrmann des Lastwagens und auch die Pferde unversehrt blieben.

Wegen beider Vorfälle wurde gegen Benz Anklage erhoben, gestützt auf Art. 67 b des Bundesstrafrechtes, und das Bezirksgericht Borgen verurteilte ihn am 12. November 1904 ïu einer Gesamtstrafe von drei Monaten Gefängnis und Fr. 30 Geldbuße, ferner zur Bezahlung der Gerichtskosten mit Inbegriff von Fr. 40 .Staatsgebühr und zum Ersätze des am 9. Juli 1904 entstandenen Materialschadens, wobei den schweizerischen Bundesbahnen auch das Recht zum Regreß auf den Verurteilten hinsichtlich allfälliger Schadensersatzansprüche, die von dritten Personen aus dem Vorfalle vom 9. Juli 1904 hergeleitet werden sollten, gewahrt wurde.

Die Schadenersatzansprüche aus dem Unfälle vom 17. Mai 1904 wurden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen. Das Obergericht des Kantons Zürich, an welches Benz appellierte, bestätigte dieses Urteil in allen Teilen unter Kostenauflage. In beiden Instanzen wurde zu gunsten des Angeklagten 'festgestellt, daß er nicht gewußt habe und unter gegebenen Verhältnissen auch nicht habe feststellen müssen, ob in einem der am 17. Mai 1904 abgestoßenen Wagen sich ein Mensch befände.

Benz stellt das Gesuch, es möchte die ihm auferlegte Gefängnisstrafe im Gnadenwege auf zwei Monate reduziert werden, indem er auf die schweren Nebenfolgen finanzieller Art hinweist, welche in Form von Buße, Kosten, Entschädigungen und Ver·dienstausfall ihn neben der Hauptstrafe belasten. Er macht geltend, bezüglich des Unfalles vom 14. Mai 1904 liege nur ein geringes Verschulden vor und bei Beurteilung der Fahrlässigkeit vom 9. Juli 1904 falle mildernd in Betracht, daß er damals infolge der Nachricht, sein Vater liege im Sterben, sich in hochgradiger

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Aufregung befunden habe. Die Herabsetzung der Strafe auf zwei Monate würde auch der Praxis der Gerichte und der Begnadigungsinstanz in ähnlichen Fällen entsprechen; im zürcherischen Obergericht sei anläßlich eines späteren analogen Falles die Ansicht geäußert worden, das Bundesstrafrecht betreffend Eisenbahngefährdung müsse überhaupt in vielen Fällen durch das Mittel der Begnadigung korrigiert werden.

Als Beilage zu seinem Begnadigungsgesuch produziert Benz eine Traueranzeige über den am 9. Juli 1904 erfolgten'. Tod seines Vaters Plazidus Benz, in Neuenhof, Kanton Aargau.

Benz hat laut Zeugnis des Statthalteramtes Horgen die ihm auferlegte Gefängnisstrafe am 2. Februar 1905 angetreten. Für den Fall, daß sein Gesuch nicht in der Märzsession der eidgenössischen Räte zur Behandlung kommen sollte, bittet er um provisorische Unterbrechung des Strafvollzuges auf Ende dieses Monates.

Es handeltl, sich im vorliegenden Falle um zwei Gefährdungen des Eisenbahnverkehrs durch den nämlichen Bahnangcstellten. Die eine wurde herbeigeführt durch Vernachlässigung der unter gewöhnlichen Umständen nicht sehr wichtigen Vorschrift der Begleitung abgestoßener Güterwagen ; sie würde daher auch keine besonders schwere Strafe rechtfertigen, trotzdem sie aus Gründen, die dem B'ehlbaren nicht bekannt waren, mit bedeutender Schädigung der Gesundheit eines Menschen verbunden war. Der zweite Unfall wurde durch grobe Vernachlässigung einer ganz einfachen Dienstpflicht verschuldet, dadurch nämlich, daß der Bahnangestellte die ihm anvertraute Schließung einer Barriere beim Herannahen eines Personenschnellzuges unterließ.

Die auf diese Weise möglich gewordene Kollision des Zuges mit einem schwer beladenen Lastfuhrwerk setzte die Insaßen des ersteren in große Lebensgefahr und wenn auch durch glücklichen Zufall nur Schaden an Material entstand, so muß doch die ganze vom Barrierenwärter verschuldete Situation in ernste Berücksichtigung gezogen werden. Die urteilenden Gerichte haben bei Ausmessung der Strafe alle Verhältnisse genau gekannt, vielleicht mit Ausnahme der Gemütsbewegung, in welcher Benz sich, laut Inhalt des Begnadigungsgesuches, am 9. Juli wegen des Krankheitszustandes seines Vaters befunden haben soll. Die Strafe von drei Monaten Gefängnis und Fr. 70 Geldbuße erscheint, mit Rücksicht auf das gesetzliche Maximum von drei Jahren, keineswegs übermäßig hoch.

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Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Jakob Benz abzuweisen.

B e r n , den 25. März 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen wiederholter Gefährdung des Eisenbahnverkehrs bestraften Jakob Benz, Weichenwärter in Richterswil, zurzeit in Strafhaft im Bezirksgefängnis Horgen. (Vom 25. März 1905.)

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