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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde des Gottfried Müller in Ariesheim gegen den Entscheid des Bundesrates .vom 10. März 1905 betreffend WirtGeschäftspatenverweigerung.

(Vom 22. Juni 1905.)

Tit.

I.

Durch Entscheid vom 10. März 1905 *) hat der Bundesrat eine Beschwerde des G. Müller in Ariesheim wegen Verweigerung eines Wirtschaftspatents als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte an Hand einer Reihe von Patentbewilligungen nachzuweisen gesucht, daß die ihm widerfahrene Patentverweigerung einen Akt rechtsungleicher Behandlung darstelle. Namentlich hatte er sich dabei auch auf eine der Birseckbahn-Gesellschaft ausgestellte Patentzusicherung des Regierungsrats des Kantons Baselland gestützt. Der Bundesrat erachtete aber den Nachweis einer rechtsungleichen Behandlung als nicht erbracht und wies insbesondere in längeren Ausführungen die auf die Patentzusicherung an die genannte Bahngesellschaft aufgebaute Argumentation des Rekurrenten zurück.

II.

Gegen diesen Entscheid des Bundesrats richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde Müllers an die Bundesversammlung mit dem Begehren, es sei der angefochtene Entscheid des Bundesrates aufzuheben und in weiterer Aufhebung der Beschlüsse des Regierungsrats des Kantons Basellandschaft vom 9. November und 3. Dezember 1904 der Regierungsrat anzuhalten, dem Unterzeichneten ein Patent für eine Schenkwirtschaft in Ariesheim pro 1905 zu erteilen.

*) Siehe Bundesblatt 1906 I, 944.

516 a. Die Begründung der Beschwerde enthält, soweit sie wiederum auf die Patentzusicherung an die Birseckbahn-Gesellschaft Bezug nimmt, nichts wesentlich Neues, namentlich nichts, was für die rechtliche Beurteilung der Beschwerde in Betracht kommt. Wir beschränken uns daher darauf, einen Satz aus diesen langen Erörterungen hervorzuheben, auf den wir später zurückzukommen genötigt sind. Er lautet: ,,Wenn deshalb die Motivierung des bundesrätlichen Entscheides von mir den Beweis verlangt, daß die Regierung der Birseckbahn-Gesellschaft ein Patent erteilt hätte, so verlangt sie den Beweis für etwas, was die Regierung selbst niemals bestritten hat und wofür ein Beweis formell Überhaupt nicht zu erbringen ist."

b. Im übrigen betont der Rekurrent den Satz, daß der Regierungsrat sich durch die gemeinderätliche Begutachtung von Wirtschaftsgesuchen in seinen bezüglichen Beschlußfassungen absolut nicht gebunden erachte. Zur Erhärtung dieser Behauptung führt er eine Reihe von Fällen aus den Jahren 1903 und 1904 an, in denen Patente erteilt worden sind, trotzdem der betreffende Gemeinderat die Gesuche nicht empfohlen hatte. Der Rekurrent folgert dann, es genüge deshalb zur Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung solcher Gesuche seitens des Regierungsrates nicht, wenn dieser sich einfach darauf berufen könne, in dem einen Fall habe der betreffende Gemeinderat das Gesuch befürwortet, in dem andern dagegen nicht. Da nun der Regierungsrat das Gesuch des Rekurrenten einzig auf Grund des ablehnenden Gutachtens des Gemeinderats von Ariesheim abgewiesen habe, trotzdem er das Bedürfnis für eine Wirtschaft bei der Haltestelle Ariesheim-Dorf in der Patentzusicherung an die Bahngesellschaft anerkannt hatte, habe er den Rekurrenten allen den Bewerbern gegenüber ungerecht und ungleich behandelt, denen er, entgegen der Begutachtung der Gemeinderäte, Patente erteilte.

III.

Aus der auf Abweisung der Beschwerde antragenden Vernehmlassung des Regierungsrats des Kantons Basellandschaft vom 24. Mai 1905 zur vorliegenden Beschwerde ist, abgesehen wiederum von dem, was sieh auf die Patentzusicherung an die BirseckbahnGesellschaft bezieht, folgendes zu erwähnen : Bei den vom Rekurrenten als neu angeführten sieben Patenten pro 1904 handle es sich in zwei Fällen um Bewilligungen, welche überhaupt nicht unter das Wirtschaftsgesetz fallen, indem die betreffenden Gesuchsteller nur das Recht hätten, an ihre Arbeiter auf den von Ortschaften weit entfernten Arbeitsplätzen Wein und

517 Bier verabfolgen zu lassen. Zwei weitere Patente beträfen Kaffeewirtschaften und nur drei Patente 'eigentliche Wirtschaften, über deren Bewilligung er, der Regierungsrat, sich schon ausgesprochen habe.

Daß der Regierungsrat nicht gehalten sei, sich immer an die Begutachtung der Gemeinderäte zu halten, gehe schon aus § 13, Abs. 2, des Wirtschaftsgesetzes hervor, wonach die Patentgesuche in bezug auf ihre Zulässigkeit auch von einer Bezirkskommission nochmals müssen geprüft werden, worauf dann erst der Regierungsrat zu entscheiden hat. Diese Entscheide würden in freier Würdigung der Beschlußfassung der untern Behörden (Gemeindeiat und Bezirkskommission) getroffen, und es könne daher nicht von einem ungleichen Verfahren die Rede sein, wenn die einzelnen Beschlüsse nicht immer im Einklang mit den Ansichtsäußerungen der Vorinstanzen stünden.

IV.

a. Aus dem vorstehenden ergibt sich, daß der Rekurrent keine neuen rechtlichen Argumente zur Unterstützung seiner Beschwerde beibringt. Denn die Ausführung des Rekurrenten, die Berufung auf das ablehnende Gutachten des Gemeinderats genüge zur Abweisung eines Patentgesuchs nicht, wenn in andern Fällen trotz ungünstiger Gutachten Patente erteilt würden, ist deshalb nicht stichhaltig, weil die Berufung auf das Gutachten nur ein abgekürzter Ausdruck dafür ist, daß der Regierungsrat bei seiner nach Gesetz vorgenommenen Überprüfung des Patentsgesuchs aus denselben Gründen zur Abweisung gelangt ist, wie der begutachtende Gemeinderat. Kommen nun Fälle vor, wo dem Regierungsrat die gemeinderätlichen Gründe nicht stichhaltig scheinen, so wird er eben vom Gutachten abweichen, ohne daß um deswillen allein, von einer rechtsungleichen Behandlung der verschiedenen Patentbewerber gesprochen werden kann.

b. Wenn der Rekurrent sodann behauptet, der Bundesrat habe in seinem Entscheid von ihm den Beweis dafür verlangt, daß der Regierungsrat der Birseckbahn - Gesellschaft das zugesicherte Patent erteilt haben würde, so ist demgegenüber auf den vorletzten Absatz des angefochtenen Entscheids zu verweisen, wo deutlich gesagt ist, ein solcher Nachweis könne nicht erbracht werden. Der Bundesrat hat nur gegen das stets wiederholte Argument des Rekurrenten Stellung genommen, jene unbewiesene und unbeweisbare Behauptung als eine vollendete Tatsache hinzustellen und daraus zu seinen gunsten lautende Schlüsse zu ziehen.

c. Was endlich die vom Rekurrenten aus den Jahren 1903 und 1904 angeführten Fälle von Patenterteilungen anbelangt, so

518 sind dieselben mit Ausnahme der Fälle Hermann-Schaub in Läufelfingen, Oskar Stromeier in Lausen und Martin Hermann in Diepflingen dem Buudesrat bei Ausfällung des angefochtenen Entscheides nicht bekannt gewesen. Die Berücksichtigung dieser Tatsachen scheint uns ausgeschlossen. ES handelt sich um Patente, die erteilt worden sind, nachdem der Regierungsrat das Patentgesuch des Rekurrenten abgewiesen hatte oder welche diesem zur Zeit der Einreichung seiner Beschwerde bekannt sein mußten.

Soweit das erstere zutrifft, sind sie kaum geeignet, die Behauptung rechtsungleicher Behandlung zu rechtfertigen, sobald diese Behauptung sich auf vorhergegangene Ereignisse stützt, soweit letzteres gegeben ist, verdienen diese Tatsachen keine nähere Erwägung, weil sie verspätet angebracht sind. Auf sie näher einzugehen verbietet sich auch deshalb, weil der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung sich über die noch nicht behandelten Fälle aus dem Jahr 1903 gar nicht, über diejenigen aus dem Jahr 1904 nur so kurz ausspricht, daß eine Beurteilung der Sachlage kaum möglich ist. Endlich glauben wir, der Ansicht Ausdruck geben zu dürfen, daß auf diese vom Rekurrenten neu angeführten Tatsachen schon deshalb kein Gewicht gelegt werden kann, weil sie bloß zur Unterstützung des oben unter IV. lit. a als unstichhaltig gekennzeichneten Arguments des Rekurrenten herbeigezogen werden. Zum mindesten fehlt es auch diesen Angaben des Rekurrenten an der nötigen Genauigkeit, um einen Vergleich zwischen den maßgebenden Verhältnissen in den Gemeinden, wo entgegen dem gemeinderätlichen Gutachten Patente erteilt wurden, und den Verhältnissen in Ariesheim anstellen zu können.

Dies sind die besonderen Bemerkungen, zu welchen uns die Beschwerde Anlaß gibt. Wir glauben uns im übrigen mit dem Hinweis auf unsern Entscheid selbst begnügen zu können und stellen Ihnen, Tit., den Antrag: Die Beschwerde sei als unbegründet abzuweisen.

B e r n , den 22. Juni 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rnchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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