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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs des Verwaltungsrates der Bodensee-Toggenburgbahn gegen den Beschluß des Bundesrates vom 24. Januar 1905 betreffend ergänzende Bezeichnung der schweizerischen Nebenbahnen.

(Vom 30. März 1905.)

Tit.

I.

Durch Beschluß vom 10. August 1900 (E. A. S. XVI, 194) haben wir diejenigen im Betriebe stehenden Bahnen speziell bezeichnet, die als Nebenbahnen im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 aufzufassen sind.

Anläßlich eines Spezialfalles (Genehmigung des Bauprojektes der Solothurn-Münster-Bahn) hat sich das Bedürfnis gezeigt, auch bezüglich derjenigen Bahnunternehmungen, die bei Erlaß des Bundesratsbeschlusses vom 10. August 1900 noch nicht im Betriebe waren und in deren Konzessionen die Frage, ob die betreffende Bahn den Nebenbahnen zugeteilt werden solle, offen gelassen ist, eine entsprechende Verfügung zu treffen.

Das Eisenbahndepartement hat nun im August 1904 den Entwurf eines Bundesratsbeschlusses betreffend ergänzende Bezeichnung der schweizerischen Nebenbahnen aufgestellt, gemäß welchem als Nebenbahnen im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 folgende Bahnen bezeichnet werden sollten :

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1. Sämtliche Schmalspurbahnen, Zahnradbahnen, Seilbahnen, Straßenbahnen und Tramways.

2. Die im Entwurfe speziell genannten Normalspurbahnen, die bei Erlaß des Bundesratsbeschlusses betreifend Bezeichnung der schweizerischen Nebenbahnen vom 10. August 1902 noch nicht im Betriebe waren. Gemäß dem Entwurf des Eisenbahndepartements vom August 1904 wurden daher indirekt als Hauptbahnen erklärt die Linien : 1. Brig-lselle, 2. Wattwil-Uznach, 3. Frutigen-Brig, 4. Rornanshorn-St. Gallen-Wattwil (Bodensee-Toggenburgbahn).

Zum Zwecke eines Meinungsaustausches hat das Eisenbahndepartement diesen Entwurf der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen, dem Regierungsrat des Kantons Bern (als Konzessionär der Lötschbergbahn) und dem Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn zugestellt.

Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen und der Regierungsrat des Kantons Bern erklärten sich mit der vorgenommenen Klassifikation einverstanden, während der Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn mittelst Eingabe vom 28. September 1904 das Gesuch stellte, die Bodensee-Toggenburgbahn sei in ihrer jetzigen Gestalt, d. h. bis nach dem Ausbau der Fortsetzung nach Zug, unter die Nebenbahnen einzureihen, indem er zur Begründung im wesentlichen folgendes geltend machte : Gemäß Artikel l des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 bestehe das Charakteristikum der Nebenbahn darin, daß sie vorzugsweise dem Lokalverkehre oder speziellen Verkehrszwecken diene und nicht den großen Durchgangsverkehr filr Personen und Güter vermittle. Die Bodensee-Toggenburgbahn, welche zur Zeit in Wattwil ihren Abschluß finde, erfülle diese Vorbedingungen, wenigstens so lange, als ihre natürliche Endsektion, die Fortsetzung nach Zug, nicht gebaut sei. Als großer Durchgangsverkehr könnte nämlich für die Bodensee-Toggenburgbahn nur der Verkehr von St. Gallen, Rorschach oder Romanshorn über Uznach nach Zürich-Hauptbahnhof und weiter, nach Saigans und weiter und nach Thal wil und weiter in Betracht fallen. Die Distanzen dieser Relationen im Vergleich zu denjenigen der Konkurrenzlinien der schweizerischen Bundesbahnen seien folgende :

951 S. B. B.

km.

B. T.

km.

St. Gallen-Zürich-Hauptb.

via Winterthur 85 via Ricken 96 ,, -Sargans ,, Rorschach 81 ,, ,, 94 ,, -Thalwil ,, Winterthur 97 ,, ,, 85 Rorschach-B.-Zürich-Hauptb.

,, Romanshorn 99 ,, ,, 111 ,, -Sargans ,, Rheintal 66 ,, ,, 109 ,, -Thalwil ,, Romanshorn 111 ,, ,, 100 Romanshorn-Zürich-Hauptb.

,, Winterthur 83 ,, ,, 118 ,, -Sargans ,, Rorschach 81 ,, ,, 116 -Thalwil ,, Winterthur 95 ,, ,, 108 fl Aus diesem Vergleiche ergebe sich, daß die BodenseeToggenburgbahn im Transitverkehr, auch wenn ihre ungünstigeren Steigungsverhältnisse unberücksichtigt bleiben, mit Zürich und Sargans nicht konkurrenzfähig sei ; einzig im Verkehr St. Gallen und Rorschach mit Zug-Goldau und Zug-Luzern sei sie, von den ungünstigeren Steigungsverhältnissen abgesehen, um 11--12 km.

im Vorsprung. In ihrer heutigen Gestalt sei die Bodensee-Toggenburgbahn also eine Nebenbahn ; sie werde aber ihren Charakter ändern, eine sekundäre innere ost-westschweizerische Transitlinie und Zufahrtslinie zum Gotthard werden, wenn einmal die Fortführung nach Zug zur Ausführung komme. Diese Ansicht sei während der langen Jahre der Vorarbeiten für die BodenseeToggenburg bahn sowohl vom Initiativkomitee, als auch von den Ingenieuren und Experten geteilt worden. Zur Erhärtung dieser Aussage führte der Verwaltungsrat eine Anzahl Zitate aus Gutachten der Herren Brunner und Kürsteiner, Perks und Hennings, Weißenbach, Flury und Egger, Dietler, sowie Arbenz und Löffler an.

. Aber auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus betrachtet und mit Rücksicht auf den Sinn und Geist des Rückkaufsgesetzes erscheine die Einreihung unter die Hauptbahnen nicht billig. Zwar lasse ein reger Lokalverkehr schöne Einnahmen erwarten, aber diese können nicht verhindern, daß die Gegend große Opfer zu bringen habe, weil der außerordentlich kostspielige Bau der Linie die Rendite jedenfalls zu einer niedrigen machen werde. Obwohl von Kantonen und Gemeinden 11 Millionen Aktien gezeichnet worden seien, seien die Versuche, das Obligationenkapital zu annehmbaren Bedingungen zu beschaffen, gescheitert, so lange nicht die Übernahme der Zinsengarantie durch den Kanton St. Gallen beschlossen worden sei. Die BodenseeToggenburgbahn bedürfe der Nachsicht der schweizerischen Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. II.

63

952 Bundesbahnen in der Berechnung ihres Beitrages an die Anschlußstationen und Gemeinschaftsstrecken auch noch aus folgendem Grunde : Die nur 50 km. lange Bodensee-Toggenburgbahn habefünf Bahnhöfe und Stationen der schweizerischen Bundesbahn, nämlich Romanshorn, St. Fiden, St. Gallen, Lichtensteig und Wattwil mitzubenutzen, von welchen drei sehr teure Anlagen seien.

Im weitern bewege sich der große Verkehr von Herisau und der Appenzellerbahn mit St. Gallen nur 8 km. auf der BodenseeToggenburgbahn, so daß eine relativ starke Benützung der Stationen St. Gallen und St. Fiden stattfinden werde, ohne daß für die Bodensee-Toggenburgbahn eine entsprechend hohe Einnahme erzielt werden könne. Diese habe ebensogut Anspruch auf die Vorteile des Nebenbahnengesetzes wie die Weißensteinbahn und die Linie Langenthal-Wauwil, die voraussichtlich einen nicht unbedeutenden Transitverkehr bekommen werde. Wenn im Entwurfe des Bundesratsbeschlusses die Bodensee-Toggenburgbahn indirekt in die Kategorie der Hauptbahnen eingereiht sei, so sei dies wohl nicht in der Absicht geschehen, ihr die Begünstigungen des Nebenbahngesetzes vorzuenthalten, sondern nur, um verlangen zu können, daß der Bau selbst, in Hinsicht auf ihre spätere Mission und ihren engen Kontakt mit dem Bundesbahnnetz, nach den Vorschriften für Hauptbahnen durchgeführt werde. In der Voraussetzung, daß der Bau des Schlußstückes Pfäffikon-Zug später erfolge, sei der Verwaltungsrat bereit, bezüglich des Baues allen Bedingungen nachzukommen, die an eine Hauptbahn gestellt werden müssen. Er ersuche aber dringend, der BodenseeToggenburgbahn bis nach dem Bau der Fortsetzung nach Zug in den übrigen Punkten die Vorteile des Nebenbahnengesetzes zukommen zu lassen. Die Kostenberechnungen seien auf Grund dieses Gesetzes gemacht; werde die Bodensee-Toggenburgbahn unter die Hauptbahnen eingereiht, so verliere die Finanzierung ihren sichern Boden.

n.

Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen, zur Vernehmlassung über die Eingabe des Verwaltungsrates der Bodensee-Toggenburgbahn eingeladen, äußerte sich unterm 18. Oktober 1904 im wesentlichen wie folgt: Es müsse ohne weiteres zugegeben werden, daß die Linie Romanshorn-St. Gallen-Wattwil als ganzes nicht geeignet sei,, den großen Durchgangsverkehr für Personen und Güter zu vermitteln, indem dieselbe nach allen Richtungen, mit einziger Aus-

953 nähme des Punktes Thalwil länger sei als die Bundesbahnen und zudem ganz .ungünstige Betriebsverhältnisse aufweise, -so daß sie unter Berücksichtigung der virtuellen Längen noch weiter zurückstehe. Dieser Charakter der Linie würde sich keineswegs ändern, wenn irgend eine Fortsetzung nach Zug geschaffen würde. Es sei nicht einzusehen, was eine Abkürzungslinie gegen Südwesten der Bodensee-Toggenburgbahn nützen solle, welche in Wattwil endige und dort an die Bundesbahnen anschließe. Zwischen derselben und einer Abkürzungslinie ab Pfäffikon bestehe ja gar kein Zusammenhang und die Bundesbahnen könnten unter keinen Umständen gezwungen werden, der Bodensee-Toggenburgbahn ihre Linie von Wattwil bis Rapperswil zur Verfügung zu stellen.

Dem Hinweis auf eine Fortsetzung nach Zug könne daher keine Bedeutung und Berechtigung zuerkannt werden.

Anderseits könne aber nicht bestritten werden, daß die Bodensee-Toggenburgbahn mit ihrem Teilstück RomanshornSt. Gallen auch für den Durchgangsverkehr die Konkurrenz mit den Bundesbahnen aufzunehmen in der Lage sei. Die Linie Romanshorn-St. Gallen sei allerdings länger als diejenige RorschachSt. Gallen ; es werden aber die Betriebsverhältnisse günstiger sein. Diese Strecke werde daher gerade so gut als Hauptbahn zu betrachten sein, wie z. B. die direkte Linie Bern-Neuenburg. Die Argumentation des Verwaltungsrates der Bodensee-Toggenburgbahn für den Nebenbahncharakter ihrer Linie halte die Generaldirektion nicht für zutreffend; er berufe sich auf frühere Gut- · achten und übersehe dabei, daß dieselben nicht einen Basistunnel durch den Rickeü für richtig hielten, sondern eine Übersehienung desselben. Nachdem der Entscheid der Bundesbehörden, gestützt auf die Gutachten Moser und Dietler, anders gefallen sei, könne selbstverständlich nur noch auf die letztern abgestellt werden, und damit wäre der Hauptbahncharakter der ganzen Linie nachgewiesen. Der V erwaltungsrat gebe auch unumwunden zu, daß nicht Gründe der verkehrspolitischen Stellung der BodenseeToggenburgbahn, sondern lediglich finanzielle Erwägungen für den Nebenbahnencharakter derselben sprechen. Er wolle die Beitragsverhältnisse für die mitzubenutzenden Bahnhöfe und Bahnstrecken günstiger gestalten, indem die Bundesbahnen an Stelle der Bodensee-Toggenburgbahn die großen Kosten aufbringen sollen, welche die
Erweiterung und der Umbau der bestehenden Anlagen zum Zwecke der Aufnahme der neuen Linie erfordere.

Nun sei aber wohl zu beachten, daß mit dem Vorgehen der Bodensee-Toggenburgbahn allerdings eine Erleichterung der ersten

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Finanzierung erreicht werden könnte, nicht aber eine bleibende Entlastung, indem die betreffenden Aufwendungen den Bundesbahnen von ihr verzinst werden müßten. Mit Rücksicht auf die verkehrspolitische Bedeutung der Linien sei die Strecke R o manshorn-81. G a l l e n als H a u p t b a h n und die Strecke St. G a l l e n - W a t t w i l als Nebenbahn zu erklären.

Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen unterstützte mittelst Eingabe vom 25. Oktober 1904 das Begehren der BodenseeToggenburgbahn, indem er, sich im allgemeinen ihren Ausführungen anschließend, bemerkte, er erachte die Bodensee-Toggenburgbahn als eine Hauptlinie z w e i t e r O r d n u n g , welche nicht dem im Art. l des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen vom 21. Dezember 1899 erwähnten ,,großen Durchgangsverkehr für Personen und Güter", sondern wahrscheinlicher vorzugsweise ,,dem Lokalverkehr oder speziellen Verkehrszwecken" diene.

Die von der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen angeführten Gründe für die Einreibung der Strecke St. Gallen-Wattwil in die Kategorie der Nebenbahnen erschienen sowohl dem Eisenbahndepartement als uns zutreffend. Auf den Antrag des Eisebahndepartements haben wir daher unterm 24. Januar 1905 den auf Seite 155 des Bundesblattes vom 25. gleichen Monats abgedruckten Bundesratsbeschluß betreffend ergänzende Bezeichnung der schweizerischen Nebenbahnen erlassen. Gemäß diesem Beschlüsse werden indirekt als Hauptbahnen erklärt die Linien : 1. Brig-Iselle; 2. Wattwil-Uznach (Rickenbahn); 3. Frutigen-Brig ; 4. Romanshorn-St. Gallen.

III.

Gegen diesen Beschluß vom 24. Januar 1905 erhob der Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn unterm 15. Februar 1905 unter Berufung auf Art. l, Absatz 3, des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen vom 21. Dezember 1899 zu Händen der Bundesversammlung Rekurs, insoweit in dem erwähnten Beschlüsse die Linie St. GallenRomanshorn n i c h t als Nebenbahn bezeichnet wird.

Indem der Verwaltungsrat der Bodensee-Toggenburgbahn seine Eingabe vom 28. September 1904 an das Eisenbahndepar-

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tement als integrierenden Bestandteil seines Rekurses erklärt, begründet er denselben im weitern noch wie folgt: Die Bodensee-Toggenburgbahn als Ganzes erfülle die Bedingungen des Art. l, Absatz l, des Nebenbahnengesetzes. Der Verwaltungsrat habe schon in seiner frühern Eingabe nachgewiesen, daß die Bahn vorzugsweise dem Lokalverkehr diene und nicht den großen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermittle, wenigstens so lange, als ihre Fortsetzung nach Zug nicht gebaut sei. Im Durchgangsverkehr sei sie vorderhand nur für den Verkehr von Rorschach und St. Gallen, nicht aber denjenigen von Romanshorn, nach Thalwil-Zug und weiter konkurrenzfähig, und die Ausnützung dieser Konkurrenzfähigkeit sei wieder erschwert durch die Steigungsverhältnisse der BodenseeToggenburgbahn, die Spitzkehre in Flawil, die Einspurigkeit der Anlage Thalwil-Zug und den Umstand, daß die schweizerischen Bundesbahnen auf dieser Linie zunächst den wichtigeren Verkehr von Zürich her zu berücksichtigen haben werden. Das Teilstück Romanshorn-St. Gallen im besondern teile den Charakter der ganzen Linie. Wohl sei zwar zu erwarten, daß die schweizerischen Bundesbahnen einen Teil des via Romanshorn gehenden schweizerischen und internationalen Güterverkehrs nach und von St. Gallen der Bodensee-Toggenburgbahn überlassen werden, aber damit sei ein ,,großer Durchgangsverkehr" im Sinne des Gesetzes, das Erfordernis einer Hauptbahn, noch nicht gegeben. In Beziehung auf die Erfordernisse des Gesetzes habe also das Teilstück St. Gallen-Romanshorn keinen anderen Charakter als die ganze Linie und das Teilstück St. Gallen-Wattwil. Die ganze Linie sei homogen und als Nebenbahn zu qualifizieren. Endlich mache er noch darauf aufmerksam, daß anläßlich der Leistung des vom Bundesrate genehmigten Finanzausweises immer davon ausgegangen worden sei, daß die Bodensee-Toggenburgbahn in ihrem vollen Umfang eine Nebenbahn sei. Die eingestellten Posten haben mit Deutlichkeit darauf hingewiesen, und eine Einsprache sei von keiner Seite erhoben worden. Unter diesen Umständen begreife er nicht, daß für einen Teil der Bodensee-Toggenburgbahn auf einmal eine ganz andere, höhere finanzielle Anforderungen stellende Klassifikation beschlossen worden sei. Er stelle daher das Gesuch, es seien im Bundesratsbeschluß0 vom 24. Januar 1905 betreffend ergänzende Bezeichnung der schweizerischen Nebenbahnen die Schlußworte sub 2 a ,,St. Gallen-Wattwil" zu ersetzen durch ,,Romanshorn-St. Gallen-Wattwiltt.

*

956 IV.

Auf Veranlassung des EiseBbahndepartements hat sodann die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen noch Erhebungen darüber angestellt, in welchem Maße das Teilstück Romaushorn-St. Gallen auch für den Durchgangsverkehr die Konkurrenz mit den Bundesbahnen aufzunehmen in der Lage sei.

Als Resultat der bezüglichen Erhebungen übermittelte sie nachstehende Vorlagen : 1. eine Tabelle, enthaltend die Distanzen zwischen Romanshorn, Konstanz, Singen und Friedrichshafen einerseits, und St. Gallen, Wattwil, Uznach etc. anderseits, über die bisherigen und die neuen Linien ; 2. drei Karten, enthaltend die Zonen der Linien Romanshorn-St. Gallen für die Stationen Romanshorn, St. Gallen und Konstanz, indem sie zur Erläuterung folgendes bemerkte : D i s t a n z t a b e l l e . Für die neuen Linien RomanshornSt. Gallen, St. Gallen-Wattwil und Wattwil-Uznach, seien die Distanzen eingerechnet worden, welche den Gutachten Dietler von 1900 und Arbenz-Löffler von 1902 zu gründe liegen. Sie betragen : Meter.

Kilometer.

Romanshorn-St. Gallen . . 22,500 23 St. Gallen-Wattwil . . . 31,000 31 Wattwil-Uznach . . . . 15,045 16 Im übrigen seien die offiziellen Kilometerzeiger augewendet worden. Abgesehen von der Bergstrecke der Südostbahn, für welche auf die Tarif kilo m eter abgestellt worden sei, sei durchwegs mit den effektiven Distanzen gerechnet worden.

Aus der vorgelegten Distanztabelle ergibt sich, daß die Linie Romanshorn-St. Gallen im Verkehre von Romanshorn, Konstanz und Friedrichshafen nach 15--23 Stationen der schweizerischen Bundesbahnen nur l--8 Kilometer kürzere Distanzen aufweist, als die betreffenden Strecken der schweizerischen Bundesbahnen.

Z o n e n k a r t e n . Die der Berechnung der Zonen der Linie Romanshorn-St. Gallen zu Grunde gelegten Distanzen seien eben^ falls nach den vorstehenden Grundsätzen angenommen worden, Die Zonen.von Romanshorn und St. Gallen stellen das Maximum der Verkehrsgebiete dar, welche für die Linie Romanshorn-; St. Gallen in Betracht fallen. Das Verkehrsgebiet für Friedrichs-

957 hafen sei mit demjenigen für Romanshorn identisch. Der via Lindau ein- und ausgehende Güterverkehr falle außer Berechnung, da nach Eröffnung der · Linie Romanshorn-St. Grauen die bezüglichen deutschen Verkehre voraussichtlich über die Gürtelhahn-St. Margrethen geleitet werden, womit sie außer den Bereich ·der Linie Romanshorn-St. Gallen gestellt seien. Wohl aber werde für den Personenverkehr auch der Punkt Lindau von Bedeutung «ein. Der Verkehr über ßregenz falle überhaupt nicht in Betracht.

Brauchbare Angaben über die V e r k e h r s q u a n t i t ä t e n könnten nur auf Grund von Auszügen aus den Abrechnungen .gemacht werden, zu deren Erstellung eine längere Zeit erforderlich wäre, weshalb darauf verzichtet werden müsse. Die General·direktion könne nur bestimmt angeben, daß 25,000 Tonnen Kohlen per Jahr der Bodensee-Toggenburgbahn zufallen würden. Mit Rücksicht auf die wichtigen Plätze St. Gallen und Herisau und ·das industrielle Toggenburg und in Berücksichtigung des Um·standes, daß drei wichtige internationale Übergangsstationen mit größern Hintergebieten unter den Einfluß der Linie-RomanshornSt. Gallen fallen, dürfe ihr Verkehr als ein beträchtlicher bezeichnet werden.

V.

Im Art. \ des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der ·schweizerischen Nebenbahnen vom 21. Dezember 1899 werden als Nebenbahnen diejenigen Bahnen und Bahnstrecken bezeichnet, ,,welche vorzugsweise dem Lokalverkehr oder speziellen Verkehrszwecken dienen und nicht den großen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermitteln1'. Daß die Strecke Romanshorn-St. Gallen nicht speziellen Verkehrszwecken zu dienen hat, wie z. B. städtische Straßenbahnen oder eine Drahtseilbahn, bedarf keines Nachweises. Sie ist aber auch nicht darauf berechnet, ausschließlich oder vorzugsweise dem Lokalverkehr zu dienen, da dieser zu unbedeutend ist, um eine Normalspurbahn zur Rendite zu bringen; vielmehr ergibt sich aus der Vorgeschichte der Bodensee-Toggenburgbahn, wie aus den Erhebungen, die von der Generaldirektion der Bundesbahnen veranstaltet wurden, daß die Linie Romanshorn-St. Gallen darauf angelegt ist, an dem Durchgangsverkehr zwischen den Industriezentren St. Gallen und Herisau einerseits und dem Ausland anderseits sich zu beteiligen, soweit dieser Verkehr über Romanshorn geleitet werden kann. Und dieser Durchgangsverkehr muß im Verhältnis zu der

958 kurzen Strecke als groß bezeichnet werden. Es sind daher die Voraussetzungen für eine Hauptbahn gegeben.

Es darf übrigens auf ein Beispiel hingewiesen werden, das sich in der Westschweiz findet. Setzen wir Neuenburg statt St. Gallen und Locle statt Romanshorn, so tritt an die Stelle der Bodensee-Toggenburgbahn die Neuenburger Jura-Bahn, die wegen des über Morteau sich bewegenden Verkehrs mit Neuenburg als Hauptbahn erklärt wurde. Wollte man dagegen die StreckeRomanshorn-St. Gallen als Nebenbahn bezeichnen, ao würde dies eine Unbilligkeit gegenüber der Neuenburger Jura-Bahn bedeuten.

Die Bemerkung des Verwaltungsrates der Bodensee-Toggenburgbahn, man sei bei Leistung des vom Bundesrat genehmigten Finanzausweises immer davon ausgegangen, daß die BodenseeToggenburgbahn in ihrem vollen Umfange eine Nebenbahn sei, veranlaßt uns schließlich noch zu nachstehender Feststellung : Bei Prüfung des Finanzausweises der Bodensee-Toggenburgbahn haben wir die Frage der Klassifikation dieser Bahn als noch nicht spruchreif in suspenso gelassen. Wir haben damals lediglich auf Grund des Resultates der Prüfung des Kostenvoranschlages und der vorgelegten Ausweise über die Geldbeschaffung konstatiert, daß die vorhandenen Geldmittel auch dann genügen dürften, wenn die ganze Linie Romanshorn-St. Gallen-Wattwil seinerzeit als Hauptbahn erklärt würde. Durch die Genehmigung des Finanzausweises ist daher die Frage der Klassifikation der Bahn in keiner Weise präjudiziert- worden.

Gestützt auf obige Ausführungen, kommen wir daher zum Schlüsse, Ihnen zu beantragen, Sie möchten den Rekurs der Bodensee-Toggenburgbahn als unbegründet abweisen.

B e r n , den 30. März 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Rächet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

.53-0-1?.

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