468

# S T #

Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde der Frau Fanny Kreienbühl-Eiholzer in Littau betreffend "Wirtschaftskonzessionsverweigerung.

(Vom 31. Januar 19050 Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat über die Beschwerde der Frau Fanny Kreienbühl-Eiholzer in Littäu betreffend Wirtschaftskonzessionsverweigerung; auf den Antrag seines Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n Beschluß gefaßt: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 24. September 1904 entschied der Regierungsrat des Kantons Luzern: Mit Eingabe vom 13. September abbin stellt Frau Fanny K r e i e n b ü h l geb. E i h o l z e r , Besitzerin der Liegenschaft ,,Bahnschau" in Littäu, das Gesuch um die Erteilung eines Personalwirtsrechtes nach § 11, lit. a, des Wirtsgesetzes.

Hierüber hat der Regierungsrat, Nach Kenntnisnahme von den ablehnenden Gutachten des Gemeinderates von Littäu und des Statthalteramtes von Luzern;

469

Auf Bericht und Antrag des Departements der Staatswirtschaft; in Erwägung: Daß Gesuchstellerin bereits unterm 18. Juni 1904 mit dem gleichen Begehren aus dem Grunde abgewiesen wurde, weil ein Bedürfnis zur Errichtung einer Wirtschaft auf der Liegenschaft Bahnschau bei der Eisenbahnstation Littau nicht vorhanden sei; Daß die einschlägigen tatsächlichen Verhältnisse sich seither nicht wesentlich verändert haben ; Unter Hinweis auf das Gesetz über die Wirtschaften vom 22. November 1883 und die bezügliche Novelle vom 3. März 1897, erkannt: 1. Dem Gesuche könne nicht entsprochen werden.

2. Mitteilung dieses Erkenntnisses an die Gesuchstellerin unter Kostenfolge, den Gemeinderat von Littau, das Statthalteramt von Luzern und an das Departement der Staatswirtsehaft.

Mit Eingabe vom 6./8. Oktober 1904 beschwerte sich Frau Fanny Kreienbühl-Eiholzer in Littau beim Bundesrat über diesen Entscheid. Sie stellte das Begehren: Der Entscheid sei aufzuheben und die hohe Regierung einzuladen, der Rekurrentin das beantragte Wirtspatent nach § 11 a des luzernischen Wirtsgesetzes zu erteilen.

Der Rekurs ist im wesentlichen in folgender Weise begründet: Die Rekurrentin verlange kein bloßes Restaurantpatent, -sondern eine Wirtschaftsbewilligung mit Beherbergungsrecht. Da die Beurteilung der Bedürfnisfrage dem endgültigen Entscheid der kantonalen Behörden unterstehe, so verweise sie in dieser Hinsicht, hier bloß auf das in der Vorinstanz Angebrachte und stelle ihre Beschwerde darauf ab, daß in andern Fällen ganz gleicher Art die Konzession erteilt worden sei. Nach Gesetz sollte die Bedürfnisfrage auch bei Gasthäusern aufgeworfen werden, in der Praxis geschehe dies aber nicht mehr. In der Stadt Luzern sei dies klar. Es würden dort die größten Elotels gebaut, ohne daß vorher eine Konzession verlangt werde, weil man sicher sei, daß man eine solche ohne vorherige Prüfung der Bedürfnisfrage bekomme. Ebenso sei es mit kleinern Häusern, wenn es sich nur um Wirtschaften mit Beherbergungsrecht handle. Beispiele hierfür seien die Gasthäuser Meyerhof, Stadt Paris, Bernerhof, Concordia, Central, Britanuia in Luzern. Aber auch auf dem Lande kämen

470

solche Fälle vor. So sei in Emmenbrücke das Bedürfnis für eine Wirtschaft ,,Bahnhofrestaurant tt zuerst verneint worden, später aber für das gleiche Haus ein ,,Gasthaustt-Patent erteilt worden. Es sei nicht recht verständlich, wie da, wo kein Bedürfnis für eine Wirtschaft bestehe, ein solches für ein Gasthaus anerkannt werde.

Die Konzessionierung erkläre sich nur daraus, daß eben bei Gasthäusern die Bedürfnisfrage nicht geprüft und dem Entscheid nicht zu Grunde gelegt werde. Denn ein Bedürfnis habe in Emmenbrücke für das neue, inmitten von drei alten, vollauf genügenden Gasthäusern liegende ,,Hotel" gewiß nicht bestanden.

Angesichts dieser Fälle sei die Verweigerung des Gasthauspatentes der Rekurrentin gegenüber ein Akt rechtsungleicher Behandlung. Die Frage, ob die Bedürfnisfrage bei Konzessionierung von Gasthäusern in der luzernischen Praxis so regelmäßig außer acht gelassen werde, daß ihre Beachtung in einem Fall als ungleiche Behandlung erscheint, sei der bundesrätlichen Entscheidung ebenso bedürftig, wie die, ob es statthaft sei, in der Stadt andere Grundsätze zur Anwendung zu bringen als auf dem Land.

II.

In seiner Antwort vom 29. Oktober/l. November 1904 beantragte der Regierungsrat des Kantons Luzern Abweisung der Beschwerde aus folgenden Gründen : Die Beschwerde der Rekurrentin sei schon formell unzulässig* Ihr Gesuch um Erteilung eines Wirlspatentes sei vom Regierungsrat schon am 18. Juni 1904 mangels Bedürfnisses abgewiesen worden. Da gegen diesen Entscheid nicht rechtzeitig an den Bundesrat rekurriert wurde, so sei er rechtskräftig geworden. In seinem Entscheid vom 24. September 1904 habe sich der Regierungsrat darauf beschränkt, zu prüfen, ob sich inzwischen die Verhältnisse zu gunsten des Gesuchs verändert hätten, und da dies verneint werden mußte, so habe der Regierungsrat das Wiedererwägungagesuch in Bestätigung seines frühern Entscheids abgewiesen.

Eingehend auf die vorliegende Beschwerde, in welcher ebenfalls eine Veränderung der Verhältnisse nicht nachgewiesen sei, müsse der Regierungsrat mit Entschiedenheit der Behauptung entgegentreten, daß er in seiner Praxis bei Erteilung von Gasthausrechten die Bedürfnisfrage nicht mehr in Betracht ziehe. Für die Stadt Luzern könne aber das Bedürfnis nicht verneint werden, solange während der Häute-Saison Fremde, um Unterkunft .zu finden, Luzern verlassen und sich in Nachbarorten einlogieren müßten.

471 Bei dem Fall in Emmenbrttcke habe ebenfalls die Bedürfnisfrage bejaht werden müssen, da sich das betreffende Gasthaus in unmittelbarer 1 Nähe der sehr verkehrsreichen Bahn- und Tramstation Emmenbrücke befinde und während des verflossenen Sommers vielfach von Fremden, die in Luzorn keine Unterkunft mehr fanden, in Anspruch genommen worden sei.

Das Haus der Rekurrentin in Littau sei dagegen vom Verkehr abgelegen und die in Betracht fallenden Lokalitäten eigneten sich nicht für ein Gasthaus.

III.

In ihrer Replik vom 8./9. November 1904 erklärte die Rekurrentin, es habe sich bei dem angefochtenen Entscheid nicht um ein Wiedererwägungsgesuch, ' sondern um ein neues Wirtschaftspatentbegehren gehandelt, so daß der Rekurs gegen den Entscheid zulässig sei. Auch bei dem Fall in Emmenbrücke sei das Gesuch dreimal angebracht worden und erst beim dritten Mal sei das Bedürfnis entgegen dem Gutachten des Gemeinderats entdeckt worden. Interessant sei auch der Fall der ,,Post" in Neudorf, wo ein Bedürfnis ebenfalls im Widerspruch zum Gutachten des Gemeinderats und des Statthalteramts anerkannt worden sei.

Die Lokalfrage sei im Entscheid mit keinem Wort berührt worden ; sie könne daher in der Rekursinstanz nicht mehr aufgeworfen werden und die Rekurrentin habe daher keine Veranlassung, sich darauf einzulassen. Die Rekurrentin hätte den Bundesrat nicht mit der Sache behelligt, wenn die Lokalfrage im angefochtenen Entscheid als Abweisungsgrund angeführt worden wäre.

Die generelle Anerkennung eines Bedürfnisses für Gasthäuser in der Stadt Luzern sei eben nichts anderes als ein Umgehen der Prüfung der Bedürfnisfrage im einzelnen Fall. Übrigens brauchten keine Fremde wegen Mangel an Unterkunft von Luzern abzureisen.

IV.

Aus der Duplik des Regierungsrats ist noch folgendes hervorzuheben : Bei Verneinung der Bedürfnisfrage im vorliegenden Fall befinde aich der Regierungsrat in völliger Übereinstimmung mit den Gutachten des Gemeinderats und des Statthalteramts, und ein Augenschein würde die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigen.

Aus diesem Grund sei auch die Lokalfrage im Entscheid gar nicht erwähnt worden. Wie es aber damit stehe, gehe aus der Replik deutlich genug hervor.

472 Das Gasthaus in Einmenbriicke sei erst dann bewilligt worden, als die Tram-Endstation gerade vor dem betreffenden neuerstellten Haus festgelegt worden war.

Bei dem Fall in Neudorf seien die Gutachten des Gemeinderats und des Statthalteramta zu verschiedeneu Schlüssen gekommen..

Übrigens sei die Angelegenheit vom Bundesgericht zu ungunsten des Rekurrenten erledigt worden.

V.

Das Justiz- und Polizeidepartement ersuchte in Ergänzung der Akten den Regierungsrat des Kantons Luzern um Übersendung derjenigen Aktenstücke, auf Grund deren der Entscheid vom 18.

Juni 1904 ergangen ist. Die Kenntnis derselben ist zur Beurteilung der Frage, ob es sieh bei dem angefochtenen Beschluß vom 24. September 1904 wirklich um einen Wiedererwägungsentscfaeid handelt, unentbehrlich.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

In erster Linie ist zu prüfen, ob die vom Regierungsrat Luzern vorgebrachte Einrede, die Beschwerde sei aus dem formellen Grund abzuweisen, weil sie nicht rechtzeitig gegen den Entscheid vom 18. Juni 1904 eingelegt worden sei, stichhaltig ist. Jener Entscheid, so argumentiert der Regierungsrat, hätte angefochten werden müssen; der Entscheid vom 24. September 1904 betreffe nur ein Wiedererwägungsgesuch der Rekurrentin und enthalte nur eine nicht weiterziehbare Bestätigung der Abweisung vom 18. Juni 1904.

Diese Einrede des Regierungsrats ist nicht stichhaltig. Rein äußerlich genommen, fehlt im Entscheid des Regierungsrats vom 24. September 1904 jede Andeutung, daß dieser Beschluß in Erledigung eines Wiedererwägungsgesuchs gefaßt worden sei.

Der Ingreß des Entscheids sagt bloß, Frau Kreienbühl habe mit Eingabe vom 13. September 1904 das Gesuch um Erteilung eines Personalwirtsrechts gestellt. Weder ist überhaupt auf das erste Gesuch der Rekurrentin vom 28. Mai 1904 Bezug genommen , noch ist ihr zweites Begehren hier oder weiterhin im Beschluß als Gesuch um Wiedererwägung des Entscheids vom 18. Juni 1904 bezeichnet. Auch das Dispositiv des Entscheids spricht bloß von dem Gesuch, womit nichts anderes gemeint sein

473

kann als das im Ingreß angeführte neue Wirtschaftspatentbegehren vom 13. September 1904.

Ferner aber geht aus den Erwägungen, die dem Dispositiv voraufgeheo, 'deutlich hervor, daß man es in der Tat mit einem materiellen Entscheid zu tun hat. In der zweiten Erwägung wird nämlich ausdrücklich konstatiert, daß sich die einschlägigen Verhältnisse in Littau seither, d. h. seit dem ersten Entscheid vom 18. Juni 1904, worin die Bedürfnisfrage zum erstenmal beurteilt wurde, nicht wesentlich verändert haben. Dieser Wortlaut setzt eine neue materielle Prüfung der für die Entscheidung der ßedürfnisfrage maßgebenden Verhältnisse voraus und diese hatte einen neuen materiellen Entscheid zur Folge. Daß dieser Entscheid materiell das gleiche Resultat hatte wie der erste, ändert die prozessuale Sachlage in keiner Weise und gibt an sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß es sich um einen Wiedererwägungsentscheid handle. Denn dadurch unterscheidet sich der Wiedererwägungsbeschluß von einer neuen materiellen Entscheidung, daß er einzig und allein auf Grund desjenigen Tatbestandes gefaßt wird, der dem in neue Erwägung gezogenen Entscheid zu Grunde lag. Die Prüfung neuer Tatsachen und Verhältnisse ist also ausgeschlossen, soweit sie nicht schon Bestandteile des früheren Tatbestandes bildeten oder bei richtiger Würdigung hätten bilden sollen.

Der Bundesrat hat im vorliegenden Fall keinen Anlaß, zu untersuchen, ob nach luzernischemRechtdaszweiteGesuchderRekurrentin durch einen Wiedererwägungsbeschluß hätte erledigt werden können; die Tatsache, daß dies weder nach dem Wortlaut noch nach dem Inhalt des zweiten Entscheids geschehen ist, genügt, um die dem vorliegenden Rekurs gegenüber erhobene Einrede der Verspätung hinfällig erscheinen zu lassen. Denn da es sich nach den obigen Erwägungen bei dem Beschluß vom 24. September 1904 um einen neuen materiellen Entscheid handelt, so ist'auch eine innert nutzlicher Frist gegen ihn eingelegte Beschwerde an den Bundesrat zulässig und muß von der .Rekursbehörde materiell geprüft werden.

n.

Wenn die Besehwerde sonach formell zwar zulässig ist, so kann sie doch materiell aus folgenden Gründen nicht gutgeheißen werden: Die Rekurrentin hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Beurteilung der Bedürfnisfrage sei einzig Sache der kantonalen Behörde, und hat dabei' darauf verzichtet, die Verhältnisse, aus denen sich eventuell für Littau ein Bedürfnis nach einem neuen Gasthaus ergeben sollte, in der Beschwerde ausführlich darzustellen.

474

Dies ist auch begreiflich angesichts der Tatsache, daß alle kantonalen Instanzen, Gemeinderat, Statthalter und Regierungsrat, in der Verneinung der Bedürfnisfrage einig sind.

Die Beschwerde stützt sich im wesentlichen auf die Behauptung einer rechtsungleichen Behandlung der Rekurrentin. Um dies darzutun, verweist sie auf einige in der Stadt Luzern in jüngster Zeit erteilte Gasthausbewilligungen, auf eine solche in Emmenbrücke und endlich auf einen Fall in Neudorf. Die Angaben über die letztgenannte Angelegenheit sind zu wenig eingehend, als daß sie berücksichtigt werden könnten; außerdem sind sie, wie aus der Duplik des Regierungsrats hervorgeht, teilweise unrichtig.

Bezüglich der Gasthausbewilligungen in der Stadt Luzern behauptet die Rekurrentin, die Bedürfnisfrage werde überhaupt nicht mehr geprüft. Dieser Behauptung, für die es übrigens an einem schlüssigen Beweis fehlt, steht die entschiedene Bestreitung des Regierungsrats gegenüber. Im übrigen hat der Bundesrat schon mehrfach betont, daß zum Nachweis einer rechtsungleichen Behandlung bei Verweigerung eines Wirtsrechts auf dem Land Fälle, wo rein städtische Verhältnisse in Betracht kommen, nicht herangezogen werden können, weil eben die für die Beantwortung ·der Bedürfnisfrage ausschlaggebenden Verhältnisse naturgemäß in der Stadt ganz andere sind als auf dem Land.

Was endlich den Fall in Emmenbrücke anbelangt, ao wurde dort der neue Gasthof erst bewilligt, als eine Änderung der Verhältnisse durch Festlegung der Endstation der Tramlinie LuzernEmmenbrücke eingetreten war. Auf eine solche Veränderung der ·örtlichen Verhältnisse in Littau kann sich die Rekurrentin nicht berufen, so daß auch in Hinsicht auf den Emmenbrücker Fall nicht von einer rechtsungleichen Behandlung gesprochen werden kann.

D e m n a c h wird, e r k a n n t : Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 31. Januar 1905.

Im Namen des schweizer. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

--3-0-SS-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Beschwerde der Frau Fanny Kreienbühl-Eiholzer in Littau betreffend "Wirtschaftskonzessionsverweigerung. (Vom 31. Januar 1905)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1905

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

06

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.02.1905

Date Data Seite

468-474

Page Pagina Ref. No

10 021 315

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.