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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Locarno zur Madonna del Sasso.

(Vom

18. Dezember 1905.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 13. November 1905 stellte die Drahtseilbahngesellschaft Locamo - Madonna del Sasso das Gesuch, die verschiedenen Bundesbeschlüsse, welche sich mit ihrer Konzession befassen und in den Bänden XIV (Seite 541), XV (124), XVI (43), XVIII (125) und XX (79) der Eisenbahnaktensammlung enthalten sind, in einen einzigen Beschluß zusammenzuziehen.

Die neue Konzession, wird in der Eingabe ausgeführt, sollte namentlich auch vor der nahe bevorstehenden Betriebseröffnung noch eine Erhöhung der in der bisherigen Konzession festgesetzten Personentaxen gestatten, indem an ihre Stelle die in der folgenden Zusammenstellung eingeklammerten Ansätze treten sollten : Bergfahrt

Talfahrt

in der zweiten Klasse 75 (90) Rappen 50 (70) Rappen ,, dritten ,, 50 (65) ,, 35 (45) ,, Wenn die Bahngesellschaft, wie in der Hauptsache zur Begründung des Gesuches geltend gemacht wird, auf Grund der gegenwärtigen konzessionsmäßigen Ansätze die reduzierten Tarife (für Retourfahrten, Abonnements, Gesellschafts- und Schulfahrten etc.)

aufstellen müßte, wie sie bei ähnlichen Unternehmungen in Ge-

492 brauch seien, so käme sie zu ganz lächerlich geringen Fahrpreisen. Deshalb wünsche sie ihre finanzielle Lage zu sichern durch eine entsprechende Erhöhung der konzessionsmäßigen Taxen, welche ihr erlauben würde, die Tarilo so zu konstruieren, daß die Taxen sowohl für die Gesollschaft als für das Publikum annehmbar wäre«. An Hand einer Zusammenstellung weist die Eingabe nach, daß wenigstens elf schweizerische Drahtseilbahnen, welche die gleichen Verhältnisse aufweisen wie dio Gesuchstellerin, bedeutend höhere Tarife besitzen, als wie sie nach der gegenwärtigen Konzession zulässig wären. Von der Taxerhöhung würde übrigens die einheimische Bevölkerung nicht betroffen, da sie Abonnements zu reduzierter Taxe lösen werde.

Die kantonale Regierung ließ durch ihr Departement der öffentlichen Bauten unterm 24. November erklären, daß ihrerseits den von der Drahtseilbahngesellschaft vorgeschlagenen Taxerhöhungen nichts entgegenstehe.

Auch wir haben nichts gegen dieselben einzuwenden und beantragen Ihnen deshalb, dem Gesuche der Gesellschaft zu entsprechen durch Annahme des nachstehenden Beschlussentwurfes, welcher eine neue Konzession darstellt. Diese hält sich formoll an das neue Konzessionsschema, ohne im übrigen wichtigere materielle Änderungen an den gegenwärtig gültigen Bestimmungen vorzunehmen. Die Gesuchstellerin hat dein Entwürfe zugestimmt.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 18. Dezember 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der B nn de sp r ä si d e nt :

Buchet.

Der L Vizekanzler : Schatzmann.

493 {Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Drahtseilbahn von Locamo zur Madonna del Sasso.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Drahtseilbahngesellschaft Locarno-Madonna del Sasso vom 13. November 1905; 2. einer Botschaft des Bimdesrates vom 18. Dezember 1905, beschließt: Der Drahtseilbahngesellschaft Locarno-Madonna del Sasso in Locamo wird die Konzession für den Bau und den Betrieb einer Drahtseilbahn von Locamo zur Madonna del Sasso unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt.

Gleichzeitig wird die Konzession der Drahtseilbahn LocarnoMadonna del Sasso, wie sie durch die Bundesbeschlüsse vom 15. Oktober 1897, 22. April 1898, 26. März 1900, 25. Juni 1902 und 13. April 1904 (E. A. S. XIV, 541; XV, 124; XVI, 43; XVIII, 125 und XX, 79) bestimmt ist, aufgehoben.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. VI.

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494 Art. 2. Die Konzession erlischt am 15. Oktober 1977.

Art. 3. Der Sitz der Gesellschaft ist in Locamo.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Die Ausführung der Voüendungs- oder Ergänzungsbauten, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 6. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

Art. 7. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 8. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 9. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung" gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, daß Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

495 Art. 10. Es ist der Gesellschaft im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzusetzen. Immerhin sind alle daherigen Projekte, welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, mindestens 14 Tage vor ihrer Ausführung dem Eisenbahndepartement vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 11. Die Gesellschaft übernimmt nur die Beförderung von Personen und Gepäck.

Art. 12. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 13. Die Gesellschaft wird zur PersonenbeförderungWagen mit zwei Klassen aufstellen, deren Typus der Genehmigung des Bundesrates unterliegt.

Art. 14. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze beziehen : Bergfahrt :

Talfahrt :

in der zweiten Wagenklasse 90 Rappen ; 70 Rappen ; in der dritten Wagenklasse 65 Rappen ; 45 Rappen.

Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersklasse verlangen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20% niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 15. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

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Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 30 Rappen per 100 Kilogramm bezogen werden. Die Minimaltaxe für eine Gepäcksendung beträgt höchstens 20 Rappen.

Die Berechnung der Taxen erfolgt nach Einheiten von 10 Kilogramm, wobei jeder Bruchteil von 10 Kilogramm für eine Einheit gilt. Wenn die genaue Ziffer der auf diese Weise ermittelten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird sie auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, sofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden, in diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 16. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 17. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 18. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 19. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern, Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 28. März 1905, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

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Art. 20. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu" welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf'beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1940 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1940 und 1. Januar 1955 erfolgt, den 221/afachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1955 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder

498 der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch hundosgcrichtlichc Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung /u bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 21. Hat der Ka.nton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 20 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 22. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche am 1. Januar 1906 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Locarno zur Madonna del Sasso. (Vom 18. Dezember 1905.)

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1905

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20.12.1905

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