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Bundesratsbeschluß betreffend

«iie Beschwerde des Gottfried Müller, in Ariesheim, betreffend Wirtschaftspatentverweigerung.

(Vom 10. März 1905.}

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde des Gottfried M ü l l e r , in Ariesheim, betreffend Wirtschaftspatentverweigerung, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Mit Eingabe vom 26./28. Dezember 1904 hat sich Gottfried Müller, in Ariesheim, beim Bundesrat gegen den ihm ein Wirtschaftspatent verweigernden Entscheid des Regierungsrates des Kantons Basellandschaft vom 3. Dezember 1904 beschwert und dabei das Begehren gestellt : Es möchte ihm in Aufhebung der kantonalen Verfügung ein Wirtschaftspatent pro 1905 erteilt, beziehungsweise es möchte der Regierungsrat von Baselland angehalten werden, ihm ein solches Patent für eine Schenk Wirtschaft pro 1905 zu bewilligen.

Zur Begründung führte er folgendes aus: Der Bezirksort Ariesheim habe seit der Eröffnung der BirseckBahn Basel-Dornach im Oktober 1902 an Bedeutung und Verkehr wesentlich gewonnen. Die bedeutendste der drei Stationen, die die Bahn in Ariesheim besitze, sei die Station Arlesheim-Dorf. Da dem Rekurrenten ein in der Nähe dieser Station gelegenes Grundstück gehöre, habe der Gedanke für ihn nahe gelegen, in dem dort von ihm

945 «errichteten Gebäude eine Wirtschaft zu betreiben. Aber auch die Birseck-Bahn-Gesellschaft habe die Notwendigkeit einer Wirtschaft bei der Station erkannt und sei dem Rekurrenten zuvorgekommen.

Auf ihr Begehren, es möchte ihr für eine Wirtschaft in dem zu erstellenden Stationsgebäude ein Patent in Aussicht gestellt werden, sei ihr durch Schlußnahme des Regierungsrats vom 4. Februar 1903 unter Bejahung der Bedürfnisfrage eine Patentzusicherung ·erteilt worden. Dem Rekurrenten habe der Regierungsrat auf eine Anfrage hin sodann Kenntnis von dieser Schlußnahme gegeben und geantwortet, die Verabfolgung eines weitern Patents werde voraussichtlich nicht bewilligt werden, da ein weiteres Bedürfnis nicht vorliege.

In der Generalversammlung der Birseck-Bahn-Gesellschaft vom 16. Juni 1903 sei aber der Kredit für ein Stationsgebäude mit Büffet in Ariesheim-Dorf nicht bewilligt, sondern nur Auftrag für die Errichtung einer einfachen Schirmhütte erteilt worden.

Daraufhin habe der Rekurrent ein Patentgesuch pro 1904 für seinen hierfür eingerichteten Neubau bei der Station AriesheimDorf eingereicht, sei aber wider alles Erwarten mit der Begründung abgewiesen worden, es bestehe kein Bedürfnis für eine Wirtschaft bei der Station, trotzdem eben dieses Bedürfnis vom Regierungsrat bei dem Gesuch der Bahngesellschaft anerkannt worden war. Der Rekurs des Besehwerdeführers an den Regierungsrat sei abgewiesen worden, und auf einen Rekurs gegen diesen Beschluß sei der Landrat wegen Inkompetenz nicht eingetreten. Ihrem Antrag auf Nichteintreten habe die Petitionskommission den Wunsch an den Regierungsrat beigefügt, er möchte inskünftig bei Erteilung von Wirtschaftsbewilligungen mit möglichster Gleichheit verfahren.

Zur Erläuterung des vorstehenden sei darauf hingewiesen, daß die Taxationen und Verweigerungen von Patenten auf Grund einer Vorlage der Finanzdirektion nach § 14 des basellandschaftlichen Wirtschaftsgesetzes direkt vom Regierungsrat ausgehen; gegen diese Entscheide kann der Rekurs an die gleiche Behörde ergriffen werden.

Der Rekurrent habe sodann sein Gesuch pro 1905 erneuert und sei mit Entscheid des Regierungsrats vom 3. Dezember 1904 neuerdings abgewiesen worden, gegen welchen Entscheid er nunmehr an den Bundesrat wegen Verletzung von Art. 31 und Art. 4 der Bundesverfassung rekurriere.

Dem Einwand
des Regierungsrats, der Gemeindeiat von Ariesheim habe das Bedürfnis für eine Wirtschaft bei der Haltestelle Ariesheim-Dorf verneint, sei entgegenzuhalten, daß der Regierungs-

946 rat den Gemeinderat von Ariesheim gar nicht angefragt habe,, als er der Birseck-Bahn-Gesellschaft die Erteilung eines Patents in sichere Aussicht stellte. Auch bewillige der Regierungsrat oft trotz ablehnender Gemeinderatsgutachten Wirtschaften, wie er dies im Jahr 1903 in Reinach und Diepflingen für Schenkwirtsehaften, in Ariesheim selbst für eine Kaffeewirtschaft getan habe. Im Jahr 1902 seien auf solche Art Wirtschaften bewilligt worden in Aesch (G. Schinutz), Allschwil (A. Bucher), Ariesheim (Strub-Renz), Binningen (Chappel, Engler-Schaub Erben, Wwe. Jundt-Higyr M. Mühlemann), Birsfelden (Meßner-Cramer), Münchenstein (Thürkauf-Trank), Liestal (Lüdin-Hunziker) und Wittinsburg (BürginSchaub).

Die weitere Begründung des regierungsrätlichen Entscheids,, der Birseck-Bahn-Gesellschaft sei das Patent in Aussicht gestellt worden, weil sich damals in Ariesheim-Dorf noch kein Wartlokal mit Abort befunden habe uud die Bahngesellschaft mit der Wirtschaft auch diese Lokalitäten erstellt hätte, während jetzt eia Wartlokal mit Pissoir vorhanden sei, müsse doch offenbar als höchst gezwungen erscheinen, wenn man bedenke, daß in Baselland wie auch anderwärts fast bei allen Bahnstationen Wirtschaften vorhanden seien, trotzdem die Bahnen für genügende Wart- und Abortlokale gesorgt hätten. Außerdem genüge aber das Wartlokal in Ariesheim-Dorf an Tagen großen Verkehrs filr das wartende Publikum keineswegs und sei auch keine Abortvorrichtung,, sondern bloß ein Pissoir vorhanden.

Darauf, daß in der Nähe der Station Ariesheim-Dorf noch andere Wirtschaften bestünden, könne sich die Regierung nicht berufen, denn diese Wirtschaften hätten schon zur Zeit der Patentzusicherung an die Birseck-Bahn-Gesellschaft existiert, und trotz derselben wäre, wie die Regieruog wohl zugeben müsse, ohne die Dazwischenkunft des Beschlusses der Generalversammlung das zugesicherte Patent auch wirklich erteilt worden.

In alldem liege eine rechtsungleiche Behandlung des Rekurrenten gegeaüber der Bahngesellschaft.

Eine solche ergebe sich aber auch im Hinblick auf andere Fälle. So sei im Jahr 1903 im Dorf Lausen, das in bezug auf Verkehr Ariesheim weit nachstehe, das ebenfalls mehrere Wirtschaften und genügende Wart- und Abortlokalitäten besitze, bei der Station eine Wirtschaft bewilligt worden. Das gleiche gelte von Läufelfingen. In Sissach,
wo schon fünf Wirtschaften bei der Station bestanden, sei vor einigen Jahren vom Regierungsrat noch eine sechste Wirtschaft bei der Station bewilligt worden. Solche Fälle hätten eben die Petitionskommission des Landrats zur Anbringung des oben angeführten Wunsches veranlaßt.

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U.

In seiner Antwort vom 11./13. Januar 1905 beantragte der Regierungsrat des Kantons Basellandschaft Abweisung des Rekurses mit folgender Begründung: Auf Grund verschiedener Schlußnahmen de« Landrats habe allerdings in den letzten Jahren die Praxis des Regierungsrats in Anwendung des Bedürfnisartikels etwas gesehwankt. Anläßlich ·einer Beschwerde von 22 Inhabern von Wirtschaftspatentea habe der Regierungsrat dem Landrat einen Bericht erstattet und darin ·die Auffassung vertreten, daß, wenn man die Unübertragbarkeit der Patente fallen lassen würde, dann eine freiere und weniger «inschränkende Auslegung des Bedürfnisartikels Platz zu greifen hätte. Mit Beschluß vom 31. Oktober 1901 sei die Beschwerde vom Landrat in dem Sinn begründet erklärt worden, daß in Zukunft keine unübertragbaren Patente mehr erteilt werden sollten. Gegen die Anffassung einer weniger strengen Anwendung des Bedürfnisartikels sei hierbei kein Widerspruch laut geworden ; vielmehr sei schon am 1. August 1901 im Landrat die Motion auf Revision des Wirtschaftsgesetzes im Sinn der Aufhebung des Bedürfnisartikels gestellt worden. Demgemäß sei bei Behandlung der Patentgebühr pro 1902 in weniger einschränkendem Sinn vorgegangen worden, und unter den 21 damals bewilligten Gesuchen befänden .«ich die 11 vom Rekurrenten angeführten, für welche die Gemeinderäte die Bedürfnisfrage nicht bejaht hatten. Diese Bewilligungen könnten aber für die Begründung des heutigen Rekurses nicht in Betracht kommen, weil seither wieder ein neues Verfahren Platz gegriffen habe. Als nämlich die Motion auf Revision des Wirtschaftsgesetzes zur Behandlung stand, habe der Landrat am 25. September 1902 Verschiebung der Revision beschlossen, nachdem vom Regierungsrat, vorher die Erklärung abgegeben worden war, daß der Bedurfnisartikel inskünftig wieder in strengerem Sinne solle gehandhabt werden. Demgemäß seien pro 1903 von 38 Gesuchen nur 11, pro 1904 von 38 nur 8, darunter 3 für Kaffeewirtsehaften, pro 1905 von 40 nur 3, darunter 2 für Kaffeewirtschaften, bewilligt worden. Von diesen Neubewilligungen seien vom Rekurrenten einige herausgegriffen worden, mit denen es sich folgendermaßen verhalte : Pro 1904 sei für Reinach ein neues Patent nicht erteilt worden, dagegen allerdings ein solches für Diepflingen, nachdem festgestellt war, daß die daselbst bestehende einzige
Wirtschaft in bezug auf den Âusschank von Getränken auch den bescheidensten Anforderungen nicht entsprochen hatte. Die Kaffeewirtschaft in Arlesheim sei auf besondere Empfehlung des dortigen Gemeinde-

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rates bewilligt worden, und für eine solche habe allerdings ein wirkliches Bedürfnis vorgelegen. Die für Lausen und Läufelfingen bewilligten neuen Wirtschaften, mit denen im Rekurse ebenfalls exemplifiziert wird, seien von den betreffenden Gemeinderäten befürwortet worden; auch lagen hier die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich anders als in Ariesheim. Ähnlich verhalte es sich mit der schon 1899 beim Bahnhof Sissach bewilligten Wirtschaft Tbommen.

Was endlich das Verhältnis der Patentverweigerung gegenüber dem Rekurrenten zu der Patentzusicherung an die BirseckBahn-Gesellsehaft betreffe, so sei in erster Linie hervorzuheben, daß dem Rekurrenten auf eine Anfrage vorn 23. Juni 1903 betreffend Zusicherung eines Patents für seinen zu erstellenden Neubau mit Schreiben vom l. Juli 1903 gestützt auf ein ablehnendes Gutachten des Gemeinderats Ariesheim mitgeteilt worden sei, eine Wirtschaftsbewilligung werde nicht erteilt werden.

In der Generalversammlung der Birseck-Bahn vom 16. Juni 1903, ao welcher auch ein Mitglied der Regierung teilgenommenhabe, sei nicht etwa, wie die Rekursschrift dartun will, die Höhe des verlangten Baukredites beanstandet, vielmehr sei ausschließlich darüber debattiert worden, ob für die Eröffnung einer neuen Wirtschaft bei der Bahnstation ein Bedürfnis vorliege oder nicht. Der Gemeindepräsident von Ariesheim, habe damai» nicht nur namens des G-emeinderates, sondern auch namens der Einwohnerschaft erklärt, daß ein Bedürfnis für eine Wirtschaft nicht vorliege, daß dagegen die Errichtung einer Wartehalle mit Aborteinrichtung gewünscht werde. Hauptsächlich mit Rücksicht auf dieses Votum sei dann die Einrichtung eines Bahnbuflets abgelehnt und die bloße Errichtung einer Wartehalle beschlossen worden. Der Betrieb einer Wirtschaft in größerem Umfange sei überhaupt nie beabsichtigt gewesen, sondern es sei dem Verwaltungsrate der Birseck-Bahn hauptsächlich darum zu tun gewesen, eine zuverlässige Persönlichkeit ständig engagieren zu können, welcher neben der Besorgung des Büffets auch die Beheizung und Reinigung der übrigen Lokalitäten hätte übertragen werden können. Daß auf diese anläßlich der Generalversammlung erfolgte Kundgebung hin der Regierungsrat dem Gesuche desG. Müller nicht entsprechen konnte, dürfte einleuchtend sein, besonders da nunmehr infolge der Erstellung der Wartehalle,
sowie infolge der Errichtung einer Kaffeewirtschaft in der Nähe der Bahnstation die Verhältnisse nicht mehr objektiv die gleichen waren,, sondern eine wesentliche Änderung erfahren hatten. Die Behauptung, daß die Wartehalle an schönen Sonntagen für das wartendePublikum bei weitem nicht ausreiche, sei kaum ernst zu nehmen.,

949* und den zuständigen Organen sei hiervon noch nichts bekannt geworden. Es werde hier auch auf die beiden Berichte, welche^ der Gemeinderat Ariesheim zu den beiden pro 1904 und 1905' von Müller eingereichten Wirtschaftsgesuchen abgegeben hat, verwiesen.

Es liege also in keiner Richtung eine rechtsungleiche Behandlung des Rekurrenten vor.

Schließlich sei noch zu erwähnen, daß Arlesheim bei einer Bevölkerung von rund 1600 Seelen zurzeit 15 Wirtschaften, wovon 2 Kaffeewirtschaften, besitze.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Bei Begründung seiner rechtzeitig eingereichten Beschwerdebeschränkt sich der Rekurrent auf den Versuch des Nachweises,, daß die ihn in der freien Ausübung von Handel und Gewerbe behindernde Verweigerung eines Wirtschaftspatentes eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz darstelle. Er macht deshalb eine Reihe von Fällen namhaft, wo Patente bewilligt wurden, und deren Umstände nicht so wesentlich von den für die Beurteilung seines Gesuchs maßgebenden Verhältnissen abweichen sollen, daß eine Abweisung seines Begehrens gerechtfertigt erschiene. Es wird daher an Hand einer Vergleichung der namhaft gemachten Patentbewilligungen mit der angefochtenen Patentverweigerung zu prüfen sein, ob wirklich eineVerletzung von Art. 4 der Bundesverfassung vorliegt. Zu dieser Prüfung ist der Bundesrat nach konstanter Praxis zuständig, da.

die Verletzung des Art. 4 der Bundesverfassung in Verbindung; mit einer solchen des Art. 31 der Bundesverfassung geltend gemacht wird.

Die Regierung eines Kantons ist für die richtige Handhabung, eines Gesetzes im allgemeinen weder dem Beschwerdeführer noch dem Bundesrat, sondern nur ihrer kantonalen Aufsichtsbehörde verantwortlich. Daraus ergibt sich auch der Satz, daß dem Bundesrat kein Entscheid darüber zusteht, ob der sogenannte Bedürfnisartikel des Wirtschaftsgesetzes von einer kantonalen Regierung in konsequenter Weise gehandhabt wird; der Bundesrat ist nur dazu berufen, zu prüfen, ob in einem einzelnen angefochtenen.

Entscheid ein Akt der Willkür oder eine Verletzung der Rechts-

950 :gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz erblickt werden muß
Wendet man diese Sätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich, daß es nicht Sache des Bundesrates sein kann, anläßlich der Beschwerde des Rekurrenten zu untersuchen, ob die vom Regierungsrat bei Anwendung des Bedürfnisartikels des Wirtschaftsgesetzes vor dem 31. Oktober 1901 befolgte Praxis, oder die in der Zeit vom 31. Oktober 1901 bis zum 25. September 1902 befolgte, oder endlich die seit letzterm Datum wieder eingeschlagene die richtige sei. Solche Schwankungen in der Gesetzesanwendung können durch wohlbegriindete volkswirtschaftliche Erwägungen veranlaßt sein, und trotzdem sie vielleicht von bedauerlichen Folgeerscheinungen begleitet sind, unterliegen sie als Ganzes genommen dem Urteil des Bundesrates nicht. Eine weitere Konsequenz dieses Satzes ist, daß, um die rechtsungleiche Behandlung eines Bürgers im einzelnen Fall darzutun, offenbar nur solche Fälle zur Vergleichung herangezogen werden können, die sich unter der Herrschaft derselben Praxis ereignet haben, welcher der Rekurrent widerrechtlich zum Opfer gefallen sein will. Ein anderes Verfahren ist logisch unzulässig, weil sonst zwei Handlungen der Regierung in Vergleichung gesetzt würden, deren Verschiedenheit sich aus der Differenz der an sich einheitlichen, von der Regierung in verschiedenen Zeitperioden zur Anwendung gebrachten Grundsätze ergäbe. Damit muß aber die Begründung der vorliegenden Beschwerde insoweit außer Betracht fallen, als ·der Rekurrent auf Fälle von Patenterteilungen im Widerspruch zum gemeinderätlichen Gutachten zurückgreift, die sich in der Zeit der veränderten, milderen Praxis des Regierungsrats zwischen dem 31. Oktober 1901 bis zum 25. September 1902 ereignet haben. Es sind dies die oben Seite 3 genannten Fälle.

n.

Zum Beweis der Tatsache, daß die Regierung oft im Gegensatz zu dem die Bedürfnisfrage verneinenden gemeinderätlichen Gutachten Wirtschaften bewillige, führt der Rekurrent die Patentierung je einer Schenkwirtschaft in Reinach und Diepflingen und einer Kaffeewirtschaft in Ariesheim für das Jahr 1904 an. Wie sich aber aus den Anbringen der Regierung ergibt, wurde für 1904 in Reinach keine neue Wirtschaft bewilligt, und war das ·Gesuch für eine KafFeewirtschaft in Ariesheim vom Gemeinderat ganz besonders empfohlen worden. Die neue Wirtschaft in Diepf-

951 iingen aber war bewilligt worden, weil die einzige alte auch den bescheidensten Anforderungen und Bedürfnissen nicht entsprach.

Da in Ariesheim mit 15 Wirtschaften keine derartig außergewöhnlichen Verhältnisse bestehen, so fällt auch diese Wirtschaftsbewilligung für die Begründung der Beschwerde aus Art. 4 der Bundesverfassung außer Betracht.

Die Bewilligung der Wirtschaft Thommen in Sissach datiert aus dem Jahr 1899; sie kann also schon wegen ihrer zeitlichen Entlegenheit nicht wohl zum Vergleich herangezogen werden.

Die Wirtschaften in Lausen und Läufelfingen endlich sind, wie die Regierung nachweist, auf die günstigen Begutachtungen der Gesuche durch die betreffenden Gemeinderäte hin erteilt worden.

III.

In letzter Linie bleibt somit noch zu untersuchen, ob sich aus der Patentzusicherung an die Birseck-Bahn-Gesellschaft dem Rekurrenten gegenüber eine Verletzung der rechtsgleichen Behandlung der Bürger vor dem Gesetz ergibt.

Stellt man die hierfür in Betracht kommenden Tatsachen zusammen, so ergibt sich an Hand der Akten folgendes: Am 30. Januar 1903 teilte die Birseck-Bahn-Gesellschaft dem Regierungsrat mit, sie beabsichtige an der Station Arlesheirn-Dort' ein Stationsgebäude mit Büffet zu errichten, und fragte an, ob ihr ein Wirtschaftspatent erteilt würde.

Am 2. Februar 1903 beantragte die Finanzdirektion, ohne den Gemeinderat von Ariesheim um ein Gutachten zu ersuchen, es sei der Bahngesellschaft mitzuteilen, daß ihr für den Fall der Erstellung einer Wirtschaftslokalität auf ihre Anmeldung hin pro 1904 ein Patent werde erteilt werden.

Am 4. Februar 1903 erhob der Regierungsrat diesen Antrag der Finanzdirektion zum Beschluß.

Am 6. Februar 1903 teilte die Finanzdirektion dem Rekurrenten auf seine Anfrage hin mit, der Birseek-Bahn-Gesellschaft sei ein Patent in Aussicht gestellt worden; ein weiteres Patent werde voraussichtlich, mangels eines Bedürfnisses, nicht erteilt werden.

Am 16. Juni 1903 beschloß die Generalversammlung der Birseck-Bahn-Gesellschaft, es sei in Ariesheim-Dorf statt eines Stationsgebäudes mit Bufiet nur eine Schirmhütte zu erstellen.

Am 23. Juli 1903 wiederholte der Rekurrent seine Anfrage, ob ihm ein Patent erteilt werden würde, unter Hinweis darauf, Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. I.

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daß nach dem Beschluß der Generalversammlung das der Bahngesellschaft in Aussicht gestellte Patent dahinfalle. Nunmehr wurde ein Gutachten vom Gemeinderat Ariesheim eingeholt, das zu ungunsten des Rekurrenten ausfiel. Daraufhin teilte der Regierungsrat dem Rekurrenten mit, es werde seinem Gesuch nicht entsprochea werden.

Das Gutachten des Gemeinderats Ariesheim und der Entscheid der Regierung blieben sich auch bei dem pro 1905 eingereichten definitiven Patentgesuch des Rekurrenten gleich.

Der Rekurrent erblickt nun eine rechtsungleiche Behandlung darin, daß die Regierung bei der Zusicherung des Patents an die Birseck-Bahn-Gesellschaft das Vorhandensein eines Bedürfnisses für eine Wirtschaft anerkannt hat, während sie es dem Patentgesuch des Rekurrenten gegenüber leugnet.

Zunächst ist hier darauf hinzuweisen, daß sich im basellandschaftlichen Wirtschaftsgesetz vom 18. März 1889 keine Grundlage für die vom Regierungsrat geübte Praxis der Zusicherung von Patenten für die Zukunft findet. Daraus folgt aber, daß einer Antwort des Regierungsrats auf eine Anfrage, ob ein Patent in Zukunft erteilt werde, von vornherein nicht die gleiche Bedeutung beigemessen werden kann, wie einem Entscheid über ein eigentliches Patentgesuch. Gegen einen solchen auf gesetzlicher Basis beruhenden Entscheid kann der Rekurs an den Bundesrat ergriffen werden, nicht aber gegen eine bloße Antwort auf ein Zusicherungsgesuch ; denn bei einer solchen Beantwortung einer Anfrage kommt kein der Rechtskraft fähiger Entscheid zu stände ; wird späterhin das eigentliche Patentgesuch eingereicht, so ist der Regierungsrat an seine frühere Auskunftserteilung nicht gebunden.

Aus diesem Grunde aber geht es auch nicht an, in. einem Rekurs an den Bundesrat zum Nachweis einer rechtsungleichen Behandlung den angefochtenen Entscheid in Parallele zu setzen mit einer bloßen Patentzu.sicherung. Vergleichbar sind im vorliegenden Fall nur die beiden Antworten des Regierungsrats auf die beiden Zusicherungsgesuche der Birseck-Bahn-Gesellsehaft und des Rekurrenten, und hierbei ließe sich allerdings eine Verschiedenheit der Behandlung konstatieren, indem die Regierung im ersten Fall zusicherte, ohne den Gemeinderat um ein Gutachten anzugehen, während im zweiten Fall ein Gutachten eingeholt und auf Grund desselben die Zusicherung verweigert wurde. Allein,
wenn die Angelegenheit in diesem Stadium weitergezogen worden wäre, so hätte es nur an die Aufsichtsbehörde der Regierung geschehen können; der ßundesrat hätte über eine Beschwerde auf dieser Grundlage, wie oben dargetan, nicht entscheiden können. In der

953 vorliegenden Beschwerde aber muß der Nachweis einer rechtsungleichen Behandlung des Rekurrenten gegenüber der BirseckBahn-Gesellschaft schon deshalb als mißlungen betrachtet werden, weil zur Führung des Beweises zwei ganz verschiedene Dinge in Vergleichung gesetzt werden, eine außergesetzliche Auskunftserteilung und ein gesetzlich begründeter, der Rechtskraft fähiger Entscheid des Regierungsrats.

Es kann auch vom Rekurrenten der Nachweis nicht erbracht werden, daß die Regierung der Birseck-Bahn-Gesellschaft auf die Patentzusicherung ein Patent erteilt hätte. Denn sie wäre bei der definitiven Patenterteilung genötigt gewesen, ein Gutachten des Gemeinderats Arlesheim einzuholen. Wenn man aber die Vorgänge an der Verhandlung der Generalversammlung der Eisenbahngesellschaft zum Maßstab nimmt, so sieht man, daß schon dort die Kreditbewilligung für das Bahnhofbuffet wesentlich am Widerstande der Gemeindebehörde gescheitert ist. Der Gemeinderat Ariesheim hätte also trotz der Patentzusicherung durch die Regierung ein ablehnendes Gutachten abgegeben, und es ist keineswegs sicher, daß die Regierung sich über dieses Gutachten hätte hinwegsetzen können.

Aus allem dem ergibt sich, daß der Rekurrent von Seiten der Regierung höchstens in dem Vorstadium der Patentzusicherung, das im Wirtschaftsgesetz nicht vorgesehen ist, eine ungleiche Behandlung erlitten hat, daß aber die Abweisung des Patentgesuches selbst nicht als ein Akt rechtsungleicher Behandlung bezeichnet werden kann, da die Regierung in durchaus gesetzlicher Weise, auf das Gutachten des Gemeinderats gestützt, die Bedürfnisfrage verneint hat.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 10. März 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rächet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

ßingier.

e

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Bundesratsbeschluß betreffend die Beschwerde des Gottfried Müller, in Arlesheim, betreffend Wirtschaftspatentverweigerung. (Vom 10. März 1905.}

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15.03.1905

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