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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Entschädigungsbegehren des Rudolf Hubler in Bätterkinden.

(Vom 19. Juni 1905.)

Tit.

Für Hubler, Rudolf, geb. 1879, Füsilier im Bataillon 29, wurde am 13. Mai 1904 von seinem Vater Rudolf Hubler, Schlosser in Bätterkinden (Bern), ein Pensionsgesuch eingereicht, welches von der Voraussetzung ausging, daß der Sohn Hubler infolge von Einflüssen, die der Militärdienst auf ihn habe einwirken lassen, geisteskrank geworden sei. Dieses Gesuch wurde der eidgenössischen Pensionskommission am 18. Juni 1904 vorgelegt; sie beschloss gestützt auf die Vorgeschichte des Falles und ein Gutachten des Herrn Direktor Dr. Glaser in Münsingen, es dem Bundesrate als unbegründet zur Ablehnung zu empfehlen. Der Bundesrat erklärte sich in seiner Sitzung vom 12. Juli 1904 mit der Auffassung der Pensionskommission einverstanden und wies das Begehren des Vaters Hubler ab. Am 8. Oktober 1904 reichte Herr Fürsprech Dürrenmatt in Herzogenbuchsee im Namen des Rudolf Hubler dem Bundesrat ein Wiedererwägungsgesuc bezüglich des genannten Beschlusses ein; aber nach Einholung eines neuen Berichtes des Oberfeldarztes, nach nochmaliger, eingehender Prüfung der Angelegenheit und nachdem er konstatiert hatte, daß das erneute Gesuch keine neuen Tatsachen namhaft machte, lehnte der Bundesrat am 30. November 1904 die Wiedererwägung seiner Beschlußnahme vom 12. Juli 1904 ab. Gegen diesen Entscheid hat nun Vater Hubler an die Bundesversammlung durch seine Eingabe vom 14. Dezember 1904 rekurriert. Diese Eingabe veranlaßte die

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Vornahme einer zweiten irrenärztlichen Expertise, weche Herrn Direktor Dr. Weber in Genf übertragen wurde; nach Kenntnisnahme des von Herrn Dr. Weber eingereichten Gutachtens, beschloß die Pensionskommission am 16. März 1905, einstimmig, an c ihrem früheren Entscheide festzuhalten.

In nachstehendem erlauben wir uns, darzulegen, wie es mit den Entschädigungsansprüchen des Sohnes Rudolf .Hubler sich verhält.

Derselbe absolvierte im Frühjahr 1901 die Infanterie-Rekrutenschule I in Bern und kehrte am Schluß derselben, es war am 22. Juni 1901, nach Hause zurück. Etwas mehr als zwei Monate später rückte er mit seinem Bataillon zum Manöverdienst ein, erkrankte aber bald, an einer Phlegmone der Wange und wurde am 8. September 1901 dem Bezirksspital in Langenthal zur Pflege übergeben, welchen er am 17. September 1901, von seiner Phlegmone geheilt, verließ, um nach Hause zurückzukehren. Nun erhielt der Oberfeldarzt am 30. September 1901 von Herrn Dr. Rüedi, Arzt in Utzenstorf, ein längeres Schreiben, in welchem ihm mitgeteilt wurde, daß Hubler schon aus der Rekrutenschule ganz verändert nach Hause gekommen sei. Er sei zwar schon früher etwas menschenscheu und eingezogen gewesen, aber seinen Eltern wäre es doch aufgefallen, wie schweigsam und still, ohne Lust zur Arbeit, er nach dem Dienst sich gezeigt habe. Dieser Zustand, den Dr. Rüedi selbst auch konstatiert habe, hätte sich nun nach Hublers Rückkehr aus dem Spital eher verschlimmert; Hubler habe seit bald 14 Tagen noch nichts gearbeitet, sitze oder stehe, ohne etwas zu sagen, herum, etc., so daß dem Arzt die Verbringung des Patienten in eine Irrenanstalt sehr angezeigt erseheine.

Um über die Angelegenheit ins klare zu kommen, und da die Heilbarkeit der Krankheit des Hubler nach den bis dahin gegebenen Daten nicht unmöglich schien, erklärte sich der Oberfeldarzt bereit, den Kranken auf Bundeskostea in die Irrenanstalt in Münsingen aufnehmen zu lassen; da ließ ihn aber am 10. Oktober 1901 Herr Dr. Rüedi wissen, daß sich die Eltern Hubler nicht entschließen könnten, ihren Sohn dorthin verbringen zu lassen, und daß sich zudem der Zustand des Letztern wieder etwas gebessert habe. Zwei Monate später, am 12. Dezember 1901, traf ein neuer Bericht des genannten Arztes ein, in welchem ausgeführt wurde, daß Rudolf Hubler regelmäßig zur Arbeit in die Werkstatt gehe,
aber nur langsam arbeite, häufig unruhig herumstehe, wenig spreche und an allem, was um ihn herum vorgehe, kein sonderliches Interesse zeige. Im übrigen sei sein Befinden gut. Die Bitern Hubler hätten sich auch jetzt noch nicht zur Verbringung ihres

479 Sohnes in einen Bpital bereit erklären können. Gestützt auf diesen Bericht schrieb nun der Oberfeldarzt dem Herrn Dr. Rüedi zu Händen der Eltern Hubler, daß er sich einer ferneren Rücksichtnahme auf den Fall für entledigt betrachte.

Damit war aber die Angelegenheit nicht abgetan. Anfangs März 1902 brachte Herr Dr. Rüedi dem Oberfeldarzt zur Kenntnis, daß die Eltern Hubler nun bereit seien, ihren Sohn in der Anstalt in Münsingen unterbringen zu lassen. Ende März sandte er einen detaillierten Bericht über den bisherigen Verlauf der Krankheit Hublers ein, dem ein Schreiben des Vaters Hubler beigelegt war.

Aus diesen beiden Berichten ging hervor, daß Rudolf Hubler auch etzt nicht in dem Zustand sich befand, der nach seiner Entlassung aus dem Spital bestanden hatte, sondern zur Arbeit ging und dort nur die Symptome zeigte, die Herr Dr. Rüedi früher' schon beschrieben hatte und die oben schon erwähnt sind. Für ·die uns beschäftigende Frage wichtig, ist folgender Passus im Schreiben des Vaters Hubler: ,,Leute des Dorfes, mit denen er verkehrt durch das Handwerk als Schlosser, sagen mir: Wir merken gar nichts Ungutes. Er geht auch in den Männerchor und gemischten Chor als Sänger. Der Direktor sagte auf mein Fragen: Ich sehe nichts Geisteskrankes."

Der Oberfeldarzt lies sich hierauf noch einmal bereit finden, .zur spezialistischen Beobachtung und Behandlung des Hubler Schritte zu tun zu seiner Unterbringung in der Irrenstalt in Mün.singen, und Hubler wurde dann am 10. April 1902 dorthin verbracht.

Am 21. Mai 19,02 reichte Herr Dr. Glaser, Direktor der Irrenanstalt in Münsingen, dem Oberfeldarzt sein erstes Gutachten über den Fall Hubler ein. Er führte in demselben aus, daß das körperliche Befinden des Patienten ein sehr günstiges sei, und daß dieser auch kein Krankheitsgefühl habe. Seine geistige Regsamkeit dagegen habe gelitten, er sei ziemlich apathisch und habe keine Initiative zur Arbeit. Mit seiner Umgebung verkehre er äußerst ruhig und seine Stimmung sei andauernd heiter und zufrieden. Es handle sich bei ihm offenbar um eine Dementia prsecox ('Jugendirrsinn), d. h. um eine Form jener jugendlichen Geistesstörung, die zumeist im Alter von 20 Jahren ihre Opfer befällt und deren Prognose im allgemeinen nicht günstig ist.

Da Herr Direktor Glaser bei dem damaligen Zustand des Hubler dessen weiteres
Verbleiben in der Anstalt nicht für nötig hielt, kehrte dieser am 24. Mai 1902 nach Hause zurück.

Nun dauerte es bis zum Februar 1903, da erschien der Vater Hubler auf dem Bureau des Oberfeldarztes und erzählte, daß das

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Befinden seines Sohnes sich insoweit verschlimmert habe, als er anfange, gewalttätig zu werden. Es wurde ihm hierauf nochmalige Anstaltsverpflegung des Patienten auf Bundeskosten für eine gewisse Zeit in Aussicht gestellt, dann blieben aber alle Nachrichten von seiner Seite wieder aus bis am 10. Juli 1903, an welchem Tage Herr Fürsprecher Schneider in Bern in seinem Auftrage bei dem Oberfeldarzte zur Besprechung sich meldete. Dem Herrn Schneider wurde die dem Vater Hubler gemachte Offerte erneuert, und es trat dann am 7. September 1903, also wiederum nach fast zwei Monaten, Rudolf Hubler zum zweiten Male in die Irrenanstalt in Münsingen ein. Im April 1904, während sich Hubler in der Anstalt befand, ersuchte der Oberfeldarzt Herrn Direktor Dr. Glaser um einen detaillierten Berieht über das Befinden des Kranken und um Äußerung seiner Ansicht über das Entstehen der Krankheit Hublers. Gestützt auf das Anfangs Mai eingelieferte Gutachten sah er sich dann veranlaßt, dern Vater Hubler zu erklären, daß es der Militärversicherung auf Grund der bestehenden Sachlage nicht möglich sei, fernerhin für die Verpflegungskosten seines Sohnes in der Irrenanstalt aufzukommen, indem der Militärdienst nicht als Ursache des Ausbruchs der Krankheit desselben betrachtet werden könne. Vater Hubler betrat hierauf den ihm vom Oberfeldarzt, für den Fall, daß er mit diesem Entscheid nicht zufrieden sei, gewiesenen Weg und reichte am 13. Mai 1904 ein Pensionsgesuch ein. Über den weitern Verlauf der Sache haben wir Eingangs berichtet.

Wie aus dem vorsteheaden sich ergibt, handelt es sich hier hauptsächlich um die Frage, ob die Dementia proecox, an welcher der Sohn tJubler leidet, als eine Folge des Militärdienstes zu betrachten sei oder nicht. Wir haben schon oben erwähnt, daß vom Bundesrat wie von der eidgenössischen Pensionskommission in zwei Sitzungen auf Grund der vorliegenden ärztlichen Gutachten diese Frage verneint worden ist.

Die Dementia prsecox ist eine der häufigsten, vielleicht die häufigste Geisteskrankheit, die es gibt. Sie entwickelt sieh, wie schon oben erwähnt wurde, in den meisten Fällen vor oder bald nach dem 20. Lebensjahr, in seltenen Fällen später. Dies gilt besonders für ihre spezielle Form, die Hebephrenie, die wir im Falle Hubler vor uns haben. Oft lassen sieh die ersten Spuren des Leidens, und hierher
gehören stilles, scheues Wesen, Insichgekehrtsein, bis in das 16., 14. Lebensjahr zurückverfolgen; die hebephrenische Umwälzung kann sich so untnerklich und unter so unbestimmten Anzeichen vollziehen, daß der eigentliche Beginn derselben sich nachträglich gar nicht mehr feststellen läßt. In der Regel kün'digt sich aber das herannahende Leiden durch

481 schwerere Erscheinungen an; der Kranke wird verstört, wortkarg,, zeitweise reizbar und grob oder grundlos heiter und ausgelassen.

Er widmet sich seiner Arbeit nur noch mit Widerwillen, ist nachlässig, zerstreut und so kommt, manchmal unter vorübergehenden Schwankungen zu besseren Zuständen, das spätere Stadium zur Entwicklung, in welchem Sinnestäuschungen, Wahnvorstellungen und schneller oder langsamer vor sich gehende Verblödung eintreten. Bei den Männern finden sich mehr Fälle von Hebephrenie als bei den Frauen, doch ist es ausgeschlossen, daß dem Militärdienst dieses Plus zur Last falle. Die Ursachen der Entwicklung der uns beschäftigenden Krankheit sind dunkel, doch hat man nicht ganz selten bei von ihr Ergriffenen schwerere Schädelverletzungen in der Jugend nachweisen können. Ebenso steht fest, daß erbliche Belastung bei der Mehrzahl der Fälle sich vorfindet.

Meistens treten die ersten, auffallenderen Erscheinungen der Dementia prsecox ohne äußere Veranlassung zu Tage, zuweilen scheint irgend eine stärkere Gemütsbewegung die zuerst bemerkten Symptome der Krankheit hervorzurufen. In diesen letztern Fällen handelt es sich aber immer um Personen mit schwerer Disposition zu dem Leiden, ja, wir dürfen annehmen, daß dasselbe gewöhnlich schon einen gewissen, wenn auch der Umgebung des Kranken noch unbemerkt gebliebenen Grad erreicht hatte. Dies ist auch um so wahrscheinlicher, als festzustehen seheint, daß bei der Dementia proecox eine schwere Schädigung von nervösen Rindenbestandteilen des Gehirns (Wucherung eines aus allerfeinsten Fäserchen bestehenden filzigen Gewebes) vorliegt, die eine dauernde Beeinträchtigung des Seelenlebens nach sich zieht ; diese Wucherungen können sich bis zu einem gewissen Grade entwickelt haben, ohne daß der Leidende als krank erkannt wurde.

Aus dieser Darstellung ergibt sich schon von selbst, daß der Militärdienst als solcher zu der Entwicklung der Dementia prsecox nicht wohl etwas beitragen kann, und so hat auch Stabsarzt Dr. IIberg, der nach langjährigen Beobachtungen eine Schrift über Geistesstörungen in der Armee zur Friedenszeit veröffentlicht hat, erklärt, daß die Dementia prsecox sich bei Zivilisten genau so wie bei Soldaten entwickle und daß tatsächlich ein wissenschaftlich erweisbarer Zusammenhang zwischen etwaigen Schädlichkeiten des Militärdienstes
und der Dementia prsecox nicht existiere. Ebenso ist von S o m m e r der Nachweis geliefert worden, daß der-Militärdienst im Frieden wesentlich nur psychopathisch beanlagte Personen krank macht und keineswegs mehr Geistesstörungen hervorruft, als in der entsprechenden bürgerlichen Bevölkerung beobachtet werden. Es braucht nicht besonders an-

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geführt zu werden, warum dies für unsere Militärverhältnisse in noch höherem Maße gelten muß als für die Deutschen.

o'Wenn wir nun den Verlauf der Psychose des Rudolf Hubler betrachten, so muß vor allem aus bemerkt werden, daß bei ihm eine gewisse erbliche Belastung besteht, indem je eine Schwester beider Großväter geisteskrank war. Herr Dr. Weber legt freilich hierauf kein Gewicht, während Dr. Glaser, wie auch andere hervorragende Psychiater, die erbliche Belastung als in Betracht fallendes Moment ansieht. Im weitern steht fest, daß Hubler während der Schulzeit zweimal einen Schlag auf den Kopf mit nachfolgenden deutlichen Anzeichen von Hirnerschütterung erhalten hatte, und wie wir oben dargelegt hatten, liegt hierin zweifellos ein gewichtiges, prädisponierendes Moment. Bevor er in die Rekrutenschule einrückte, war er menschenscheu und eingezogen, zuweilen auch etwas reizbar; er arbeitete aber fleißig und pflichtgetreu und war ein intelligenter, aufgeweckter Jüngling. Nach der Rekrutenschule fiel dann seinen Elfern auf, daß er noch schweigsamer war als früherund keine Lust zur Arbeit mehr zeigte; der herbeigerufene Arfct glaubte aber offenbar nicht, daß es um eine Psychose sich handle, und so kam es, daß Hubler noch einmal in den Dienst einrückte, um dann mit noch deutlicher ausgesprochenen Symptomen seiner Dementia praecox nach Hause zurückzukehren, die endlich zu einer Meldung an den Oberfeldarzt Veranlassung gab. Seither hat sich sein Zustand langsam verschlimmert.

Wenn wir das eben gegebene Bild betrachten, so liegt es ohne weiteres sehr nahe, anzunehmen, daß die Dementia prsecox des Hubler sich entwickelte, ohne daß der Militärdienst in irgend einer Weise dabei beteiligt war, und daß hierbei nur seine Disposition, Heredität, sowie das beim Auftreten oder, wenn man will, beim Eintritt der rascheren Entwicklung dieser Krankheit fast immer vorhandene Alter von 20 Jahren in Betracht fielen.

Nun wurde aber von Dr. Rüedi in seinem zweiten Berichte vom 30. März 1902 angegeben, daß die Eltern Hublers dessen geistige Störung darauf zurückführen, daß er bei der Rückkehr aus dem großen Urlaub in Burgdorf den Zug verfehlt und darauf so große Aufregung gezeigt habe, daß sein Betragen schon auf dem Bahnhof in Burgdorf allgemein aufgefallen sei. Es spitzt sich somit die ganze vorliegende Frage darauf zu,
ob angenommen werden darf, daß in dem von Hubler auf dem Bahnhof Burgdorf erlittenen Schreck die Ursache seiner Dementia prseeox liege oder nicht.

Herr Direktor Glaser in Miinsingen hat sich über diese Frage dahin geäußert, daß ein heftiger Schreck wohl den Ausbruch -einer geistigen Störung veranlassen könne, daß aber diese Folge nur

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bei disponierten Personen mit leicht affizierbarem Nervensystem eintrete. Bei Hubler lagen genügend Momente vor, um eine Disposition zur geistigen Erkrankung als vorhanden annehmen zu lassen; diese Disposition aber genügt zur Störung seiner Hirnfunktionen auf diesen Anlaß hin, der von einein rüstigen Gehirn ohne Nachteil ertragen zu werden pflegt. Es sei zugegeben, daß auch leicht ein anderes Vorkommnis, als das Verfehlen des Zuges bei Hubler das Einsetzen seiner Geistesstörung hätte veranlassen können, oder daß m ö g l i c h e r w e i s e die Krankheit, wie dies bei der Dementia prsecox in d e r M e h r z a h l a l l e r F ä l l e geschieht, ohne alle ä u ß e r e Veranlassung aufgetreten wäre.

^ Herr Direktor Dr. Weber schließt sein Gutachten mit der Erklärung ab, daß Hubler eine etwas besondere, scheue, zeitweise reizbare, weichherzige Natur gewesen sei, daß man aber aus den Akten nicht ersehen könne, ob diese E i g e n s c h a f t e n b e r e i t s v o r d e m D i e n s t e i n e a l s p a t h o l o g i s c h z u bet r a c h t e n d e I n t e n s i t ä t e r r e i c h t gehabt h ä t t e n . In den Einflüssen des Militärdienstes und dem in Burgdorf von Hubler erlittenen Schrecken erblickte er das a u s l ö s e n d e M o m e n t seiner Psychose. In praxi wäre er geneigt, beiden Faktoren, d. h. dem verdienstlichen Zustand Hublers und dem Einfluß des Dienstes den gleichen Wert beizumesseu.

Es erscheint uns vor allem wichtig, daß Dr. Weber darauf hinweist, wie wenig feststeht, daß Hubler nicht schon vor dem Militärdienst in einem gewissen Grade die Grenze des Normalen übersehritten hatte und pathologisch geworden, d. h. in den Beginn seiner Dementia eingetreten war. Uns seheint sehr viel dafür zu sprechen, daß dem in der Tat so gewesen ist, denn sonst würden wohl die Eltern Hublers nach seiner Rückkehr aus dem Dienst nicht so lange gewartet haben, um dem Oberfeldarzt Anzeige machen zu lassen, und Dr. Rüedi würde sich kaum haben verleiten lassen, ihm noch einmal das Einrücken in den Militärdienst zu gestatten. Für unsere Annahme spricht ferner der Umstand, daß Hubler seine Rekrutenschule bis zum Ende durchmachte, was wohl kaum geschehen wäre, wenn er nach der Rückkehr aus dem Urlaub ein von seinem früheren merklich abweichendes Verhalten gezeigt hätte.

Unter allen Umständen kann nicht daran gezweifelt
werden, daß Hubler seine Rekrutenschule mit einer stark entwickelten Disposition zur Dementia prsecox angetreten hat und daß sein Gehirn schon krank sein mußte, wenn das Verfehlen eines Zuges und die Furcht vor Strafe auf ihn einen derartigen Eindruck machen

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konnte. Es hat denn auch die Pensionskommission in ihren Beratungen über diesen Fall immer angenommen, daß Hublers Dementia prcecox wohl auch ohne den Vorfall in Burgdorf zur Entwicklung gekommen wäre, daß er jedenfalls eine starke Disposition zur Geisteskrankheit in sich trug, und daß es viel zu weit ginge, wenn man den Militärdienst· als den Urheber einer Krankheit beschuldigen wollte, die ihre ersten merkbaren Symptome äußerte, nachdem ihr Träger einen Zug verfehlt hatte.

Wir haben uns dieser Auffassung, die sich mit den von den Herren Dr. Glaser und Weber in ihren Gutachten ausgesprochenen Ansichten ziemlich deckt, ebenfalls angeschlossen und beantragen Ihnen, das zu gunsten des Hubler, Rudolf, eingereichte Pensionsgesuch als unbegründet abzulehnen.

In formeller Beziehung haben wir zu bemerken, daß eine dem Hubler eventuell zuzusprechende Pension nach dem Pensionsgesetz vom 13. November 1874 bemessen werden müßte, da seine Erkrankung in das Jahr 1901 fällt.

B e r n , den 19. Juni

1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates> Der Bundespräsident:

Ruchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Entschädigungsbegehren des Rudolf Hubler in Bätterkinden. (Vom 19. Juni 1905.)

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21.06.1905

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