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Schweizerisches Bundesblatt.

57. Jahrgang. IV.

Nr. 30.

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19. Juli 1905.,

Kreisschreiben des

Bundesrates an diejenigen Staaten, welche an der vom 8.--17. Mai in Bern abgehaltenen internationalen Konferenz für Arbeiterschutz vertreten waren, nämlich : Deutschland, Österreich, Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Norwegen, Niederlande, Portugal und Schweden.

(Vom 26. Juni 1905.)

In unserm Kreisschreiben vom 30. Dezember 1904 (Bundesbl.

1905, I, 80) hatten wir Ihre Regierung eingeladen, sich an einer in Bern abzuhaltenden internationalen Konferenz für Arbeiterschutz vertreten zu lassen.

Wir konstatieren zu unserer lebhaften Befriedigung, daß Sie unserer Einladung Folge zu geben die Freundlichkeit hatten, und wir sprechen Ihnen hierfür unsern verbindlichen Dank aus. Die hervorragende Beteiligung von fünfzehn Staaten bewirkte, daß die internationale Konferenz in ihrer Tagung vom 8.--18. Mai 1905 das in unserm Kreisschreiben vorgeschlagene Programm erledigen und entsprechende wichtige Beschlüsse aufstellen konnte.

Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

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Es liegt uns ob, Ihnen hiermit die Protokolle der Konferenz zu überreichen, wobei wir bemerken, daß sie den Herren Delegierten der beteiligten Staaten direkt zugehen werden.

Ferner haben wir die Ehre, Ihnen in Vollziehung eines Beschlusses der Konferenz in beglaubigter Abschrift die ,,Schlußakte der internationalen Konferenz für Arbeiterschutz" zu übermitteln.

In Übereinstimmung mit Art. 12 des von der Konferenz angenommenen Geschäftsreglements (Protokoll Nr. l, Seite 16) setzt die Schlußakte fest: Die unterzeichneten Delegierten sind übereingekommen, den schweizerischen Bundesrat zu ersuchen, er möchte als Ergebnis der Beratungen der Konferenz den beteiligten hohen Staatsregierungen behufs gutscheinender diplomatischer Verhandlungen nachstehende Vorschläge für abzuschließende internationale Vereinbarungen zustellen : I. Grundzüge eines internationalen Übereinkommens, betreffend das Verbot der Verwendung von weißem (gelbem) Phosphor in der Zündholzindustrie (Art. l--4).

II. Grundzüge eines internationalen Übereinkommens, betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen (Art. 1--5).

Indem wir dem bezeichneten Ansuchen gern nachkommen, unterbreiten wir die Beschlüsse der Konferenz Ihrer geneigten Prüfung.

Es erscheint als unerläßlich, daß behufs Umwandlung dieser Beschlüsse in Verträge eine diplomatische Konferenz stattfinde.

Wir möchten Sie ersuchen, uns mitteilen zu wollen, ob Sie mit diesem Vorgehen einverstanden seien ; bejahendenfalls erbitten wir uns Ihre Ansicht in bezug auf den Ort und den Zeitpunkt der Konferenz.

Ihrer geschätzten Antwort sehen wir bis Ende Oktober des laufenden Jahres entgegen. Wir geben der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, daß das unter günstigen Auspizien begonnene humanitäre Werk zu einem glücklichen Abschluß gebracht werde.

Dieses Kreisschreiben erhalten die Regierungen derjenigen Staaten, die an der Berner Konferenz vertreten waren. Gleichzeitig laden wir die Kaiserliche Regierung Japans ein, nach Maß-

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gäbe von Ziffer 4 der unter I. erwähnten Grundzüge sich über den gewünschten Beitritt aussprechen zu wollen.

B e r n , den 26. Juni 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ruchet Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Beilagen : Protokolle der Konferenz (s. Seite 628 hiernach).

Beglaubigte Abschrift der Schlußakte.

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Internationale Konferenz für

Arbeiterschutz.

Protokoll Nr. 1.

Montag den 8. Mai 1905, nachmittags 3 Uhr, im Ständeratssaal.

Auf das Kreisschreiben des Bundesrates 'betreffend Einberufung einer internationalen Arbeiterschutzkonferenz in Bern, vom 30. Dezember 1904, haben folgende Staaten eine zusagende Antwort erteilt : das Deutsche Reich, Österreich, Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Norwegen, die Niederlande, Portugal, Schweden.

Als Delegierte dieser Staaten und als solche der Schweiz sind angemeldet und erschienen : Deutsches Reich.

Caspar, Ministerial-Direktor im Reichsamt des Innern.

Koch, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Reichsamt des Innern.

Frick, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Königl. Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe.

Pléhn, Kais. Legationsrat im Auswärtigen Amte.

629 Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Österreich.

Richard Hasenoehrl, Sektionschef im Handelsministerium.

Victor Mataja, Sektionschef im Handelsministerium.

Hugo Sack, Sektionsrat im Handelsministerium.

Franz, Mütter, Sektionsrat im Handelsministerium.

Alfred Ritter von Fries, Sektionsrat im Ministerium des Innern.

Ungarn.

Josef Szterényi, Ministerialrat und Chef der Sektion für Industrie, Handel und Arbeiterschutz im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Josef Csóìca, Sektionsrat, Leiter des Arbeiterschutz-Departements im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Dr. Bela von Procopius, Ministerialvizesekretär und Fachberichterstatter des Königl. Ungarischen Handelsministeriums.

Nikolaus Gerster, Gewerbeinspektor.

Sekretär: Dr. Richard Lessner, Concepts-Adjunkt im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Belgien.

*.

A. Simonis, Vizepräsident des Senats.

E. Pelteer, Senator.

J. Dubois, Generaldirektor des Arbeitsamtes im Ministerium für Industrie und Arbeit.

B. Fabri, Arbeitsinspektor.

H. Dupont, Arbeitsinspektor.

Dänemark.

Gustav Phüipsen, Adjunkt des Bürgermeisters in Kopenhagen, Präsident des Königl. Arbeitsrates.

H. Vedel, stellvertretender Bureau-Chef im Ministerium des Innern, Sekretär des Königl. Arbeitsrates.

Spanien.

8. E. Don José de la Bica y Calvo, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister S. M. des Königs von Spanien in der Schweiz.

Frankreich.

Richard Waddington, Senator, Präsident der höheren Kommission für Industriearbeit, Präsident der Handelskammer von Rouen.

A. Millerand, Deputierter, ehemaliger Minister.

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Ate Keufer, Generalsekretär des Typographenbundes, Vizepräsident des höheren Arbeitsrates, Präsident der permanenten Kommission des höheren Arbeitsrates.

Arthur Fontaine, Direktor für Arbeit im Ministerium des Handels und der Industrie.

H. Sévène, Chef-Ingénieur, Inspektor der Staatsmanufakturen.

A d j u n k t e : a. Lagard, Divisions-inspektor für Arbeit.

b. Doktor Courfois-Suffit, Chefarzt der Staatsmanufakturen.

Sekretär: Marcel Bernard, Chef des Sekretariats des Handelsministers.

Grossbritannien.

Henry Hardinge Samuel CunyngJiame, C. B., Hilfs-Unterstaatssekretär im Innern Amt.

Malcolm Delevingne, ,,Principal Clerk" im Innern Amt.

Italien.

Prof. Giovanni Mmitemartini, Direktor des Arbeitsamtes.

Ritter Luigi Belloc, Ingenieur, Industrie-Inspektor im Königl. Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel.

Luxemburg.

Heinrich Neuman, Staatsrat, Präsident der Vereinigung für Unfall» Versicherung.

Norwegen.

Lund, Fabrikinspektor des Bezirks ,,Söndenfjeldskea.

Niederlande.

Doktor der Rechte L. H. W. Regout, Mitglied der Ersten Kammer der Generalstaaten, in Maastricht.

Doktor H. F. Kuyper, Arbeitsinspektor im 3. Inspektionskreise, im Haag.

Portugal.

Ernesto Madeira Finto, Generaldirektor für Handel und Industrie.

Schweden.

Pihlgren, Abteilungschef im Handelskollegium in Stockholm.

631 Schweiz.

Dr. Adolf Deucher, Bundesrat, Vorsteher des eidg. Handels-, Industrie- und Laudwirtschaftsdepartements, in Bern.

Dr. Franz Kaufmann, Abteilungschef des eidg. Industriedepartements, in Bern.

Emil Frey, alt Bundesrat, Präsident der Schweiz. Vereinigung zur Förderung des internationalen Arbeiterschutzes, in Bern.

Josef Anton Schobinger, Regierungsrat, Präsident des Schweiz.

Nationalrates, in Luzern.

Heinrich Scherrer, Regierungsrat und Nationalrat, Präsident der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, in St. Gallen.

Jules Vautier, vom Hause Gebrüder Vautier, in Grandson.

John Syz, Präsident des Schweiz. Spinner-, Weber- und Zwirnervereins', in Zürich.

Otto Lang, Oberrichter, Präsident des Schweiz. Arbeiterbundes, in Zürich.

E x p e r t e n : a. Heinrich Bauschenbach, eidg. Fabrikinspektor des III. Kreises, in Schaff hausen ; b. Ami Campiche, eidg. Fabrikinspeklor des II. Kreises, in Lausanne; c. Dr. Heinrich Wegmann, eidg. Fabrikinspektor des I. Kreises, in Mollis.

Herr Bundesrat Dr. A. Deucher eröffnet die Konferenz mit folgender Ansprache : ,,Hochgeehrte Herren !

Es ist mir der ehrenvolle Auftrag geworden, Sie in unserer Bundesstadt im Namen des schweizerischen Bundesrates herzlichst willkommen zu heißen, und Ihnen zugleich zu Händen Ihrer hohen Regierungen den lebhaftesten Dank auszusprechen für die Bereitwilligkeit, mit der dieselben unsere Einladung zu einer Konferenz angenommen haben, in welcher eine Verständigung über wichtige Fragen des Arbeiterschutzes gesucht und verwirklicht werden soll.

Meine Herren, Die Idee der internationalen Regelung des Arbeiterschutzes hat, seit der Elsäßer Daniel Le Grand Dieselbe zum ersten Male,

632 vor nun 50 Jahren, bei den Regierungen der europäischen Industriestaaten in Anregung gebracht, und nachdem für sie, 20 Jahre später, im schweizerischen Nationalrate von dessen damaligem Präsidenten, Oberst Emil Frey, eine erneute offizielle Kundgebung stattgefunden und der schweizerische Bundesrat dieselbe bei den maßgebenden Regierungen, wiederholt, wenn auch ohne Erfolg, wieder aufgenommen hatte, einen weiten Weg gemacht, nicht, ohne im Laufe der Zeiten und unter dem Druck der Verhältnisse mehr und mehr an Boden zu gewinnen.

Sie nahm einen neuen Aufschwung, als Anfangs 1890 S.Majestät der Deutsche Kaiser, Wilhelm II, und der schweizerische Bundesrat, gleichzeitig, aber unabhängig voneinander, wiederum eine internationale Konferenz behufs Beratung einschlägiger Fragen in Vorschlag gebracht und eine solche, nach gegenseitiger Verständigung, am 15. März 1890 in Berlin, unter Beteiligung beinahe sämtlicher europäischer Industriestaaten zusammengetreten war. Im damaligen Arbeitsprogramm waren 6 Punkte in Aussicht genommen : Regelung der Arbeit in Bergwerken, der Sonntagsarbeit, der Kinderarbeit, der Arbeit junger Leute und weiblicher Personen, sowie betreffend Ausführung der vereinbarten Bestimmungen.

Das Resultat der Beratungen wurde in einem Schlußprotokoll in Form von Wünschen zu Händen der beteiligten Regierungen niedergelegt, in der Meinung, daß damit eine Grundlage für den Ausbau und die Weiterentwicklung des Arbeiterschutzes sowohl auf dem Boden nationaler Gesetzgebung, als namentlich auch durch internationale Vereinbarungen geschaffen werden sollte.

Wenn nun auch diese Wünsche sich nicht in dem Maße verwirklichten, wie man damals hoffen zu dürfen glaubte, so bildete die Berliner Konferenz doch eine wichtige Etappe auf diesem Gebiete und hat mächtig dazu beigetragen, daß die Frage von Nationalökonomen, Industriellen und Arbeitern vielfach besprochen, die öffentliche Meinung für die Idee gewonnen und deren Bedeutung in parlamentarischen und Regierungskreisen immer mehr gewürdigt wurde, so daß die Aussichten auf eine bezügliche internationale Verständigung sich zusehends besser gestalteten.

Auf dem Boden dieser Bestrebungen wurde sodann im Juli 1900 an der Pariser Zusammenkunft von Arbeiterschutzfreunden aus verschiedenen Ländern eine private internationale Vereinigung für gesetzlichen Asbeiterschutz, bestehend aus nationalen

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Sektionen, ins Leben gerufen und in Verbindung damit am 1. Mai 1901 in Basel ein internationales Arbeitsamt eröffnet, mit dem Charakter eines streng wissenschaftlichen Institutes, das sich der vollständigen politischen und sozialen Neutralität zu befleißen und jedweder Propaganda zu enthalten hat.

Letzteres entfaltete sofort und in der Folge, entsprechend den großen von ihm zu erfüllenden Aufgaben, eine rege und segensreiche Tätigkeit.

Die neue Vereinigung gewann mehr und mehr an Ausdehnung und Einfluß ; erfreulicherweise begannen bald auch die Regierungen ihr Interesse für dieselbe zu bekunden, sowohl durch Abordnung von Delegierten an ihre Versammlungen, von denen manche an den Beratungen in hervorragender Weise sich beteiligten, als namentlich auch durch jährliche finanzielle Unterstützung des Arbeitsamtes.

Selbstverständlich mußte die Vereinigung als ihr wesentliches Ziel den Abschluß von internationalen Arbeiterschutzverträgen ins Auge fassen.

In Verfolgung dieses Zweckes stellte daher deren Bureau, 16. September 1908, an den schweizerischen Bundesrat das Gesuch, er möge die Initiative zum Zusammentritt einer Konferenz ergreifen, um auf dem Wege einer internationalen Vereinbarung : 1. Die Verwendung des weißen Phosphors bei der Herstellung von Zündhölzchen, 2. die gewerbliche Nachtarbeit der Frauen, zu verbieten.

Der Bundesrat kam dieser Anregung, die seiner eigenen Intention und dem ihm seit Jahren eingenommenen Standpunkt entsprach, um so lieber nach, als durch den am 15. April 1904 zwischen Frankreich und Italien abgeschlossenen Arbeiterschutzvertrag der Boden für ähnliche Abkommen vorbereitet erschien, und nachdem eine vertrauliche Anfrage bei den interessierten Staaten fast ausnahmslos die Geneigtheit, an der einzuberufenden Konferenz teilzunehmen, sich ergeben hatte.

Was das Programm der letztern betrifft, so schien es uns nach den bisherigen Erfahrungen angezeigt, sich auf die beiden von der internationalen Vereinigung vorgeschlagenen Punkte zu beschränken, um so mehr, als uns in den beiden vom internationalen Arbeitsamt hierüber ausgearbeiteten und Ihnen ausgeteilten Denkschriften ein höchst wertvolles Material zu Gebote steht.

Wir nehmen an, daß die Konferenz mit bezug auf diese beiden

-634 Materien gewisse Grundsätze feststellen werde, welche den von ·den beteiligten Regierungen abzuschließenden internationalen Verträgen als Grundlage dienen sollen, und wir hoffen, daß eine Verständigung vorerst auf diesen Gebieten eine spätere weiter .gehende .Regelung des Arbeiterschutzes überhaupt mächtig fördern werde.

Meine Herren, Die Frage des Arbeiterschutzes bildet eine der wichtigsten, ·aber infolge der internationalen Konkurrenz und der großen Ver·sehiedenheit der Produktionsbedingungen in den einzelnen Ländern zugleich eine der schwierigsten Partien in den Bestrebungen zur Verbesserung der Lage unserer Arbeiter überhaupt. Sie kann nur auf dem Boden internationaler Verständigung der an der Beherrschung des Weltmarktes beteiligten Länder eine befriedigende Lösung finden. Diese muß und wird gefunden werden, in einer Zeit, in der die Überzeugung sich immer mehr verallgemeinert, daß die Völker, welche hierin vorangehen, ihre physischen und intellektuellen Fähigkeiten besser ausbilden, die arbeitstüchtigern, wehrhaftem und den andern im Daseinskampf überlegenen sind.

Unsere Konferenz ist berufen, dabei, wenn auch einen kleinen doch einen entscheidenden Schritt vorwärts zu tun. Um das zu erreichen, dürfen wir uns nicht mit theoretischen Kundgebungen, begnügen, unsere Aufgabe soll nicht darin bestehen, schöne platonische Erklärungen abzugeben, wir müssen den Regierungen praktische Lösungen vorschlagen und zu Ergebnissen gelangen, die in Gestalt von Verträgen sich verkörpern lassen.

Meine Herren, Ich wage zu hoffen, daß die Arbeit einer Versammlung von Männern der Verwaltung, der Technik und des praktischen Lebens, ausgezeichnet durch Wissen und Erfahrung, von denen viele seit Jahren auf vorwürfigem Gebiete in hervorragender und erfolgreicher Weise sich betätigt haben, von Erfolg gekrönt sein werde.

Damit erkläre ich die Konferenz für eröffnet". (Anhaltender Beifall.)

Der Namensaufruf ergibt eine Präsenz von 44 Delegierten.

Der Vorsitzende, stellt den Mitgliedern der Konferenz das provisorische Bureau vor, nämlich die Herren:

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Prof. Dr. Stephan Bauer, Generalsekretär; Dr. Otto Rieser, Abteilungssekretär des eidg. Industrie^ départements, erster und Paul Dinichert, Adjunkt des Sekretärs des Politischen Departements, zweiter Sekretär; Karl Vogt und Prof. Ernst Böthlisberger, Übersetzer.

Bundesrat Dr. Deucher teilt mit, daß den Delegierten folgende Dokumente zugestellt wurden: a. Note des schweizerischen Bundesrates betreffend Einberufung einer internationalen Arbeiterschutzkonferenz, vom 30. Dezember 1904.

b. Entwurf zu einem Geschäftsreglement der internationalen Konferenz.

c. Vorsehlag der schweizerischen Delegation hinsichtlich einer Grundlage der Beratungen über einen Vertrag betreffend das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündwarenindustrie.

d. Vorschlag der schweizerischen Delegation hinsichtlich einer Grundlage der Beratungen über einen Vertrag betreffend das Verbot industrieller Nachtarbeit weiblicher Personen.

«. Denkschrift über das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündhölzchen-Industrie.

f. Denkschrift über das Verbot der gewerblichen Nachtarbeit der Frauen.

ff. Übersicht der Gesetzgebung der bei der internationalen Arbeiterschutzkonferenz zu Bern vertretenen Staaten betreffend das Verbot der Nachtarbeit der industriellen Arbeiterinnen.

li. Inhaltsübersicht der letzterschienenen Gewerbe-InspektorenBerichte.

Die vier letzterwähnten Imprimate werden von der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz vorgelegt.

i. Ein Plan mit Anweisung der Plätze.

Tt. Das provisorische Verzeichnis der Delegierten.

Der Vorsitzende ersucht, bis nach Schluß der Konferenz das Geheimnis über die Verhandlungen wahren zu wollen und behält sich vor, betreffs Mitteilungen an die Presse Vorschläge zu machen.

Es erfolgt hierauf die Beratung des im Entwurfe vorliegenden und artikelweise verlesenen

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Geschäftsreglements.

Art. 1. Die Konferenz wird durch sämtliche, mit Vollmacht versehene Delegierte der teilnehmenden Staaten gebildet.

Art. 2. Nach Festsetzung des Geschäftsreglements bezeichnet die Konferenz einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten, das Sekretariat und die Übersetzer.

Art. 3. Es findet eine allgemeine Beratung des der Konferenz vorgelegten Programms (Note des schweizerischen Bundesrates vom 30. Dezember 1904) statt.

Die Konferenz entscheidet, ob für die Vorbereitung der einzelnen Punkte des Programms oder für die Redaktionen Kommissionen einzusetzen seien, und wählt bejahendenfalls diese Kommissionen. Jede Delegation kann für eine Kommission l--2 Mitglieder bezeichnen, jedoch hat sie in ihr nur je eine Stimme.

Die nicht als Mitglieder einer Kommission gewählten Delegierten können ihren Sitzungen, jedoch ohne beratende und entscheidende Stimme, beiwohnen.

Art. 4. Jede Kommission bezeichnet ihren Präsidenten und ihre Berichterstatter (deutsch und französisch"). Der schriftlich abzufassende Bericht ersetzt das Protokoll. Die Mitglieder des Bureaus der Konferenz haben zu den Kommissionssitzungen Zutritt.

Es werden den Kommissionen vom Bureau die nötigen Übersetzer zugeteilt.

Art. 5. Den Delegationen beigegebene Experten können den Sitzungen der Konferenz ohne beratende und entscheidende Stimme, denjenigen der Kommissionen mit beratender Stimme, beiwohnen.

Art. 6. Die Anträge der Kommissionen sind vor ihrer Behandlung den Mitgliedern der Konferenz gedruckt zuzustellen.

Ebenso verhält es sich, in der Regel, mit Einzelanträgen, sofern sie von der Konferenz in Betracht gezogen worden sind.

Art. 7. In der Regel ist jeder in der Konferenz oder in den Kommissionen zu stellende Antrag dem Präsidenten schriftlich einzureichen.

Art. 8. Die mündlichen Verhandlungen ·s*- finden in deutscher und französischer Sprache statt.

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Die Akten der Konferenz werden in der Sprache der Berichterstatter und der Votanten gedruckt.

Die Anträge werden in beiden Sprachen ausgeteilt.

Art. 9. Die Abstimmungen werden in der Regel durch Namensaufruf der Staaten, in der alphabetischen Reihenfolge ihrer französischen Benennungen, vorgenommen.

Jeder Staat hat eine Stimme.

Art. 10. Das Protokoll enthält den Verlauf der Verhandlungen, die Kommissionsberichte, die gestellten Anträge und die gefaßten Beschlüsse, unter summarischer Wiedergabe der vorgebrachten Gründe.

Jeder Delegierte ist berechtigt, die vollständige Aufnahme seines Votums in das Protokoll zu verlangen, hat aber in diesem Falle den schriftlichen Text im Verlaufe des der Sitzung folgenden Abends dem Sekretariat einzureichen.

Vom Protokoll jeder Sitzung wird den Delegierten ein Korrekturabzug zugestellt; Korrekturen sind innert 24 Stunden dem Sekretariat mitzuteilen. Eine Verlesung des Protokolls findet nicht statt.

Jedes Protokoll ist vom Präsidenten und vom Sekretariat zu unterzeichnen.

Art. 11. Die Verhandlungen der Konferenz und der Kommissionen sind nicht öffentlich.

Art. 12. Das Ergebnis der Beratungen der Konferenz wird in Form von Entwürfen zu internationalen Vereinbarungen zusammengefaßt, von den zustimmenden Delegationen unterzeichnet und durch den schweizerischen Bundesrat den beteiligten Staaten behufs gutscheinender diplomatischer Verhandlung darüber zugestellt.

Zu Art. l schlägt Herr Caspar vor, die Worte ,,mit Vollmacht versehene" zu streichen, da die amtlichen Anmeldungen als Vollmachten zu betrachten seien.

Der Vorsitzende erklärt, daß er hierüber die Konferenz befragen ·wolle.

Diese entscheidet im Sinne des Antragstellers.

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Bei Art. 3 spricht Herr Waddington den Wunsch aus, man möchte den Delegationen freie Hand lassen, die Zahl ihrer Mitglieder, die an den verschiedenen Kommissionen teilzunehmen haben, selber zu bestimmen.

Herr Simonis unterstützt diesen Vorschlag, und der Präsident erklärt, daß er seinerseits darin kein Hindernis erblicke.

= Die Konferenz beschließt, Art. 3 in diesem Sinne abzuändern» Herr Caspar ist mit dem Vorschlage, eine unbeschränkte Zahl von Mitgliedern in die Kommissionen zu delegieren, einverstanden und bemerkt zu Absatz l (Art. 3), daß eine Erweiterung des der Konferenz vorgelegten Programms anläßlieh der allgemeinen Beratung ausgeschlossen sein sollte.

Dieser Auffassung stimmt der V o r s i t z e n d e zu.

Zu Art. 6, Absatz 2, bemerkt Herr Caspar, daß hier wahrscheinlich statt ,,Konferenz" ,,Kommission" gedruckt sein sollte.

Der Vorsitzende erklärt dagegen, der vorgeschlagene Modus entspreche der schweizerischen parlamentarischen Übung.

Zu Art. 8 erklärt Herr Millerand, daß in einer diplomatischen Konferenz selbstverständlich nur die französische Sprache zulässig sein sollte. Er begreift jedoch sehr wohl, daß, wo es sich in der Diskussion vorwiegend um technische Fragen handelt, jeder sich der Sprache bedient, die ihm geläufig ist.

Zu Art. 10 bemerkt Herr Waddington, es scheine ihm im allgemeinen Interesse zu liegen, sämtliche Dokumente sowohl in.

französischer, als auch in deutscher Sprache abzufassen, damit der Leser der einen oder andern Sprache sich in nutzbringender Weise von der Gesamtheit der Arbeiten der Konferenz Kenntnis, verschaffen könne. Der vom Sprechenden formulierte Vorschlag, dahin gehend, daß die definitiven Protokolle in den beiden Spraohen abgefaßt sein sollen, erhält die allgemeine Zustimmung der Konferenz, und Art. 10, Absatz l, wird demgemäß ergänzt.

(Den definitiven Text des G e s c h ä f t s r e g l e m e n t s siehe Beilage II zum Protokoll Nr. 1.)

Der Vorsitzende schlägt der Konferenz vor, daß das Sekre.tariat der Presse über die Verhandlungen ein Bulletin zustelle, nachdem dieses vom Präsidenten der Konferenz jeweilen genehmigt worden sei.

Dieser Antrag wird angenommen.

Es wird hierauf zur Wahl des Bureaus geschritten.

639" Herr Caspar beantragt, es möge die Versammlung den provisorisch Vorsitzenden, Herrn Bundesrat Dr. Deucher, den langjährigen Förderer des Arbeiterschutzes, mit Akklamation wählen..

(Allgemeiner Beifall.)

Herr Waddington schließt sich dem Vorschlage des Herra Caspar an, Herrn Bundesrat Deucher als Präsidenten der Konferenz zu bezeichnen.

Herr Bundesrat Dr. Deucher verdankt tiefgerührt die Worteder Herren Caspar und Waddington ; er erachtet seine Wahl zum Präsidenten der Konferenz als eine hohe Ehre für Land und Volk und wird bestrebt sein, das in ihn gesetzte Vertrauen!

durch unparteiische Leitung und möglichste Beschleunigung der Arbeiten zu rechtfertigen. Er erhofft ein günstiges Resultat der Verhandlungen und schlägt als Vizepräsidenten seinen frühem Kollegen, Herrn alt Bundesrat E. Frey, vor, der zuerst die Frage einer internationalen Regelung des Arbeiterschutzes als Präsident des schweizerischen Nationalrates vor zirka 30 Jahren amtlich angeregt hat.

Dieser Vorschlag wird einstimmig angenommen.

Zum Generalsekretär, zu Sekretären und Übersetzern des Bureaus werden die bereits provisorisch wirkenden Beamten definitiv gewählt.

Als Tagesordnung der zweiten Plenarsitzung, die Dienstag den 9. Mai, vormittags 9 Uhr, stattfinden soll, werden unter Zustimmung der Konferenz folgende Punkte festgesetzt: a. Allgemeine Beratung des Programms; b. Wahl der Kommissionen; c. Festsetzung von Ort und Zeit des ersten Zusam mentri Weder Kommissionen.

Nach kurzer Diskussion, an der sich die Herren Seterényi, Caspar, Simonis und Peltzer beteiligen, wird diese Tagesordnung angenommen.

Schluß der Sitzung: 4 Uhr 20 Minuten.

Die Sekretäre:

Der Präsident:

Prof. Dr. Stephan Bauer.

Dr. A. Deucher, Bundesrat..

Dr. 0. Rieser.

Paul Dinichert.

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Beilage l zum Protokoll Nr. 1.

Kreisschreiben des

Bundesrates betreffend Einberufung einer internationalen Arbeiterschutzkonferenz.

(Vom 30. Dezember 1904.)

Herr Minister, ,,Im Auftrage der von der Kölner Delegiertenversammlung der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz eingesetzten Kommission hat uns das Bureau dieser Vereinigung ersucht, eine internationale Konferenz zur Regelung der folgenden Fragen des Arbeiterschutzes einzuberufen: 1. Verbot der Verwendung des weißen Phosphors bei der Herstellung von Zündhölzchen ; 2. Verbot der gewerblichen Nachtarbeit der Frauen.

,,Was den zweiten Punkt betrifft, so ergibt sich aus den Erörterungen des Bureaus und den Resolutionen der vorerwähnten Kommission (Verhandlungen vom 10. und 11. September 1903 in Basel), daß die Frage folgende Postulate umfaßt: a. unter dem Ausdruck ,,Frauen'1 sind alle Arbeiterinnen ohne Altersunterschied zu verstehen; b. das Verbot der Nachtarbeit soll darin bestehen, daß sämtlichen in irgend einem gewerblichen Betrieb, also außerhalb ihres Haushaltes beschäftigten Arbeiterinnen eine ununterbrochene zwölfstündige Arbeitsruhe von abends bis morgens gesichert sein soll; c. von dem Verbote können Ausnahmen für Fälle drohender oder bereits eingetretener Betriebsgefahr vorgesehen werden ;

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d. die Arbeiterinnen, welche Rohmaterialien zu verarbeiten haben, die einem raschen Verderben ausgesetzt sind, zum Beispiel jene der Fischerei und gewisser Arten der Obstverarbeitung, können die Erlaubnis zur Nachtarbeit in jedem Falle erhalten, in welchem dies notwendig ist, um den sonst unvermeidlichen Verlust der Rohprodukte hintanzuhalten ; e. diejenigen Betriebe, bei denen zu gewissen Jahreszeiten ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, werden durch die Übergangsbestimmung, welche die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe auf 10 Stunden festsetzt, Zeit für die Überstunden finden, deren sie beim gegenwärtigen Stand ihrer Organisation bedürfen; /. für die Ausführung der Reformen können bestimmte Fristen festgesetzt werden.

,, Aufschluß über diese Fragen enthalten auch die beiden Veröffentlichungen ,,Denkschrift über das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündhölzchenindustrie" und ,,Denkschrift über das Verbot der gewerblichen Nachtarbeit der Frauen".

Diese Denkschriften sind den verschiedenen Regierungen im Jahre 1904 durch das Bureau der internationalen Vereinigung im Namen der Kommission zugestellt worden.

,,Wir haben bei den Regierungen einer Anzahl Staaten in vertraulicher Weise Erkundigungen eingezogen, um zu erfahren, welche Aufnahme ein von der Schweiz ausgehender Vorschlag betreffend die Einberufung einer internationalen Konferenz finden würde. Beinahe alle Staaten zeigten sich geneigt, einem Vorschlag zur Abhaltung einer solchen Konferenz ihre Zustimmung zu erteilen. Der Bundesrat glaubt unter diesen Umständen, seinem bisherigen Vorgehen entsprechend, dem an ihn gerichteten Begehren Folge geben zu sollen. Auch wir würden es lebhaft begrüßen, wenn endlich, und wäre es auch nur in beschränktem Maße, die Idee einer internationalen Verständigung über gewisse Fragen des Arbeiterschutzes verwirklicht werden könnte. Wir hegen die feste Zuversicht, daß die Konferenz sich nicht mit theoretischen Kundgebungen begnügen, sondern trachten werde, eine wirkliche Verständigung zwischen den Staaten anzubahnen.

Wir sind der Meinung, daß die Konferenz zu diesem Zwecke die Grundsätze von internationalen Übereinkünften feststellen sollte ; damit soll selbstverständlich den Absichten der an der Konferenz vertretenen Regierungen nicht vorgegriffen werden, und Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

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es würde der Abschluß der Übereinkünfte selbst vollständig späteren diplomatischen Unterhandlungen vorbehalten bleiben. Wir schlagen vor, die unter Ziffer l und 2 und unter lit. a--f näher bezeichneten Fragen in das Programm der Konferenz aufzunehmen.

Die Idee, das Verbot der Nachtarbeit auch auf die jugendlichen Arbeiter auszudehnen, ist von verschiedenen Seiten als unzeitgemäß bezeichnet und fallen gelassen worden. Es steht zu hofifeny daß, infolge der Beschränkung des Programms auf einige wenige Punkte, die Konferenz eher zu einer fruchtbringenden Verständigung gelangen werde.

,,Die internationale Konferenz wird am Montag, 8. Mai 1905> um 3 Uhr nachmittags im Ständeratssaal des Bundeshauses in Bern zusammentreten. Indem wir Ihre hohe Regierung einladen, dieselbe zu beschicken, bitten wir Sie, uns die Namen Ihrer Delegierten mitteilen zu wollen.

Dieses Kreisschreiben ist den Regierungen der folgenden* Staaten zugestellt worden : Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien,, Dänemark, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Griechenland,, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Rumänien, Serbien und Schweden und Norwegen.

Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung".

B e r n , den 30. Dezember 1904.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Comtesse.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft; Ringier.

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Beilage II zum Protokoll Nr. 1.

Geschäftsreglement.

Art. 1. Die Konferenz wird durch sämtliche Delegierte der teilnehmenden Staaten gebildet.

Art. 2. Nach Festsetzung des Geschäftsreglements bezeichnet die Konferenz einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten, das Sekretariat und die Übersetzer.

Art. 3. Es findet eine allgemeine Beratung des der Konferenz vorgelegten Programms (Note des schweizerischen Bundesrates vom 30. Dezember 1904) statt.

Die Konferenz entscheidet, ob für die Vorbereitung der einzelnen Punkte des Programms oder für die Redaktionen Kommissionen einzusetzen seien, und wählt bejahendenfalls diese Kommissionen. Jede Delegation kann für eine Kommission eine beliebige Zahl von Mitgliedern bezeichnen, jedoch hat sie in diesen Kommissionen nur je eine Stimme.

Art. 4. Jede Kommission bezeichnet ihren Präsidenten und ihre Berichterstatter (deutsch und französisch). Der schriftlich abzufassende Bericht ersetzt das Protokoll. Die

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Mitglieder des Bureaus der Konferenz haben zu den Kommissionssitzungen Zutritt.

Es werden den Kommissionen vom Bureau die nötigen Übersetzer zugeteilt.

Art. 5. Den Delegationen beigegebene Experten können den Sitzungen der Konferenz ohne beratende und entscheidende Stimme, denjenigen der Kommissionen mit beratender Stimme, beiwohnen.

Art. 6. Die Anträge der Kommissionen sind vor ihrer Behandlung den Mitgliedern der Konferenz gedruckt zuzustellen.

Ebenso verhält es sich, in der Regel, mit Einzelanträgen, sofern sie von der Konferenz in Betracht gezogen worden sind.

Art. 7. In der Regel ist jeder in der Konferenz oder in den Kommissionen zu stellende Antrag dem Präsidenten schriftlich einzureichen.

Art. 8. Die mündlichen Verhandlungen finden in deutscher und französischer Sprache statt.

Die Akten der Konferenz werden in der Sprache der Berichterstatter und der Votanten gedruckt.

Die Anträge werden in beiden Sprachen ausgeteilt.

Art. 9. Die Abstimmungen werden in der Regel durch Namensaufruf der Staaten, in der alphabetischen Reihenfolge ihrer französischen Benennungen, vorgenommen.

Jeder Staat hat eine Stimme.

Art. 10. Das Protokoll enthält den Verlauf der Verhandlungen, die Kommissionsberichte, die gestellten Anträge und die gefaßten Beschlüsse, unter summarischer Wiedergabe der vorgebrachten Gründe.

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Die endgültigen Protokolle sollen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht werden.

Jeder Delegierte ist berechtigt, die vollständige Aufnahme seines Votums in das Protokoll zu verlangen, hat aber in diesem Falle den schriftlichen Text im Verlaufe des der Sitzung folgenden Abends dem Sekretariat einzureichen.

Vom Protokoll jeder Sitzung wird den Delegierten ein Korrekturabzug zugestellt ; Korrekturen sind innert 24 Stunden dem Sekretariat mitzuteilen. Eine Verlesung des Protokolls findet nicht statt.

Jedes Protokoll ist vom Präsidenten und vom Sekretariat zu unterzeichnen.

Art. 11. Die Verhandlungen der Konferenz und der Kommissionen sind nicht öffentlich.

Art. 12. Das Ergebnis der Beratungen der Konferenz wird in Form von Entwürfen zu internationalen Vereinbarungen zusammengefaßt, von den zustimmenden Delegationen unterzeichnet und durch den schweizerischen Bundesrat den beteiligten Staaten behufs gutscheinender diplohiatischer Verhandlung darüber zugestellt.

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Protokoll Nr. 2.

Dienstag den 9. Mai 1905, vormittags 9 Uhr, im Ständeratssaal.

Vorsitzender: Herr Bundesrat Dr. A. Deucher.

Anwesend sind ;

Deutsches Reich.

Caspar, Ministerial-Direktor im Reichsamt des Innern.

Koch, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Reichsamt des Innern.

Frick, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Königl. Preußischen Ministerium für Handel und Gew erbe.

Plehn, Kaiserl. Legationsrat im Auswärtigen Amte.

Österreich.

Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Richard Hasenoehrl, Sektionschef im Handelsministerium.

Victor Mataja, Sektionschef im Handelsministerium.

Hugo Bach, Sektionsrat im Handelsministerium.

Franz Müller, Sektionsrat im Handelsministerium.

Alfred Ritter von Fries, Sektionsrat im Ministerium des Innern.

Ungarn.

Josef Szlerènyi, Ministerialrat und Chef der Sektion für Industrie, Handel und Arbeiterschutz im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

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Josef Csóka, Sektionsrat, Leiter des Arbeiterschutz-Departements im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Dr. Bela von Procopius, Ministerialvizesekretär und Fachberichterstatter des Königl. Ungarischen Handelsministeriums.

Nikolaus Gerster, Gewerbeinspektor.

· Belgien.

A. Simonis, Vizepräsident des Senats.

E. Peltsser, Senator.

J. Dubois, Generaldirektor des Arbeitsamtes im Ministerium für Industrie und Arbeit.

E. Fabri, Arbeitsinspektor.

H. Dupont, Arbeitsinspektor.

Dänemark.

·Gustav Philipsen, Adjunkt des Bürgermeisters in Kopenhagen, Präsident des Königl. Arbeitsrates.

; H. Vedel, stellvertretender Bureau-Chef im Ministerium des Innern, Sekretär des Königl. Arbeitsrates.

Spanien.

S. E. Don José de la Rica y Calvo, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 8. M. des Königs von Spanien in der Schweiz.

Frankreich.

Richard Waddington, Senator, Präsident der höheren Kommission für Industriearbeit, Präsident der Handelskammer von Rouen.

A. Millerand, Deputierter, ehemaliger Minister.

Ate Keufer, Generalsekretär des Typographenbundes, Vizepräsident des höheren Arbeitsrates, Präsident der permanenten Kommission des höheren Arbeitsrates.

Arthur Fontaine, Direktor für Arbeit im Ministerium des Handels und der Industrie.

H. Sévène, Chef-Ingénieur, Inspektor der Staatsmanufakturen.

Grossbritannien.

Henry Hardinge Samuel Cunynghame, C. B., Hilfs-Unterstaatssekretär im Innern Amt.

Malcolm Delevingne, ,,Principal Clerktt im Innern Amt.

648

Italien.

Prof. Giovanni Montemartini, Direktor des Arbeitsamtes.

Ritter Luigi Selloc, Ingenieur, Industrie-Inspektor.TM Königl. Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel.

Luxemburg.

Heinrich Neuman, Staatsrat, Präsident der Vereinigung für Unfallversicherung.

Norwegen.

Lmd, Fabrikinspektor des Bezirks ,,Söndenfjeldske1'1.

Niederlande.

Doktor der Rechte L. H. W. Eegout, Mitglied der Ersten Kammer der Generalstaaten.

Doktor H. F. Kuyper, Arbeitsinspektor im 3. Inspektionskreise.

Portugal.

Ernesto Madeira Pinta, Generaldirektor für Handel und Industrie, Schweden.

Pfhlgren, Abteilungschef im Handelskollegium in Stockholm.

Schweiz.

Dr. Adolf Deîtclier, Bundesrat, Vorsteher des eidg. Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartements.

Dr. Franz Kaufmann, Abteilungschef des eidg. Industriedepartements.

Emil Frey, alt Bundesrat, Präsident der Schweiz. Vereinigung zur Förderung des internationalen Arbeiterschutzes.

Josef Anton Schobinger, Regierungsrat, Präsident des Schweiz.

.Nationalrates.

Heinrich Scherrer, Regierungsrat und Nationalrat, Präsident der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz.

Jules Vautier, vom Hause Gebrüder Vautier.

John Syz, Präsident des Schweiz. Spinner-, Weber- und Zwirnervereins.

Otto Lang, Oberrichter, Präsident des Schweiz. Arbeiterbundes.

649 Der Vorsitzende weist auf das Traktandum der Sitzung hin, nämlich auf die allgemeine Beratung des Programms, wie sie in Art. 3 des Geschäftsreglements vorgesehen ist. Er bemerkt ausdrücklich, daß keine zur Konferenz eingeladene Regierung gegen das vorgelegte Programm Einwendung erhoben habe. In der heutigen Sitzung der Konferenz soll über beide Fragen nur grundsätzlich debattiert und auf Einzelheiten nicht eingetreten werden.

Herr Caspar ist mit dem vom Herrn Vorsitzenden vorgeschlagenen Vorgehen vollkommen einverstanden, möchte aber immerhin wünschen, daß über jeden der beiden Programmpunkte eine besondere Generaldiskussion zugelassen werde.

Der Vorsitzende kann sich hiermit einverstanden erklären, was denn auch beschlossen wird.

I. Phosphorfrage.

Herr Caspar: Wenn derselbe prinzipiell dem im Kreisschreiben des Bundesrates vom 30. Dezember 1904 vorgeschlagenen allgemeinen Verbot des weißen Phosphors beistimmt, so hegt er dagegen große Bedenken, auf den ,,Vorschlag der schweizerischen Delegation hinsichtlich einer Grundlage der Beratungen über einen Vertrag betreffend das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündwarenindustrie"' einzutreten. Für den Sprechenden ist namentlich Art. 3 des Vorschlages bedenklich, der überhaupt außerhalb des Programmes der Konferenz steht.

Im fernem könnte Herr Caspar zu Art. 4, Absatz 2, des Entwurfes der schweizerischen Delegation niemals seine Zustimmung geben; er ist der Meinung, daß man von derartigen Kontrollvorschriften, wie sie hier vorgesehen sind, abstehen sollte.

Ebenso geht ihm Art. l zu weit; ein Verbot der Verwendung von weißem Phosphor, das sich auf die Herstellung aller Zündwaren erstreckte, ist für das Deutsche Reich nicht annehmbar.

Es sind namentlich die mit teilweiser Verwendung von Phosphor hergestellten Zündbänder zur Beleuchtung der Gruben für den Arbeiterschutz unerläßlich. Im übrigen hat das Deutsche Reich ein großes Interesse daran, daß die vorliegende Frage durch eine internationale Konferenz geregelt werde.

Herr Bundesrat Dr. Deucher macht darauf aufmerksam, daß er die heute abgegebenen Voten nur als Wegleitung betrachte, womit man allseitig einverstanden ist.

650 Herr Dr. Bach schließt sich der vom Vertreter des Deutschen Reiches gegebenen Direktive an. Als die Anfrage des schweizerischen Bundesrates an Österreich gelangte, ob es einer Einladung zu einer internationalen Konferenz betreifend Arbeiterschutz Folge leisten werde, hat sich die österreichische Regierung sogleich ernsthaft mit der Frage befaßt, mußte sich jedoch von Anfang an sagen, daß die Beschränkung der Konferenz auf die im bundesrätlichen Kreisschreiben erwähnten Staaten, sofern der erste Programmpunkt, das Phosphorverbot, in Frage komme, wenig zweckmäßig erscheine. Japan einerseits, die Türkei, Aegypten, Ostindien u. s. w. anderseits, sind in der Zündholzindusfcrie. die wichtigsten Konkurrenten und Absatzgebiete Österreichs, und wenn diese Länder zu einem allfälligen Übereinkommen nicht hinzugeführt werden können, ist der Sprechende der vollsten Überzeugung, dali ein Resultat, so wünschbar es auch sein mag, sich nicht ergeben wird. Österreich ist gleichwohl gewillt, sich an den Verhandlungen zu beteiligen, kann sich aber, sofern namentlich Japan außer Betracht fällt, nicht binden.

Herr Bundesrat Dr. Deucher gibt die Erklärung ab, daß Japan und überhaupt die von Herrn Dr. Bach erwähnten Länder aus grundsätzlichen Motiven nicht eingeladen worden seien. Man wollte sich eben auf europäische Staaten beschränken, da sonst auch Nordamerika, Argentinien etc. zu der Konferenz hätten beigezogen werden müssen. Alle übrigen geladenen Staaten haben sich mit dem Vorgehen des Bundesrates einverstanden erklärt, und Österreich hat schließlich ebenfalls zugestimmt.

Herr Ssterényi teilt im Anschlüsse an die Äußerungen des österreichischen Vertreters mit, daß die ungarische Regierung bereit sei, das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündwarenindustrie im Sinne des Programmes durchzuführen, jedoch mit dem Vorbehalte, daß die zur Konferenz nicht eingeladenen Staaten Europas und die durch den Vertreter der österreichischen Regierung bezeichneten überseeischen Staaten sich der Konvention anschließen. Die ungarische Regierung wünscht ein Übergangsstadium ; sie könnte einem sofortigen Verbote ohne übergroße Schädigung ihrer Industrie nicht zustimmen. Die Verhältnisse Deutschlands und Ungarns sind verschieden, Deutschland konnte mit seiner großen Industrie ohne Rücksicht auf Konkurrenz-Staaten
vorgehen. Ungarn wäre aber nicht in dieser Lage.

Der Sprechende beantragt, sich dem Vorschlage der Schweiz anzuschließen, will jedoch nur über die Prinzipien verhandelt wissen ohne Eingehen in die Details. Einer spätem Verhandlung soll

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es vorbehalten bleiben, über einen paragraphierten Vertrag zu diskutieren.

Herr Caspar: Der Zweck der Generaldiskussion liegt überhaupt darin, in Einzelberatung nicht einzutreten; er wünscht, daß jede Delegation die Ansicht ihrer Regierung bekannt gebe, und zwar in ganz kurzen Voten.

Herr Bundesrat Dr. Deucher wird die einzelnen Staaten der Reihe nach befragen.

Herr Dubois ist der Ansicht, die Diskussion sollte sich mit der Frage beschäftigen, ob das im Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrates enthaltene Programm den Arbeiten der Konferenz als Grundlage dienen könne. Es hieße jedoch dem Lauf der Verhandlungen vorgreifen, wenn man die verschiedenen Delegationen aufforderte, sich jetzt schon darüber auszusprechen.

Redner findet, die Tragweite des schweizerischen Konventionsentwurfes sei zu groß. Die Worte ,,oder andere Zündwaren" in Art. l des Entwurfes namentlich erweitern das Programm allzusehr. Gewisse Dispositionen von Art. 3 scheinen ebenfalls weiter zu gehen, als das in Aussicht genommene Ziel. Der Sprechende schließt sich dem, was Herr Caspar bezüglich Art. 4 gesagt hat, vollständig an.

Herr Dubois glaubt, es wäre wünschenswert, daß das Bureau die Ausarbeitung eines neuen Programmes übernähme, eines Programmes, das die allgemeinen Grundlagen bezeichnete, auf denen eine Verständigung erzielt werden könnte.

Herr Sèo'me erklärt, die französische Delegation habe die Instruktion, den im Vorschlage der schweizerischen Delegation ausgesprochenen Prinzipien in weitgehendstem Sinne zuzustimmen; er habe keine Vorbehalte irgend welcher Art zu machen und erachte es als nützlich, Detailfragen in den Kommissionssitzungen zu besprechen.

Herr Pliilipsen führt aus, daß in Dänemark das Verbot des weißen Phosphors in der Zündholzfabrikation durch ein Gesetz vom Jahre 1874 festgestellt sei ; er hält es infolgedessen für unnötig, daß die Delegation von Dänemark sich in der Kommission vertreten lasse. Art. ß des Entwurfes einer Konvention ist jedoch deshalb von Interesse für ihn, weil Dänemark für gewisse Kolonien, wie Island und die dänischen Antillen, mit Rücksicht auf deren autonome Gesetzgebungen sich nicht verpflichten könne ; das Gesetz von 1874 ist nicht auf sie anwendbar, und es sieht sich daher der Sprechende genötigt, Vorbehalte zu inachen.

652

Herr de La Bica erklärt sich mit dem Programm der Konfereuz im allgemeinen einverstanden, hat aber keine Befugnis, sich in bestimmter Weise auszusprechen. Er nimmt an den Beratungen ad audiendum teil, und wird von deren Resultat der spanischen Regierung Mitteilung machen.

Herr Gwiiyngiiamt, teilt mit, daß er in Besitz zweier Schriftstücke sei : das eine ist das Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrates, dessen Inhalt er vollständig beipflichte, das andere der von der schweizerischen Delegation ausgearbeitete Entwurf, über den er späterhin sich vorbehalte, die Meinung der englischen Delegation zur Kenntnis zu bringen.

Herr Belloc stimmt grundsätzlich im Namen der italienischen Delegation den der Konferenz durch den schweizerischen Bundesrat unterbreiteten Fragen zu. Was die Detailfragen betrifft, behalten sich sein Kollege und er vor, sich in den Kommissionen .-tuszusprechen.

Herr Neu/man erklärt, von der luxemburgischen Regierung so »u sagen unbeschränkte Vollmacht erhalten zu haben. Er ist von vornherein der Meinung, daß Art. 2 und Art. 3 des Entwurfes abgeändert und wahrscheinlich Art. 4 gestrichen werden müsse, wie es der erste Delegierte Deutschlands schon bemerkt habe.

Herr Limd kann sich dem von der schweizerischen Delegation gemachten Vorschlage nicht anschließen. Er wird sich in der Kommission über die Motive seiner Stellungnahme aussprechen.

Herr Kuyper erklärt sich, ' namens der Delegation der Niederlande, mit dem vorgeschlagenen Programm einverstanden.

Herr Finto schließt sich im Prinzip den allgemeinen Ideen, die in beiden Konventionsentwürfen enthalten sind, an, betont jedoch, daß diese seine Erklärung für die portugiesische Regierung unverbindlich sei.

Redner fügt bei, daß in bezug auf das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündwarenindustrie Portugal sich in einer besondern Lage befinde, da diese Industrie daselbst monopolisiert sei; der Betrieb der zwei einzigen im Lande befindlichen Zündholzfabriken sei jedoch Privatunternehmen.

Herr Klilgren verhehlt keineswegs die Unzufriedenheit Schwedens, daß die Konferenz sich mit dem Verbot des weißen Phosphors in der Zündholzindustrie befasse. Die Nekrosefälle sind daselbst beinahe vollständig verschwunden. 1500 Arbeiter sind in seinem Lande mit der Phosphor-Zündholzfabrikation beschäf-

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tigt, deren jährliche Ausfuhr einen Wert von 4 l/z Millionen Franken repräsentiert. Die Einzelheiten bei Lösung des Probleme werden für Schweden von größter Wichtigkeit sein. Redner behält sich vor, seine Meinung nach Schluß der Verhandlungen in der Kommission auszusprechen.

Herr Bundesrat Dr. Deucher bemerkt, die Stellungnahme der Schweiz sei sowohl im Kreisschreiben des Bundesrates, als in dem von der schweizerischen Delegation gemachten Vorschlage ausgedrückt.

II. Verbot der Nachtarbeit der Frauen.

Der Vorsüzeiide bringt den zweiten Programmpunkt zur allgemeinen Diskussion : Herr Mitterand glaubt, die Wichtigkeit der ersten Frage nicht herabzusetzen, wenn er erklärt, dieselbe werde von der zweiten Frage, derjenigen des Verbotes der Nachtarbeit der Frauen in der Industrie, an Tragweite bedeutend übertroffen. Denn dieses Problem prüfen heißt auch zugleich die Frage der Tagarbeit der Frauen näher untersuchen. Der innere Zusammenhang beider :ist unverkennbar, und es gestaltet sich somit die Behandlung der zur Diskussion vorgelegten Frage vom ökonomischen und sozialen Standpunkt aus zu einer Angelegenheit höchster Wichtigkeit.

Frankreich freut sich über das Zustandekommen dieser Konferenz, und die Regierung der Republik ist damit einverstanden, daß die im Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrates bezeichneten Punkte den Verhandlungen als Grundlage dienen.

Dieses Zirkular nimmt das Verbot der Nachtarbeit der Frauen im Prinzip an, sieht aber Ausnahmen, Dispense und Fristen vor.

Die französische Delegation geht mit den Vorschlägen des schweizerischen Bundesrates Punkt für Punkt einig. Sie wünscht lebhaft, daß die Konferenz einen vollen Erfolg erziele. Fest auf dem zu erlangenden Endziel beharrend, ist sie immerhin bereu, jedwede Maßnahme, die eine Einigung anstrebt, zu begrüßen und zu beraten.

Herr Caspar schließt sich im wesentlichen den Worten des Vorredners an; er wünscht, daß das von der Schweiz aufgestellte Prinzip möglichst unverändert angenommen werde; aufklärend will er nur hervorheben, daß der schweizerische Entwurf alle industrielle Nachtarbeit der Frauen in sich schließt. Zu seinem He-

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dauern ist in demselben kein Unterschied gemacht zwischen der Kleinindustrie und der Großindustrie. Der Sprechende glaubt nicht, daß es möglich sei, auf Abgrenzungen zu verzichten, und weist insbesondere auf die Konfektionsindustrie hin. Der Entwurf hat eine so große Tragweite, daß es unmöglich ist, ihn in der vorliegenden Form anzunehmen. Ausnahmebestimmungen sind absolut notwendig.

Herr Hasenoehrl: Österreich ist der Einladung des schweizerischen Bundesrates um so lieber gefolgt, als es hinsichtlich der sozialen Gesetzgebung nicht zu den rückständigen Staaten gehört.

Das vom Redner vertretene Land besitzt seit zirka 20 Jahren ein weitgehendes Schutzgesetz, das nebst Maßnahmen für die Jugendlichen und die Frauen auch den 11-stündigen Normalarbeitstag für alle Fabrikarbeiter, auch für die männlichen erwachsenen Arbeiter, vorschreibt. Der Wert der Konferenz liegt gerade darin, daß deren Programm so maßvoll gehalten ist; es hieße Eulen nach Athen tragen, wenn man über das Verbot der Nachtarbeit der Frauen noch Worte verlieren wollte. Bei den nähern Ausführungen dieses Verbotes werden sich zwar manche Schwierigkeiten geltend machen, die sich aber hoffentlich beseitigen lassen. Der Sprechende erwartet als Ergebnis der Verhandlungen positive Vereinbarungen. Österreich hat die Grenzen für das Verbot der Nachtarbeit bisher auf die Dauer von 9 Stunden festgesetzt, ist aber gerne bereit, einer 12-stündigen, ununterbrochenen Nachtruhe beizustimmen.

Eine wichtige Bestimmung bedeutet das Geltungsgebiet des Verbotes der Nachtarbeit der Frauen. Zur Bei'riedigung des Sprechenden sind die Handels- und Verkehrsgewerbe, die Gastund Schankbetriebe und die Heimarbeit in dem Vorschlage des Bundesrates ausgenommen und beschränkt sich das zu regelnde Gebiet auf die gewerbliche Industrie.

Bei derselben wird es sich noch darum handeln, ob das Verbot auch auf die Kleingewerbe ausgedehnt werden soll ; dies scheint dem Redner schon deshalb nicht angezeigt, weil hierbei das internationale Moment der Konkurrenz auf dem Weltmarkt nicht in Betracht kommt.

Der Sprechende betont nochmals ausdrücklich, daß Österreich bestrebt sei, das Zustandekommen eines positiven Ergebnisses zu unterstützen.

Herr Szterényi spricht im Namen der ungarischen Regierung die Zustimmung zu der vorliegenden Frage aus, obgleich sein

655 Staat noch nicht in der nämlichen Lage ist, wie Österreich und Deutschland, die die Frage schon gesetzgeberisch geregelt haben.

Das ungarische Gesetz von 1884 enthält nur Bestimmungen über die Regelung der Arbeit der Jugendlichen, doch sind Vorarbeiten für ein neues Gesetz im Gange, bei welchem den Beschlüssen der Konferenz Rechnung getragen werden kann und wird, zumal Ungarn den festen Willen hat, den weitgehendsten Bestrebungen gerecht zu werden. Anschließend an die Voten der Vorredner möchte auch er die Frage der Handwerke aufgeworfen wissen, hingegen die Heimarbeit als außer der Diskussion stehend betrachten. Der Sprechende bemerkt, daß zwar die ungarischen Verhältnisse die Regelung des Handwerkes in dieser Beziehung nicht so dringend fordern, doch müsse er darauf bestehen, dali diese Frage auch gleichzeitig geklärt werde : im übrigen begrüßt er ebenfalls das Gebot der 12-stündigen Nachtruhe.

Herr Simonis zollt den erhabenen Ideen, die bis dahin ausgesprochen wurden, seine Hochachtung. Die belgische Delegation wird im Schoß der Kommission sich näher aussprechen, da sie die Vollmacht nicht besitzt, die schweizerischen Vorschläge ohne Abänderung anzunehmen.

Herr Philipsen muß bezüglich der Frage der Nachtarbeit der Frauen die Stellung der dänischen Regierung vorbehalten. Er wird bei Beratung in der Kommission über die ökonomische und politische Lage seines Landes gewisse Einzelheiten mitteilen.

Herr de la Rica erneuert die Erklärungen, die er schon anläßlich der ersten Frage gemacht hat. Spanien hat lebhafte Sympathien für die Frage betreifend das Verbot der Nachtarbeit der Frauen und beschäftigt sich ernstlich damit. Trotz des erbitterten Kampfes der politischen Parteien sind alle einig, wenn es sich um den Arbeiterinnenschutz handelt, bezuglich dessen in Spanien bereits ziemlich wichtige gesetzliche Maßnahmen bestehen.

Herr OunyngTiame : Mit wenig Ausnahmen hat Großbritannien prinzipiell das Verbot der Nachtarbeit der Frauen in der vorgeschlagenen Ausdehnung bereits angenommen. Was die Einschränkungen betrifft, wird man sie in den Kommissionen verhandeln.

Herr Montemarüni erachtet, diese Frage sei in der italienischen Gesetzgebung vom qualitativen Standpunkt aus günstig gelöst. Die Frage aber, wie sie von der schweizerischen Delegation gestellt ist, ist eine quantitative, eine Begrenzungsfrage,,

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da sie auch auf die Beschränkung der Tagarbeit hinzielt. Deshalb behält sich die italienische Delegation vor, in der Kommission über die Ausdehnung des Gesetzes, die Dauer der Nachtruhe der Frauen und die Fristen, die bei Anwendung der Prinzipien zu bewilligen sind, noch zu unterhandeln, ist aber grundsätzlich mit dem Vorgehen einverstanden.

Herr Neuman erklärt, das Großherzogtum Luxemburg werde sich glücklich schätzen, den menschenfreundlichen Absichten seiner großen Nachbarn Deutschland und Frankreich beizupflichten, und hofft, daß man praktische Resultate erzielen werde.

Herr Lund kann sich den im Programm des bundesrätlichen Kreischreibens enthaltenen Bestrebungen anschließen, sofern Modifikationen für einzelne Industrien zugelassen werden, er denkt dabei namentlich an die Milchindustrie, die in seinem Lande eine ziemlich ausgedehnte ist. Eine zwölfstündige Nachtruhe müßte er jedoch als für sein Land zu weitgehend bezeichnen.

Herr Regout gibt nachfolgende Erklärung ab : ,,Als Delegierter der niederländischen Regierung ist es mir daran gelegen, in bezug auf die vorliegende Frage die Stellungnahme meiner Regierung zu kennzeichnen, um so mehr, als ich einen Vorbehalt bezüglich des Grundprinzips des Vorschlages des schweizerischen Bundesrates betreffend die gesetzliche Vorschrift der Dauer der Nachtruhe werde machen müssen. Eine Auseinandersetzung hierüber ist unumgänglich notwendig, soll mein Vorbehalt in der erwähnten Frage nicht ungünstig beurteilt werden und dem guten Ruf, den mein Land in sozialer Hinsicht zu erlangen wußte, nicht Eintrag tun.

Denn, Herr Präsident, erlauben Sie mir, es zu sagen, ist Holland auch in bezug auf die Ausdehnung seines Territoriums nur ein kleines Land, so hat es sich doch allgemein ausgezeichnet durch die große Fürsorge, die es den Interessen der arbeitenden Klasse angedeihen läßt, und davon zeugt zurzeit der Umstand, daß von den zwei auf dem Programm dieser Konferenz figurierenden Fragen die erste, das Verbot des weißen Phosphors in der Zündholzindustrie, eine für mein Land schon gelöste ist.

Was die zweite Frage, das Verbot der Nachtarbeit der Frauen betrifft, ist die Situation in Holland ebenfalls eiue sehr günstige insoweit, als, dank gesetzlichen Einschreitens, die eigentliche Nachtarbeit daselbst nicht mehr besteht, mit der einzigen Ausnahme derjenigen Industrie, die sich mit der Verarbeitung

657 von Fischereierzeugnissen befaßt. Es ist diese Ausnahme überdies in einer sehr beschränkten Zahl von Gemeinden auf eine Arbeit während bestimmter Stunden begrenzt, deren Zahl zwei in der Nacht und in einer gewissen Anzahl von Nächten im Jahre, im Maximum 25mal, nicht überschreitet.

Aber trotz dieser günstigen Situation werde ich mich, wenn es zur Abstimmung über eine Nachtruhe von 12 fortlaufenden Stunden kommen wird, enthalten müssen; auch dann, wenn die Ruhezeit auf 11, 10, 9, ja 8 Stunden reduziert würde, müßte ich noch einen Vorbehalt machen. Und warum?

Nicht deshalb, weil die holländischen Frauen nicht eine Nachtruhe von mehr als 7 Stunden haben sollten, sondern einzig deshalb, weil das System, das der niederländischen Gesetzgebung zur Grundlage dient, ein anderes ist, als das uns vorgeschlagene.

Meine Regierung ist eben nach gründlicher Prüfung dieser Frage zu der Ansicht gelangt, daß es rationell und praktisch ist, die Nachtarbeit der Frauen zu verhindern, nicht indem man direkt die Dauer der Nachtruhe bestimmt, sondern indem man im Gegenteil die Tagesarbeit reglementiert, deren natürliche Folge dann die Nachtruhe sein wird.

Auf dieser Grundlage hat das niederländische Gesetz für Frauenarbeit das Maximum von 11 Stunden per Tag, zwischen 5 Uhr morgens und 7 Uhr abends, festgesetzt, und da die Erfahrung gelehrt hat, daß im allgemeinen die Arbeitsdauer der Frauen täglich nur 10 Stunden zu betragen pflegt, so hat die Regierung in einem neuen Gesetzesentwurf, der der Zweiten Kammer der Generalstaaten unterbreitet wurde, die Dauer der Arbeit im Maximum auf 10 Stunden reduziert. Immerhin gestattet die niederländische Regierung, in Anerkennung des Umstandes, daß das Interesse der Arbeiter mit den Interessen der Industrie eng verbunden ist, für besondere Fälle und auf Grund besonderer Bewilligung, jedoch nur für eine beschränkte Zahl von Tagen, das Maximum um 2 Stunden zu erhöhen. Abgesehen von dieser Erhöhung der Dauer der Arbeitszeit gestattet das Gesetz, daß für bestimmte Industrien und in besondern Fällen die Arbeit früher, d. h. um 5 Uhr morgens, beginne und später aufhöre, ·sogar erst um 10 Uhr nachts; aber selbstverständlich -- und nur in seltenen Ausnahmen -- wird es nicht dieselbe Frau sein, die, bei Arbeitsschluß um 10 Uhr nachts, dieselbe morgens 5 Uhr wieder aufnimmt, so daß jede
Frau, individuell genommen, eine genügende Nachtruhe haben wird, und dies zwar indirekt, dank der gesetzlichen Einteilung der Tagesarbeit, und nicht direkt inBundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

45

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folge einer gesetzlichen Vorschrift über die Dauer der Nachtruhe.

Die niederländische Regierung ist der Meinung, daß die Kontrolle über die Dauer der Nachtruhe nicht durchführbar ist, und auch die nötige Garantie nicht bietet, und sie ist aus diesem Grunde nicht geneigt, das System der gesetzlichen Reglementierung der Tagesarbeit aufzugeben, ein System, das weitaus größere Gewähr leistet, und die Interessen der in der Industrie beschäftigten Frauen besser schützt.

Herr Präsident, es war mir daran gelegen, diese Erklärung abzugeben, um jedem Mißverständnis bezüglich der Vorbehalte,, die ich im Namen meiner Regierung werde machen müssen, vorzubeugen, und um zu beweisen, daß ich ein Recht habe, stolz, darauf zu sein, daß auch in bezug auf die Nachtarbeit dje Stellung der in der Industrie arbeitenden Frauen eine günstige ist in einem Lande, das selbst durch eine edle Frau regiert wird, durch unsere vielgeliebte, erhabene Königin Wilhelmine.a Herr Finto teilt mit, daß Portugal diese Frage vor einigen Jahren schon geordnet hat; er schließt sich, einige Punkte ausgenommen, den Prinzipien der Vorschläge der schweizerischen Delegation an.

Herr Pihlgren: In den industriellen Verhältnissen Schwedens ist die Frau selten berufen, nachts zu arbeiten. Schweden kann sich also mit den Prinzipien, die im schweizerischen Entwurf enthalten sind, einverstanden erklären, immerhin unter Vorbehalt einiger Detailfragen.

Nach dieser allgemeinen Umfrage bei den Delegationen meldet sich noch Herr Keufer zum Wort.

Herr Keufer bittet um die Erlaubnis, in seiner Eigenschaft als einziger Delegierter der Arbeiter an der Konferenz das Wort zu ergreifen, obschon Herr Millerand im Namen der französischen Delegation mit Klarheit auseinandergesetzt habe, wie günstig in Frankreich die Stimmung in bezug auf die Abschaffung der Nachtarbeit der Frauen sei. Kedner spricht sich folgendermaßen aus : ,,Vor allem entbiete ich der Regierung der helvetischen Republik meinen Dank, daß sie die Initiative zur Organisation der internationalen Konferenz ergriffen hat.

Ich habe auch der französischen Regierung zu danken, daß sie zum Delegierten den Arbeiter-Vizepräsidenten des höheren Arbeiterrates bezeichnet hat. Somit erlaube ich mir, im Namen der Arbeiter das Wort zu ergreifen, um die Herren Delegierten zu bitten, mir einige Augenblicke Aufmerksamkeit zu schenken, damit ich Ihnen sagen kann, wie sehr die Arbeiter sich für die

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Arbeiten der Konferenz interessieren. Es ist notwendig, für den Fall eines möglichen Widerstandes aufs neue zu betonen, wie sehr die Frage der Aufhebung der Nachtarbeit der Frauen und Kinder wichtig ist wegen ihrer ökonomischen, moralischen und sozialen Folgen.

Nicht jeder nimmt ihr gegenüber den gleichen Standpunkt ein. Die Nationalökonomen, einzelne Regierungen betrachten sie vom einzigen materiellen Gesichtspunkt, dem der Konkurrenz, aus, ohne den weit wichtigeren Konsequenzen sozialer Natur Rechnung zu tragen. Wer weiß, ob unter den hier anwesenden Delegierten nicht solche sind, die die Meinung der Nationalökonomen teilen !

Wenn es ein Arbeiter ist, der die unseligen Folgen der Nachtarbeit der Frauen betont, und wenn er seine Überzeugung von dem verderblichen Einfluß dieser Arbeit noch durch Beweise erhärtet, so wirft, man ihm vor, ein Gefühlsmensch zu sein, die Interessen der Industrie zu vernachlässigen, kurz, Utopien nachzujagen.

Um jedoch den Wert der Argumente, die erlauben, die Nachtarbeit der Frauen und Kinder zu bekämpfen, noch besser zu betonen, rufe ich das Zeugnis eines unter uns wohlbekannten, keineswegs im Verdachte der Sentimentalität stehenden Mannes an, ich rede von den treffenden Bemerkungen des Herrn von Berlepsch, die in der von der internationalen Vereinigung vorbereiteten Denkschrift enthalten sind. Ich fordere die Herren Delegierten auf, diese Bemerkungen zu lesen, sie befinden sich auf Seite 12.

Ich stimme mit Herrn von Berlepsch ganz überein.

Eine sehr wichtige Beobachtung, die schon in der Rede unseres verehrten Präsidenten, Herrn Deucher, enthalten ist, ist die, daß solche Länder, die eine weitgehende Arbeiterschutzgesetzgebung besitzen, auch diejenigen sind, die ökonomisch relativ am günstigsten stehen. Es ist daher unstatthaft, von Nachteilen zu sprechen, welche die Aufhebung der Nachtarbeit nach sich ziehen würde.

Die Arbeitergesetzgebung begegnet zwei sich widersprechenden Meinungen : auf der einen Seite stehen die Freunde einer gesetzlichen Intervention zu Nutz und Frommen der Schwachen.

Diese sind der Ansicht, daß Frauen und Kinder verteidigt und geschützt werden müssen, und sie stützen diese ihre Ansicht auf Gründe ökonomischer, moralischer und sozialer Natur.

Auf der andern Seite befinden sich die Gegner der gesetzlichen Einmischung, die Parteigänger der Freiheit, der tätigen Privatinitiative. Niemand unterschätzt die Wichtigkeit und

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Nützlichkeit dieser individuellen, besonders auch kollektiven Initiative der Arbeiter. Dieselbe kann sich besonders im Eingreifen der organisierten Arbeiterschaft bemerkbar machen. Aber, meine Herren, Sie kennen die Wirkungen dieser Einmischung : Streitigkeiten, Arbeitseinstellungen, mit all ihren Folgen.

Dieser Modus der Intervention der Arbeiter ist Gegenstand häufiger Kritik, die Syndikate sind gehässiger Beurteilung ausgesetzt, weil der Streik ihre gewöhnliche Waffe ist, um die Verbesserung der Lage ihrer Mitglieder zu erkämpfen.

Wir befinden uns daher in einem unvermeidlichen Dilemma : entweder müssen wir den Kampf der Arbeiterschaft, diese beständigen und im Namen der Freiheit in Scene gesetzten Arbeitseinstellungen billigen, oder aber wir müssen in bestimmten Fällen mit einer internationalen Gesetzesform eingreifen. Selbst in noch unvollkommener Form ist der gesetzliche Schutz doch wünschenswert, denn er unterstellt alle Arbeitgeber den gleichen Konkurrenzbedingungen, er gleicht die Bedingungen des gewerblichen Wettstreites und die hochgehenden Wellen des industriellen Kampfes aus.

Selbst wenn eine Arbeitergesetzgebung besteht, ist es notwendig, soll sie wirklich nutzbringend sein, daß die Beteiligten, die Arbeiterorganisationen, eingreifen, um einen Druck auf die Arbeitgeber auszuüben.

Nachtarbeit soll also untersagt werden. Ich vergesse die beträchtlichen Interessen, die auf dem Spiele stehen können, nicht, aber die Vorteile, die hieraus für die Arbeiterfamilie entstehen, sind so groß, so kostbar, daß sie alle Staaten, die an der Konferenz teilnehmen, bestiir"nen sollten, sich zu gunsten des Verbotes auszusprechen.

Wie es schon Herr Millerand in so schöner Weise gesagt hat, soll man sich in dieser Prinzipienfrage sehr fest zeigen, dagegen wird es tatsächlich nötig sein, Versöhnlichkeit an den Tag zu legen, um schrittweise an das Endziel zu gelangen.

Wenn man diese Verhaltungsregel verallgemeinert, ihr einen internationalen Charakter gibt, so würden für alle Nationen gleiche Grundbedingungen geschaffen.

Ich will nicht schließen, meine Herren, ohne mich zu entschuldigen, daß ich Ihnen von dieser Prinzipienfrage gesprochen habe ; sie trifft jedoch die materiellen und moralischen Interessen der Arbeiterfamilien zu tief, als daß ich mit meiner Ansicht hätte zurückhalten können.

661 Die Arbeiterwelt setzt auf das Ergebnis dieser Konferenz große Hofinungen, und ohne begehrlich zu sein, muß doch gesagt werden, daß eine wahre Enttäuschung entstünde, wenn die Konferenz resultatlos verlaufen würde.

Und was kann ich besseres tun, meine Herren, als mich dem Wunsche unseres verehrten Präsidenten, Herrn Deucher, anschließen, der bei Eröffnung dieser Konferenz die Hoffnung aussprach, dieselbe möge nicht eine platonische Demonstration werden, sondern zur Erfüllung der Hoffnungen der Arbeiter beitragen.a Der Vorsitzende erklärt die Diskussion für geschlossen und damit auch lit. a der Tagesordnung für erledigt.

Als zweites Traktandum (lit. ô) steht auf der Tagesordnung die Wahl der Kommissionen. Die Zahl, sowie auch die Wahl der Mitglieder wird den Delegationen anheimgestellt (s. Beilage I und II zum Protokoll Nr. 2).

Die Eröffnung der Kommissionssitzungen wird den zwei ältesten Mitgliedern der Delegierten überlassen ; es sind dies die Herren Waddington und Kuyper.

Um die Arbeiten der Kommissionen zu beschleunigen, werden abwechselnd jeden Tag zwei Sitzungen für die beiden Programmpunkte abgehalten.

Die Herren Dubois und Waddington behandeln die Frage, ob die Berichterstattung sich auf die Wiedergabe des Textes der Vorschläge und Resolutionen beschränken oder im Gegenteil einen Auszug der Reden enthalten solle. Sie sprechen sich für letzteren Modus aus, der es allein ermöglicht, die angeführten Argumente kennen ssu lernen.

Herr Caspar ist der Ansicht, daß die Berichte gedruckt dem Plenum der Konferenz vorgelegt werden sollten, und zwar sowohl in deutscher als in französischer Sprache. Bei der Berliner Konferenz hat man sich auf gedrängte Berichte beschränkt. Eine Einigung hierüber ist wünschenswert, und die unmaßgebliche Meinung des Sprechenden geht dahin, daß man von längern Motivenberichten Umgang nehmen sollte.

Herr Vizepräsident Frey schließt sich der Ansicht des Herrn Caspar an.

Herr Mülerand glaubt, es wäre unrichtig, wenn in einer offiziellen Konferenz zwei Berichte mit verschiedenen, sich vielleicht

662 widersprechenden Ausführungen abgefaßt würden, was zu abweichenden Schlüssen Veranlassung geben könnte. Beide Berichterstatter sollten sich daher auf eine einzige Berichterstattung einigen.

Herr Caspar : Man muß sich darüber klar werden, wie man vorgehen will ; er für seine Person schließt sich dem Votum des Vorredners an. Die Voten der Herren Waddington und Dubois deuten auf einen andern Modus für die Abfassung der Berichte hin, einen Modus, der für deren Drucklegung so viel Zeit in Anspruch nähme, daß es zweifelhaft würde, ob sie dem Plenum gedruckt noch unterbreitet werden könnten.

Der Vorsitzende resümiert die beiden abweichenden Anschauungen und wünscht, daß man über das Vorgehen schlüssig werde. Er weist auf Art, 10 des Réglementes hin, der die nötige Wegleitung gibt und dasselbe Vorgehen vorschreibt, wie das bei der Berliner Konferenz angewandte.

Herr Dr. Kaufmann teilt mit, daß die an der Berliner Konferenz abgefaßten Kommissionsberichte ein ziemlich umfassendes Bild der Verhandlungen darstellten, die im Plenum der Konferenz im Manuskript vorgelesen und erst nachher dem Drucke übergeben wurden. Das endgültige Dokument soll in beiden Sprachen gleichlautend sein. Durch ein derartiges Vorgehen wird viel Zeit erspart.

Herr Caspar erklärt den Rückzug seiner Anregung; er ist damit einverstanden, daß der Bericht erst im Plenum der Konferenz gelesen und dann gedruckt werde.

Der Vorsitzende bemerkt noch, daß die Redner das Recht haben, den Berichterstattern ihre Mitteilungen und Voten zugehen zu lassen.

Schluß: 12 Uhr 20 Minuten mittags.

Die Sekretäre: Prof. Dr. Stephan Bauer.

Dr. 0. Rieser.

Paul Dinichert.

Der Präsident: Dr. A. Deucher, Bundesrat.

663 Beilage l zum Protokoll Nr. 2.

Verzeichnis der Mitglieder der

Kommission betreffend Phosphorverbot in der Zündhölzchenindustrie.

Deutsches Reich.

Caspar, Ministerial-Direktor im Reichsamt des Innern.

Koch, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Reichsamt des Innern.

Frick, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Königl. Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe.

PleJin, Kaiserl. Legationsrat im Auswärtigen Amte.

Österreich.

Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Richard Hasencehrl, Sektionschef im Handelsministerium.

Victor Mataja, Sektionschef im Handelsministerium.

Hugo Bach, Sektionsrat im Handelsministerium.

Franz Müller, Sektionsrat im Handelsministerium.

Alfred Ritter von Fries, Sektionsrat im Ministerium des Innern.

Ungarn.

Josef Szterényi, Ministerialrat und Chef der Sektion für Industrie, Handel und Arbeiterschutz im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Josef CsóJca, Sektionsrat, Leiter des Arbeiterschutz-Departements im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

664

Dr. Bela von Procopius, Ministerialvizesekretär und Fachberichterstatter des Königl. Ungarischen Handelsministeriums.

Nikolaus Gerster, Gewerbeinspektor.

Belgien.

J. Dubois, Generaldirektor des Arbeiteamtes im Ministerium für Industrie und Arbeit.

B. Fabri, Arbeitsinspektor.

Spanien.

S. E. Don José de la Bica y Calvo, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister S. M. des Königs von Spanien in der Schweiz.

-----· Frankreich.

Arthur Fontaine, Direktor für Arbeit im Ministerium des Handelsund der Industrie.

H. Sévène, Chef-Ingénieur, Inspektor der Staatsmanufakturen.

Grossbritannien.

Henry Hardinge Samuel Cunynghame, C. B., Hilfs-Unterstaatssekretär iin Innern Amt.

Malcolm Delevingne, ,,Principal Clerktt im Innern Amt.

Italien.

Prof. Giovanni Montemartini, Direktor des Arbeitsamtes.

Ritter Luigi JBelloc, Ingenieur, Industrie-Inspektor im Königl. Ministerium für Ackerbau. Industrie und Handel.

Luxemburg.

Heinrich Neuman, Staatsrat, Präsident der Vereinigung für Unfallversicherung.

Norwegen.

Luna, Fabrikinspektor des Bezirks ,,Söndenfjeldske".

665

Niederlande.

Doktor der Rechte L. H. W. Eegoitt, Mitglied der Ersten Kammer der Generalstaaten.

Doktor H. F. Kuyper, Arbeitsinspektor im 3. Inspektionskreise.

Schweden.

Pihlgren, Abteilungschef imi Handelskollegium in Stockholm,

Schweiz.

Heinrich Scherrer, Regierungsrat und Nationalrat, Präsident der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz.

Jules Vautiér, vom Hause Gebrüder "Vautier.

(29 Mitglieder.)

Präsident: Herr Caspar

666 Beilage II zum Protokoll Nr. 2.

Terzeichnis der Mitglieder der

Kommission betreffend Nachtarbeit der Frauen.

Deutsches Reich.

Caspar, Ministerial-Direktor im Reichsamt dee Innern.

Koch, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Reichsamt des Innern.

Irick, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Königl. Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe.

Plehn, Eaiserl. Legationsrat im Auswärtigen Amte.

Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Dr.

Oesterreich.

Richard Hasenoehrl, Sektionschef im Handelsministerium.

Viktor Mataja, Sektionschef im Handelsministerium.

Hugo Bach, Sektionsrat im Handelsministerium.

Franz Müller, Sektionsrat im Handelsministerium.

Alfred Ritter von Fries, Sektionsrat im Ministerium des Innern.

Ungarn.

Josef Szterenyi, Ministerialrat und Chef der Sektion für Industrie, Handel und Arbeiterschutz im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Josef Csóka, Sektionsrat, Leiter des Arbeiterschutz-Departements im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Dr. Bela von Procopius, Ministerialvizesekretär und Fachberichterstatter des Königl. Ungarischen Handelsministeriums.

Nikolaus Gerster, Gewerbeinspektor.

667

Belgien.

A. Simonis, Vizepräsident des Senats.

E. Peltzer, Senator.

J. Dubois, Generldirektor des Arbeitsamtes im Ministerium für Industrie und Arbeit.

H. Dupont, Arbeitsinspektor.

Dänemark.

Gustav Philipsen, Adjunkt des Bürgermeisters in Kopenhagen, Präsident des Königl. Arbeitsrates.

H. Vedel, stellvertretender Bureau-Chef im Ministerium des Innern, Sekretär des Königl. Arbeitsrates.

Spanien.

S. E. Don José de la Rica y Calvo, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister S. M. des Königs von Spanien in der Schweiz.

Frankreich.

Richard Waddington, Senator, Präsident der höheren Kommission für Industriearbeit, Präsident der Handelskammer von Rouen.

A. Millerand, Deputierter, ehemaliger Minister.

Ate Keufer, Generalsekretär des Typographenbundes, Vizepräsident des höheren Arbeitsrates, Präsident der permanenten Kommission des höheren Arbeitsrates.

Arthur Fontaine, Direktor für Arbeit im Ministerium des Handels und der Industrie.

Grossbritannien.

Henry Hardinge Samuel OunyngJiame, C. B., Hilfs-Unterstaats« Sekretär im Innern Amt.

Malcolm Delevingne, ,,Principal Clerka im Innern Amt.

Italien.

Prof. Giovanni Montemariini, Direktor des Arbeitsamtes.

Ritter Luigi Belloc, Ingenieur, Industrie-Inspektor im Königl. Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel.

Luxemburg.

Heinrich Neiwnan, Staatsrat, Präsident der Vereinigung für Unfallversicherung.

668

Norwegen.

Lund, Fabrikinspektor des Bezirks ,,Söndenfjeldske".

Niederlande.

Doktor der Rechte L. H. W. Begout, Mitglied der Ersten Kammer der Generalstaaten.

Doktor H. F. Kuyper, Arbeitsinspektor im 3. Inspektionskreise.

Portugal.

Ernesto Madeira finto, Generaldirektor für Handel und Industrie.

Schweden.

Pihlgren, Abteilungschef im Handelskollegium in Stockholm.

Schweiz.

Dr. Franz Kaufmann, Abteilungschef des eidg. Industriedepartements.

John Syz, Präsident des Schweiz. Spinner-, Weber- und ZwirnerVereins.

Otto Lang, Oberrichter, Präsident des Schweiz. Arbeiterbundes.

(37 Mitglieder.)

Präsident : Herr Waddington.

669

Protokoll Nr. 3.

Montag den 15. Mai 1905, nachmittags 3 Uhr, im Ständeratssaal.

Vorsitzender: Herr Bundesrat Dr. A. Deucher.

Anwesend sind: Deutsches Reich, Caspar, Ministerial-Direktor im Reichsamt des Innern.

Koch, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat iin Reichsamt des Innern.

Frick, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Königl. Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe.

Pkhn, Kaiserl. Legationsrat im Auswärtigen Amte.

Österreich.

Dr. Richard Hasenoehrl, Sektionschef im Handelsministerium.

Dr. Victor Mataja, Sektionschef im Handelsministerium.

Dr. Hugo Bach, Sektionsrat im Handelsministerium.

Dr. Franz Müller, Sektionsrat im Handelsministerium.

Dr. Alfred Ritter von Fries, Sektionsrat im Ministerium des Innern.

Emil Homann, Ministerialrat im k. k. Ackerbauministerium.

Ungarn.J Josef Szterényi, Ministerialrat und Chef der Sektion für Industrie, Handel und Arbeiterschutz im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

670 Josef Csólca, Sektionsrat, Leiter des Arbeiterschutz-Departements im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Dr. Bela von Procopius, Ministerialvizesekretär und Fachberichterstatter des Königl. Ungarischen Handelsministeriums.

Nikolaus Gerster, Grewerbeinspektor.

Belgien.

A. Simonis, Vizepräsident des Senats.

E. Pelteer, Senator.

J. Dubois, Generaldirektor des Arbeitsamtes im Ministerium für Industrie und Arbeit.

E. Fabri, Arbeitsinspektor.

H. Dupont, Arbeitsinspektor.

Dänemark.

Gustav Pliilipsen, Adjunkt des Bürgermeisters in Kopenhagen^ Präsident des Königl. Arbeitsrates.

H. Vedel, stellvertretender Bureau-Chef im Ministerium des Innern, Sekretär des Königl. Arbeitsrates.

: Spanien.

S. B. Don José de la Bica y Calvo, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister S. M. des Königs von Spanien in der Schweiz.

Frankreich.

Richard Waddington, Senator, Präsident der höheren Kommission für Industriearbeit, Präsident der Handelskammer von Rouen.

A. Millerand, Deputierter, ehemaliger Minister.

Ate Keufer, Generalsekretär des Typographenbundes, Vizepräsident des höheren Arbeitsrates, Präsident der permanenten Kommission des höheren Arbeitsrates.

Arthur Fontaine, Direktor für Arbeit im Ministerium des Handels und der Industrie.

H. Sévène, Chef-Ingénieur Inspektor der Staatsmanufakturen.

Grossbritannien.

Henry Hardinge Samuel Gunynghaine, C. B., Hilfs-Unterstaatssekretär im Innern Amt.

Malcolm Delevingne, ,,Principal Clerk" im Innern Amt.

671 Italien.

Ritter Luigi Selloc, Ingenieur, Industrie-Inspektor im Königl, Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel.

Luxemburg.

Heinrich Newman, Staatsrat, Präsident der Vereinigung für Unfall» Versicherung.

Norwegen.

Luna, Fabrikinspektor des Bezirks ,,Söndenfjeldskett.

Niederlande.

Doktor der Hechte L. H. W. JRegout, Mitglied der Ersten Kammer der Generalstaaten.

Doktor H. F. Kuyper, Arbeitsinspektor im 3. Inspektionskreise.

Portugal.

Ernesto Madeira Finto, Generaldirektor für Handel und Industrie»

Schweden.

Pihlgren, Abteilungschef im Handelskollegium in Stockholm.

Schweiz.

Dr. Adolf Deucher, Bundesrat, Vorsteher des eidg. Handels-, In» dustrie- und Landwirtschaftsdepartements.

Dr. Franz Kaufmann, Abteilungschef des eidg. Industriedepartements.

Emil Frey, alt Bundesrat, Präsident der Schweiz. Vereinigung zur Förderung des internationalen Arbeiterschutzes.

Josef Anton Sehobinger, Regierungsrat, Präsident des Schweiz..

Nationalrates.

Heinrich Scherrer, Regierungsrat und Nationalrat, Präsident der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz.

Jules Vautier, vom Hause Gebrüder Vautier.

John Sye, Präsident des Schweiz. Spinner-, Weber- und ZwirnerVereins.

Otto Lang, Oberrichter, Präsident des Schweiz. Arbeiterbundes.

672 Der Herr Vorsitzende gibt bekannt, daß als neues Mitglied ·der österreichischen Delegation Herr Homann, Ministerialrat im ß. k. Österreichischen Ackerbauministerium, an den Verhandlungen teilnehmen werde. Ferner wird zur allgemeinen Kenntnis gebracht, ·daß nach Schluß der Plenarsitzung auf Anordnung des Herrn Präsidenten der Kommission für Frauenarbeit diese Kommission eine kurze Beratung abhalten werde.

Indem auf den ersten Gegenstand der Tagesordnung ,,Berichterstattung der Kommission betreffend das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors" (s. Beilage I zum Protokoll Nr. 3) eingetreten wird, erteilt der Vorsitzende das Wort dem deutschen Berichterstatter Herrn Dr. Bach: Derselbe legt im Namen der von der Konferenz eingesetzten Kommission die Gründe dar, warum dem eigentlichen Kommissionsbericht noch ein zweiter Teil beigefügt worden sei. Es ergab sich nämlich, daß die zweite Kommission betreffend Nachtarbeit der Frauen ihre Anträge in die Form von artikelweise formulierten Grundzügen gebracht hat.

Um nun in beiden Beschlüssen auch eine formelle Uebereinstimmung zu erzielen, zudem einige Berichtigungen an den frühern Beschlüssen vorzunehmen, wurde dieser neue Bericht und Vorschlag verfaßt. Es soll in Artikel 4 heißen: die auf der Konferenz ,,vertretenen Staaten", statt ,,eingeladenen Staaten".

Der Berichterstatter behält sich vor, auf eventuelle Einwendungen in der Diskussion am Schlüsse der Debatte zu erwidern.

Herr Fabri, französischer Berichterstatter der Kommission, wird ·sich, da er mit den Ausführungen des Herrn Bach vollständig einig .geht, darauf beschränken, auf den Umstand hinzuweisen, daß die Kommission in letzter Stunde ihre Vorschläge insoweit modifiziert, als sie nunmehr das Inkrafttreten des zu beschließenden Vertrages nicht mehr von der Annahme aller zur Konferenz eingeladenen Staaten, sondern nur der an derselben vertretenen Staaten, nebst Japan, abhängig macht. Die Kommission hat außerdem ihren Vorschlägen einen ähnlichen Titel gegeben, wie der, welcher von der Kommission der Nachtarbeit der Frauen für ihre Vorschläge angenommen worden ist.

Herr Scherrer: ,,Die schweizerische Delegation hat ihrerseits dem Vorschlage der Kommission zugestimmt. Auf ihre weitergehenden Vorschläge, die im Entwurfe der schweizerischen Delegation enthalten waren und die von einzelnen Seiten als über ·das Programm des Kreisschreibens des schweizerischen Bundes-

673

rates hinausgehend erachtet worden sind, konnte sie um so eher verzichten, als diese Punkte ebensogut der Gesetzgebung der einzelnen Staaten überlassen bleiben können, die auf Grund eines, wie wir hoffen, zu stände kommenden Vertrages erlassen werden soll.

Auch eine besondere Dankespflicht bleibt mir in dieser Sache zu erfüllen übrig, eine Dankespflicht der schweizerischen Delegation gegenüber den Herren Vertretern der hohen österreichischen und der hohen ungarischen Regierung. Es war von jener Seite seinerzeit die Einladung einiger überseeischer Staaten zu dieser Konferenz gewünscht worden. Der schweizerische Bundesrat konnte leider, wie von Herrn Bundesrat Deucher, unserm Präsidenten, auseinandergesetzt worden ist, aus prinzipiellen Gründen nicht entsprechen. Obwohl dadurch die Schwierigkeiten, insbesondere für Österreich, zu einem Übereinkommen Hand zu bieten, wesentlich gewachsen sind, hat es dennoch in concilianter Gesinnung und in einem Geiste großen und schönen Entgegenkommens ganz wesentlich dazu beigetragen, daß eine Verständigung auf einen gemeinsamen Vorschlag möglich geworden ist, eine Verständigung, die immerhin etwelche Aussichten auf das Zustandekommen des humanitären Werkes eröffnet, das wir alle vor Augen haben. Ich durfte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, hierfür warmen Dank abzustatten.u Herr Dubois erinnert daran, daß er bei Beginn der Arbeiten der Konferenz erklärt habe, der belgischen Delegation gestatten ihre Instruktionen nicht, dem Verbot des weißen Phosphors in der Zündholzfabrikation zuzustimmen, namentlich deshalb, weil Japan nicht eingeladen wurde. Er fühlt sich glücklich, heute mitteilen zu können, daß nach den neuesten Instruktionen die belgische Delegation angewiesen ist, den Vorschlägen der Kommission voll und ganz beizupflichten.

Herr Sévène erklärt, indem auch er seine Zustimmung zu den .Vorschlägen kund gibt, daß die französische Delegation ein Opfer bringe, indem sie auf den von ihr gehegten Wunsch, die Frist bis zu dem Inkrafttreten des Übereinkommens verkürzt zu sehen, verzichte. Er drückt gleichzeitig die Hoffnung aus, daß diemenschenfreundliche Gesinnung der beteiligten Staaten dazu beitragen werde, diese Frist möglichst abzukürzen.

Herr Belloc fühlt sich als Vertreter eines Landes, dessen Zündholzindustrie 7000 Arbeiter beschäftigt, gedrungen, dea Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

46

674

Delegierten von Österreich, Ungarn und Belgien für ihr-versöhnliches Entgegenkommen seinen Dank auszusprechen.

Herr Gwnynghame verliest nachfolgende Aaseinandersetzung : ,,In Großbritannien ist die Zündholzfabrikation frei und jeglicher Abgabe enthoben. Es besteht kein Zoll, weshalb die Zündhölzer außerordentlich billig sind. In London kann man zwölf Schachteln, im ganzen 600 Zündhölzer enthaltend, zum Preise von 15 Eappen kaufen.

Dieser Preis ist scheinbar zehnmal höher, als derjenige für japanische Zündhölzer, die hauptsächlich für den chinesischen Verbrauch und den von Ostindien berechnet sind, die aber jedenfalls von weitaus geringerer Qualität sein müssen, als die, welche in Europa fabriziert werden.

Im Jahre 1898 zogen einige Fälle von Phosphorvergiftung die Aufmerksamkeit des Departements des Innern in England auf sich.

Die Schweiz und Dänemark hatten schon die Verwendung des gelben Phosphors untersagt. Die durch Phosphor erzeugte Krankheit ist in hohem Grade schmerzhaft und abstoßend. Sie greift zuerst die Zähne, dann den Kiefer an.

Wir in England haben nie sehr gut ergründen können, ob der Phosphor, der die Krankheit erzeugt, durch die Atmungsorgane aufgenommen oder ob er durch die Hände dem Organismus der Arbeiter zugeführt wird. Meine persönliche Meinung spricht zu gunsten letzterer Hypothese.

Die Arbeiter sind oft die Opfer ihrer eigenen Unvorsichtigkeit. Die jungen Mädchen kommen in die Werkstätten mit Zucker oder Süßigkeiten in ihren Taschen, die sie dann mit verunreinigten Händen essen ; da der Phosphor, in kleinen Quantitäten genossen, auf die Dauer doch ein gefährliches Gift wird, so ist es von größter Wichtigkeit, die täglichen, auch kleinsten Posen zu vermeiden. Um diesem Übelstande zu begegnen, ist es wesentlich, daß die Kleider und Hände der Arbeiter sehr sauber sind.

Es ist ferner notwendig, daß die Arbeitsräume gut gelüftet werden.

Eine wichtige Tatsache, die ich Ihrer Aufmerksamkeit zu unterbreiten wünsche, meine Herren, ist die, daß man in England glaubt, erkannt zu haben, daß Arbeiter mit guten oder wohlunterhaltenen Zähnen durch Phosphor nicht erkranken, und diese Meinung scheint bis dahin eine gerechtfertigte zu sein. Leider

675 ist in unsern bevölkerten Städten der Zustand der Zähne in den arbeitenden Klassen ein sehr schlechter.

Es sind Zahnärzte beauftragt worden, die Zähne in den Knabenund Mädchenschulen einer genauen Untersuchung zu unterziehen, und es wurde ein wahrhaft beklagenswerter Zustand derselben konstatiert. Die meisten Schüler und Schülerinnen hatten viele verdorbene Zähne, und man weiß, daß es bei den Erwachsenen ebenso, wenn nicht ärger ist.

Die gefährlichste Manipulation in der Zündholzfabrikation ist die Mischung des Phosphors mit andern Substanzen zur Bereitung einer Masse (pâte). Dies wird gewöhnlich im Freien ausgeführt oder in wohlgolüfteten Räumen, dann folgt das Eintunken der Zündhölzer, das Trocknen in heißem Raum und die Verpackung in Schachteln.

Im Jahre 1897 waren ungefähr 1000 Männer und 3000 Frauen in dieser Industrie beschäftigt. 250 davon befaßten sich mit der Zubereitung der Masse und dem Eintunken, 1800 andere mit der weitern Bearbeitung der Zündhölzchen. Diese Manipulation ist wiederum eine gefährliche Arbeit, denn um die chemische Verbrennung des Phosphors zu vermeiden, müssen die Arbeiter die Zündhölzer in feuchtem Zustande handhaben, was zur Folge hat, daß ein beträchtliches Quantum von Masse an den Händen kleben bleibt.

Von diesen Arbeitern erkrankten 9 an Phosphorvergiftung und einer starb.

Die Proportion war im Verhältnis zur Arbeiterzahl keine beträchtliche, aber die Krankheit war eine so scheußliche, daß sie allgemeinen Widerwillen hervorrief. Infolgedessen wurde im Jahre 1899 ein ernstlicher Versuch gemacht, Abhülfe zu schaffen.

Ich werde die verschiedenen Phasen dieser Bewegung, an der ich selbst tätigen Anteil nahm, nicht schildern. Nachdem diese Industrie einmal förmlich als gefährlich erklärt worden war, wurde der Minister des Innern beauftragt, dieselbe den Vorschriften zu unterstellen, die unserer Fabrikgesetzgebung entsprechen.

Diese Vorschriften wurden, wie dies in solchen Fällen nach englischem Gesetz üblich ist, Gegenstand eines Schiedsspruches.

Endlich kam eine Verordnung zu stände, deren Hauptpunkte die folgenden sind :

676

1. Die Arbeitsräume sollen gut gelüftet, die Boden dicht und aehr rein sein.

2. Jedermann hat besondere Arbeitskleider zn tragen. Nahrung darf in den Arbeitsräumen nicht eingenommen werden.

Seife und warmes Wasser sollen in großer Menge den Arbeitern zur Verfügung gestellt, diese hinwiederum unter Strafandrohung angehalten werden, davon Gebrauch zu machen. Die Arbeiter sind verpflichtet, den Mund mit einer reinigenden Lösung und mit Wasser zu spülen.

3. Ärztliche Untersuchung vor der Aufnahme.

4. Jedes Vierteljahr Untersuchung der Zähne durch einen Zahnarzt, der Vollmacht besitzt, die Arbeit eines Arbeiters sofort unterbrechen zu lassen, wenn dessen Zähne schlecht sind.

5. Abgabe von Mundwasser an die Arbeiter.

Alle diese Vorsichtsmaßregeln sind in einer Verordnung von 24 Paragraphen bis ins kleinste ausgeführt.

Die unmittelbare Folge der Verordnung war die Schließung von sechs Fabriken und das Verbot des gelben Phosphors in vielen anderen.

Von dem Reglement ist derjenige Teil, der die Zähne betrifft, am schwierigsten durchzuführen. Die jungem Mädchen befürchten, daß, wenn der Zahnarzt ihre Zähne untersucht, er ihnen welche auszieht. Da viele dieser Mädchen noch sehr jung sind, so haben sie für den wohltätigen Eingriff desselben kein Verständnis. Die Arbeitgeber, die die Kosten zu bezahlen haben, beklagen sich über die Ausgabe sowohl, als auch über die Schwierigkeit, sich Arbeiter zu verschaffen.

Im Jahre 1901 ist die Zahl der in der Zündholzindustrie beschäftigten Personen von 4000 auf 2400 gesunken. Schließlich wurde aus Amerika eine Maschine eingeführt, die eine große Rolle zu spielen berufen ist.

Diese Maschine, sehr teuer und kompliziert, stellt die Zündhölzer allein her, ohne jegliche Mithülfe der Hände.

Holz und chemische Produkte werden auf der einen Seite dieser Maschine eingeschoben, und die fertigen und gefüllten Schachteln, bereit, dem Handel übergeben zu werden, kommen auf der andern Seite heraus.

Diese Maschine, ein Typus der Zukunftsfabrik, gibt dem Menschen seine ursprüngliche Stellung wieder, indem sie aus sich die Sklavin, aus ihm wieder den Herrn macht. Sie kann sich abnutzen, brechen, auseinanderfallen, rosten oder durch

677

die giftigen Dünste verdorben werden, niemand leidet darunter und niemand wird sie beklagen. Die Maschine, statt die Feindin des Arbeiters 'zu sein, wird seine Freundin, statt seine Beherrscherin, wird sie dessen Sklavin. Das, meine Herren, wird die industrielle Sklaverei der Zukunft sein !

Die Resultate dieses Gesetzes werden Sie ohne Zweifel interessieren.

Ich habe Ihnen mitgeteilt, daß vor dessen Inkrafttreten die ungefähre Zahl der Vergiftungen neun betrug, wovon ein Fall mit tödlichem Verlauf.

Im Jahre 1900 gab es 3 Fälle; 1901 waren deren 4; 1902 ein Fall ; 1903 gar keiner und 1904 ein einziger Fall.

Was hierbei sehr interessant zu vermerken ist, ist der Umstand, daß dieser letzterwähnte eine Fall eine Frau betraf, die 1887 mit gelbem Phosphor gearbeitet und 1902 die Arbeit in der Zündholzfabrikation gänzlich aufgegeben hatte. Es ist anzunehmen, daß sie in der Zwischenzeit die Krankheit in sich hatte, ohne von derselben stark belästigt worden zu sein; somit fällt dieser Fall auf Rechnung der früheren Jahre.

Für 1905 haben wir noch nicht einen einzigen Fall zu verzeichnen. *) Ich glaube, daß diese Zahlen verläßlich sind, denn die Überwachung ist sehr streng.

Somit können wir hoffen, in Großbritannien der Krankheit Meister geworden zu sein.

Die Fabrikation jedoch hat sehr abgenommen: 1887 bestunden 24 Fabriken, jetzt sind deren nur noch 14. 1887 waren 4000 Personen in dieser Industrie beschäftigt, gegenwärtig nur noch 2400. 1901 betrug der Export 786,100 Gros Zündholzschachteln mit gelbem Phosphor im Werte von 100,452 £.

1903 gingen diese Zahlen auf 355,000 Gros Schachteln gleich 51,751 £. zurück. Der Export hat somit um die Hälfte abgenommen.

Dagegen ist der Import von Zündhölzern mit gelbem Phosphor von 4,065,619 Gros Schachteln im Werte von 222,041 £ auf 4,618,106 Gros gleich 254,748 £ gestiegen.

Die Importzahl ist also um Y« angewachsen. Die Importuna Exportzahlen für Sicherheitszündhölzer haben sich dagegen nicht wesentlich verändert. Aus alledem ergibt sich unverkennbar der Einfluß des neuen Gesetzes: *) Anmerkung: ,,In letzter Zeit wurde ein Fall gemeldet, dessen Einzelheiten mir nicht bekannt sind."

678

Die Krankheit ist verschwunden, aber die Industrie hat merklich abgenommen.

Dies ist genau das Resultat, das man erwarten konnte.

In denjenigen Ländern dagegen, wo ähnliche Gesetze nicht bestehen, hat die Fabrikation zugenommen.

Somit hält Großbritannien es für unnötig, den Gebrauch des gelben Phosphors gänzlich zu verbieten. Was wir dagegen für nötig erachten, ist eine strenge Anwendung der bestehenden Vorschriften, namentlich die obligatorische Untersuchung der Zähne der Arbeiter. Großbritannien hält sich an die bestehenden Gesetze; seine Delegation hat jedoch nicht die nötige Vollmacht, um sich irgendwie auf die Frage einer internationalen Abmachung einzulassen."

Herr Philipsen gibt folgende Erklärung ab: ,,Da Dänemark schon vor 30 Jahren definitiv und unwiderruflich den Gebrauch des weißen Phosphors in der Zündholzfabrikation verboten hat, und da deshalb dieser Programmpunkt der Konferenz für Dänemark des praktischen Interesses ermangelt, so hat unsere Regierung ihrer Delegation keine diesbezüglichen Instruktionen erteilt.

Aus diesem Grunde hat die Delegation nicht gewünscht, in der diese Frage vorbereitenden Kommission vertreten zu sein, und hat sich auch an deren Arbeiten nicht durch Stimmabgabe beteiligt (es besteht diesbezüglich eine gewisse Ungenauigkeit im Bericht) ; aus demselben Grunde, dem Mangel an Vollmacht, irgend etwas zu unterzeichnen, wird sich die dänische Delegation bei der Schlußabstimmung enthalten.

Persönlich haben wir uns nicht gescheut, immer und auch hier wiederum zu betonen, daß unsere Regierung im Prinzip unzweifelhaft stets für ein allgemeines Verbot des Gebrauchs des weißen Phosphors in der Zündholzfabrikation sein und es mit Befriedigung begrüßen wird, wenn alle zivilisierten Länder aus freiem Antrieb sich auf diese heilsame Reform einigen."

Herr Pihlgren äußert sich folgendermaßen : ,,Im Bericht der Kommission wurde meine Stellungnahme in der Frage sehr zutreffend wie folgt geschildert: Der schwedische Delegierte beruft sich auf die guten Resultate, die das Ergebnis eines seinem Lande eigenen Systèmes sind, nämlich die Einschränkung des Gebrauchs des weißen Phosphors für die zum Export bestimmten Zündholzwaren und

679 die diesbezüglichen strengen Vorschriften. In Ermangelung eines Stoffes, der geeignet wäre, den weißen Phosphor in den für den Export bestimmten Zündholzwaren zu ersetzen, wäre es ihm auch unmöglich, sich zu einem absoluten Verbote zu entschließen, selbst dann, wenn es zum Abschluß eines Übereinkommens unter den andern Produktionsstaaten käme.

In Schweden wird die Fabrikation der Zündhölzer mit weißem Phosphor durch eine Verordnung vom 9. Dezember 1896 geregelt.

Die Fabrikation wird nur in eigens dazu erstellten Fabriken gestattet (gegenwärtig sind es deren zwölf). Die Verordnung enthält außerdem noch Vorschriften betreffend Erstellung und Einrichtung der Räume, sowie sanitarische und hygienische Verhaltungsregeln für die Arbeiter.

Alle diese Vorschriften waren Gegenstand einer strengen Überwachung. Aus diesem Grunde gibt es bei uns fast keine Nekrosefälle mehr, und die wenigen Fälle, die sich noch zeigten, sind nach der Meinung eines in der Sache erfahrenen Arztes ,,weniger schwer als früher, leichter heilbar, dem allgemeinen Gesundheitszustand der Erkrankten sehr wenig nachteilig, und sie erholen sich, falls Operation von nöten, in normaler Weise."1 Unter solchen Umständen kann man wirklich triftige Gründe dafür nicht finden, eine Industrie zu ertöten, die 1500 Arbeitern den Unterhalt verschafft und dem Lande durch Export jährlich 4l/s Millionen Franken einträgt, dies um so weniger, als der Ersatz des Phosphors weder für heiße, noch für feuchte Gegenden im allgemeinen gefunden ist. Deshalb haben auch die Arbeiter, die den Winter in den nördlichen Wäldern Schwedens und Finnlands zubringen, ein Sprichwort, das sagt: ,,Ohne Phosphorzündhölzer würde man vor Kälte sterben.a Ein Anschluß an die hier in Frage stehende Bewegung dürfte nur unter der Bedingung geschehen, daß Schweden mit den andern Produktionsstaaten auf gleichen Fuß gestellt würde, daß also das Übereinkommen alle Phosphorzündhölzer erzeugenden europäischen Staaten, sowie die wichtigsten derjenigen umfassen würde, die von Schweden Zündhölzchen kaufen.

Aus diesen Gründen bin ich gezwungen gewesen, auf den Beitritt zur Konvention derjenigen Staaten zu dringen, die zur Konferenz geladen worden sind, nebst Japan und Britisch-Indien, Bei dem Verlauf, den die bisherigen Verhandlungen der Konferenz genommen haben, erachte ich es, weil ich meine

680

Regierung nicht ohne große Vorbehalte formell verpflichten könnte,, für besser, wenn ich in der uns beschäftigenden Frage mich der Abstimmung enthalte."

Herr Finto bringt in Erinnerung, was er in der Sitzung des 9. Mai gesagt hat.

Die Industrie der Zündholzfabrikation ist in Portugal Monopol, dessen Ausnutzung einer Privatgesellschaft auf eine Reihe von Jahren zugesprochen wurde. Die portugiesische Delegation nimmt im Prinzip die Grundlagen des internationalen Übereinkommens für das Verbot des weißen Phosphors in der Zündholzfabrikation an. Doch wird die portugiesische Regierung dadurch unmittelbar in keiner Weise gebunden, da deren Zustimmung von den diplomatischen Verhandlungen abhängig bleiben wird, die in dem der Konferenz zu unterbreitenden Schlußprotokoll vorgesehen sind.

Herr Szterenyi entgegnet auf das Votum des britischen Delegierten, daß die ganze Konferenz gegenstandslos wäre, wenn nicht die Gewißheit darüber bestünde, daß auch die besten Verhütungsvorschriften und Fabrikeinrichtungen die Nekrose nicht beseitigen können. Auch andere Staaten erzeugen maschinell Zündhölzchen und haben dennoch den weißen Phosphor verboten (Zustimmung der deutschen Delegierten). Er appelliert nachdrücklichst an Großbritannien, ohne dessen Beitritt das vorliegende Übereinkommen wertlos wäre. Es kann dies um so leichter geschehen, als Belgien mit seinen zirka 3000, Ungarn mit ebenfalls 3000 und Italien mit 7000 Arbeitern zugestimmt haben, während Großbritannien nur 2400 Arbeiter beschäftigt.

Der Sprechende kann die Stimmenthaltung Dänemarks, das das Verbot seit 30 Jahren schon besitzt, und dessen Vertreter ihr Verhalten aus Mangel an Instruktion erklären, nicht begreifen.

Er ist endlieh überzeugt, daß die allen Kulturerrungenschaften so freundlich gesinnte japanische Nation nicht zögern wird, die größten Hindernisse des Zustandekommens eines Weißphosphorverbotes zu beseitigen.

Herr Caspar pflichtet diesen Ausführungen durchaus bei ; man täusche sich gründlich, wenn man glaube, daß Verhütungsvorschriften die Nekrose beseitigen können. Gerade der eine Fall der Nekrose aus dem Jahre 1904, von welchem der Vertreter Großbritanniens erklärte, daß man gar nicht wisse, wann dieser Fall zuerst entstanden sei, beweise, daß selbst die all ersorgfältigsten Verhütungsmaßregeln nichts nützen. Auch in Deutschland bestand eine starke Opposition gegen das Verbot, aber die Regierung hat es gleichwohl erlassen.

681 Der Berichterstatter Dr. Bach stimmt den prinzipiellen Bedenken gegen die Wirksamkeit von Betriebsvorschriften gleichfalls zu. Immerhin sei für den Fall, daß Großbritannien und Schweden dem Übereinkommen nicht beitreten, nicht gesagt, daßdie sich gegenwärtig der Abstimmung enthaltenden Staaten sich später einer eventuellen Ratifikation widersetzen werden. Er möchte namentlich dies von Seiten Schwedens wünschen. Er dankt endlich der schweizerischen Delegation und ihrem Vertreter, die es ehrt, daß sie trotz ihres prinzipiellen Standpunktes der Stellung: Österreichs in der Weißphosphorfrage Rechnung getragen haben.

Herr Fabri dankt Herrn Szterényi für die Glückwünsche, die er an die belgische Delegation gerichtet hat. Er weist darauf hin, daß in Belgien wenigstens ebenso viel Arbeiter bei der Zündholzfabrikation beschäftigt sind, als in England, und daß dieZustimmung zu den Vorschlägen der Kommission ein schweres Opfer für sein Land bedeutet. Herr Fabri betont noch einmal,, welch strengen Vorschriften die Zündholzindustrie in Belgien, unterworfen ist, Vorschriften, die den Vorsichtsmaßregeln Englands und Schwedens in nichts nachstehen.

Die allgemeine Diskussion ist damit geschlossen, und inartikelweiser Beratung wird zunächst der Titel des im Entwürfe vorliegenden und von der Kommission gemachten Vorschlages besprochen :

Grundzüge eines internationalen Übereinkommens betreffend das Verbot der Verwendung von weissem (gelbem.) Phosphor zur Herstellung von Zündhölzern.

Art. 1.

Vom i. Januar 1911 an ist die Herstellung, die Einfuhr und der Verkauf von Zündhölzchen, die weißen (gelben) Phosphor enthalten, verboten.

Art. 2.

Die Urkunden über die Ratifikation sollen spätestens am 31. Dezember 1907 hinterlegt werden.

Art. 3.

Die Regierung von Japan wird eingeladen, bis zum 31. Dezember 1907 den Beitritt zu diesem Übereinkommen zu erklären.

682 Art. 4.

Da* Übereinkommen tritt in Kraft, wenn die auf der Konferenz vertretenen Staaten und Japan beigetreten sind.

Herr Dubois macht darauf aufmerksam, daß zwischen dem deutschen und französischen Titel nicht völlige Übereinstimmung besteht; er zieht letzteren vor und beantragt im deutschen Text Streichung der Worte ,,der Verwendung".

Herr Caspar wünscht dem deutschen Sprachgebrauch zu Jiebe, daß die Worte ,,der Verwendung" des weißen Phosphore beibehalten bleiben.

Herr Dr. Bach macht darauf aufmerksam, daß der deutsche und der französische Kommissionsbericht vollständig übereinstimmende Titel tragen, es sollte daher heißen der ,,Verwendung" und statt ^Herstellung von Zündhölzern" ^in der Zündholzindustrie".

Herr Sévène erachtet, daß man die Worte ,,der Verwendung" ohne Nachteil im französischen Titel auslassen kann, der seiner Meinung nach dadurch noch besser mit den Absichten von Art. l übereinstimmen würde.

Herr Caspar bemerkt, daß das Wort Zündholzindustrie jedenfalls nicht so ausgelegt werden dürfe, als ob die kleingewerbliche oder hausindustrielle Erzeugung nicht eingeschlossen wäre.

Unter diesem Vorbehalt beharrt er nicht weiter auf den Worten ,,Herstellung von Zündhölzern".

Art. l, 2 und 3 werden einstimmig angenommen, nachdem zu Artikel 3 Herr Caspar die Worte ,,die Regierung von Japan wird eingeladen* unter Zustimmung der Versammlung in ,,wird eingeladen werden1' umzuändern beantragt hat.

Art. 4 wird unverändert angenommen.

Llgt

Herr Kuyper hält folgende Rede : ,,Herr Präsident!

Als Sie in der zweiten Plenarsitzung die Meinung der niederländischen Delegation in dieser Frage zu wissen wünschten, konnte ich die Antwort erteilen, daß ich die der Konferenz durch

683

den schweizerischen Bundesrat gemachten Vorschläge voll und ganz annehme.

Ich kann auch heute wieder erklären, daß ich sie von ganzem Herzen begrüße und daß meine Regierung keines Aufschubes, weder für die Ratifikation, noch für das Inkrafttreten des Weißphosphorverbotes bedarf, weil dank dem Gesetze von 1901 die Verwendung des weißen Phosphors in der Zündholzindustrie, ebenso wie die Einfuhr von mit weißem Phosphor erstellten Zündhölzern in unserem Lande gänzlich verboten ist.

Auch hoffe ich, daß, dank dieser Konferenz, die schreckliche Krankheit der Nekrose aus allen Ländern der Welt bald und gänzlich wird verschwunden sein.

Holland wird es sich immer angelegen sein lassen, die physischen Gefahren des Arbeiters einzuschränken, und ich wiederhole hier den 1898 ausgesprochenen Wunsch unserer Majestät ·der Königin-Regentin : ,,Möge unsere Nation groß sein in allem, was ein kleines Land groß machen kann!"

In der endgültigen Abstimmung sprechen ihre Zustimmung zu den Grundzügen aus die folgenden Staaten : Deutsches Reich, Österreich, Ungarn, Belgien, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, die Schweiz.

Die Delegierten von Portugal und Spanien geben die Erklärung ab, daß ihre Stimmabgabe nicht unmittelbar bindend sein könne, weil besondere Umstände (in Portugal die Verpachtung des Staatsmonopols) erst nach einem längern Zeitablauf die Einführung des Weißphosphorverbotes ermöglichen. Der Stimmabgabe enthalten sich : Dänemark, Großbritannien, Norwegen, Schweden.

Das Traktandum ist hiermit erledigt (s. Beilage II zum Protokoll Nr. 3).

Auf der Tagesordnung ist noch der Entwurf für die Fassung der S c h l u ß a k t e (Antrag des Bureaus).

Schlussakte der internationalen Konferenz für Arbeiterschutz.

Die unterzeichneten Delegierten der Regierungen von .

die am 8. Mai 1905 in Bern zu einer Konferenz zusammengetreten sind, um über die Regelung der zwei im Kreisschreiben

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des schweizerischen Bundesrates vom 30. Dezember 1904 enthaltenen Fragen des Arbeiterschutzes zu beraten, sind übereingekommen, den schweizerischen ßundesrat zu ersuchen, er möchte als Ergebnis der Beratungen der Konferenz den beteiligten hohen Staatsregierungen behufs gutscheinender diplomatischer Verhandlung nachstehende Vorschläge für abzuschließende internationale Vereinbarungen zustellen : I. Titel?

II. Grundzüge eines internationalen Übereinkommens betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen.

Ausgefertigt in Bern am siebzehnten Mai des Jahres neunzehnhundertfünf in einem deutschen und französischen Exemplar, das im schweizerischen Bundesarchiv niedergelegt, und von dem jeder der bei der Konferenz vertretenen hohen Staatsregierungen auf diplomatischem Wege eine beglaubigte Abschrift zugestellt werden soll.

I. Titel.

Unterschriften.

II. Titel.

Unterschriften.

Der Vorsitzende teilt mit, es sei der Wunsch ausgesprochen worden, es möge die Schlußakte schon Dienstag abends (16. Mai) unterzeichnet werden. Er erklärt, die Unterzeichnung werde geschehen, nachdem das Instrument von den Vorsitzenden und Berichterstattern beider Kommissionen verglichen und kollationiert worden sei. Hiermit wird jedoch die Tätigkeit der Konferenz ihren Abschluß nicht finden, indem Mittwoch vormittags die Schlußakte einem Schlußprotokoll beigefügt werden wird, in welchem den nicht unterzeichnenden Delegierten die Möglichkeit geboten ist, begründende Erklärungen abzugeben.

Die Form der Schlußakte wird genehmigt. Das Wort ergreift noch der Delegierte Herr von Fries zu einer Anfrage, ob die Geheimhaltung der Beratungen über die Grundzüge des Phosphorvertrages noch weiter zu wahren sei. Nach Abschluß der Verhandlungen und angesichts unrichtiger Darstellungen in der Presse scheine sie bedenklich.

685 Der Vorsitzende behält sich vor, in der Schlußsitzung auf diese Frage zurückzukommen.

Herr Caspar ist der Meinung, das Geheimnis sei nur während der Dauer der Konferenz zu wahren; nach Schluß derselben soll jede Regierung freie Hand haben.

Herr Dr. Bach macht darauf aufmerksam, daß durch unrichtige, den Vorbehalt bezüglich Japans nicht wiedergebende Telegramme in österreichischen Zündholzinteressentenkreisen große Beunruhigung entstanden sei. Er wünscht die sofortige Bekanntbe des Textes an die Presse.

Der Vorsitzende erklärt, das Bureau sei für diese falschen Meldungen nicht verantwortlich.

Herr Szterényi wünscht, daß nur bis zum Abschlüsse der eigentlichen Konferenzarbeiten das Geheimnis gewahrt werden solle, wie es bei der Berliner Konferenz geschehen sei.

Her Caspar weist darauf hin, daß die Veröffentlichung von Artikel 4 unverständlich wäre, wenn nicht die Namen der den Grundzügen zustimmenden Staaten gleichfalls mitgeteilt würden.

Es wäre ferner rücksichtslos, wenn die Regierungen erst durch die Presse die Beschlüsse ihrer Vertreter erfahren würden.

Herr Millerand würde es seinerseits ebenfalls bedauern, wenn die Regierungen die Ergebnisse der Konferenz anders, als durch die offiziellen Mitteilungen ihrer Delegationen erfahren sollten. Infolgedessen beantragt er, es denselben zu überlassen, die ihnen gutscheinenden Mitteilungen zu machen.

Der Vorsitzende schlägt vor, es möchten die Delegierten heute noch telegraphiseh an ihre Regierungen berichten. Morgen Vormittag würde dann das den Text der Grundzüge des Phosphorvertrages enthaltende Bulletin ausgegeben werden.

Dieser Vorschlag wird angenommen.

Schluß der Sitzung 6 Uhr abends.

Die Sekretäre:

Prof. Dr. Stephan Bauer.

Dr. 0. Rieser.

Paul Dinichert.

Der Präsident:

Dr. A. Dencher, Bundesrat.

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Beilage i zum Protokoll Nr. 3.

Bericht der Kommission über das Verbot der Verwendung des weissen Phosphors in der Zündholzindustrie.

Die Verhandlungen der Kommission begannen damit, daß durch den Herrn Vertreter der schweizerischen Regierung als Einberuferin der Konferenz das Programm hinsichtlich des Weißphosphorverbots erläutert wurde (s. Beilage zum Bericht der Kommission).

Da die überwiegende Mehrzahl der Kommissionsmitglieder der Ansicht war, daß es sich zunächst darum handle, die prinzipielle Frage des Verbotes der Verwendung des weißen Phosphors zur Zündholzfabrikation zu erledigen, entschied man sich dafür, als.

Grundlage der Diskussion ausschließlich die Formulierung in dem offiziellen Rundschreiben des schweizerischen Bundesrates zu wählen.

Auf diese Weise wurde den bereits in der Eröffnungssitzung der Konferenz von den Vertretern des Deutschen Reiches und Österreichs, sowie in der Kommission insbesondere auch von dem Vertreter Ungarns geltend gemachten Bedenken Rechnung getragen. Diese gingen dahin, daß der uns hier von der schweizerischen Delegation vorgelegte Entwurf über den Rahmen des aus dem Einladungsschreiben ersichtlichen Programmes hinausgehe.

Die Instruktionen der hier anwesenden RegierungsVertreter konnten aber selbstverständlich nur auf Grund des offiziellen Rundschreibens entworfen und festgestellt werden.

Im Laufe der folgenden Diskussion über das Prinzip wurden von verschiedenen Seiten einzeln und in ihrer Wechselbeziehung die drei Gesichtspunkte erörtert, unter welchen die Weißphosphorfrage betrachtet werden kann, d. i. die Vergiftungsgefahr für die Arbeiter der Zündholzfabriken, die Möglichkeit eines Mißbrauchs der gifthaltigen Zündhölzchen durch die Konsumenten, endlich

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die Konkurrenz auf dem Weltmärkte und ihre Rückwirkung auf die Beschäftigung der Arbeiter in der Exportindustrie.

Bezüglich des ersten Punktes standen sich zwei Meinungen gegenüber. Die einen vertraten die Ansicht, daß nur das absolute Verbot der Verwendung des weißen Phosphors als ein wirksames Mittel zum Schutze der in den Zündholzfabriken beschäftigten Arbeiter anerkannt werden könne. Die anderen dagegen hieltenflach den in einzelnen Ländern gesammelten Erfahrungen -- unter der Voravissetzung sorgfältiger Durchführung und genauer Überwachung -- die Erlassung von Betriebsvorschriften (réglementation) für ausreichend zur Vermeidung der Nekrosegefahr für dieArbeiter.

Die Abstimmung über diese Frage hatte folgendes Ergebnis : Für das absolute Verbot erklärten sich die Vertreter von 10 Staaten (Deutsches Reich, Österreich, Ungarn, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Norwegen, Niederlande, Schweiz). Dagegen wurden 2 Stimmen abgegeben (Großbritannien, Schweden).

Der Vertreter Belgiens erklärte aut Grund seiner Instruktionen, der Abstimmung sich enthalten zu müssen.

Der Vertreter Großbritanniens motivierte seine Abstimmungin folgender Weise : Die Verwendung des weißen Phosphors in den Zündholzfabriken Großbritanniens ist strengen Vorschriften unterworfen (Fabrikgesetz und Durchführungsverordnung vom April 1900). Großbritannien hält an seinen geltenden Vorschriften fest, und sind seine Delegierten nicht ermächtigt, in dieser Frage irgend eine internationale Verpflichtung einzugehen.

Auch der Vertreter Schwedens stützte sich auf die guten Erfolge, welche das seinem Lande eigentümliche System gezeitigt habe, nämlich die Einschränkung der Verwendung des weißen Phosphors auf die Erzeugung von Exportware und die hierfür geltenden strengen Vorschriften. In Ermangelung eines wirklichen Ersatzes für weißen Phosphor zur Herstellung von Zündhölzchen für den Export könne er auch für den Fall einer Vereinbarungmit den anderen Produktionsländern nicht für ein absolutes Verbot seine Stimme abgeben.

Der Vertreter Belgiens endlich erklärt sich der Abstimmungzu enthalten, nachdem die belgische Regierung einerseits in der Erwägung, daß die von ihr angeordneten, sehr strengen Schutzvorschriften durchaus befriedigenden Erfolg erzielt haben, anderseits angesichts der Tatsache, daß wichtige Konkurrenzländer der belgischen Industrie zur Konferenz nicht eingeladen worden

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waren, ihre Delegierten angewiesen habe, sich der Abstimmung über jeden Beschlußantrag zu enthalten, der das Verbot des weißen Phosphors zum Gegenstand hat. Er schließt sich, was ·die Nichteinladung der erwähnten Staaten anlangt, den Ausführungen des Vertreters Österreichs in der Konferenzsitzung an.

Aber auch unter den Vertretern der 10 Staaten, welche ·für das unbedingte Weißphosphorverbot sich ausgesprochen hatten, war eine größere Anzahl, welche mit Rücksicht auf die Unvoll-ständigkeit der Einladungsliste dieser internationalen Konferenz die tatsächliche Durchführung des Verbotes ohne den Beitritt auf 4er Konferenz nicht vertretener, auch außereuropäischer Staaten nicht für zulässig und durchführbar erachtete.

In dieser Richtung ging aus den der Stimmabgabe für das Verbot hinzugefügten Erklärungen hervor, daß nur 5 Staaten (Deutsches Reich, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Schweiz) ohne jede Bedingung, ferner Italien, zwar nicht ganz unbedingt, aber ohne die Bedingung des Beitrittes anderer als der Konferenzländer, zur Durchführung des Verbotes bei sich bereit waren.

Es war demnach klargestellt, daß die Einführung des Weißiphosphor-Verbotes in jenen Staaten, welche dasselbe noch nicht durchgeführt oder gesetzlich festgestellt haben, wie eben die 5 erstgenannten, durch eine internationale Vereinbarung bei prinzipieller Einschränkung derselben auf europäische Länder, nicht ·erreichbar war.

Bei dieser Sachlage mußten alle Delegierten, welche ein positives Resultat dieser Kommission erzielen wollten, ihr Bestreben dahin richten, die Liste jener hier nicht vertretenen Länder möglichst einzuschränken, von deren Beitritt die Wirksamkeit des Konferenzbeschlusses abhängig gemacht werden sollte.

Bei den in einer Subkommission und in der zweiten Sitzung der Kommission hierüber geführten eingehenden Verhandlungen ·einigte sich schließlich die überwiegende Mehrheit darauf, von ·den zur Konferenz nicht geladenen Staaten lediglich den Beitritt Japans zu fordern.

Die Vertreter Österreichs und Ungarns, welche zunächst auch den Beitritt der Balkanstaaten und der überseeischen Absatzgebiete (Ägypten und Ostindien) verlangt hatten, bestanden im Interesse der Einigung schließlich nicht darauf.

Auf diese Weise gelangte die Kommission zur Annahme des der hohen Konferenz am Schlüsse dieses Berichtes unterbreiteten ßeschlußantrages.

689 Für denselben gaben in der Kommission ihre Stimmen, ab die Vertreter von 8 Staaten (Deutsches Reich, Österreich, Ungarn, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz); 3 Vertreter erklärten, für den Beschlußantrag nicht stimmen zu können (Belgien, Großbritannien, Schweden). Die Vertreter von Dänemark, Spanien und Norwegen waren bei der Abstimmung nicht anwesend.

Betreffs der Vertreter Dänemarks und Norwegens darf mit Rücksicht auf ihre prinzipielle Abstimmung in der ersten Kommissionssitzung erwartet werden, daß sie im Schöße der hohen Konferenz die Zahl der für den Kommissionsantrag Stimmenden vermehren werden.

Überdies eröffnen die Erklärungen von zwei Gegnern des Kommissionsbeschlusses die Aussicht auf einen nachträglichen Beitritt ihrer Staaten.

In erster Linie gilt dies von Schweden, dessen Vertreter erklärte, zwar zu einer Abstimmung für das Verbot seitens seiner Regierung nicht ermächtigt zu sein, jedoch für seine Person, im Falle des Beitritts von Japan und eventuell Britisch-Indien auch den Anschluß seines Landes befürworten zu wollen.

Desgleichen gab auch der Vertreter Belgiens die Erklärung ab, seiner Regierung Bericht erstatten zu wollen.

Namens der Kommission für das Phosphorverbot in der Zündholzindustrie beehren sich die Unterzeichneten, der hohen Konferenz als das Ergebnis ihrer Verhandlungen den nachstehenden Vorschlag zu unterbreiten : ,,Die hier vertretenen Regierungen verpflichten sich, vom 1. Januar 1911 an in ihren Ländern das absolute Verbot der Verwendung des weißen Phosphors zur Zündholzfabrikation in Kraft zu setzen, falls vor dem 1. Januar 1908 der gegenseitige Austausch der Ratifikationen dieses' Übereinkommens durch die Unterzeichner erfolgt und die anderen zur Konferenz eingeladenen Staaten ihren Beitritt erklärt haben.

,,Im Schlußprotokolle ist überdies die Einladung Japans ZUIL, Beitritte an dieses Übereinkommen vorzubehalten und die definitive Inkraftsetzung von dem Beitritte Japans abhängig zu machen."

Caspar, Präsident.

Bach, Berichterstatter.

Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

Fabri, Berichterstatter.

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690 Seilage zum Bericht der Kommission über das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündholzindustrie.

Vorschlag der

schweizerischen Delegation hinsichtlich einer Grundlage der Beratungen über einen Vertrag betreffend das Verbot der Verwendung des weissen Phosphors in der Zündwarenindustrie.

«

Art. 1.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, spätestens vom an die Verwendung von weißem oder gelbem Phosphor zur Herstellung von Zündhölzern oder andern Zündwaren zu verbieten. Sie verpflichten sich ferner, das gewerbsmäßige Feilhalten, den Verkauf, die Ein- und Ausfuhr von Zündwaren, die aus weißem oder gelbem Phosphor hergestellt sind, spätestens vom . . . . an zu verbieten.

' Art. 2.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, den Verkauf, die Bin- und Ausfuhr von Zündwaren nur in Verpackungen, Inbegriffen Pakete und Schachteln, zu gestatten, die die Firma oder die amtlich hinterlegte Fabrikmarke des Erzeugers tragen.

Art. 3.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, die Einfuhr und Verwendung von weißem oder gelbem Phosphor,

691 außer für wissenschaftliche oder pharmazeutische Zwecke, zu verbieten, und sie für industrielle oder andere Zwecke nur dann zu gestatten, wenn diese Verwendungsarten von den zuständigen Behörden als unschädlich erklärt worden sind.

Die Entscheide dieser Behörden sind auf diplomatischem Wege der behufs weiterer Mitteilung an die andern Vertragsstaaten zu übermitteln.

Art. 4.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, von Fall zu Fall festzustellen, ob in ihren Staatsgebieten Übertretungen der dort nach Maßgabe des gegenwärtigen Vertrages geltenden Vorschriften stattgefunden haben.

Sie verpflichten sich ferner, für den Fall nachweisbarer Übertretung des Verbotes der Ausfuhr von Zündwaren mit weißem oder gelbem Phosphor nach einem dem gegenwärtigen Vertrage nicht angehörenden Gebiete durch Angehörige eines Vertragsstaates hiervon der Mitteilung zu machen. Diese wird auf diplomatischem Wege dem andern beteiligten Vertragsstaate Kenntnis geben, der eine Untersuchung veranlassen, und über ihre Ergebnisse an die zu Händen des beschwerdeführenden Vertragsstaates berichten wird.

Art. 5.

Die Staaten, die sich an dem gegenwärtigen Vertrage nicht beteiligt haben, werden auf diplomatischem Wege von die Mitteilung vom geschehenen Vertragsabschluß erhalten, und diese wird es gegebenenfalls übernehmen, deren Beitritt allen übrigen Regierungen zur Kenntnis zu bringen.

Der Beitritt bringt ohne weiteres die Übernahme aller Verpflichtungen des gegenwärtigen Vertrages mit sich und wird von dem . . l. . . an wirksam, der auf die Absendung der von der an die übrigen Vertragsstaaten gerichteten Mitteilung folgt.

Art. 6.

Die Stellung der überseeischen Provinzen, Kolonien und auswärtigen Besitzungen der hohen vertragschließenden Teile zu dem gegenwärtigen Vertrage bestimmt sieh nach den in das Schlußprotokoll aufgenommenen Erklärungen.

692

Art. 7.

Der gegenwärtige Vertrag soll mit dem in Kraft treten.

Er soll von diesem Tage an fünf Jahre lang gelten, und, falls keiner der hohen vertragschließenden Teile seine Absicht, die Wirkungen des Vertrages aufhören zu lassen, der zwölf Monate vor Ablauf des genannten fünfjährigen Zeitraumes kundgegeben haben wird, noch ferner ein Jahr, und so fort, von Jahr zu Jahr in Kraft bleiben.

Art. 8.

Entstehen zwischen einzelnen der hohen vertragschliessenden Teile über die Auslegung oder die Vollziehung des gegenwärtigen Vertrages Meinungsverschiedenheiten, so werden solche durch Schiedsspruch erledigt.

Die Bestimmung des Schiedsgerichts wird im Schlußprotokolle geregelt.

Art. 9.

Die Ausführung der im gegenwärtigen Vertrage enthaltenen gegenseitigen Verpflichtungen ist, soweit nötig, durch die Erfüllung der in der Verfassung oder in der Gesetzgebung eines jeden Vertragsstaates festgesetzten Förmlichkeiten und Vorschriften bedingt.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert, und die Ratifikationsurkunden sollen bis zum bei hinterlegt werden.

Falls einer oder mehrere der Staaten innerhalb der vorgesehenen Frist die Ratifikationsurkunde nicht hinterlegt haben sollten, wird die sofort eine Entscheidung der übrigen Vertragsstaaten darüber herbeiführen, ob der Vertrag unter ihnen allein in Kraft gesetzt werden soll.

693 Beilage II zum Protokoll Nr. 3.

Grundzüge eines internationalen Übereinkommens, betreffend das Verbot der Verwendung von weissem (gelbem) Phosphor in der Zündholzindustrie.

Art. \.

Vom 1. Januar 1911 an ist die Herstellung, die Einfuhr und der Verkauf von Zündhölzern, die weißen (gelben) Phosphor enthalten, verboten.

Art. 2.

Die Urkunden über die Ratifikation sollen spätestens am 31. Dezember 1907 hinterlegt werden.

Art. 3.

Die Regierung von Japan wird eingeladen werden, bis zum 31. Dezember 1907 den Beitritt zu diesem Übereinkommen zu erklären.

Art. 4.

Das Übereinkommen tritt in Kraft, wenn die auf der Konferenz vertretenen Staaten und Japan beigetreten sind.

6.94

Protokoll Nr. 4.

Dienstag den 16. Mai 1905, vormittags lO'/a Uhr, im Ständeratssaal.

Vorsitzender : Herr Emil Frey, alt Bun°desrat, Vizepräsident der" Konferenz.

Der Herr Vorsitzende teilt mit, daß Herr Bundesrat Dr.

Deucher wegen einer zu gleicher Zeit stattfindenden Sitzung des Bundesrates verhindert sei, die heutige Konferenzsitzung zu eröffnen, und ihn daher gebeten habe, das Präsidium zu übernehmen.

Anwesend sind: Deutsches Reich.

Caspar, Ministerial-Direktor im Reichsamt dea Innern.

Roch, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Reichsamt des Innern.

Frick, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Königl. Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe.

Plehn, Kaiserl. Legationsrat im Auswärtigen Amte.

Österreich.

Dr. Richard Hasenoehrl, Sektionschef im Handelsministerium.

Dr. Viktor Mataja, Sektionschef im Handelsministerium.

Dr. Hugo Bach, Sektionsrat im Handelsministerium.

Dr. Franz Müller, Sektionsrat im Handelsministerium.

Dr. Alfred Ritter von Fries, Sektionsrat im Ministerium des Innern.

Emil Homann, Ministerialrat im k. k. Ackerbauministerium.

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Ungarn.

Josef Szterényi, Ministerialrat und Chef der Sektion für Industrie, Handel und Arbeiterschutz im Königl. Ungarischen Handelsministerium. .

Josef CsóJca, Sektionsrat, Leiter des Arbeiterschutz-Departements im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Dr. Bela von Procopius, Ministerialvizesekretär und Fachberichterstatter des Königl. Ungarischen Handelsministeriums.

îfikolaus Gerster, Gewerbeinspektor.

Belgien.

A. Simonis, Vizepräsident des Senats.

E. Pelteer, Senator.

·J. Dubois, Generaldirektor des Arbeitsamtes im Ministerium für Industrie und Arbeit.

E. Fabri, Arbeitsinspektor.

H. Dupont, Arbeitsinspektor.

Dänemark.

Gustav PMlipsen, Adjunkt des Bürgermeisters in Kopenhagen Präsident des Königl. Arbeitsrates.

H. Vedel, stellvertretender Bureau-Chef im Ministerium des Innern, Sekretär des Königl. Arbeitsrates.

Spanien.

S. B. Don José de la Rica y Calvo, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 8. M. des Königs von Spanien in der Schweiz.

Frankreich.

Richard Waddington, Senator, Präsident der höheren Kommission für Industriearbeit, Präsident der Handelskammer von Rouen.

A. Mülerand, Deputierter, ehemaliger Minister.

Ate Keufer, Generalsekretär des Typographenbundes, Vizepräsident des höheren Arbeitsrates, Präsident der permanenten Kommission des höheren Arbeitsrates.

Arthur Fontaine, Direktor für Arbeit im Ministerium für Handel und Industrie.

H. Sévène, Chef-Ingenieur, Inspektor für Staatsmanufakturen.

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Grossbritannien.

Henry Hardinge Samuel öunynghame, C. B., Hilfs - Unterstaatssekretär im Innern Amt.

Malcolm Delevingne, ,,Principal Clerk" im Innern Amt.

Italien.

Ritter Luigi Belloc, Ingenieur, Industrie-Inspektor im Königl. Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel.

Luxemburg.

Heinrich Neu/man, Staatsrat, Präsident der Vereinigung für Unfallversicherung.

Norwegen.

Lima, Fabrikinspektor des Bezirks ,,Söndenfjeldske".

Niederlande.

Doktor der Rechte L. H. W. Bègout, Mitglied der Ersten Kammer der Generalstaaten.

Doktor H. F. Kuyper, Arbeitsinspektor im 3. Inspektionskreise» Portugal.

Ernesto Madeira Finto, Generaldirektor für Handel und Industrie.

Schweden.

Pihlgren, Abteilungschef im Handelskollegium in Stockholm.

Schweiz.

Dr. Franz Kaufmann, Abteilungschef des eidg. Industriedepartements.

Emil Frey, alt Bundesrat, Präsident der Schweiz. Vereinigung zur Förderung des internationalen Arbeiterschutzes.

Josef Anton Schobinger, Regierungsrat, Präsident des Schweiz.

Nationalrates.

Heinrich Scherrer, Regierungsrat und Nationalrat, Präsident der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz.

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Jules Vautier, vom Hause Gebrüder Vautier.

John Sye, Präsident des Schweiz. Spinner-, Weber- und ZwirnerVereins.

Otto Lang, Oberrichter, Präsident des Schweiz. Arbeiterbundes.

Der V o r s i t z e n d e zeigt an, daß die Unterzeichnung der Schlußakte in einer Abendsitzung vollzogen werden könne, sofern die Verhandlungen beschleunigt würden. Die zur Durchsicht der Schlußakte eingesetzte Rektifikationskommission wird sich deshalb um 1/i6 Uhr versammeln, und um 6 Uhr kann alsdann dieUnterzeichnung der Schlußakte durch die Konferenz vorgenommen werden.

Der Vorsitzende erteilt hierauf den Herren Berichterstattern der Kommission über die Frage der Nachtarbeit der Frauen dasWort (s. Bericht der Kommission Beilage I zum Protokoll Nr. 4).

Herr Plehn, deutscher Berichterstatter : Bei den Kommissionsberatungen diente das Kreisschreiben des Bundesrates vom 30. Dezember 1904 zur Grundlage. Von deutscher Seite wurde bemerkt,, daß die Grenzen des Begriffes ,,Fabrik"1 schwer zu bestimmen' seien ; eine Arbeiterzahl von 10 soll als Geltungsgebiet der Bestimmung ,,Fabrik" die unterste Grenze bezeichnen. Dieser Vorschlag fand allgemein günstige Aufnahme, ebenso die Bestimmung,, daß die Stunden der Nachtruhe jedenfalls in die Zeit zwischen, 10 Uhr abends und 5 Uhr morgens fallen sollen. Eine Anzahl Delegierter spricht sich für eine 12-stündige Nachtruhe aus. Die belgische Delegation, die nicht über 10 Stunden hinausgehen wollte, mußte daher um neue Instruktionen telegraphieren. So gelangte man schließlich in entgegenkommender Weise zu einer Dauer der Nachtruhe von 11 Stunden. Damit war eine wichtige Verständigung zwischen allen bedeutenden Industriestaaten erzielt.

Herr Fontaine, französischer Berichterstatter, erinnert daran, daß das Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrates vom 30. Dezember 1904 der Kommission als Grundlage ihrer Arbeiten diente. Dem Prinzipe des Verbotes der Nachtarbeit der Frauen in den industriellen Unternehmungen wurde von keiner Seite widersprochen. Die erste zu verhandelnde Frage betraf die Definition des Ausdrucks ,,industrielle Unternehmungen1'. Die Kommission beschloß, diese immerhin schwierige Abgrenzung der Gesetzgebung den einzelnen Staaten zu überlassen, die die Abstufungen zwischen Industrie, Landwirtschaft und Handel festzusetzen haben würden.

698 Die Kommission hat sich auf eine sehr allgemein gehaltene Définition beschränkt, im übrigen hält, sie dafür, daß beispielsweise die Fabrikation des Zuckers eine industrielle Unternehmung sei, während sie annimmt, die Vereinbarung werde auf die Hotelindustrie keine Anwendung finden. Was die Minimalzahl von Arbeitern und Arbeiterinnen betrifft, die für die Unterstellung ·eines Betriebes maßgebend sein soll, hat die Kommission, um zu ·einem Übereinkommen zu gelangen, dieselbe auf 10 festgesetzt.

Die Hausindustrien sind unter allen Umständen von der Anwendung des Übereinkommens auszunehmen.

Die zweite von der Kommission zu untersuchende Frage war diejenige der Dauer der Nachtruhe. Die Kommission hat, unter ·der grundsätzlichen Annahme, daß die Zeit zwischen 10 Uhr abends und 5 Uhr morgens notwendigerweise und immer in der Nachtruhe inbegriffen sein solle, die ununterbrochene Zeitdauer ·derselben auf 11 Stunden festgesetzt.

Die Delegationen hatten in ihrer Mehrheit eine ununterbrochene Nachtruhe von 12 Stunden vorgeschlagen; vom Wunsche beseelt, eine allgemeine Verständigung herbeizuführen, schlössen ·sie sich aber dem Vorschlage einer elfstündigen Nachtruhe an, die dann auch von der belgischen Delegation nach eingehender Diskussion und auf die von der belgischen Regierung eingelangte Zustimmung hin angenommen wurde. Eine Frist von 3 Jahren, während welcher die Dauer der Nachtruhe nur 10 Stunden betragen wird, soll jedoch für das Inkrafttreten der Reform den Ländern eingeräumt werden, in denen die Nachtarbeit der Frauen ·zur Zeit noch nicht gesetzlich geregelt ist. Die zu gewährenden Ausnahms-Bewilligungen bei Unglücksfällen sind im Schöße der Kommission keinen Einwänden begegnet. Es wurde auch gestattet, daß Industrien, die mit leicht und rasch verderblichem Rohmaterial arbeiten, die Frauen zu Nachtarbeit beiziehen dürfen, so oft als es sich darum handelt, die Produkte vor unvermeidlicher Zerstörung zu retten. In den Saisonindustrien und in zwingenden Ausnahmefällen auch in allen andern Industrien ·darf die Nachtruhe um eine Stunde verkürzt werden, jedoch im Maximum nur 60 mal im Jahre; sie wäre somit zehnstündig, immerhin die Zeitdauer von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens mit inbegriffen. Wenn die Kommission in bezug auf die endgültigen Anwendungsfristen des Übereinkommens sieh weitherzig gezeigt
hat, so geschah es, weil sie glaubte, dem Umstand Rechnung tragen zu müssen, daß mancherorts Änderungen in den Einrichtungen nötig sein werden, da in gewissen Gegenden besondere

699 Gebräuche bestehen. Sie hat volles Vertrauen, daß trotz dieser Verzögerung die Zeichnung des Übereinkommens einen großen Fortsehritt bedeutet und daß diese erste Urkunde internationaler Regelung das Pfand neuer Verbesserungen im Lose der Arbeiter sein wird.

Der Delegierte Spaniens hat infolge der von ihm in der zweiten Sitzung der Konferenz abgegebenen Erklärungen an den Arbeiten der Kommission nicht teilgenommen.

Herr Pihlgren sagt : ,,Schon in der Plenarsitzung vom 9. Mai hatte ich Gelegenheit, mich dahin auszusprechen, daß meiner persönlichen Ansicht nach Schweden sich den im schweizerischen Entwurf enthaltenen Prinzipien anschließen könnte, aber daß ich nur mit genügenden Vollmachten ausgestattet sei, um einen Vertrag einzig ,,ad referendum" zu unterzeichnen. Nachdem ich gestern die Meinung erhielt, daß mehrere der hier anwesenden Herren Delegierten glauben, die Nichtabgabe einer Unterschrift habe mehr Wert, als eine unter solchem Vorbehalt erfolgende Unterzeichnung, sehe ich mich zu meinem großen Bedauern veranlaßt, mich sowohl der Stimmabgabe, wie der Unterzeichnung des Übereinkommens zu enthalten, immerhin in der Hoffnung, daß die durch die Konferenz vertretenen Ideen -- vielleicht selbst in der vorgesehenen Frist -- in Schweden angenommen werden."

Herr öunynghame teilt folgendes mit: ,,Wir haben gegenwärtig in England eine obligatorische Nachtruhe von 12 Stunden, eine obligatorische Tagesruhe von l1/« Stunden und den freien Samstag Nachmittag. Dieses Gesetz bezieht sich auf alle Fabriken, seien sie groß oder klein und ohne Begrenzung der Arbeiterzahl.

Diese Stunden erleiden Ausnahmen ähnlieh denen, die im Entwurf vorgeschlagen sind.

Dieses Gesetz besteht seit 30 Jahren in England.

Die britische Delegation besitzt keine Vollmachten, die es ihr gestatten würden, Großbritannien in der Frage zu verpflichten ; dies ist übrigens auch nicht nötig, da die bestehenden englischen Gesetze allen Arbeiterinnen eine Ruhezeit von mehr als elf Stunden zusichern. Infolgedessen nehmen wir uns vor, uns der Stimmabgabe bezüglich dieses Vorschlages zu enthalten ; gestützt jedoch auf die Ergebnisse einer in England gemachten langjährigen Erfahrung, stehen wir nicht an, zu erklären, daß diese Ruhezeit nicht allein der Industrie nicht schadet, sondern ihr vielmehr

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günstig ist, da, was die Arbeit an Zeitdauer einbüßt, sie durch Güte und Stärke gewinnt.

Zudem ist nicht zu bezweifeln, daß diese Reform auf Gesundheit und Sitte wohltätig einwirken und den Wohlstand der arbeitenden Klassen aller Länder heben wird."

Herr Philipsen spricht sich folgendermaßen aus: ,,Die dänische Delegation nimmt Bezug auf die Erklärungen, die sie in der zweiten Sitzung hinsichtlich der Schwierigkeiten abgegeben, die aus der gesetzgeberischen Lage ihres Landes entspringen, Schwierigkeiten, die sie im Schöße der Kommission des Nähern auseinandergesetzt hat.

Nichtsdestoweniger und weil die Delegation die volle Wichtigkeit zu schätzen weiß, die in der Erreichung eines internationalen Übereinkommens betreffend die Frage der Nachtarbeit der Frauen liegt, glauben die Mitglieder der Delegation die Schlußakte unterzeichnen zu können. Doch muß gesagt werden, daß, da wir ohne Vollmacht sind, unsere Regierung zu verpflichten, wir uns nur persönlich und unter eigener Verantwortung den Kollegen anschließen, zudem noch unter speziellem Vorbehalt der Ausführungsfristen. " Herr Eegout: ,,Ich habe in der letzten Plenarsitzung der Konferenz, unter Darlegung der Stellung Hollands in der uns beschäftigenden Frage, durchblicken lassen, daß die von meiner Regierung erteilten Instruktionen mir nicht erlauben würden, den Vorschlägen des schweizerischen Bundesrates bezüglich der Nacht* arbeit der Frauen beizupflichten.

Ich habe bereits auseinandergesetzt, daß, da die niederländische Regierung die Nachtarbeit der Frauen durch Regelung der Tagarbeit gesetzlich untersagt und die Dauer dieser Arbeit streng begrenzt hat, sie sich dagegen große Freiheit bezüglich der Intervalle zwischen Beginn und Schluß der Arbeit vorbehielt.

Die Regierung reservierte sich namentlich eine größere Freiheit, als diejenige, welche in einer Gesetzgebung, die sich darauf beschränkt, einzig die Zeitdauer der Nachtruhe vorzuschreiben, zugestanden werden könnte, weil eben nach dem die Nachtruhe bestimmenden System die vorgeschriebene Zeitdauer notwendigerweise die Zahl der zur eigentlichen Nachtruhe erforderlichen Stunden übertreffen muß. Dies geschah, um indirekt einer ungesetzlichen Vermehrung der Dauer der Tagesarbeit, vorzubeugen.

701 Ich bin glücklich, daß in einer der Sitzungen der Kommission Herr Millerand in ebenso klarer als beredter Weise diese von mir begründete These verteidigt hat, als der Vorschlag einer Delegation, dahin gehend, in Ausnahmefallen die Nachtruhe auf 8 Stunden zu reduzieren, von ihm gerade aus dem Grunde bekämpft wurde, weil diese Einschränkung der Nachtruhe den Mißbrauch einer verlängerten Tagesarbeit nach sich ziehen könnte und es deshalb nicht gerechtfertigt wäre, selbst nur ausnahmsweise sie irgend einer Industrie zu bewilligen.

Die niederländische Delegation, Herr Präsident, hat, wie ich bereits die Ehre hatte, es in einer der letzten Kommissionssitzungen zu melden, vor einigen Tagen schon von ihrer Regierung neue Instruktionen erhalten.

Nachdem ich mit lebhaftem Interesse die so interessanten Verhandlungen der Kommission verfolgt, und nachdem ich Zeuge der außerordentlichen Anstrengung der Mehrzahl der Delegierten geworden bin, durch gegenseitige Konzessionen eine allgemeine Verständigung zu erlangen, und da ich im übrigen persönlich, wie auch ebenfalls als Industrieller überzeugt bin, daß die Vorschläge sehr annehmbar sind, habe ich im Einverständnis mit meinem Mitdelegierten bei unserer Regierung darauf gedrungen, daß sie, obschon unsere Gesetzgebung den Frauen eine genügende Nachtruhe garantiert, doch den Vorschlägen der Kommission zustimme.

Das Resultat unserer Bemühungen war ein sehr günstiges, da unsere Regierung, indem sie zwar einerseits an ihrer Überzeugung festhält, daß das Prinzip des Verbotes der Nachtarbeit durch Regulierung der Tagesarbeit viel rationeller sei als dasjenige einer Reglementierung, die sich darauf beschränkt, die Zeitdauer der Nachtruhe zu bestimmen, anderseits beweisen möchte, wie sehr sie vom "Wunsche beseelt ist, durch Mitarbeit an einem allgemeinen Einverständnis zum Gelingen dieser Konferenz das ihrige beizutragen, ihre Delegierten ermächtigt hat, dem dieser Versammlung gemachten Vorschlage voll und ganz zuzustimmen.a Herr Mitterand freut sich über die Erklärungen, die soeben von der dänischen und der holländischen Delegation abgegeben worden sind ; sie bezeugen, daß die Konferenz ihren Zweck erreicht hat, da nunmehr nebst der belgischen Delegation auch die zwei Letzterwähnten ihrerseits den Anschluß an die von der

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Kommission gemachten Vorschläge erklären. Herr Millerand hofft, daß England diesem Beispiel folgen werde, denn die Beweisführung, wegen Vorzüglichkeit der nationalen Gesetzgebung einer internationalen Verständigung fern zu bleiben, scheint ihm nicht zutreffend zu sein. Es sollte dies im Gegenteil ein Grund mehr für England sein, das angefangene Werk zu vervollständigen und danach zu trachten, weniger vorgeschrittene Länder nach sich zu ziehen. Herr Millerand gibt der Überzeugung Ausdruck, daß es England daran gelegen sein werde, den Resolutionen, welche von der Konferenz werden angenommen werden, durch seine Zustimmung noch mehr Kraft zu verleihen.

Herr Simonis spricht sich folgendermaßen aus : ,,Herr Präsident!

Meine Herren!

Die belgische Delegation hat anfänglich gezögert, den vom Bureau der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz angezeigten Weg bezüglich der wichtigeren Fragen, die uns gegenwärtig beschäftigen, zu betreten ; aber angesichts der verversöhnlichen Gefühle, die in ebenso liebenswürdiger als überzeugender Weise bei Beginn der Konferenz -- namentlich durch die Herren Millerand und Caspar -- Ausdruck gefunden, haben wir nicht vermocht, in absoluter Weise auf unsern zwei Hauptwünschen, der zehnstündigen Nachtruhe und dem vollständigen Ausschlüsse der belgischen Wollindustrie bezüglich der Nachtarbeit der Frauen, zu beharren. Nachdem die Delegation Belgiens ihrer Regierung Bericht erstattet, hat sie es für ihre Pflicht erachtet, sich mit den vermittelnden Vorschlägen, die in der Kommission ausgearbeitet worden sind und die hoffentlich in der heutigen Plenarsitzung angenommen werden, einverstanden zu erklären.

In einer Kommissionssitzung war man schon so freundlich gesinnt, die belgische Delegation wegen der Einschränkung ihres ursprünglichen Programmes zu beglückwünschen, ich bezweifle auch nicht, von Ihnen jetzt die Anerkennung zu erhalten, daß wir unser Möglichstes getan haben, um auf Ihre Ansichten einzugehen und Ihren Erwartungen zu entsprechen.

Ich bin glücklich, der Wortführer der belgischen Delegation zu sein, um Ihnen, meine Herren, unsern lebhaften und aufrichtigen Dank für die Sympathie auszusprechen, welche die Kommission unserm Lande gezollt, indem sie anerkannte, daß Gründe

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dazu vorhanden waren, in gewisser Beziehung seinen Forderungen, gerecht zu werden.

Was speziell die Verarbeitung der Wolle betrifft, könne» Sie überzeugt sein, daß die Industriellen von Verviers gegea ihren Willen und nur durch die gegenwärtigen Verhältnisse gezwungen und gedrängt sind, momentan um eine Sonderbehandlung zu ersuchen. Wir können Ihnen aber auch die Versicherung geben, daß sie nicht zögern .werden, die ihnen zur Ausführungder Konferenzbeschlüsse gesetzte Frist abzukürzen, wenn neue und bessere wirtschaftliche Bedingungen oder maschinelle Vervollkommnungen ihnen dies möglich machen ; denn die Industriellen von Verviers sind in ihrem Lande stets an der Spitze des Fortschrittes gestanden, sowohl vom sozialen, als vom technischen Standpunkte aus.

Meine Herren, einstimmig werden wir uns darüber freuen,, daß durch gegenseitiges Entgegenkommen und infolge ebenso interessanter als in verbindlichen Formen gehaltener Debatten diese internationale Konferenz einen höchst wichtigen sozialen: Fortschritt zeitigen wird.

Es ist eine Ehre für die Stadt Bern, diese Konferenz inihren Mauern beherbergt, es ist aber auch eine Ehre für dieinternationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeitersehutz, sie veranlaßt zu haben.a Der dänische Delegierte, Herr Lund, ist beauftragt, zu erklären , daß er zwar den Beschlüssen zustimmen, jedoch die Schlußakte nur unter Vorbehalt ,,ad referendum"1 unterzeichnen könne.

Hierauf wird in die artikelweise Beratung der nachfolgenden Grundzüge eingetreten : Grundzüge eines internationalen Uebereinkommens betreffend das "Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen.

Art. 1.

Die industrielle Nachtarbeit der Frauen soll ohne Unterschied, des Alters, unter Vorbehalt der folgenden Ausnahmen, verboten sein.

Das Übereinkommen erstreckt sich auf alle industriellen Unternehmungen, in denen mehr als zehn Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind. Es findet keine Anwendung auf Anlagen,, in denen nur Familienglieder tätig sind.

704

Jeder der vertragschließenden Teile hat den Begriff der industriellen Unternehmungen festzustellen. Unter allen Umständen sind aber hierzu zu rechnen die Bergwerke und Steinbrüche, .sowie die Bearbeitung und die Verarbeitung von Gegenständen ; dabei sind die Grenzen zwischen Industrie einerseits, Handel und Landwirtschaft anderseits durch die Gesetzgebung jedes Staates zu bestimmen.

Art. 2.

Die im vorhergehenden Artikel vorgesehene Nachtruhe hat eine Dauer von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden.

In diesen elf Stunden soll in allen Staaten der Zeitraum von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens einbegriffen sein.

In denjenigen Staaten jedoch, in denen die Nachtarbeit der erwachsenen industriellen Arbeiterinnen gegenwärtig nicht geregelt ist, darf die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe während einer Übergangsfrist von höchstens drei Jahren auf 10 Stunden beschränkt werden.

Art. 3.

Das Verbot der Nachtarbeit kann außer Kraft treten : 1. im Falle einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist ; 2. für die Verarbeitung leicht verderblicher Gegenstände .zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an Rohmaterial.

Art. 4.

In den dem Einflüsse der Jahreszeit unterworfenen Industrien (Saisonindustrien), sowie unter außergewöhnlichen Verhältnissen in allen Betrieben, kann die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe an 60 Tagen im Jahre bis auf 10 Stunden beschränkt werden.

Art. 5.

Die Urkunden über die Ratifikation des Übereinkommens sollen spätestens am 31. Dezember 1907 hinterlegt werden.

Für das Inkrafttreten des Übereinkommens wird eine Frist von drei Jahren bestimmt, die von der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden an zu rechnen ist.

705 Diese Frist soll zehn Jahre betragen : 1. für die Fabriken, die Rohzucker aus Rüben herstellen, 2. für die Wollkämmerei und die Schafwollspinnerei, 3. für die Arbeiten über Tage in Bergwerken, sofern diese Arbeiten für die Dauer von mindestens vier Monaten im Jahre infolge von klimatischen Verhältnissen eingestellt werden müssen.

Titel sowohl als sämtliche Artikel werden mit geringen redaktionellen Abänderungen (insbesondere wird im französischen Text von Art. 4 auf Wunsch des Herrn Belloc 60 jours par an, statt 60 fois par an gesetzt) einstimmig angenommen (s. Beilage II zum Protokoll Nr. 4).

Herr Hasencehrl beantragt, unter Zustimmung der Konferenz, folgende Abänderung von Art. 5, Ziffer 2 : statt ,,Wollkämmerei und die Schaftvollspinnerei", ,,Schafwollkämmerei und -Spinnerei".

Bei der Abstimmung werden die G r u n d z ü g e von dreizehn Delegationen angenommen, und zwar : Deutsches Reich, Österreich, Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Norwegen, die Niederlande, Portugal und die Schweiz.

Zwei Delegationen, Großbritannien und Schweden, enthalten sich.

Herr Keufer hält folgende Ansprache : .,,Vor Schluß der Konferenz möchte ich noch einige Worte an dieselbe richten : die Delegierten werden mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ich im Verlauf dieser interessanten Unterhandlungen mit Reden keinen Mißbrauch getrieben habe.

Wie die andern Mitglieder der Konferenz habe auch ich die Pflicht, meine Meinung über die getane Arbeit und die erlangten Resultate zu äußern.

Obschon ich mich mit den Delegierten, die gesprochen haben, nicht immer in völliger Übereinstimmung befand, hielt ich es für meine Pflicht, nicht unnütze Widersprüche hervorzurufen; zudem war es wichtig, daß jede Nationalität, jede Delegation möglichst geschlossen auftrete.

Bevor die Konferenz zu Ende geht, möchte ich jedoch erklären, daß die erlangten Resultale, die Resolutionen, für die wir gestimmt, so bescheiden sie auch sind, doch eine große Tragweite haben werden, denn sie werden den Ausgangspunkt einer tatsächlichen sozialen Bewegung, einer positiven offiziellen Vermittlung bilden. Was uns zu dieser Hofinung berechtigt, ist die ßundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

48

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beinahe gänzliche. Einstimmigkeit, mit der die Delegierten sich in Prinzipienfragen ausgesprochen haben.

Was ich am meisten bedaure, ist die Bestimmung, welche die Werkstätten, die nur 10 Arbeiter oder Arbeiterinnen beschäftigen, als zur Kleinindustrie gehörend betrachtet, und so gleichsam als außerhalb des Gesetzes stehend erklärt.

Ich weiß, daß die Staaten frei sein werden, diese Zahl herabzusetzen; darum will ich hoffen, daß sie erkennen werden, welchen Mißbräuchen man ruft, wenn man die Zahl von zehn Arbeitern aufrecht erhält. Sie werden, gerne will ich es annehmen, es sich angelegen sein lassen, sich unter diese äußerste Grenze zu stellen. Darum erachte ich es als nutzlich, wenn ein neuer internationaler Vertrag in Zukunft die Zahl der Werkstätten beschränkt, in denen die Frau Nachts arbeiten kann.

Die Fristen für das Inkrafttreten sind verhältnismäßig weitgesteckte; wenn man aber den industriellen Anforderungen, den nötigen Abänderungen und Verbesserungen in den Einrichtungen und der Angewöhnung an neue Gebräuche Rechnung trägt, so ist es angezeigt, diese Fristen zu billigen ; die Wichtigkeit einer internationalen Intervention rechtfertigt vollauf diese Stellungnahme.

Ich bitte jedoch die Herren Delegierten, ihre ganze Autorität, ihren vollen Einfluß aufzubieten, um die in diesen Tagen angenommenen Beschlüsse durch die betreffenden Regierungen gutheißen zu lassen.

Es ist dies eine Grundbedingung, um die Haltung und die Nützlichkeit dieser Konferenz darzutun. Wie mit jeder Gesetzgebung, so wird es auch mit diesen Verhandlungen sein : Sollten die Staaten sich weigern, die in den Entwürfen unserer Vereinigung niedergelegten Vorschriften zu verwirklichen, so würde die allgemeine Unzufriedenheit noch größer, und die Gegner jeglicher staatlicher Einrichtung hätten neue Argumente zur Verteidigung ihrer Ansichten. Es ist unnütz, weiter auf die Folgen, die daraus entstehen würden, hinzuweisen.

Eine letzte Erwägung verdient, Ihnen unterbreitet zu werden. Trotz -der Erklärung des englischen Delegierten, deidie entsetzlichen Wirkungen der Phosphorvergiftung zu verneinen schien, haben Sie mit mir die volle Überzeugung, daß das Zerstörungswerk des weißen Phosphors allen Staaten die Pflicht auferlegt, den Gebrauch desselben schnellstens zu verbieten.

Ich komme nicht auf die Folgen der Nachtarbeit der Frauen zurück. Wenn wir vom sozialen Standpunkt, sowie von dem

707

einer physischen Wiedergeburt der Rasse aus darin einig sind, die Dringlichkeit des Verbotes der Nachtarbeit anzuerkennen, so muß ich noch auf einen andern nicht weniger wichtigen Grund dafür hinweisen : es ist dies die Notwendigkeit für den Arbeiter, sich, mehr noch als die Reichen, gute Gesundheit, gute Bildung zu erhalten und anzueignen. Das ist das wichtigste Kapital, das derjenige besitzen soll, dessen nächste Zukunft so unsicher, dessen Existenz so mühselig ist, denn fehlt ihm die Gesundheit, so ist das eine neue Ursache für Elend und Entbehrungen ; er wird zuerst für seine Familie, dann für die Gesellschaft eine schwere Last.

Dies, meine Herren, sind Betrachtungen aus dem Gebiete strengster Wirklichkeit, und niemand wird sagen dürfen, daß es leere Deklamationen sind. Aus diesem Grunde betone ich des bestimmtesten, daß es Pflicht der Regierungen, der Gesetzgeber ist, ernstlich und aufrichtig daran zu arbeiten, diese sozialen Reformen zu verwirklichen und darin das Beispiel der schweizerischen Eidgenossenschaft nachzuahmen, der ich hiermit meine zwar nur bescheidene, aber herzliche Sympathie ausspreche. Die Schweizerregierung, diejenige Frankreichs und einige andere haben begriffen, daß, um physisch und moralisch widerstandsfähige Generationen heranzuziehen, vor allem die Gesundheit der Frau geschützt und sie der Überarbeitung entzogen werden muß, der sie durch die Nachtarbeit ausgesetzt ist.1' ·> Die Kommission empfiehlt nunmehr noch nachfolgende Anregung in Form eines ,,Wunsches"' zur Annahme : Wunsch.

,,Es ist wünschenswert, in den Vertragsstaaten besondere behördliche Organe zur Überwachung des Verbotes der Nachtarbeit der- Frauen au schaffen, oder da, wo solche schon vorhanden sind, sie so auszugestalten, daß sie für die genaue Einhaltung dieser Bestimmung volle Gewähr bieten. Es ist ferner wünschenswert, daß die Staaten unter sich ihre jährlichen Berichte austauschen.a Der Vorsitzende bestimmt, daß in der französischen Vorlage die Worte ,, Projet de a zu streichen seien.

Der Herr Vizepräsident erklärt nach Annahme dieses ,,Wunsches" die Konferenzsitzung für geschlossen.

Schluß 12 Uhr mittags.

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Gemäß dem in der Plenarsitzung vom 15. Mai gefaßten Beschlüsse fand Dienstag den 16. Mai, abends 6 Uhr, die Unterzeichnung der Schlußakte (s. Beilage zum Protokoll Nr. 5) durch die Herren Delegierten der Konferenz statt.

Die Sekretäre :

Prof. Dr. Stephan Bauer.

Dr. 0. Rieser.

Paul Dinichert.

Der Präsident :

Dr. A. Deucher, Bundesrat.

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Beilage l zum Protokoll Nr. 4.

Bericht der Kommission über

die Frage der Nachtarbeit der Frauen.

Nachdem die Kommission zu ihrem Vorsitzenden Herrn Senator Waddington, Delegierten von Frankreich, und zu Berichterstattern die Herren Plehn, Legationsrat im Auswärtigen Amte, und Fontaine, Directeur du Travail au Ministère du Commerce et de l'Industrie (Delegierte des Deutschen Reichs und von Frankreich) gewählt hatte, sprach der Herr Vertreter der schweizerischen Delegation seine Befriedigung darüber aus, daß läge 1. der der Konferenz unterbreitete, in der Anlage beigefügte Vorschlag der schweizerischen Delegation bei der Beratung im Plenum im großen und ganzen Anklang gefunden habe. Der Vorschlag bleibe selbstverständlich, wenn er auch vom Bundesrate gebilligt sei, ein unmaßgeblicher, vorläufiger Entwurf, der der Verbesserung fähig sei. Wie bereits in dem vorgelegten Rundschreiben des Bundesrats vom 30. Dezember 1904 erklärt worden sei, müßten spätere diplomatische Verhandlungen unter den beteiligten Regierungen über seine Verwirklichung entscheiden.

Auch die schweizerische Delegation müsse sich auftragsgemäß die Entscheidung der Bundesbehörden über die Koni'erenzbeschlüsse vorbehalten.

Es wurde sodann darüber beraten, ob den Verhandlungen, dem Antrage der schweizerischen Delegation entsprechend, der neuerdings vorgelegte schweizerische Entwurf oder das Rundschreiben des Bundesrats vom 30. Dezember 1904 zu a.) bis f.)

zu Grunde zu legen sei. Auf Vorschlag des Herrn Präsidenten einigte sich die Kommission darüber, daß zunächst über das in

710

Betracht kommende Prinzip, sodann über die Art und Weise seiner Durchführung beraten werden solle, und zwar an der Hand des erwähnten Rundschreibens.

Zu a. ,,Unter dem Ausdrucke ,,Frauen" sind alle Arbeiterinnen ohne Altersunterschied zu verstehen", wurde das Wort nicht verlangt.

ö. ,,Das Verbot der Nachtarbeit soll darin bestehen, dass sämtlichen in irgend einem gewerblichen Betrieb, also ausserhalb ihres Haushalts beschäftigten Arbeiterinnen eine ununterbrochene zwölfstündige Arbeitsruhe von abends bis morgens gesichert sein soll."

Auf Vorschlag des Herrn Präsidenten wurde beschlossen, die hierin enthaltenen verschiedenen Fragen in nachstehender Reihenfolge zur Beratung zu ^stellen : 1. Abgrenzung des Begriffs der gewerblichen Betriebe.

2. Einführung einer ihrer Dauer nach zu bestimmenden Nachtruhe.

zu b.) i.

Seitens der deutschen Delegation wurde darauf hingewiesen, man könne nicht alle gewerblichen Betriebe mit gleichem Maße messen ; im Vordergrunde des Interesses ständen die Großbetriebe.

Was nun die Frage der Aufstellung gewisser begrifflicher Merkmale betreffe, so seien die Versuche, den Begriff der Fabrik im Gegensatze zu andern gewerblichen Tätigkeiten zu bestimmen, bisher durchweg fehlgeschlagen. Es empfehle sich daher, eine weniger flüssige Grenze aufzustellen. Es könne in dieser Beziehung in Frage kommen, die Zahl der in den einzelnen Betrieben beschäftigten Personen oder auch die etwaige Verwendung von Motoren entscheidend sein zu lassen. Letzteres sei jedoch bedenklich, insbesondere weil davon unter Umständen Kleinbetriebe (z. B. wenn einzelne Nähmaschinen elektrisch betrieben -werden) betroffen werden könnten. Deutscherseits wurde vorgeschlagen, die angestrebte Regelung grundsätzlich für Betriebe, in denen mindestens 10 Personen beschäftigt werden, eintreten zu lassen.

Die Kommission war sich einig darüber, daß die Regelung der Nachtruhe keinesfalls auf die Tätigkeit in der Familie (Heim-

711

arbeit, ateliers do famille) erstreckt werden dürfe. Dagegen gingen die Meinungen darüber auseinander, ob das Verbot der Nachtarbeit nicht auch auf kleinere gewerbliche Betriebe auszudehnen wäre. Hierfür sprach sich insbesondere die französische Delegation aus, mit dem Bemerken, es sei in Frankreich sehr wohl eine entsprechende Kontrolle solcher kleinerer Betriebe möglich. Nachdem von anderer Seite die praktische Ausführbarkeit einer solchen Überwachung in ernste Zweifel gezogen worden war, fand eine vorläufige Abstimmung darüber statt.

Die Herren Delegierten von Österreich und von Ungarn schlugen vor, als Norm die Zahl von 20 Personen anzunehmen.

Der Herr Delegierte von Luxemburg sprach sich, ebenso wie die deutsche Delegation, für die Zahl 10 aus. Die Herren Delegierten von Italien und Portugal stimmten für die Zahl von 5 Personen; diejenigen der Niederlande und von Schweden sprachen sich für dieselbe Ziffer aus mit dem Hinzufügen, daß die Gesetzgebung ihrer Länder auch gewisse Anlagen von weniger als 5 Personen berücksichtigen, sofern in ihnen Motoren zur Verwendung kommen.

Die Herren Delegierten von Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz hielten es für möglich, sich auf die Ausnahme der Heimarbeit zu beschränken. Der Herr Delegierte von Norwegen behielt sich die Abgabe seiner Stimme vor.

Demnächst eignete man sich auf Anregung der ungarischen Delegation nach längerer Debatte auf Grund erneuter Abstimmimg dahin, daß das Verbot der Nachtarbeit nur auf Betriebe mit mindestens 10 Arbeitern und Arbeiterinnen zu erstrecken sei.

Der Herr Delegierte von Spanien war in den Sitzungen der Kommission nicht anwesend.

Zu b.) 2.

wurde die Frage der D a u e r der e i n z u f ü h r e n d e n N a c h t r u h e eingehend behandelt.

Im Verlaufe der Besprechungen wurde von belgischer Seite auf die praktische Unmöglichkeit hingewiesen, die Nachtruhestunden absolut festzusetzen, etwa in der Weise, daß von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens die Frauenarbeit verboten sein solle. Es müsse als genügend erachtet werden, wenn nur ein Teil der Stunden absolut bestimmt werde, etwa so, daß die Arbeit zwischen gewissen Nachtstunden verboten werde, es dem Arbeitgeber aber

712 überlassen bleibe, den verbleibenden Teil der noch zu vereinbarenden Stundenzahl nach Belieben (vor- oder nachher) festzusetzen.

Die französische Delegation schloß sich diesem Vorschlag an, unter Hinweis darauf, es handle sich vor allem darum, durch absolute Festlegung gewisser Stunden zu verhindern, daß das angestrebte Ziel einer ununterbrochenen Nachtruhe etwa durch Verwendung von Frauen bei Tages- und Nachtschichten illusorisch gemacht werde.

Nachdem der Herr Präsident die Übereinstimmung, der Anwesenden hinsichtlich dieses Grundsatzes festgestellt hatte, wurdevon deutscher Seite der Vorschlag gemacht, die Zeit zwischen 10 Uhr abends und 5 Uhr morgens als absolute Ruhezeit festzusetzen. Die förmliche Abstimmung ergab, daß sämtliche anwesende Delegationen, bis auf die Schweiz, mit dieser Regelung einverstanden waren. Von der schweizerischen Delegation wurde für eine absolute Nachtruhe von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens gestimmt. Den Wünschen der schweizerischen Delegation, die von ihr vorgeschlagene größere Zahl von Stunden absolut festzulegen, wurde von anderer Seite entgegenhalten, es bleibe ja den einzelnen Regierungen unbenommen, ihrerseits eine strengereNachtruhe in diesem Sinne einzuführen.

Die Delegationen von Schweden und Spanien waren bei der Abstimmung nicht vertreten.

Über die Frage der Dauer der Nachtruhe waren die Ansichten anfangs geteilt. Eine vorläufige Abstimmung ergab, daß 7 Delegationen (Deutschland, Österreich, Ungarn, Dänemark^ Frankreich, Luxemburg und die Schweiz) für eine zwölfstündige Nachtruhe eintraten; für eine elfstündige stimmte die Delegation von Italien, für eine solche von 10 Stunden die von Belgien, Norwegen und Schweden, 3 Delegationen (Großbritannien, Niederlande und Portugal) enthielten sich der Abstimmung.

Später wurde von ungarischer Seite im Interesse einer allgemeinen Verständigung ein Kompromißantrag auf Festsetzung einer elfstündigen Nachtruhe gestellt. Die Abstimmung ergab, daß 12 Delegationen hiermit einverstanden waren. Die Herren Delegierten von Belgien erklärten, sie könnten einer mehr als zehnstündigen Nachtruhe nicht zustimmen. Die niederländische Delegation enthielt sich der Abstimmung, indem sie wegen der hierfür maßgebenden Gesichtspunkte auf die von ihr in der Plenarsitzung von 9. Mai abgegebenen grundsätzlichen Erklärungen Bezug nahm.

713

c.) ,,Von dem Verbote können Ausnahmen für Fälle drohender oder bereits eingetretener Betriebsgefahr vorgesehen werden".

Von deutscher Seite wurde vorgeschlagen, die weitergehende Fassung des französischen Textes zu Grunde zu legen.

Hiergegen wurde kein Widerspruch erhoben.

d.) ,,Die Arbeiterinnen, welche Rohmaterialien zu verarbeiten haben, die einem raschen Verderben ausgesetzt sind, zum Beispiel jene der Fischerei und gewisser Arten der Obstverarbeitung, können die Erlaubnis zur Nachtarbeit in.

jedem Falle erhalten, in welchem dies notwendig ist, um den sonst unvermeidlichen Verlust der Rohprodukte hintanzuhalten".

Bei der Erörterung hierüber wurde belgischerseits angeregt,, die darin aufgeführten Beispiele (Verarbeitung von Fischen und Früchten) im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit solcher in einzelnen Ländern in Betracht kommenden Produktionszweige zu streichen.

Die ungarische Delegation sprach sich gegen die Aufnahme von Beispielen aus und empfahl, die nähere Bestimmung hierüber der Gesetzgebung der einzelnen Staaten zu überlassen; sie machte dabei darauf aufmerksam, daß die Verschiedenartigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Staaten die verschiedensten Ausnahmen zu begründen vermöchte.

Unter Umständen würden zum Beispiel die gleichen Gesichtspunkte bei der Verwertung von Zuckerrüben in Betracht kommen können. Hieran schlössen sich Erörterungen an. Die Delegationen von Österreich und Ungarn wiesen auf die technische Notwendigkeit hin, die Verarbeitung der Zuckerrüben mit Hülfe der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte in einigen Wochen zu beendigen. Hierauf wurde von französischer Seite erwidert, daß di& Verarbeitung der Zuckerrüben nur unter besondern Verhältnissen, unter die Ausnahme zu d.) fallen könne. Es handle sich hier im allgemeinen um die besondere Organisation der Arbeit und nicht um die natürliche Beschaffenheit der Frucht, so daß die Ausnahme vielleicht unter die Bestimmung zu f.) fallen würde.

Im Verlaufe der Erörterung darüber, ob auf die Verarbeitung der Zuckerrüben derartige Ausnahmen zuträfen und ob die Frage gegebenen Falls zu d.) oder zu f.) zu erörtern sei, wurde von österreichischer und ungarischer Seite betont, es sei schließlich

'714 von keiner erheblichen Bedeutung, ob die Ausnahmen bei d.)

oder f.) behandelt würden; sowohl Österreich wie Ungarn müßten den größten Wert darauf legen, daß die Zuckerindustrie ihrer Länder von dieser Ausnahme betroffen werde.

e.) ,,Diejenigen Betriebe, bei denen ZM gewissen Jahreszeiten ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, werden durch die Übergangsbestimmung, welche die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe auf IO Stunden festsetzt, Zeit für die Überstunden finden, deren sie beim gegenwärtigen Stande ihrer Organisation bedürfen".

Während der nunmehr eingeleiteten Erörterung über die Bestimmung zu e.) des Rundschreibens schlug der Herr Präsident vor, die einzelnen Delegationen möchten formell Stellung nehmen .zu nachstehenden drei Punkten : 1. Feststellung der in Betracht kommenden Betriebe.

2. Zahl der Überstunden.

3. Zahl der Tage im Jahre, für die Überstunden bewilligt werden können.

Von deutscher Seite wurde darauf erklärt: ZM l. Es würde sich empfehlen, etwaige Überstunden bei a 11 e n G e w e r b s z w e i g e n o h n e A u s n a h m e zuzulassen. Insbesondere müßten außer den Saisonbetrieben die sogenannten Campagneindustrien in Betracht gezogen werden, bei denen sich der Betrieb auf einige Wochen oder Monate im Jahre beschränke.

Ferner sei die Fassung so zu wählen, daß sich die Ausnahmen ·sowohl auf einzelne Betriebe, als auf ganze Industriezweige bezögen.

Zu 2. Die Dauer der Überstunden sei so zu bemessen, daß sich mindestens eine ununterbrochene Nachtruhe von 10 Stunden ergebe.

ZM 3. Die Überstunden seien auf 60 Tage im Jahre zu beschränken.

Die Herren Delegierten von Österreich und Ungarn gaben ·entsprechende Erklärungen ab.

Die französische Delegation stimmte gleichfalls für die Zulassung einer ununterbrochenen Nachtruhe von 10 Stunden an 60 Tagen im Jahre.

In demselben Sinne sprachen sich die Herren Delegierten von Dänemark, Italien, Luxemburg und Portugal aus; der Herr

715 Delegierte von Großbritannien' mit der Maßgabe, daß die Überstunden auf 50 Tage zu beschränken seien.

Von schweizerischer Seite wurde an dem Vorschlage der Delegation in Art. 3 zu c.) mit der Maßgabe festgehalten, daß Überstunden nur an 50 Tagen stattfinden dürften.

Von Belgien wurde die in der Anlage enthaltene Erklärung abgegeben, worin angeregt wurde, für gewisse Betriebe an 60 Tagen im Jahre die Verkürzung der gewöhnlichen Dauer der ilage 2. Nachtruhe um höchstens zwei Stunden zuzulassen, mit der Maßgabe, daß den Arbeiterinnen eine halbe Stunde Ruhepause mehr als früher gewährt werde.

Die Herren Delegierten von Norwegen, den Niederlanden und Schweden enthielten sich der Abstimmung.

f.) ,,Für die Ausführung der Reformen können bestimmte Fristen festgesetzt werden".

Bei der Erörterung der Vorschrift zu f.) wurde von belgischer Seite des längeren ausgeführt, Belgien sei zwar gleichfalls bestrebt, die dort noch bestehenden Überreste der Nachtarbeit erwachsener Frauen zu beseitigen, es müsse aber bei der eigenartigen Gestaltung der Produktionsverhältnisse die Gewährung ·weitgehender Fristen als unabänderliches Erfordernis bezeichnen. Die belgischen Herren Delegierten überreichten dabei nlage 3. die beiliegende Erklärung, worin eine Übergangsfrist von fünf Jahren gefordert wird, mit der Maßgabe, daß die Frist für die belgische "Wollenindustrie auf zehn Jahre verlängert werden solle.

Eine solche Bestimmung liege mit im Interesse der Arbeiterinnen selbst, die andernfalls durch den Verlust ihrer Beschäftigung in eine wirtschaftliche Notlage geraten würden.

Auf Vorschlag des Herrn Präsidenten wurden die einzelnen Delegationen aufgefordert, sich zu den in Betracht kommenden Fristen zu äußern.

Die deutsche Delegation erklärte, deutscherseits beständen keine Wünsche wegen Gewährung besonderer Fristen für einzelne Industrien. Es werde vorgeschlagen, die Frist für die Ratifikation des Übereinkommens bis zum 1. Oktober 1908 zu bemessen und eine fernere Frist von 2 Jahren für die Einführung der erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zu gewähren.

Die österreichischen Herren Delegierten schlössen sich der vorstehenden Erklärung an, mit dem Antrage, für die RohzuckerInlage 4. fabrikation in Österreich eine Übergangsfrist von 10 Jahren, nach Maßgabe der in der Anlage enthaltenen Vorschläge, zu bewilligen.

716

Die ungarischen Herren Delegierten traten den vorstehenden Ausführungen der österreichischen Delegation bei.

Belgischerseits wurde auf die in der oben erwähnten Anlage enthaltene Erklärung verwiesen.

Die dänische Delegation sprach sich für das zur Erörterung stehende Prinzip aus, enthielt sich jedoch mit Rücksicht auf die dänische Gesetzgebung, die das Verbot der Nachtarbeit der' Frauen nicht · enthalte, der Abstimmung.

Seitens der französischen Delegation wurde betont, es genüge, wenn der 1. Oktober 1907 als Termin für die Ratifikation festgesetzt werde.

Um Belgien entgegenzukommen, sei die Delegation geneigt, sofern Belgien nach dem Beispiele der anderen Staaten die Nachtruhe auf 11 Stunden festsetze, die gewünschte Übergangsfrist von 5 Jahren zu gewähren, und zwar in der Weise, daß Belgien für die Einführung der zehnstündigen Nachtruhe einen Aufschub von 2 Jahren, und für die Einführung der elfstündigen einen solchen von 3 Jahren (zusammen 5 Jahre) erhalte.

Ferner sei die französische Delegation auch gewillt, die von belgischer Seite gewünschte zehnjährige Übergangsfrist für dieWollenindustrie zu bewilligen, vorausgesetzt, daß die Frist nicht erst von der Ratifikation, sondern vom 1. Januar 1906 ab gerechnet werde.

Der großbritannische Herr Delegierte enthielt sich der Abstimmung, da die fraglichen Reformen dem gesetzlichen Zustande seines Landes bereits entsprächen.

Die schweizerische Delegation schloß sich den französischen Erklärungen an.

Von italienischer Seite wurde für eine Frist von 5 Jahren -- von der Ratifikation des Abkommens an gerechnet -- gestimmt.

Der luxemburgische Herr Delegierte empfahl die Festsetzung möglichst kurzer Fristen.

Die Herren Delegierten von Norwegen, den Niederlanden, Portugal und Schweden enthielten sich der Abstimmung.

Es gelangte demnächst zur Verteilung der von der RedakAnlage 5. tionskommission festgesetzte, in der Anlage beigefügte Entwurf

717

von Grundzügen eines internationalen Übereinkommens, betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen*).

Auf Vorschlag des Herrn Präsidenten wurde der Entwurf artikelweise verlesen.

Artikel l fand, nach Vornahme einiger unwesentlicher Abänderungen redaktioneller Art, einstimmige Annahme.

Zu Artikel 2 lag je ein Vorschlag der schweizerischen, der deutschen und der belgischen Delegation vor, von denen die beiden ersteren eine zwölfstündige Nachtruhe, der letztere eine zehnstündige Nachtruhe der Frauen eingeführt wissen wollte.

Die Begründung der in der Anlage beigefügten Anträge fand in der Reihenfolge statt, in der sie eingebracht worden waren, hieran schloß sich eine erneute formelle Abstimmung.

Die schweizerische Delegation führte zunächst aus, sie sei bereit, ihre sonstigen Wünsche, soweit sie mit dem Entwurfe der Redaktionskommission nicht übereinstimmten, fallen zu lassen, sie müsse aber, wenngleich sie seinerzeit für den Kompromißantrag von 11 Stunden gestimmt hätte, nach den ihr inzwischen zuteil gewordenen amtlichen Instruktionen nach wie vor großen Wert darauf legen, daß die wichtigste der zur Beratung stehenden Fragen -- die Zahl der Nachtruhestunden -- in dem Sinne entschieden werde, daß ihre Festsetzung auf 12 Stunden erfolge.

Die deutsche Delegation gab die Erklärung ab, sie schließe sich im Prinzip den schweizerischen Ausführungen an, behalte sich jedoch, falls sich auf 12 Stunden eine hinreichende Stimmenzahl nicht vereinigen sollte, vor, ihre Stimme für 11 Stunden abzugeben.

Von belgischer Seite wurde der dringende Wunsch ausgesprochen, die Konferenz möge einstweilen in die Festsetzung einer zehnstündigen Nachtruhe für alle Industrien willigen. Unter dieser Voraussetzung sei die belgische Delegation bereit, auf die in Artikel 4 vorgesehenen Ausnahmen zu verzichten. Die belgische Delegation vertrat dabei die Ansicht, es könne, wenn ihrem Antrag entsprochen werde, unter Übereinstimmung fast *) Die Redaktionskommission bestand, außer dem Herrn Präsidenten und den Herren Berichterstattern, aus den Herren Caspar (Deutschland), Szterényi (Ungarn), Dubois (Belgien), Cunynghame (Großbritannien), Montemartini (Italien) und Kaufmann (Schweiz).

Herr Homann (Osterreich) nahm wegen der Frage der Bergwerke an den Beratungen teil.

718 aller Delegierten eine Zusatzbestimmung vorgesehen werden,, welche die Einführung der elfstündigen Nachtruhe zwei oder drei Jahre nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Abkommens mit den jetzt im Artikel 4 bestimmten Ausnahmen ausspreche.

Bei der nunmehr vorgenommenen formellen Abstimmung stimmten die einzelnen Delegationen wie folgt: Für 12 -- gegebenen Falles für 11 -- Stunden wurden sieben Stimmen abgegeben, und zwar von den Delegationen von Deutschland, Osterreich, Ungarn, Frankreich, Großbritannien,.

Luxemburg und der Schweiz.

Für 11 Stunden stimmten die Delegationen von Dänemark, Italien, Norwegen, der Niederlande, von Portugal und Schweden.

Die belgische Delegation stimmte, ihrem Antrag entsprechend, für 10 Stunden.

Bevor die französische Delegation ihre Stimme abgab, wies sie darauf hin, der belgische Antrag verdiene insofern, als im Falle seiner Annahme das einmütige Eintreten fast aller europäischer Industriestaaten für die Unterdrückung der Nachtarbeit der Frauen gesichert erscheine, vollste Beachtung. Dieser Fortschritt auf dem Gebiete der Arbeiterfürsorge werde die öffentliche Meinung in so hohem Maße beeinflussen, daß Belgien sich in wenigen Jahren gezwungen sehen werde, auch seinerseits die elfstündige Nachtruhe einzuführen, und dieser Maßnahme werde dann die Einsetzung der zwölfstündigen Nachtruhe mit logischer Notwendigkeit folgen. Sollten aber die sonst beteiligten Delegationen sich nicht in der Lage sehen, den belgischen Antrag auf Einführung der zehnstündigen Nachtruhe anzunehmen, so erwachse daraus für die belgische Delegation die Verpflichtung, ihrerseits durch Annahme der elfstündigen Nachtruhe den noch fehlenden letzten Schritt zur Herbeiführung eines einheitlichen internationalen Zustandes zu tun.

Es wurde sodann über Artikel 3 abgestimmt, der einstimmige Annahme fand.

Bei Abstimmung über Artikel 4 enthielt sich die belgische Delegation mit Rücksicht auf ihre Haltung gegenüber Artikel 2 der Stimme, im übrigen wurde der Artikel einstimmig angenommen.

Zu Artikel 5 Hr. l bestand Einverständnis darüber, daß durch diese Ausnahme nur Fabriken, die Zucker aus Rüben herstellen, betroffen werden sollen. Demgemäß wurde der Text des Artikels 5 entsprechend ergänzt.

719 Zu Artikel 5 Nr. 2 wurde von deutscher Seite bemerkt, diedarin enthaltene Ausnahme sei lediglich auf Antrag der belgischen Delegation und unter der Voraussetzung, daß Belgien den vorliegenden Entwurf annehme, vorgesehen worden. Es wäre daher mit Rücksicht darauf, daß die belgische Delegation, wie es bis jetzt scheine, die Bestimmung über die elfstündige Nachtruhe nicht annehmen werde, vorgeschlagen, Nr. 2 zu streichen.

Auf Anregung der französischen Delegation wurde davon Abstand genommen, über die zur Erörterung stehende Frage in der Kommission eine Abstimmung vorzunehmen, da die Hoffnung nicht aufzugeben sei, daß auch die belgische Delegation bei der bevorstehenden Beratung in der hohen Konferenz für den Entwurf der Kommission, auch hinsichtlich der Einführung der elfstündigen Nachtruhe, stimmen werde. Der schwedische Herr Delegierte erklärte, er müsse unter allen Umständen auf die Beibehaltung der Ausnahme in Nr. 2 Wert legen.

Demnächst beschloß die Kommission, bei voller Würdigung der französischerseits gegebenen Anregung, von einer förmlichen Abstimmung über den Artikel 5 überhaupt abzusehen, wiewohl in der Kommission über Nr. Ì und Nr. 3 Einverständnis vorhanden war.

In einer besonderen Sitzung der Kommission gab die belgische Delegation die Erklärung ab, sie sei auf Grand eines eingehenden Berichtes, den sie ihrer Regierung über die Ergebnisse der letzten Kommissionssitzung erstattet habe, ermächtigt worden, dem vorliegenden Entwurfe zuzustimmen, sofern dem Artikel ein Zusatz folgenden Inhalts hinzugefügt werde: ^Im übrigen kann die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe in den Staaten, in denen die Nachtarbeit der erwachsenen Frauen gegenwärtig nicht geregelt ist, vorübergehend und höchstens' für die Dauer von drei Jahren auf zehn Stunden beschränkt werden. "· Von belgischer Seite wurde die Tragweite dieses Vorschlagsdargelegt, der nicht bezwecke, das Inkrafttreten des Übereinkommens in einzelnen Staaten zu verzögern, zumal die Übergangsfrist den Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten könne.

Um einen ferneren Beweis ihres Entgegenkommens zu geben, zog die belgische Delegation ihren ursprünglichen Antrag, im Artikel 5 eine Ausnahmefrist von 10 Jahren für die Wollenwebereien zu bewilligen, zurück.

720

Der deutsche Herr Delegierte nahm mit Genugtuung Akt von diesem neuen Zugeständnisse der belgischen Delegation, durch das eine allgemeine Übereinstimmung ermöglicht werde.

Dieser Erklärung wurde, unter einstimmiger Annahme des belgischen Antrags, zugestimmt.

Der Herr Präsident gab gleichfalls seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß die beständigen Bemühungen der belgischen Delegation, zu einem Einverständnisse zu gelangen, von Erfolg gekrönt ·worden seien.

Von französischer Seite wurde demnächst der Vorschlaggemacht, den Artikel l des von der schweizerischen Delegation vorbereiteten Vorschlags, über den die Kommission nicht beraten habe, in einer etwas abgeschwächten Form wieder aufzunehmen.

Dieser Artikel spricht für die beteiligten Staaten die Verpflichtung aus, eine Aufsichtsbehörde für die industrielle Arbeit zu unterhalten , die in der Lage sein soll, die gesetzlichen Arbeits"bestimmungen und insbesondere die im Übereinkommen vorgesehenen Schutzmaßregeln zu überwachen. Es wurde dabei der Ansicht Ausdruck gegeben, daß ohne ein entsprechendes Aufsichtspersonal in jedem Staate die Bestimmungen des Übereinkommens illusorisch gemacht werden könnten.

Deutscherseits wurde die Befürchtung ausgesprochen, daß die Aufnahme einer solchen Bestimmung Schwierigkeiten nach sich ziehen könnte. Deutschland habe eine gut organisierte Arbeiter-aufsicht und sei von deren Notwendigkeit überzeugt. Immerhin sei es aber bedenklich für einen Staat, sich ein Urteil über die Wirksamkeit dieser Kontrolle in einem andern Lande anmaßen zu wollen. Der deutsche Herr Delegierte schlug vor, man solle sich auf den Ausdruck eines diesbezüglichen Wunsches, der zur Kenntnis der beteiligten Staaten gebracht werden könne, be·schränken. Im Übereinkommen scheine ihm ein Platz für eine entsprechende Erklärung nicht zu sein.

Die Kommission war einstimmig der Ansicht, es sei der "Konferenz dieser Wunsch zu unterbreiten.

Namens der Kommission beehren sich die Unterzeichneten, ·der hohen Konferenz das vorstehende Ergebnis ihrer Beratungen mit den angeschlossenen Grundzügen eines internationalen Übereinkommens betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der

721

Frauen vorzulegen und dabei dem im vorstehenden Absätze angedeuteten Wunsche Ausdruck zu geben.

B e r n , den 16. Mai 1905.

Waddington, Präsident.

Flenn,

Fontaine,

Berichterstatter.

Berichterstatter.

Bundesblatt. 57. Jahrg, BJ. IV.

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722 Anlage l zum Bericht der Kommission für die Frauenarbeit.

Vorschlag der

schweizerischen Delegation hinsichtlich einer Grundlage der Beratungen über einen Vertrag betreffend das Verbot industrieller Nachtarbeit weiblicher Personen.

Art, 1.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, spätestens vom an die industrielle Nachtarbeit weiblicher Personen ohne Unterschied des Alters, unter Vorbehalt der Bestimmungen von Art. 3, zu verbieten.

Es ist Sache der nationalen Gesetzgebung, zu bestimmen, was unter industrieller Arbeit zu verstehen sei.

Art. 2.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe für industrielle Arbeiterinnen spätetens vom an auf zehn, spätestens vom an auf elf, spätestens vom an auf zwölf Stunden festzusetzen.

Art. 3.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, Ausnahmen vom Verbote der industriellen Nachtarbeit weiblicher Personen nur zu gewähren, wenn

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a. nicht vorherzusehende, sich nicht periodisch wiederholende oder aus höherer Gewalt entstandene Betriebsunterbrechungen eintreten ; b. zur Verhütung der Verderbnis von Rohmaterial die sofortige Verarbeitung von Gemüsen, Blumen, Obst, Fischen notwendig ist; c. infolge stoßweisen Auftretens der Nachfrage in bestimmten Industrien zu bestimmten Jahreszeiten eine Verlängerung der Arbeitszeit notwendig ist, mit der Einschränkung, daß die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe der weiblichen Personen bis zum nicht weiter als auf zehn, nach dem nicht weiter als auf elf Stunden herabgesetzt, und daß diese Verkürzung der Nachtruhe nur für höchstens . . . Tage im Jahre bewilligt werden darf.

Art. 4.

Die hohen vertragschließenden Teile verpflichten sich, auf ihrem Gebiete Aufsichtsorgane mit der Kontrolle über die Erfüllung der aus dem gegenwärtigen Vertrage sieh ergebenden Vorschriften zu betrauen, oder die vorhandene Inspektion so zu gestalten, daß sie für diese Erfüllung volle Gewähr bietet. Sie verpflichten sich, regelmäßig Berichte über die Durchführung des gegenwärtigen Vertrages zu veröffentlichen und gegenseitig auszutauschen.

Art. 5.

Die Staaten, die sich an dem gegenwärtigen Vertrage nicht beteiligt haben, werden auf diplomatischem Wege von ; . . . .

. . . die Mitteilung vom geschehenen Vertragsabschluß erhalten, und diese wird es gegebenenfalls übernehmen, deren Beitritt allen übrigen Regierungen zur Kenntnis zu bringen.

Der Beitritt bringt ohne weiteres die Übernahme aller Verpflichtungen des gegenwärtigen Vertrages mit sich, und wird von dem an wirksam, der auf die Absendung der von der an die übrigen Vertragsstaaten gerichteten Mitteilung folgt.

Art. 6.

Die Stellung der überseeischen Provinzen, Kolonien und auswärtigen Besitzungen der hohen vertragschließenden Teile zu dem

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gegenwärtigen Vertrage bestimmt sich nach den in das Schlußprotokoll aufgenommenen Erklärungen.

Art. 7.

Der gegenwärtige Vertrag soll mit dem in Kraft treten.

Er soll von diesem Tage an fünf Jahre lang gelten, und, falls keiner der hohen vertragschließenden Teile seine Absieht, die Wirkungen des Vertrages aufhören zu lassen, der . . . zwölf Monate vor Ablauf des genannten fünfjährigen Zeitraumes kundgegeben haben wird, noch ferner ein Jahr, und so fort, von Jahr zu Jahr, in Kraft bleiben.

Art. 8.

Entstehen zwischen einzelnen der hohen vertragschließenden Teile über die Auslegung oder die Vollziehung des gegenwärtigen Vertrages Meinungsverschiedenheiten, so werden solche durch Schiedsspruch erledigt.

Die Bestimmung des Schiedsgerichtes wird im Schlußprotokoll geregelt.

Art. 9.

Die Ausführung der im gegenwärtigen Vertrage enthaltenen gegenseitigen Verpflichtungen ist, soweit nötig, durch die ErfttlInng der in der Verfassung oder in der Gesetzgebung eines jeden Vertragsstaates festgesetzten Förmlichkeiten und Vorschriften bedingt.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert, und die Ratifikationsurkunden sollen bis zum bei hinterlegt werden.

Falls einer oder mehrere der Staaten innerhalb der vorgesehenen Frist die Ratifikationsurkunde nicht hinterlegt haben sollten, wird die sofort eine Entscheidung der übrigen Vertragsstaaten darüber herbeiführen, ob der Vertrag unter ihnen allein in Kraft gesetzt werden soll.

725 Anlage 2 zum, Bericht der Kommission für die Frauenarbeit.

Vorschlag der belgischen Delegation zu Ut. e.) des Rmidschreibens.

In den Industrien, wo die Arbeit atmosphärischen Witterungseinflüssen ausgesetzt ist, in den Saisonindustrien und in denjenigen, deren Bedürfnisse die gleichen sind, kann die gewöhnliche Dauer der Nachtruhe, 60mal im Jahre, um höchstens 2 Stunden verkürzt werden, unter der Bedingung, daß den betreffenden Arbeiterinnen eine Ersatzruhepause von einer halben Stunde zugebilligt wird.

Anlage 3 zum Bericht der Kommission für àie Frauenarbeit.

Vorschlag der belgischen Delegation zu lit. f.) des Mundschreibens.

Die Frist für die Verwirklichung der vorgesehenen Reformen soll 5 Jahre betragen, von der Niederlegung der Ratifikationsurkunden an gerechnet.

Diese Frist ist für die Schafwollwarenindustrie auf 10 Jahre festgesetzt; überdies können die in dieser Industrie zur Zeit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden bereits beschäftigten Arbeiterinnen auch weiterhin bei derselben Arbeit gemäß den von der Gesetzgebung ihres Staates festgesetzten Bestimmungen verbleiben.

Anlage 4 zum Bericht der Kommission für die Frauenarbeit.

Antrag der österreichischen Delegation.

Insbesondere kann in den Rohzuckerfabriken, soweit in denselben noch die Nachtarbeit der Frauen gestattet ist, eine 10jährige Frist -- von der Ratifikation an gerechnet -- für die Reform festgesetzt werden.

726 Anlage 5 ßum Bericht der Kommission für die Frauenarbeit.

Vorschläge des von der Kommission für Frauenarbeit eingesetzten Redaktionskomitees.

Grundzüge eines internationalen Übereinkommens betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen.

Artikel 1.

Die industrielle Nachtarbeit der Frauen soll ohne Unterschied des Alters, unter Vorbehalt der folgenden Ausnahmen, verboten sein.

Das Übereinkommen erstreckt sich auf alle industriellen Unternehmungen, in denen mehr als zehn Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind. Es findet keine Anwendung auf Anlagen, i a denen nur Familienglieder tätig sind.

Jeder der vertragschließenden Teile hat den Begriff der industriellen Unternehmungen festzustellen. Unter allen Umständen sind aber hierzu zu rechnen die Bergwerke und Steinbrüche, sowie die Bearbeitung und die Verarbeitung von Gegenständen ; dabei sind die Grenzen zwischen Industrie einerseits, Handel und Landwirtschaft anderseits durch die Gesetzgebung jedes Staates zu bestimmen.

Artikel 2.

Die im vorhergehenden Artikel vorgesehene Nachtruhe hat eine Dauer von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden. In diesen elf Stunden soll in allen Staaten der Zeitraum von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens einbegriffen sein.

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Artikel 3.

Das Verbot der Nachtarbeit kann außer Kraft treten: 1. Im Falle einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist; 2. für die Verarbeitung leicht verderblicher Gegenstände zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an Rohmaterial.

Artikel 4.

In den dem Einflüsse der Jahreszeit unterworfenen Industrien (Saisonindustrien), sowie unter außergewöhnlichen Verhältnissen in allen Betrieben kann die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe an 60 Tagen im Jahre bis auf 10 Stünden beschränkt werden.

Artikel 5.

Die Urkunden über die Ratifikation des Übereinkommens sollen spätestens am 31. Dezember 1907 hinterlegt werden.

Für das Inkrafttreten des Übereinkommens wird eine Frist von drei Jahren bestimmt, die von der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde an zu rechnen ist.

Diese Frist soll zehn Jahre betragen : 1. für die Rohzuckerfabriken; 2. für die Wollkämmerei, die Schafwollspinnerei und -weberei ; 3. für die Arbeiten über Tage in Bergwerken, sofern diese Arbeiten für die Dauer von mindestens vier Monaten im Jahre infolge von klimatischen Verhältnissen eingestellt werden müssen.

728 Anlage 6 zum Bericht der Kommission für die Frauenarbeit.

Ordnungs- Motion der

schweizerischen Delegation.

In Erwägung, daß 1. in dem an sich sehr bescheidenen Programm der internationalen Konferenz die zwölfstündige Nachtruhe weiblicher Personen für die Sache des Arbeiterschutzes so ziemlich den einzigen wertvollen Punkt von allgemeiner Bedeutung darstellt; 2. in einer ersten Abstimmung sich für die zwölfstündigeNachtruhe 8 Delegationen ausgesprochen haben (Italien für 11 Stunden, Belgien, Norwegen, Schweden für 10 Stunden, Enthaltungen :.

Niederlande, Portugal); 3. der Zweck des nachher angenommenen Kompromißantrage» (elf Stunden) doch nicht erreicht wird, indem zwar 12 Delegationen für 11 Stunden stimmen, Belgien und Norwegen aber auf 10 Stunden beharren; 4. weitgehende Abschwächungen und Einschränkungen des Prinzips teils schon vorgeschlagen sind (Verlegung von 7 Stunden der Nachtruhe auf die Zeit bloß von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens), teils in Aussicht stehen (Verkürzung um eine Stunde an 60 Tagen nicht nur für Saisonbetriebe, sondern allgemein) ; 5. das zu gewärtigende Endresultat, mit Einschluß der postulierten Ausnahmen, zufolge seines geringen Wertes allgemeine Enttäuschung hervorruft und dem Prinzip eines wirklichen Schutzesder Frauen nur unerhebliche Förderung würde zu teil werden lassen ;

72» 6. die Sicherung einer hinreichenden Nachtruhe für Arbeiterinnen eines der elementarsten Postulate der Sozialwissenschaft ist,, beantragt die schweizerische Delegation: Die Kommission wolle a. ihre Beschlüsse betreffend die elfstündige Nachtruhe und betreffend die Minimalgrenzstunden der Nachtruhe in Wiedererwägung ziehen ; b. im Falle der Wiedererwägung die Nachtruhe auf 12 Stunden, vorbehalten die Übergangsfristen, festsetzen, und die Aufstellung einer Bestimmung über die Grenzstunden der Nachtruhe unterlassen.

12. Mai 1905.

730 Anlage 7 zwm Bericht der Kommission für die Frauenarbeit.

Vorschläge der deutschen Delegation.

Grundzüge (Entwurf) eines internationalen Vertrags über das Verbot der industriellen Frauen-Nachtarbeit.

Art. 1.

Nach Ablauf von , gerechnet von dem Austausch der Ratifikationen, soll die industrielle Nachtarbeit der Frauen ohne Unterschied des Alters, unter Vorbehalt der folgenden Ausnahmen verboten sein.

Der gegenwärtige Vertrag erstreckt sich auf alle industriellen Unternehmungen, in denen mehr als zehn Personen beschäftigt sind. Er findet keine Anwendung auf Anlagen, in denen nur Familienglieder tätig sind.

Jeder der vertragschließenden Teile hat den Begriff der industriellen Unternehmungen festzustellen. Unter allen Umständen ist aber hierzu zu rechnen die Verarbeitung und die Bearbeitung von Gegenständen ; dabei sind die Grenzen zwischen Industrie und Landwirtschaft zu bestimmen.

Art. 2.

Die im vorhergehenden Artikel vorgesehene Nachtruhe hat eine Dauer von mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Stunden.

731 Durch eine gesetzliche Begrenzung der Arbeitszeit auf zehn Stunden für den Tag oder auf sechzig Stunden für die Woche genügen die vertragschließenden Staaten der im Absatz l übernommenen Verpflichtung.

Unter allen Umständen ist jede Beschäftigung zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens verboten.

Art. 3.

Das Verbot der Nachtarbeit kann außer Kraft treten: 1. im Falle nicht vorherzusehender, sich nicht periodisch wiederholender, aus höherer Gewalt entstandener Betriebsunterbrechungen ; 2. für die Verarbeitung leicht verderblicher Gegenstände zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an Rohmaterial.

Art. 4.

Im Falle außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann die Dauer der Nachtruhe an höchstens sechzig Tagen im Jahre auf höchstens zehn Stunden beschränkt werden.

In den Fällen des Art. 2, Abs. 2, können zwei Überstunden an höchstens sechzig Tagen im Jahre gewährt werden. Die Vorschrift in Art. 2, Abs. 3. bleibt unberührt.

Anlage 8 zum Bericht der Kommission für die Frauenarbeit.

Vorschlag der belgischen Delegation.

In Artikel 2 sind die Worte ,,elf Stunden" durch die Worte ,,zehn Stunden" zu ersetzen und Artikel 4 demgemäß zu streichen.

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Beilage II zum Protokoll Nr. 4.

Grundzüge eines internationalen Übereinkommens, betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen.

Artikel 1.

Die industrielle Nachtarbeit der Frauen soll ohne Unterschied des Alters, unter Vorbehalt der folgenden Ausnahmen, verboten sein.

Das Übereinkommen erstreckt sich auf alle industriellen Unternehmungen, in denen mehr als zehn Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind. Es findet keine Anwendung auf Anlagen, in denen nur Familienglieder tätig sind.

Jeder der vertragschließenden Teile hat den Begriff der industriellen Unternehmungen festzustellen. Unter allen Umständen sind aber hierzu zu rechnen die Bergwerke und Steinbrüche, sowie die Bearbeitung und die Verarbeitung von Gegenständen; dabei sind die Grenzen zwischen Industrie einerseits, Handel und Landwirtschaft anderseits durch die Gesetzgebung jedes Staates zu bestimmen.

Artikel 2.

Die im vorhergehenden Artikel vorgesehene Nachtruhe hat eine Dauer von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden. In diesen elf Stunden soll in allen Staaten der Zeitraum von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens einbegriffen sein.

In denjenigen Staaten jedoch, in denen die Nachtarbeit der erwachsenen industriellen Arbeiterinnen gegenwärtig nicht geregelt ist, darf die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe während einer Übergangsfrist von höchstens drei Jahren auf zehn Stunden beschränkt werden.

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Artikel 3.

Das Verbot der Nachtarbeit kann außer Kraft treten: 1. im Falle einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist; 2. für die Verarbeitung leicht verderblicher Gegenstände zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an Rohmaterial.

Artikel 4.

In den dem Einflüsse der Jahreszeit unterworfenen Industrien (Saisonindustrien), sowie unter außergewöhnlichen Verhältnissen in allen Betrieben kann die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe an sechzig Tagen im Jahre bis auf zehn Stunden beschränkt werden.

Artikel 5.

Die Urkunden über die Ratifikation des Übereinkommens sollen spätestens am 31. Dezember 1907 hinterlegt werden.

Für das Inkrafttreten des Übereinkommens wird eine Frist von drei Jahren bestimmt, die von der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden an zu rechnen ist.

Diese Frist soll zehn Jahre betragen : 1. für die Fabriken, die Rohzucker aus Rüben herstellen ; 2. für die Schafwollkämmerei und -Spinnerei; 3. für die Arbeiten über Tage in Bergwerken, sofern diese Arbeiten für die Dauer von mindestens vier Monaten im Jahre infolge von klimatischen Verhältnissen eingestellt werden müssen.

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Protokoll Nr, 5.

Mittwoch den 17. Mai 1905, vormittags 10 Uhr, im Ständeratssaal.

Vorsitzender: Herr Bundesrat Dr. A. Deuclier.

Anwesend sind : Deutsches Reich.

Caspar, Ministerial-Direktor im Reichsamt des Innern.

Koch, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat i'm Reichsamt des Innern.

·Fricle, Geheimer Ober-Regierungsrat und vortragender Rat im Königl. Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe.

Plehn, Kaiserl. Legationsrat im Auswärtigen Amte..

Österreich.

Dr. Richard Hasenoelirl, Sektionschef im Handelsministerium.

Dr. Victor Mataja, Sektionschef im Handelsministerium.

Dr. Hugo Bach, Sektionsrat im Handelsministerium.

Dr. Franz Müller, Sektionsrat im Handelsministerium.

Emil Homann, Ministerialrat im k. k. Ackerbauministerium.

Ungarn.

Josef Szterenyi, Ministerialrat und Chef der Sektion für Industrie,, Handel und Arbeiterschutz im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Josef Csóka, Sektionsrat, Leiter des Arbeiterschutz-Departements, im Königl. Ungarischen Handelsministerium.

Dr. Bela von Procopius, Ministerialvizesekretär und Fachberiehterstatter des Königl. Ungarischen Handelsministeriums.

Nikolaus Gerster, Gewerbeinspektor.

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Belgien.

J. Dubois, Generaldirektor des Arbeiteramtes im Ministerium für Industrie und Arbeit.

E. Fabri, Arbeitsinspektor.

H. Dupont, Arbeitsinspektor.

Dänemark.

Gustav PMipsen, Adjunkt des Bürgermeisters in Kopenhagen,, Präsident des Königl. Arbeitsrates.

Spanien.

S. E. Don José de la Eica y Calvo, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister S. M. des Königs von Spanien in der Schweiz.

Frankreich.

Richard Waddington, Senator, Präsident der höheren Kommission, für Industriearbeit, Präsident der Handelskammer von Rouen.

A. Mülerand, Deputierter, ehemaliger Minister.

Ale Keufer, Generalsekretär des Typographenbundes, Vizepräsident, des höheren Arbeitsrates, Präsident der permanenten Kommission des höheren Arbeitsrates.

Arthur Fontaine, Direktor für Arbeit im Ministerium des Handels, und der Industrie.

H. Sévène, Chef-Ingenieur, Inspektor der Staatsmanufakturen.

Großbritannien.

Henry Hardinge Samuel Cunynghame, C. B., Hilfs-Unterstaatssekretär irn Innern Amt.

Malcolm Delevingne, ,,Principal Clerka im Innern Amt.

Italien.

Ritter Luigi Belloc, Ingenieur, Industrie-Inspektor im Königl. Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel.

Luxemburg.

Heinrich Neuman, Staatsrat, Präsident der Vereinigung für Unfallversicherung.

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Norwegen.

Luna, Fabrikinspektor des Bezirks ,,Söndenfjeldskea.

Niederlande.

Doktor der Rechte L. H. W. Eegout, Mitglied der Ersten Kammer der Generalstaaten.

Doktor H. F. Kuyper, Arbeitsinspektor im 3. Inpektionskreise.

Portugal.

Brnesto Madeira Finto, Generaldirektor für Handel und Industrie.

Schweden.

Khlgren, Abteilungschef im Handelskollegium in Stockholm.

Schweiz.

Dr. Adolf Deucher, Bundesrat, Vorsteher des eidg. Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartements.

Dr. Franz Kaufmann,, Abteilungschef des eidg. Industriedepartements.

Emil Frey, alt Bundesrat, Präsident der Schweiz. Vereinigung zur Förderung des internationalen Arbeiterschutzes.

Josef Anton Schobinger, Regierungsrat, Präsident des Schweiz.

Nationalrates.

Heinrich Scherrer, Regierungsrat und Nationalrat, Präsident der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz.

Jules Vautier, vom Hause Gebrüder Vautier.

John Sye, Präsident des Schweiz. Spinner-, Weber- und ZwirnerVereins.

Otto Lang, Oberrichter, Präsident des Schweiz. Arbeiterbundes.

Der Herr Vorsitzende macht bei Eröffnung der Sitzung darauf aufmerksam, daß die von den Präsidenten und Berichterstattern der beiden Kommissionen verifizierte und von den Konferenzmitgliedern Dienstag Abend den 16. Mai unterzeichnete Schlußakte auf dem Kanzleitische zur Einsicht bereit liege (s. Beilage zum Protokoll Nr. 5). Er erteilt hierauf das Wort dem ersten Mitgliede der französischen Delegation, Herrn Waddington.

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Herr Waddington hält folgende Rede: ,,Meine Herren Kollegen !

Vor.einigen Tagen haben beredte Stimmen in Ihrem Namen die schweizerische Regierung zu deren Initiative der Einberufung der internationalen Konferenz beglückwünscht und die Hoffnung ausgesprochen, daß diese Vereinigung reich an Resultaten sein möge. Heute ist diese Hoffnung Wahrheit geworden. Die schweizerische Regierung kann mit Stolz konstatieren, daß ihr Programm durch die große Mehrzahl der hier vertretenen Staaten angenommen worden ist. Gestern und vorgestern haben wir nahezu einstimmig die Grundlagen des Übereinkommens angenommen und unterzeichnet ; ich erneuere hier den Wunsch, daß diese Mehrheit sich in Einstimmigkeit verwandeln möge, durch schließlichen Beitritt der noch zögernden Mächte.

Der glückliche Erfolg unserer internationalen Konferenz wird sich jedoch nicht auf diese unmittelbare Errungenschaft beschränken. Ich hege die Hoffnung, nein, mehr, die unbedingte Überzeugung, daß dieser Konferenz ähnliche Konferenzen folgen werden. Das Werk, dessen Absteckung im Jahre 1890 in Berlin vorgenommen worden ist, und dessen Grundlagen wir heute befestigt haben, wird den Bereich seiner Tätigkeit Jahr um Jahr ausdehnen. In einer Zukunft, die ich als nahe bevorstehend erachte, erblicke ich mit den Augen des Glaubens neue Konferenzen, in welchen wir oder unsere zahlreicheren Nachfolger das von uns ·so gut begonnene Werk neuen Fortschritten entgegenführen werden, dieses Werk, das ich mit Recht ein Werk sozialer Be.schwichtigung und menschlicher Solidarität nenne ! Heute haben wir getrachtet, die Lage einer besonders interessanten Kategorie von Arbeitern zu verbessern ; morgen kommen andere dran, wie auch andere spezielle Punkte der Arbeitergesetzgebung. Ist es doch das Charakteristische, sagen wir, der Ruhm des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, die internationale Aktion ·erweitert zu haben und täglich immer mehr auszudehnen, sie, die früher auf Kriegs- und Friedeasfragen beschränkt war und sich nun mit der Lösung von Problemen betreffend den Handel, die Industrie und den Arbeiterschutz beschäftigt.

Meine Herren, den Glückwünschen, die ich dein Bundesrate gegenüber für seine ersprießliche Initiative erneuere, drängt es mich, diejenigen, die das Bureau unserer Konferenz verdient hat, beizufügen, dessen Tätigkeit und dessen Mithülfe wir das rasche und .befriedigende Resultat unserer Beratungen verdanken.

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In erster Linie richte ich den Ausdruck unserer lebhaften Dankbarkeit an unsern Präsidenten Herrn Deucher (Beifall), dessen Liebenswürdigkeit, Zuvorkommenheit und hohen Eigenschaften der Klarheit und Methode in der Führung der Unterhandlungen wir zu schätzen so oft Gelegenheit hatten (Beifall). Sie würden es mir zürnen, wenn ich dem Namen von Herrn Bundesrat Deucher nicht diejenigen von Oberst Frey (Beifall), des Generalsekretärs Herrn Bauer (Beifall), der Sekretäre Dr. Rieser und Herrn Dinichert (Beifall), unserer Übersetzer, der Herren Vogt und Prof. Röthlisberger, welche alle die Arbeiten der Konferenz und der Kommissionen so sehr erleichtert haben, nicht beifügen würde (Beifall). Schließlich erwähne ich noch das ganze Personal des Druckereidienstes, die Setzer inbegriffen, das wahre Wunder von Arbeitskraft und Genauigkeit geleistet hat, indem es die zahlreichen Dokumente, die an uns verteilt worden sind, in kürzester Frist zu unserer Verfügung stellte (Beifall).

Ich schließe, meine Herren, indem ich als ältestes Mitglied der fremden Delegationen und in deren Eamen der schweizerischen Regierung unsere Glückwünsche, Herrn Bundesrat Deucher und dem Bureau der Konferenz unseren wärmsten Dank für deren hingebende Mitwirkung am gemeinsamen Werke entgegenbringe." (Anhaltender Beifall.)

Herr Caspar: ^Am Ende einer an ehrlicher Arbeit, glänzenden Festen und kameradschaftlichem Zusammenwirken reichen Tagung dürfen wir mit Befriedigung auf den Gang unserer Verhandlungen und das Ergebnis unserer Beratungen zurückblicken.

In gerechter Würdigung ihres Anteils an dem Erfolge hat unser hochverehrter Kollege, Herr Waddington, die Männer genannt, denen wir besondern Dank schulden. Ich würde nach dem freudigen Beifall, den seine Worte gefunden haben, befürchten, durch Wiederholung den Eindruck, den seine beredten Worte gemacht haben, abzuschwächen. Nur in bezug auf unsern hochverehrten Herrn Präsidenten bitte auch ich aussprechen zu dürfen, mit wieinniger Verehrung und Dankbarkeit wir seiner tatkräftigen und gütigen Amtsführung gefolgt sind. Möge es dem Herrn Bundesrat Deucher vergönnt sein, zum Heile seines Vaterlandes und weiter Kreise außerhalb der Schweiz noch viele Jahre in voller Kraft in seiner hohen Stellung zu wirken.

Wenn jetzt unsere dem Arbeiterschutze gewidmeten Sitzungen geschlossen werden sollen, so gehe ich auf die Fragen, die uns beschäftigt haben, nicht mehr ein. Die Arbeit ist abgeschlossen,

739 die Welt kennt heute schon das Resultat, und wir warten das Urteil ab. Was uns alle die auf ein hohes Ziel gerichtete gemeinschaftliche Arbeit besonders lieb gemacht hat, ist das einmütige Zusammenwirken mit kundigen Männern anderer Nationen. Es war eine Freude zu sehen, wie die uns anvertraute große Aufgabe, die Förderung des Arbeiterschutzes, in Eintracht von allen Seiten erfaßt und mit Liebe behandelt wurde. Das auf gegenseitiges Verständnis und gegenseitige Würdigung gegründete persönliche Verhältnis zwischen den Delegierten wird die Tage der Konferenz überdauern, es wird der großen Sache, der zu dienen wir ein jeder in seiner Heimat und in seinem Kreise berufen sind, zu Gute kommen. Dabei werden sich, wie ich hoffe, unsere Lebenswege wieder treffen. Wir scheiden also mit dem Rufe: Auf Wiedersehen!"

Herr Cwnynghame: ,,Herr Präsident!

Den Komplimenten und Glückwünschen, die Ihnen seitens der Herrrn Delegierten Frankreichs und Deutschlands entgegengebracht worden sind, wünsche ich auch diejenigen Großbritanniens beizufügen.

In Ihrer Heimat, wo die Berge in ihrer Umhüllung von ewigem Schnee wie Engel dastehen, atmet man die den Engländern so teure Freiheitsluft. Den Engländern, hahe ich gesagt und hätte ebenso gut sagen können: den Deutschen, den Franzosen und jeglichem Volke, das für die Freiheit gekämpft, für dieselbe Opfer gebracht, die den unsern gleichkommen, ja sie selbst übertreffen.

In der Schweiz wird nicht nur die Liebe zur Freiheit, sondern auch die Liebe zum Frieden, zum Fortschritt und zu edelm Menschentum gehegt.

Unsere Regierung hat zwar geglaubt, uns die Vollmacht zur Unterzeichnung eines Vertrages nicht erteilen zu sollen, aber ich muß bezeugen, daß sie die Gesinnungen teilt, die diese Konferenz beseelten und daß deren Ziele auch die unsrigen sind.

Man hat in letzter Zeit viel von einer gütlichen Verständigung gesprochen und hat recht getan ! Meine Herren, wozu der Krieg? Wozu die Beleidigungen, Vorwürfe und Injurien, die erhitzte Gemüter nur zu geneigt sind, in der Presse -- und ich muß gestehen -- in der englischen Presse und manchmal auch in der Presse anderer Länder, einander zuzuschleudern ?

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Glauben Sie mir, Herr Präsident, die vernünftigen Leute in unserem Lande verurteilen diese groben Zeitungsartikel, die ruhmreiche Länder Europas beschimpfen und Haß und Neid, statt Freundschaft und gegenseitige Achtung, säen möchten.

Konferenzen, wie die gegenwärtige, beweisen, daß es möglich ist, verschiedener Meinung und doch Freunde zu sein, von seinem Nächsten die beste Meinung zu haben, statt ihm böse Absichten zuzuschreiben, edle Gesinnung zu pflanzen, statt sich in Egoismus zu verschanzen.

Ich erinnere mich der Worte in Schillers ,,Wilhelm Tella : ,,Wer ist der Mann, der hier um Hülfe ruft?" und wie edel ist derselbe diesem Rufe gefolgt!

Heute sind es die Arbeiter Europas, die um Hülfe rufen, und von der Schweiz aus wird die Stimme ertönen, die ihnen die Befriedigung ihrer Wünsche verspricht.

Möge doch die Bewegung, die sich die Besserstellung der arbeitenden Klassen zum Ziele gesetzt hat, fortfahren, sich auszudehnen, bis zu dem Tage, wo die zivilisierten Nationen, weit entfernt, sich mit mörderischen Waffen zu bekämpfen, nur dafür ringen werden, dem internationalen Brudersinne zur Herrschaft zu verhelfen.a Herr Millerand hat den gerechtfertigten Dankesbezeugungen, die dem Bundesrat und dem Bureau ausgedrückt worden sind, nichts beizufügen. In der Scheidestunde möchte er jedoch der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, insbesondere deren Präsidenten, Herrn Scherrer, und deren Generalsekretär, Herrn Bauer, für ihre ausgezeichnete Tätigkeit warmen Dank aussprechen. Die Delegierten haben den vom Präsidenten und vom Generalsekretär gezeichneten Aufruf dieser Vereinigung vor Augen ; er muß sicherlich den Weg zum Herzen der Mitglieder der Konferenz gefunden haben, und ich hoffe, daß er auch den Weg zu den Kassen der Regierungen finden wird.

Einzig eine Vereinigung wie diese, mit absolut privatem Charakter, kann jede Initiative ergreifen, die wahrhaft nützlich ist. Aus diesem Grunde ist sie eine nicht zu entbehrende Einrichtung für das Werk des sozialen Fortsehrittes.

Von der internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz ist noch viel zu erwarten, weshalb der Sprechende seinen Wunsch erneuert, daß sie die Unterstützung finden möge, ohne welche sie weder leben, noch ihr Werk zum Ziele führen kann.

741 Herr Bundesrat Dr. Deucher hält folgende Schlußrede: ^Verehrte Herren, Nach einer Reihe arbeitsvoller Tage und Überwindung mannigfacher Schwierigkeiten sind wir am 8chlusse unserer Verhandlungen angelangt.

Es gereicht mir zur angenehmen Pflicht, Ihnen allen, vorab den Herren Präsidenten und Berichterstattern der beiden Kommissionen, für ihre Arbeitsfreudigkeit und Ausdauer während unserer Beratungen bestens zu danken.

Sodann aber verdanke ich für mich und im Namen des schweizerischen Bundesrates die überaus freundlichen Worte, die soeben gesprochen worden sind, und die vielfachen Beweise der Sympathie und der Anerkennung, die Sie in diesen Tagen unserem Lande, unserem Volke und seinen Behörden entgegengebracht haben.

Wir sind ein kleines Volk, aber wir sind stolz darauf, nicht die letzten zu sein, wenn es sich darum handelt, auf idealen Gebieten vorwärts zu schreiten, doppelt stolz aber heute, wo es uns vergönnt ist, diesen Vormarsch in so illustrer Gesellschaft antreten zu können.

Meine Herren ! Die Frage, ob wir unser Ziel, den Regierungen, die zu vertreten wir die Ehre haben, bezüglich der beiden uns vorgelegten Fragen des Arbeiterschutzes praktische Grundlagen zu internationalen Übereinkommen vorzulegen, erreicht haben, das zu beantworten, steht uns nicht zu. Der Überzeugung aber glaube ich heute schon Ausdruck geben zu dürfen, daß wir alle, trotz Verschiedenheit unserer Instruktionen und persönlichen Anschauungen, von Anfang an von dem einen großen, humanitären Gedanken beseelt waren, daß es endlich an der Zeit sei, in Sachen der internationalen Regelung des Arbeiterschutzes, zur Verbesserung des Loses unserer arbeitenden Klassen einen entschiedenen Schritt vorwärts zu tun, und daß die Konferenz während der ganzen Dauer der Verhandlungen redlich bestrebt war, durch zielbewußte Arbeit, Verwendung reichen Wissens und mannigfacher Erfahrungen, durch freundschaftliches Entgegenkommen und loyale Anerkennung abweichender Ansichten, eine Annäherung und Ausgleichung der Gegensätze zu erzielen und das Möglichste zu erreichen.

Gewiß ist das Resultat unserer Beratungen ein bescheidenes, dies namentlich bezüglich der Phosphorfrage, während wir uns mit bezug auf die Nachtarbeit der Frauen recht befriedigt erklären

742 können. Allerdings sind die Fristen zur Durchführung der in Aussicht genommenen Regelung langgestreckte, aber ein großer Erfolg ist erreicht, das Eis ist gebrochen, ein Aniang ist gemacht, und wir hoffen, daß es möglich sein wird, auf dem nun eingeschlagenen und erprobten Wege rüstig vorwärts zu schreiten.

Dabei dürfen wir freilich nicht vergessen, daß die Früchte internationaler Bestrebungen nur langsam reifen, daß sie aber um so wertvoller, je größer die Kulturgebiete, welche sie mit gemeinsamem Bande umfassen.

Meine Herren ! Sache der hohen Staatsregierungen wird es nun sein, zu beurteilen, ob das von uns vorgelegte und durchberatene Material zweckentsprechend, ob die von uns vorgeschlagenen Grundzüge zur Regelung der vorwürfigen Fragen einen weitern Ausbau ermöglichen und geeignet sind, ein alle berechtigte Interessen befriedigendes Übereinkommen zu erzielen. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß dies der Fall sein wird, und daß die hohen Regierungen nicht zögern werden, auf dem Wege diplomatischer Unterhandlungen das so vorbereitete Werk zum glücklichen Abschluß zu bringen.

Möge der Geist der Humanität und wahren Menschenliebe auch jene beseelen, die berufen sind, unsere Vorschläge in die Wirklichkeit umzusetzen, dann wird der dieser Tage ausgestreute Samen in nicht zu ferner Zeit reiche Früchte bringen, nicht nur zum Wohle und Segen einzelner Klassen, sondern der gesamten Volksgemeinschaf t.a (Anhaltender Beifall.)

Der Herr Vorsitzende erklärt hiermit die Konferenz für geschlossen.

Schluß 11 Uhr.

Die Sekretäre: Prof. Dr. Stephan Bauer.

Dr. 0. Kieser.

Paul Dinichert.

Der Präsident: Dr. À. Dencîier, Bundesrat.

743

Schlussakte der

internationalen Konferenz für Arbeiterschutz.

Die. Delegierten der Regierungen

des Deutschen Kelchs, Spaniens, Norwegens, Österreichs, Frankreichs, der Niederlande, Ungarns, Grossbritanniens, Portugals, Belgiens, Dänemarks,

Italiens, Luxemburgs,

Schwedens, der Schweiz,

sind am 8. Mai 1905 in Bern zu einer Konferenz zusammengetreten, um über die Regelung der zwei im Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrates vom 30. Dezember 1904 enthaltenen Fragen des Arbeiterschutzes zu beraten. Die unterzeichneten Delegierten sind übereingekommen, den schweizerischen Bundesrat zu ersuchen, er möchte als Ergebnis der Beratungen der Konferenz den beteiligten hohen Staatsregierungen behufs gutscheinender diplomatischer Verhandlung nachstehende Vorschläge für abzuschließende internationale Vereinbarungen zustellen :

I. Grundzüge eines internationalen Übereinkommens, betreffend das Verbot der Verwendung von weissem (gelbem) Phosphor in der Zimdholzindnstrie.

Artikel 1.

Vom 1. Januar 1911 an ist die Herstellung, die Einfuhr und der Verkauf von Zündhölzern, die weißen (gelben) Phosphor enthalten, verboten.

744

Artikel 2.

Die Urkunden über die Ratifikation sollen spätestens am 31. Dezember 1907 hinterlegt werden.

Artikel 3.

Die Regierung von Japan wird eingeladen werden, bis zum 31. Dezember 1907 den Beitritt zu diesem Übereinkommen zu erklären.

Artikel 4.

Das Übereinkommen tritt in Kraft, wenn die auf der Konferenz vertretenen Staaten und Japan beigetreten sind.

II. firundzfige eines internationalen Übereinkommens, betreffend das Verbot der industriellen Nachtarbeit der Franen.

Artikel 1.

Die industrielle Nachtarbeit der Frauen soll ohne Unterschied des Alters, unter Vorbehalt der folgenden Ausnahmen, verboten sein.

Das Übereinkommen erstreckt sich auf alle industriellen Unternehmungen, in denen mehr als zehn Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt sind. Es findet keine Anwendung auf Anlagen, in denen nur Familienglieder tätig sind.

Jeder der vertragschließenden Teile hat den Begriff der industriellen Unternehmungen festzustellen. Unter allen Umständen sind, aber hierzu zu rechnen die Bergwerke und Steinbrüche, sowie die Bearbeitung und die Verarbeitung von Gegenständen ; dabei sind die Grenzen zwischen Industrie einerseits, Handel und Landwirtschaft anderseits durch die Gesetzgebung^ jedes Staates zu bestimmen.

Artikel 2.

Die im vorhergehenden Artikel vorgesehene Nachtruhe hat eine Dauer von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden.

In diesen elf Stunden soll in allen Staaten der Zeitraum von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens inbegriffen sein. · In denjenigen Staaten jedoch, in denen die Nachtarbeit der erwachsenen, industriellen Arbeiterinnen gegenwärtig nicht ge-

745 regelt ist, darf die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe während einer Übergangsfrist von höchstens drei Jahren auf zehn Stunden beschränkt werden.

Artikel 3.

Das Verbot der Nachtarbeit kann außer Kraft treten : 1. im Falle einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist; 2. für die Verarbeitung leicht verderblicher Gegenstände zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an Rohmaterial.

Artikel 4.

In den dem Einflüsse der Jahreszeit unterworfenen Industrien (Saisonindustrien), sowie unter außergewöhnlichen Verhältnissen in allen Betrieben, kann die Dauer der ununterbrochenen Nachtruhe an sechzig Tagen im Jahre bis auf zehn Stunden beschränkt werden.

Artikel 5.

Die Urkunden über die Ratifikation des Übereinkommens sollen spätestens am 31. Dezember 1907 hinterlegt werden.

Für das Inkrafttreten des Übereinkommens wird eine Frist von drei Jahren bestimmt, die von der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden an zu rechnen ist.

Diese Frist soll zehn Jahre betragen : Ï. für die Fabriken, die Rohzucker aus Rüben herstellen-; 2. für die Schafwollkämmerei und -Spinnerei; 3. für die Arbeiten über Tage in Bergwerken, sofern diese Arbeiten für die Dauer von mindestens vier Monaten im Jahre infolge von klimatischen Verhältnissen eingestellt werden müssen.

Ausgefertigt in Bern am sechzehnten Mai des Jahres neunzehnhundertfünf in einem deutschen und französischen Exemplar, das im schweizerischen Bundesarchiv niedergelegt, und von dem jeder der bei der Konferenz vertretenen hohen Staatsregierungen auf diplomatischem Wege eine beglaubigte Abschrift zugestellt werden soll.

746

I. Verbot der Verwendung von weissem (gelbem) Phosphor iii der Zündholzindustrie.

Caspar.

Koch.

Frick.

G. Plehn.

Hasenöhrl.

Mataja.

Bach.

Dr. Müller.

Fries.

Homann.

Szterényi.

Csóka.

Procopius.

Gerster.

Alf. Simonis.

Ed. Peltzer.

J. Dubois.

Edmond Fabri H. Dupont.

José de !a Rica y Calvo.

R. Waddington.

A. Miilerand.

A te Keufer.

Arthur Fontaine.

H. Sévène.

Luigi Belloc et aussi pour G. Montemartini.

H. Neuman.

L H. W. Regout.

H. F. Kuyper.

Ernesto Madeira Pinto.

A. Deucher.

F. Kaufmann.

E. Frey.

Schobinger.

H. Scherrer.

Jules Vautier.

John Syz.

Otto Lang.

II. Yerfoot der industriellen Nachtarbeit der Frauen.

Caspar.

Koch.

Frick.

G. Plehn.

Hasenöhrl.

Mataja.

Bach.

Dr. MülEer.

Fries.

Homann.

Szterényi.

Csóka.

Procopius.

Gerster.

Alf. Simonis.

Ed. Peltzer.

J. Dubois.

Edmond Fabri.

H. Dupont.

Gustav Philipsen.

H. Vedel.

José de la Rica y Calvo.

R. Waddington.

A. Millerand.

A te Keufer.

Arthur Fontaine.

H. Sévène.

Luigi Belloc et aussi pour G. Montemartini.

H. Neuman.

E. Lund.

L. H. W. Regout.

H. F. Kuyper.

Ernesto Madeira Pinto.

A. Deucher.

F. Kaufmann.

E. Frey.

Schobinger.

H. Scherrer.

Jules Vautier.

John Syz.

Otto Lang.

747 Die Übereinstimmung mit dem Urtexte wird beglaubigt: Die Sekretäre :

Der Präsident :

Prof. Dr. Stephan Bauer.

Dr. 0. Rieser.

Paul Dinichert.

Dr. A. Beucher, Bundesrat.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an diejenigen Staaten, welche an der vom 8.--17. Mai in Bern abgehaltenen internationalen Konferenz für Arbeiterschutz vertreten waren, nämlich: Deutschland, Österreich, Ungarn, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Gr...

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1905

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30

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