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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, den von Maître, Anton von Evolena, gegen seine disziplinarische Bestrafung gerichteten Rekurs betreffend.

(Vom 11. September 1905.)

Tit.

Am 30. Juli 1903 zeigte der Stellvertreter des Kreisinstruktors in Chur dem Militärdepartement des Kantons Wallis an, daß der zur Rekrutenschule VIII/3 eingerückte Rekrut Maître, Anton, geb. 1879, Landwirt von und in Bvolena, aus sanitarischen Gründen wieder nach Hause entlassen worden sei. Das kantonale Departement schrieb hierauf an den Kreisinstruktor zurück, daß der Platzarzt von Chur sich von Maître habe täuschen lassen, da der Krankheitszustand des letztern ein mit künstlichen Mitteln hervorgerufener sei. Diese Zuschrift wurde vom Kreisinstruktor der VIII. Division dem Waffenchef der Infanterie übersandt mit dem Antrage, es sei der genannte Rekrut mit zwanzig Tagen Arrest zu bestrafen. Von diesem Vorschlage, mit welchem sich auch der Oberfeldarzt einverstanden erklärte, gab der Waffenchef dem Militärdepartement des Kantons Wallis Kenntnis, mit dem Ersuchen, den Maître im Verhältnis zu dem begangenen Fehler zu bestrafen. Gleich darauf übermittelte der Kreisinstruktor dem Waffenchef einen vom Platzarzte in Chur verfaßten Bericht, aus welchem hervorging; daß sich Maître beim Einrücken in die Rekrutenschule rein passiv verhalten, daß der Arzt erst bei der sogenannten Krätzvisite von sich aus bei dem Genannten das

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Vorhandensein von Eczem beobachtet, und daß eine spätere eingehende Untersuchung die Dienstuntauglichkeit des Betreffenden erzeigt hatte. Dieser Bericht wurde · sofort dem kantonalen Militärdepartemente zur Kenntnisnahme und Berücksichtigung bei der Strafausmessung nachgeschickt, besagte Amtsstelle hatte indes bereits über Maître zwanzig Tage Arrest verhängt, mit der Begründung, daß derselbe, um sich der Dienstleistung zu entziehen, eine Krankheit simuliert habe. Zur Erklärung dieser Verfügung bedarf es einer näheren Ausführung dessen, was derselben vorausgegangen ist.

Maître war nämlich im gleichen Jahre schon zur Bestohung der Rekrutenschule 1/3 verhalten worden. Zu diesem Dienste am 8. Juli in Sitten einrückend, hatte er sich krank gemeldet und dabei eine Wunde am linken Fuße gezeigt, welche ihn am Gehen hinderte und von der Anwendung zu heißer Cataplasmen herrührte. Der Platzarzt dispensierte ihn zwar daraufhin der Brandwunde wegen vom Einrücken in die Rekrutcnschule, verzeigte ihn dagegen dem kantonalen Militärdepartement, indem er dafür hielt, daß sich der Mann durch Auflegen der heiße n Umschläge absichtlich dienstunfähig gemacht habe. Maître wurde vom Militärdepartement des Kantons Wallis mit fünf Tagen Arrest bestraft und überdies in die Rekrutenschule VIII/3 (Ende Juli) aufgeboten. Dabei hält diese Amtsstelle nach wie vor des bestimmtesten daran fest, daß der Genannte die über ihn verhängte Strafe als gerechtfertigt anerkannt habe. Als nun Maître auch aus Chur entlassen heimkehrte, war das Walliser Militärdepartement sofort überzeugt, daß es dem betreffenden Rekruten durch Vorzeigung der alten beziehungsweise einer neuen, auf ähnliche Weise erzeugten Wunde oder sonst durch irgend eine unerlaubte Handlungsweise gelungen sei, den dortigen Platzarzt ebenfalls zur Abgabe eines Dienstuntauglichkeitsbefundes zu bringen, und dies gab alsdann den Anlaß zu der zweiten Strafverfügung ab. Das kantonale Departement war nämlich nicht nur im Hinblick auf das frühere strafbare Gebahren Maîtres, sondern auch deshalb zu strengem Einschreiten entschlossen, weil die Selbstverwundung zum Zwecke der Dienstumgehung im Bataillonskreise, in welchem Evolena liegt, tatsächlich beinahe zur Gewohnheit geworden war. Mußten doch laut einem Berichte dieser Amtsstelle im nämlichen Jahre bei dem Einrücken des
Füsilierbataillons Nr. 88 fünf Soldaten, welche sich mit Brandwunden zur ärztlichen Untersuchung gestellt hatten und von denen drei dieser Verletzungen wegen wirklich von der Teilnahme am Wieder-

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holungskurse dispensiert worden waren, auf den Antrag Truppenkommandos hin mit Arrest bestraft werden.

des

Nachdem Maître, vertreten durch Herrn Advokat Kuntschen in Sitten, gegen seine zweite Bestrafung Beschwerde geführt hatte, wurde seine vorläufige Entlassung aus der Haft vom schweizerischen Militärdepartement angeordnet. Derselbe wurde über den Vorfall einvernommen, und eine ärztliche Untersuchung bestätigte bei ihm das Vorhandensein der erwähnten Hautkrankheit. In zwei Entscheiden vom 2. Oktober und 11. November 1903 verfügte alsdann unser Militärdepartement, daß dem Rekurrenten, welcher bereits 17 Tage der Haft verbüßt hatte, die letzten 3 Tage zu erlassen seien, und wies im übrigen die Beschwerde ab, unter der Begründung, d&ß Maître beim Diensteintritt seine Krankheit vorschriftswidrig verschwiegen habe und infolgedessen unter die Bestimmung von Art. 166, Ziffer 9 und 11, des Militärstrafgesetzes falle. Auf einen weiteren Rekurs trat der Bundesrat mit Schlußnahme vom 8. Januar 1904 wegen Inkompetenz nicht ein; das Gleiche tat auch der Staatsrat des Kantons Wallis, an welchen sich Maître, nachdem er wegen Eczem ausgemustert worden war, später ebenfalls noch gewandt hatte.

Mit Eingabe vom 16. Juni 1905 stellt nun Maître an die eidgenössischen Räte das Gesuch, es möchte ihm für die erlittene Ungerechtigkeit eine Entschädigung von Fr. 200 zugesprochen werden. Dieses Schreiben wird zwar als ,,Petition"1 bezeichnet, ißt aber doch als Rekurs aufzufassen, indem es seinem ganzen Inhalte nach eine Anfechtung der ergangenen Strafverfügungen darstellt. In dieser Beziehung ist nun darauf hinzuweisen, daß das schweizerische Militärdepartement in militärischen Disziplinarstrafsachen endgültig zu entscheiden hat. Sowohl der Bundesrat als auch die Bundesversammlung haben sich in konstanter Praxis zur Überprüfung von Disziplinarstrafverfügungen des schweizerischen Militärdepartements stets für unzuständig erklärt. So sind z. B. der Bundesrat und die eidgenössischen Räte nacheinander, letztere mit Schlußnahme vom 15./2l. Dezember 1900, auf den Rekurs, welchen der Canonier H. Baud gegen seine Bestrafung eingereicht hatte, mangels Zuständigkeit nicht eingetreten, und den gleichen Standpunkt haben die eidgenössischen Räte erst vor kurzer Zeit, d. h. am 31. März/23. Juni 1905 in Sachen Chapuis eingenommen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 30. Dezember 1904, Bundesbl. 1905, I, 1).

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Das Begehren des Maître ist aber auch materiell unbegründet.

Als die Leute des in die Rekrutenschule VIII/3 nach Chur aufgobotenen Walliser Détachements in Sitten vom Platzarzte gefragt worden waren, ob jemand unter ihnen eine Krankheit be«w.

ein Gebrechen anzuzeigen habe, hat sich Maître nicht gemeldet.

Die vom Genannten begangenen Ordnungsfehler des ungehorsamen Betragens und der unwahren Angaben gegenüber seinen Vorgesetzten (Art. 166, Ziffer 9 und 11, des Militärstrafgesetzes) bestanden demnach nicht in Simulation, sondern vielmehr darin, daß jener trotz der erhaltenen Aufforderung sein Hautleiden nicht zur Anzeige gebracht hat. Indem derselbe also handelte, hat er dem Bunde durch seinen Transport von Sitten nach Chur und zurück unnötige Kosten verursacht, und wenn das Eczem nicht zufällig vom Churer Arzte zu Anfang des Dienstes, sondern erst im spätem Verlaufe des letztern bemerkt worden wäre, so hätten noch weitere Auslagen, so für Krankenbehandlung, Sold und Verpflegung, entstehen können. Für diese Handlungsweise halten wir nun Maître mit 17 Tagen Arrest für gebührend bestraft, und eine nachträgliche Entschädigung erscheint uns hier durchaus nicht am Platze. Wenn der Genannte desungeachtet auf der Geltendmachung einer Vergütung beharren will, so mag er sich sein vermeintliches Recht vor dem bürgerlichen Richter suchen.

In Umfassung des Angebrachten beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, Sie wollen auf den Rekurs des A. Maître wegen Inkompetenz nicht eintreten ; in zweiter Linie beantragen wir, die Beschwerde abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 11. September 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der II. Vizekanzler : Gigandet.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, den von Maitre, Anton von Evolena, gegen seine disziplinarische Bestrafung gerichteten Rekurs betreffend. (Vom 11. September 1905.)

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