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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, den von Pittet, Charles, Gefreiten der Festungskanonierkompagnie Nr. 7, gegen seine disziplinarische Bestrafung gerichteten Rekurs betreffend.

(Vom 26. Juni 1905.)

Tit.

Pittet, Charles, geboren 1877, Mechaniker in Lausanne, Gefreiter der Festungskanonierkompagnie Nr. 7, war im Frühling 1900 in den Dienst der äthiopischen Eisenbahngesellschaft getreten und nach Djibuti verreist, ohne vorher die Bewilligung eines Urlaubes nachgesucht zu haben. Derselbe versäumte den ordentlichen Wiederholungskurs von 1901 und wurde daher, als er sich 1902 wieder in der Schweiz aufhielt, zur Nachholung dieses Dienstes verhalten; von einer Bestrafung wurde damals Umgang genommen. Pittet begab sich kurze Zeit darauf nach Afrika zurück und unterließ es dabei neuerdings, bei den Militärbehörden um Urlaub einzukommen ; seine Ausrüstung gab er ebenfalls nicht ab. Erst im folgenden Jahre suchte der Genannte von Djibuti aus seine Beurlaubung zu erlangen, das Militärdepartement des Kantons Waadt wies jedoch das Gesuch ab, in der Meinung, daß ein Wehrpflichtiger nach einer Abwesenheit von mehreren Monaten seine Angelegenheit nicht einfach auf diese Weise in Ordnung bringen könne. Pittet versäumte sodann den Wiederholungskurs von 1903. Später, d.h. im November des gleichen Jahres, wurde

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ihm dann vom waadtländischen Militärdepartement der nochmals erbetene Urlaub erteilt, in einem nachfolgenden Schreiben machte ihn die genannte Amtsstelle zudem darauf aufmerksam, daß er des vorgekommenen Dienstentzuges wegen straffällig sei. Nach seiner Rückkehr wurde Pittet sodann vom waadtländischen Militärdepartement mit zehn Tagen Arrest bestraft uud außerdem vom Kreiskommando wegen Umgehung der militärischen Kontrollvorschriften gebüßt.

Gegen die Arrestverfügung rekurrierte der Genannte an den Bundesrat. Das schweizerische Militärdeparternent, welches in militärischen Disziplinarstrafsachen endgültig zu entscheiden hat, nahm indes die Erledigung der Beschwerde zunächst für sich in Anspruch und wies alsdann die letztere als unbegründet ab. Pittet zieht nun die vorliegende Angelegenheit an die eidgenössischen Räte weiter (sein Schreiben vom 14. Mai 1905 ist speziell an den Nationalrat gerichtet) und macht dabei geltend, daß er seiner Anstellung halber sofort habe abreisen müssen und infolgedessen außer stände gewesen sei, noch seinen militärischen Obliegenheiten nachzukommen.

Der Bundesrat hat nun allerdings in Sachen gar nicht geurteilt; wir sehen indes, soweit an uns, von der Fassung eines Entscheides ab, welcher doch nur, wie die nachfolgende Ausführung zeigt, in formeller wie in materieller Hinsicht die Abweisung der Beschwerde aussprechen müßte.

Was nämlich die formelle Seite der Beschvverdeangelegenheit anbelangt, so ist in Erwägung zu ziehen, daß der Bundesrat und die Bundesversammlung sich in konstanter Praxis zur Überprüfung von Disziplinarstrafverfügungen des schweizerischen Militärdepartements stets für unzuständig erklärt haben. So sind z. B. der Bundesrat und die eidgenössischen Kate nacheinander, letztere mit Schlußnahme vom 15./21. Dezember 1900, auf den Rekurs, den der Kanonier H. Band gegen seine Bestrafung eingereicht hatte, wegen Inkompetenz nicht eingetreten. Die vorliegende Eingabe sollte indes nicht nur insoweit sie einen Rekurs darstellt, sondern auch insoweit sie etwa als ein bloßes Straferlaßgesuch aufgefaßt werden könnte, aus formellen Gründen abgewiesen werden. Nach Art. 214 der Militärstrafgerichtsordnung kann nämlich eine Begnadigung einzig gegenüber dem Urteile eines Militärgerichtes erfolgen, und ein solches liegt hier nicht vor; überdies wäre zur Gewährung
derselben ordentlicherweise nicht die Bundesver. Sammlung, sondern der Bundesrat zuständig (vergi. Botschaft des Bundesrates i. S. Band ; Bundesbl. 1900, IV, 988). In Bezug auf die materielle Seite des Falles bleibt zu bemerken, daß Pittet

527 ohne Erlaubnis vom Wiederholungskurse, zu dessen Bestehung er gemäß Jahrgang und Einteilung verpflichtet war, ausgeblieben ist und daher bestraft werden mußte. Gemäß Art. 196 des Bundesgesetzes über die Strafrechtspflege für die eidgenössischen Truppen, vom 27. August 1851, sowie gemäß Ziffer 48 des Dienstreglementes kommt der Beschwerdeführung keine aufschiebende Wirkung zu; in Anbetracht dessen hat unser Militärdepartement dasjenige des Kantons Waadt bereits eingeladen, die über den Rekurrenten verhängte Arreststrafe an demselben vollziehen zu lassen.

Wir beehren uns demnach, Ihnen zu beantragen, Sie wollen auf den Rekurs des Pittet wegen Inkompetenz nicht eintreten ; in zweiter Linie beantragen wir, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 26. Juni

1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rücket.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-·gä-O-ss.-

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, den von Pittet, Charles, Gefreiten der Festungskanonierkompagnie Nr. 7, gegen seine disziplinarische Bestrafung gerichteten Rekurs betreffend. (Vom 26. Juni 1905.)

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28.06.1905

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