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Schweizerisches Bundesblatt.

57. Jahrgang. IV.

Nr. 34.

16. August 1905.

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Bundesratsb eschluß über

die Eintragung der Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber in das Handelsregister.

(Vom 15. August 1905.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über die Eintragung der V e r e i n i g u n g der z ü r c h e r i s c h e n K o n t r o l l b u c h i n h a b e r in das Handelsregister, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

in tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Am 8. Februar 1905 wurde die V e r e i n i g u n g d e r z ü r c h e r i s c h e n Kontrollbuchinhaber als ,,Verein" im Sinne des Titels XXVIII des Obligationenrechts in das Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen.

Das schweizerische Handelsregisterbüreau verweigerte die Veröffentlichung der Eintragung und ersuchte das Handelsregisterbureau Zürich, die Eintragung zu annullieren, da es sich um eine Gesellschaft handle, die nur als ,,Genossenschaft" im Sinne des Titels XXVII des Obligationenrechts das Recht der Persönlichkeit erwerben könne.

Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

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Auf eine hiergegen erhobene Beschwerde ist der Bundesrafc laut Beschluß vom 7. März 1905 nicht eingetreten, da gemäß.

Art. 3, Abs. l, und Art. 44 der bundesrätlichen Verordnung über das Handelsregister vom 6. Mai 1890, vorerst ein Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vorliegen muß, bevor sich der Bundesrat mit der Angelegenheit befassen kann (vgl. Bundesbl. 1905, I, 956; und Schweizerisches Handelsamtsblatt Nr. 117, vom 20. März 1905,, Seite 466).

II.

Namens der Vereinigung züroherischer Kontrollbuchinhaber verlangte daher Herr Rechtsanwalt Dr. G. Hürlimann in Zürich mit Zuschrift vom 23. März 1905 von der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich als kantonaler Aufsichtsbehörde über das Handelsregister einen Entscheid in dieser Angelegenheit.

a. Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, ^in Hinsicht auf die Erwägungen zum Bundesratsbeschluß vom 7. März 1905, sowie im wesentlichen in Zustimmung zu den Ausführungen des kantonalen Handelsregisterführers", verfügte darauf unterm 29. April 1905 : 1. Dem Begehren der Vereinigung zürcherischer Kontrollbuchinhaber, es möchte dieselbe als Verein zur Eintragung in das Handelsregister gelangen, wird entsprochen.

2. Das Handelsregisterbureau Zürich wird eingeladen, die Eintragung Nr. 157 vom 8. Februar 1905 neuerdings zum Zwecke der Veröffentlichung durch das schweizerische Haudelsamtsblatt an die zuständige Amtsstelle weiterzuleiten.

3. Das schweizerische Handelsregisterbureau wird ersucht, die Eintragung des genannten Vereins unverzüglich zu veröffentlichen.

4. Mitteilung etc. etc.

b. Die angezogenen Ausführungen des Handelsregisterbureau Zürich lauten wie folgt: Das Verfahren, im vorliegenden Falle einen erstinstanzlichen Entscheid zu verlangen, sei deshalb ein ungewohntes, weil ein solcher von der kantonalen Aufsichtsstelle begehrt werde in einer Sache, die gar nicht streitig sei. Das zürcherische Handelsregisterbureau befinde sich in Übereinstimmung mit dem Standpunkte des Vertreters der Beschwerdeführer. Ein Konflikt bestehe nicht über

967 das Verfahren des kantonalen Registerführers, sondern über dasjenige des schweizerischen Handelsreajisterbureaus, weil letzteres sich Kompetenzen angeeignet habe, die ihm nicht zukommen.

Bedeutungsvoller als der Entscheid in diesem Spezialfalle erscheine die Abklärung der Frage, ob das schweizerische Handelsregisterbureau berechtigt sei, die kantonalen Registerbnreaus anzuweisen, Eintragungen zu annullieren, wie dies hinsichtlich der Vereinigung zürcherischer Koatrollbuchinhaber geschehen sei.

Die Kontroverse sei keine bloß akademische. Es frage sich: Ist eine Eintragung gültig unmittelbar nachdem sie in das Register erfolgt ist, oder aber erst nach der ausdrücklichen oder stillschweigenden Genehmigung durch das schweizerische Handelsregisterbureau. Damit stehe im Zusammenhang die Frage: Dürfen die Registerführer Zeugnisse über stattgefundene Eintragungen ausstellen unmittelbar nachdem die Eintragung in das Journal vorgenommen, oder aber erst, nachdem das schweizerische Registerbuveau die Publikation unbeanstandet gelassen habe. Dieser Punkt sei besonders wichtiger Natur, da sehr häufig unmittelbar nach der Eintragung von Firmen irgendwelcher Art vom Registerführer Zeugnisse verlangt werden, auf Grund deren oft noch am Tage der Eintragung notarialisehe Fertigungen, Verträge verschiedener Art, Übertragung von Patenten, Schuldübernahmen, Abschreibung von Prozessen u. s. w. erfolgen. Wie verhalte es sich dann, wenn solche Zeugnisse ausgestellt und als Grundlagen von Rechtsakten verwendet werden, hernach aber vom schweizerischen Handelsregisterbureau Weisung komme, die betreffende Eintragung sei zu annullieren ?

Entweder seien nun Eintragungen gültig mit dem Momente ihrer Aufnahme ins Journal, dann könne der Registerführer ohne persönliches Risiko Zeugnisse sofort ausstellen, oder aber es dürfen Zeugnisse erst nach der Publikation erteilt werden, was zur Voraussetzung habe, daß die Eintragung erst mit der Gutheißung durch das schweizerische Registerbureau überhaupt eine rechtliche Bedeutung erlange.

Der züreherische Registerführer bestreite dem schweizerischen Handelsregisterbureau die Kompetenz, Weisung zur Annullierung von Eintragungen zu erteilen. In bezug auf sämtliche Eintragungen habe das schweizerische Registerbureau nicht die Bedeutung einer Instanz ; die Eintragungen in das Handelsregister
seien gültig mit dem Momente ihrer Aufnahme in das kantonale Register und sie bedürfen zu ihrer Gültigkeit weder ausdrücklicher noch stillschweigender Genehmigung des schweizerischen Registerbureaus.

968 Sofern unrichtige Eintragungen gemacht werden, so seien solche auf dem Wege des gerichtlichen, beziehungsweise des Verwaltungsverfahrens zu widerrufen und sei der Widerruf gerade wie die Eintragung zu publizieren (siehe Art. 7, Lemma 5, der bezüglichen Verordnung vom 6. Mai 1890).

Von einem Sistierungs-, Inhibitions- oder Annullierungsrecht des schweizerischen Handelsregisterbureaus könne nur gesprochen werden, wenn das Firmenrecht ein solches zulasse, d. h. wenn es die Wirkungen der Eintragung erst auf einen Zeitpunkt n a c h der Eintragung beginnen lasse. Es sei zu untersuchen, ob mit dem Momente der Eintragung oder erst später die Rechtswirkungen beginnen; ob bestimmend sei der Akt der Eintragung oder die Funktion des schweizerischen Registerbureaus; ob das Kriterium liege in der Eintragung oder aber in der Publikation durch das schweizerische Handelsamtsblatt.

Hier zitiert der zürcherische Registerführer einige Gesetzesstellen des schweizerischen Obligationenrechtes: Die Aktiengesellschaft erwirbt Persönlichkeit erst infolge der E i n t r a g u n g in das Handelsregister, Art. 623.

Das Recht der Persönlichkeit für Verbände nach Art. 678 wird durch die E i n t r a g u n g in das Handelsregister erworben.

Art. 8591 spricht einzig von den E i n t r a g u n g e n , sowie Art. 8632 ausdrücklich von den Rechtswirkungen, welche unmittelbar mit der E i n t r a g u n g eintreten. Die Kommentare zählen «ine ganze Reihe solcher Fälle auf; Art. 4223, 5528, 5861, 5903, 3 2 602, 611, 623, 626 , 627 , 678, 691, 692, 716, 868 etc.

Überall handle es sich um die Wirkungen der Eintragung und nirgends um die Wirkung der Publikation.

Das schweizerische Handelsregisterbureau werde diesen Einwendungen gegenüber auf Art. 44, Lemma l, der zitierten Verordnung vom 6. Mai 1890 sich stützen" und darauf hinweisen, daß ihm obliege, die Eintragung auf ihre ,,Gesetzmäßigkeit11 zu prüfen ; in konkreto habe es bezweifeln müssen, daß der Zweck der Gesellschaft ein ,,idealer" sei. Hier entstehe nun die Frage, wie eine solche Überprüfung, ein zeitliches Hinausschieben der Publikation im Falle irgendwelcher ^Zweifel", berechtigter oder unberechtigter, gegenüber der Tatsache sich verhalte, daß nach dem Obligationenrecht die Wirkungen mit der E i n t r a g u n g und nicht mit der Gutheißung durch das schweizerische
Registerbureau beginnen.

Die Lösung liege darin, daß die Verordnung vom 6. Mai 1890 in diesem Punkte gar nicht auf gesetzlichem Boden stehe und eine Praxis ermöglicht habe, die mit dem Gesetze im Widerspruch sich befinde. Wenn zugestanden werden müsse, daß die Wirkungen

969 einer Eintragung mit der Aufnahme in das Handelsregister beginnen, so bleibe nichts anderes übrig, als eben das schweizerische Registerbureau hinsichtlich seines Überprüfungsrechtes hors de cause zu setzen. Finden Eintragungen statt, die mit dem Rechte in Widerspruch sind, so müssen dieselben hernach, und zwar durch besondere Eintragung respektive Publikation, im Sinne von Art. 7, letztes Lemma, der Verordnung geändert werden.

Zur Frage, ob der Vereinigung zürcherischer Kontrollbuchinhaber die Rechtsnatur eines Vereins zukomme, wird vom Registerbureau Zürich unter anderm bemerkt: Wenn man das entscheidende Merkmal des Vereins zu idealen Zwecken darin suchen wolle, daß die Statuten keinerlei Normen über gemeinsamen geschäftlichen Verkehr enthalten oder eine Vergrößerung der Rechtssicherheit anstreben dürfen, daß jeder Finanzverkehr ausgeschlossen sein müsse und dergleichen, so könne ins Handelsregister überhaupt kein Verein mehr eingetragen werden.

Jedes Musikorchester, die Sängervereine, ein Lesezirkel, die sich doch alle als Vereine konstituieren und zum Teil auch unter dieser Form eingetragen seien, kontrahieren geschäftliche Abschlüsse, deren finanzielle Tragweite oft weit über die Unternehmungen einer Genossenschaft hinausgehe. Bei allen könnte schließlich das schweizerische Handelsregisterbureau die Eintragung sistieren, seine Zweifel anbringen, ob der Zweck wirklich ein rein idealer sei, und dadurch die beteiligten Personen, namentlich aber die kantonalen Registerführer, in große Verlegenheiten und Gefahren versetzen.

Wähle ein Verband die unrichtige Form, so sei dies seine Sache ; wenn derlei Einreden in Prozessen gebracht werden, so haben die Gerichte darüber zu sprechen. Die Abgrenzung zu finden für Vereine mit rein idealen Zwecken sei schwierig. Es könne nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörden sein, ohne daß irgend ein Konflikt bestehe, in diesen Dingen Experimente zu machen.

Ein Blick in das schweizerische Firmenregister genüge, um zu zeigen, wie übel man angesichts der bisherigen Praxis mit der amtlichen Überprüfung in bezug auf das Vorhandensein wirtschaftlicher Zwecke ankäme.

Der Vereinigung zürcherischer Kontrollbuchinhaber, welche durch die Eintragung lediglich die juristische Persönlichkeit erwerben wolle, um einen Kontrollbuchvertrag abzuschließen, oder der
Glühlampeneinkaufsvereinigung, die nicht einmal eine Kasse, geschweige unter eigenem Namen irgend einen Verkehr führe, sei die Eintragung als Verein untersagt worden; dagegen dürfe die schweizerische Hagelversicherungsgesellschaft in der Form des Vereins bestehen, obwohl sie seit ihrer Gründung Versicherungs-

970 vertrage für über eine halbe Milliarde abgeschlossen und über sieben Millionen an Entschädigungen ausbezahlt habe, jährlich nahezu eine Million an Prämien einnehme und einen Reservefonds von über zwei Millionen besitze. Noch einige derartige Vereine seien aufgezählt: Neue Tonhallegesellschaft, schweizerischer Philatelistenverein, schweizerischer Schaustellerverein, schweizerischer Verband der Versicherungsvertreter und -beamten, schweizerischer Droguistenverein, schweizerischer kaufmännischer Verein, Sparund Vorschußverein Bahnhofwerkstätte Zürich, Verein der Metzgermeister, Verein der Hoteliers, Verein der Bierbrauereien des Kantons Zürich, Verein zürcherischer Droguisten, zürcherische Liederbuchanstalt.

Alle diese Vereine seien unbeanstandet ins Handelsregister eingetragen und vom schweizerischen Handelsregisterbureau zur Publikation zugelassen worden.

Wenn Vereine zu idealen Zwecken sich im Kanton Zürich eintragen lassen, obwohl sie nach den §§17 u. ff. des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches auch ohne Eintragung das Recht der juristischen Persönlichkeit hätten, so liege der Grund darin, daß diese Verbände im interkantonalen oder internationalen Verkehr mit einem Zeugnisse über die Eintragung im Handelsregister ohne weiteres legitimiert seien, während sie im Falle der Berufung auf das kantonale zürcherische Recht vielerlei Weitläufigkeiten ausgesetzt wären.

III.

Art. 44 der Verordnung über das Handelsregister und das Handelsamtsblatt vom 6. Mai 1890 bestimmt : ,,Das schweizerische Handelsregisterbureau prüft den Inhalt der Auszüge auf seine Gesetzmäßigkeit und bewirkt deren Veröffentlichung durch das Handelsamtsblatt.

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einer kantonalen Aufsichtsbehörde und dem schweizerischen Handelsregisterbureau hat das Justiz- und Polizeidepartement den Gegenstand dem Bundesrate zur Entscheidung vorzulegen."

Eine solche Meinungsverschiedenheit besteht im gegebenen Falle. Weder das schweizerische Handelsregisterbureau noch das Justiz- und Polizeidepartement vermögen den Standpunkt als richtig anzuerkennen, den die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich einnimmt. Die Akten wurden deshalb dem Bundesrat zur Entscheidung vorgelegt.

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B.

in rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

Es sind zwei Fragen zu entscheiden. In' erster Linie bestreitet die zürcherische Volkswirtschaftsdirektion dem schweizerischen Handelsregisterbureau und damit den Bundesbehörden, das Recht, den Inhalt der Eintragungen in die kantonalen Handelsregister zu überprüfen und eventuell zu beanstanden, wenn es sich nicht um Fälle handelt, in denen das Gesetz den Wirkungen der Eintragung erst auf den Zeitpunkt n a c h der Eintragung beginnen läßt. Nach ihrem Dafürhalten müssen die Eintragungen vielmehr ohne weiteres unter allen Umständen durch das Handelsamtsblatt veröffentlicht werden.

In zweiter Linie vertritt sie die Ansicht, die Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber sei als Verein zu idealen Zwecken zu betrachten.

I.

Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich bestreitet ·dem schweizerischen Handelsregisterbureau ein Sistierungs-, Inhibitions- oder Annullierungsrecht nicht schlechthin. Sie will vielmehr ein solches zugestehen, ,,wenn. das Firmenrecht ein solches zulasse, d. h. wenn es die Wirkungen der Eintragung erst auf einen Zeitpunkt nach der Eintrangung beginnen lasse". Es sei zu unterscheiden, ob mit dem Momente der Eintragung oder erst später die Rechtswirkungen beginnen.

Sie stützt sich dabei auf die Unterscheidung, die Art. 863 des Obligationenrechtes macht, indem er bestimmt: ,,«. Absatz l : Die Eintragungen in das Handelsregister werden gegenüber dritten Personen in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie durch die amtliche Bekanntmachung zur Kenntnis derselben gelangt sein können ; b. Absatz 2 : V o r b e h a l t e n b l e i b e n d i e b e s o n d e r e n Bestimmungen, wonach unmittelbar mit der Eintragung selbst Dr i t t e n gegenüber R e c h t s w i r k u n g e n v e r b u n d e n sind."

Sie will aus Absatz 2 die Folgerung ziehen, daß mit dem Zeitpunkt, in welchem der Registerführer eine Anmeldung protokolliert, die Eintragung perfekt geworden sei und jedermann entgegengehalten werden könne. Dem ist aber nicht so. Die Eintragungen können nicht schon in dem Moment als rechts-

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gültig erfolgt betrachtet werden, in welchem sie der kantonale Registerführer vornimmt.

Die Frage, in welchem Zeitpunkt die Eintragung in das Handelsregister als vollzogen gelten könne, ist eine Frage des Verfahrens.

Was letzteres anbetrifft, so bestimmt Art. l des Bundesgesetzes zur Ergänzung der Bestimmungen des Obligationenrechtes, über das Handelsregister, vom 11. Dezember 1888: Als Absatz 4 von Art. 859 des Bundesgesetzes über dasObligationenrecht ist folgende Bestimmung aufzunehmen: ,,Der Bundesrat erläßt die Vorschriften über Einrichtung^ Führung und B e a u f s i c h t i g u n g der Handelsregister, ü b e r das bei den E i n t r a g u n g e n zu b e o b a c h t e n d e Verf a h r e n , die zu entrichtenden Taxen und die Beschwerdeführung, sowie über die Einrichtung des Handelsamtsblattes.11 In Ausführung dieses Gesetzes wurde die Verordnung über das Handelsregister und das Handelsamtsblatt vom 6. Mai 1890 erlassen, welche unter anderem in Art. 44 (vide oben sub A. III) dem eidgenössischen Handelsregisterbuveau die Pflicht überbindet, die Eintragungen in das Handelsregister auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen. Dabei wird, wohlbewußt, keine Unterscheidung gemacht, zwischen Eintragungen im Sinne des Art. 863, Absatz l, und solchen im Sinne des Art. 863, Absatz 2, des Obligationenrechtes.

Eine Unterscheidung hätte keinen Zweck. Die Frage, in welchem Zeitpunkt eine Eintragung ihre Wirksamkeit äußert, ist im Grunde überhaupt nicht durch die Handelsregisterbehörden zu entscheiden; vielmehr hätten sich gegebenen Falles die Gerichte mit ihr zu befassen.

Vom Standpunkt der Handelsregisterbehörden aus muß indessen betont werden, daß die ,,Eintragung1* ins Handelsregister nicht schon in dem Momente perfekt sein kann, in welchem der Registerführer eine Einschreibung ins Journal vornimmt. Dem Registerführer steht iu keinem Falle das letzte Wort zu, sonst würde eine bedauerliche Rechtsunsicherheit entstehen. Das letzte Wort steht vielmehr nach dem zitierten Art. 44 beim schweizerischen Handelsregisterbureau und dem eidgenössischen Justizdepartement, bezw. im Streitfalle wie hier, beim Bundesrat.

Wenn nämlich Art. 44 der Verordnung dem schweizerischen Handelsregisterbureau die Kompetenz überträgt, die Eintragungen vor der Publikation auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen, so legt er ihm auch die Pflicht auf, gesetzwidrige Eintragungen zurück-

973 zuweisen. Annullieren kann es sie allerdings selbst nicht, wie im Entscheid vom 7. März 1905 in dieser selben Sache festgestellt ist (Bundesbl. 1905, I, 950 ff.). Dies hat die kantonale Aufsichtsbehörde oder eventuell der Bundesrat zu tun.

Da dieser Artikel, wie die ganze Verordnung über das Handelsregister, durch den Buudesrat in Ausführung des Bundesgesetzes vom 11. Dezember 1888 und innerhalb der in diesem Gesetz; ausgesprochenen Kompetenz, erlassen worden ist, so steht er durchaus auf gesetzlichem Boden und ist nicht gesetzwidrig, wie der zürcherische Handelsregisterf(ihrer behauptet.

Die ,,Eintragung" im Sinne des Obligationenrechtes kann daher erst dann als endgültig erfolgt betrachtet werden, wenn sie vom schweizerischen Handelsregisterbureau genehmigt ist. Die Genehmigung äußert sich in der Regel naturgemäß in der Publikation durch das Handelsamtsblatt. Wenn Gefahr im Verzüge ist, so kann der Registerführer jederzeit vorher beim schweizerischen Handelsregisterbureau anfragen, ob die Eintragung genehmigt sei oder nicht. Die Eintragung kann in diesem Falle als erfolgt gelten, sobald sie vom schweizerischen Handelsregisterbureau als gesetzesgemäß erklärt worden ist.

Sobald die Genehmigung stattgefunden hat, kann dann vom Handelsregisterbureau auch ein Auszug über die Eintragung verabfolgt werden. Eine frühere Erteilung von Auszügen wäre ein Mißbrauch; denn das Eintragungsverfahren kann erst mit der Genehmigung durch das eidgenössische Handelsregisterbureau als abgeschlossen betrachtet werden. Wenn dem kantonalen Registerbureau der endgültige Entscheid über die Stalthaftigkeit einer Eintragung zustehen würde, dann, und nur dann würde eine große Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit entstehen.

II.

In zweiter Linie ist die Frage zu entscheiden, ob die ,,Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber 11 als Verein im Sinne des Titels XXVIII des Obligationenrechtes betrachtet werden könne.

1.

Vor allem ist der Vorwurf zurückzuweisen, daß die Gesellschaften durch das schweizerische Handelsregisterbureau ungleich behandelt werden. Die Volkswirtschaftsdirektion macht deren einige namhaft, welche tatsächlich Genossenschaften bilden, nichts-

974 destoweniger aber im Handelsregister als Verein eingetragen seien.

Es ist richtig, daß die Gesellschaften, die genannt werden, alle als Vereine im Handelsregister figurieren. Allein die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich übersieht zweierlei. Zwei der aufgeführten Gesellschaften (Hagelversicherungsgesellschaft und Liederbuchanstalt") haben bereits vor der Herrschaft des nun geltenden Rechtes bestanden. Sie wurden auf Grund der Übergangsbestimmungen des Obligationenrechtes ins Handelsregister eingetragen. Eine gesetzliche Handhabe, sie zur Konstituierung als Genossenschaften zu zwingen, existiert nicht. Die Eintragung einer Dritten (Spar- und Vorschußverein Bahnhofwerkstätten Zürich) erfolgte zu einer Zeit (1886) wo sich noch..keinerlei feste Praxis gebildet haben konnte. Bei den übrigen namhaft gemachten Gesellschaften ließ der im Auszug über die Registereintragung angegebenen Zweck nicht erkennen, daß es sich eher um Genossenschaften als um Vereine handle. Das schweizerische Handelsregisterbureau bekommt eben in der Regel die Statuten der Gesellschaften nicht zu Gesicht, sondern sieht bloß die Auszüge iius dem Handelsregister. Aus letztern ist der wahre Zweck einer Gesellschaft nicht immer zu erkennen. Es ist daher sehr wohl möglich, daß eine Reihe von Gesellschaften im Handelsregister als Vereine eingetragen werden, wenn die Registerführer nicht zu erkennen vermögen, daß es sich in Wirklichkeit um eine genossenschaftliche Organisation handelt. Regelmäßig die Statuten einzuverlangen, geht aus praktischen Gründen nicht an. Die Kontrollstelle muß sich darauf beschränken dies zu tun, wo ihr mit Rücksicht auf den angegebenen Zweck Zweifel über die rechtliche Natur einer Gesellschaft aufsteigen wie im vorliegenden Falle. Wo daher eine Gesellschaft irrtümlicherweise als Verein zugelassen wird, trifft die Schuld in der Regel nicht das schweizerische, sondern das kantonale Handelsregisterbureau. Es mag übrigens dahingestellt bleiben, ob die Mehrzahl der namhaft gemachten Gesellschaften nicht in Wirklichkeit doch Vereine sind, die keinerlei ökonomische Zwecke verfolgen.

2.

Bei der Entscheidung der Frage, ob eine Gesellschaft als Genossenschaft zu betrachten sei oder als Verein, ist maßgebend der Zweck, den sie verfolgt: verfolgen die Mitglieder gemeinsame Zwecke des wirtschaftlichen Verkehrs (un but économique ou financier commun -- uno scopo economico commune), so handelt es sich um eine Genossenschaft (Art. 678 des Obligationenrechtes);

975 verfolgen sie dagegen wohltätige, gesellige, religiöse, wissenschaftliche, künstlerische, oder andere ideale Zwecke, so sind sie Vereine (Art. 716 des Obligationenrechtes).

Die Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber nun bezweckt nach § l ihrer Statuten die Schaffung einer organisierten Körperschaft mit juristischer Persönlichkeit, um mit dem schweizerischen Bäckermeisterverein oder seinen Sektionen den Kontrollbuchvertrag abschließen und die darin vorgesehenen Organe aufstellen zu können. Mitglieder sind diejenigen Müller und Mehlhändler, welche die Statuten durch ihre Unterschrift ausdrücklich als für sich verbindlich erklärt haben.

Der eigentliche Zweck der Vereinigung ergibt sich also nur aus dem Kontrollbuchvertrag selbst.

Derselbe enthält nur in erster Linie Bestimmungen über die von den Mitgliedern der kontrahierenden Gesellschaften zu beobachtenden N o r m e n i m g e m e i n s a m e n geschäftlichen V e r k e h r (§§ 2--6). Er schreibt für die Geschäftsabschlüsse die schriftliche Vertragsform vor und stellt hierfür eia Formular (Schlußzettel) auf; für telegraphische und telephonische Bestellungen verlangt er schriftliche Bestätigung innert 8 Tagen und dergleichen mehr.

Weiter stellt der Vertrag zum Zwecke der Bekämpfung der unlauteren Konkurrenz eine Reihe von Bestimmungen ' auf, die sowohl die Bäcker als auch die Mehllieferanten im gegenseitigen Verkehr zu beobachten haben (§§ 7 -- 9).

Es handelt sich also einerseits um Regelung rein g e s c h ä f t l i c h e r Verhältnisse, anderseits um vorsorgliche Maßnahmen f i n a n z i e l l e r Natur. Der N u t z e n der Vereinigung soll d e r e n M i t g l i e d e r n zu gute kommen. Letztere verfolgen demnach gemeinsame Zwecke des wirtschaftlichen Verkehrs. Eine Gesellschaft mit solchen Zwecken kann aber nicht als ,,Verein" im Sinne des Art. 716, sondern nur als ,,Genossenschaft" im Sinne des Titels XXVII des Obligationenrechtes ins Handelsregister eingetragen werden.

Über den Charakter der Vereinigung der Kontrollbuchinhaber gibt übrigens auch eine ,,Offizielle Mitteilung* Aufschluß, welche das Zentralkomitee des ostschweizerischen Bäckerverbandes in Nr. 15 (Beilage) der ,,Schweizerischen Bäcker- und Konditorzeitung" vom 15. April 1905 veröffentlicht. Nach derselben dürfen die Mitglieder dieses Verbandes vom 1. Mai 1905 ab
nur noch mit denjenigen Mehllieferanten geschäftlich verkehren, welche Inhaber des Kontrollbuches sind. Die Einführung des Kontroll bûches und der Beitritt zur Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber hat danach für die Mehllieferanten eminent wirtschaftliches Interesse.

976 Ein Verein läge nur dann vor, wenn der Zweck der Gesellschaft außerhalb des Gebietes der Wirtschaft, außerhalb der Verfolgung eigener ökonomischer Interessen durch Zusammenwirken der Vereinsgenossen läge, also auf dem Gebiete der idealen Güter des menschlichen Daseins, sei es in der Pflege der Nächstenliebe und Wohltätigkeit, der Religion, wissenschaftlicher, künstlerischer oder auch geselliger Bestrebungen.

Aus dem Zusammenhang der Art. 716 und 717 des Obligationenrechtes ergibt sich mit Sicherheit, daß Art. 717, welcher von der juristischen Persönlichkeit von wirtschaftlichen ,,Vereinen11 handelt, mit dieser letztern Bezeichnung den Gegensatz zu den im Art. 716 bezeichneten Vereinen zu idealen Zwecken ausdrücken will, woraus folgt, daß unter den wirtschaftlichen Vereinen nach Meinung des Gesetzes alle diejenigen zu zählen sind, deren Zweck überhaupt nicht ein idealer im Sinne des Art. 716, sondern ein wirtschaftlicher ist, ohne Rücksicht auf die Art und Weise, wie dieser Zweck erreicht wird, ob durch eigentliche Verkehrsgeschäfte, oder durch sonstiges gegenseitiges Zusammenhalten der Mitglieder.

Zu vergleichen ist diesfalls das Urteil des Bundesgerichtes vom 3. Mai 1901 in Sachen Schweizerische Krankenkasse Helvetia gegen Krankenverein Helvetia Thalwil und Horgen (Amtliche Sammlung der Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichtes, Band XXVII, II. Teil, Nr. 21, Ziffern 4 und 5).

Demgemäß wird beschlossen: Die am 8. Februar 1905 unter Nr. 157 im Journal des Handelsregisters des Kantons Zürich erfolgte Eintragung der Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber wird als gesetzwidrig aufgehoben.

B e r n , den 15. August

1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rucket.

Der II. Vizekanzler : Crigandet.

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Bundesratsbeschluß über die Eintragung der Vereinigung der zürcherischen Kontrollbuchinhaber in das Handelsregister. (Vom 15. August 1905.)

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16.08.1905

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