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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend den Vollzug des Bundesgesetzes über die Samstagsarbeit in den Fabriken.

(Vom 20. Dezember 1905.)

Gefreite, liebe Eidgenossen !

Die in unserm Kreisschreiben vom 14. Juli (Bundesbl. von 1905, IV, 748") betreffend den Vollzug des Bundesgesetzes über die Ergänzung des Fabrikgesetzes (Samstagsarbeit) Verlangten Vorlagen sind uns zugekommen, zum Teil allerdings sehr verspätet (die letzten am 2. Dezember), so dass auch unsere Beschlussfassung darüber, entgegen unserer Absicht, Verzug erlitt. Aus Auftrag unseres Industriedepartements haben die eidgenössischen Fabrikinspektoren in ihren Konferenzen vom 12./15. November und vom 12.713. Dezember die Akten einer eingehenden Beratung unterzogen, und über das Resultat am 15. Dezember einen gemeinsamen Bericht erstattet. Sie finden diesen in der Beilage, so dass wir darauf verzichten können, seinen Inhalt hier wiederzugeben.

Auf Grund einerseits dieses Berichtes, anderseits des Antrages des genannten Departements haben wir folgende Verfügungen getroffen :

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I.

1. Nach Massgabe von Art. 3 des Bundesgesetzes vom 1. April 1905 wird an den Vorabenden von Sonntagen und gesetzlichen Festtagen Nachtarbeit im Rahmen der bisherigen allgemeinen und besondern Bewilligungen, soweit sie nicht nachstehend eine Einschränkung erfahren, gestattet : a. S e i d e n f ä r b e r e i e n für den Chargierungsprozess und für das Schwarzfärben ; b. M ü h l e n , und zwar bis zwei Uhr nachts, im Anschluss an eine neunstündige, abenda fünf Uhr zu beendigende Tagschicht ; c. B ä c k e r e i e n ; d. K u n s t s e i d e f a b r i k e n ; e. H o l z s t o f f - , P a p i e r - und K a r t o n f a b r i ken; f. D r u c k e r e i e n von Zeitungen, die Sonntag und Montag'früh erscheinen; g. E i s e n w a l z w e r k e n , und zwar bis vier Uhr morgens ; h. E m a i 11 i e r w e r k e n.

2. Für alle Betriebe, die nicht unter Ziffer l fallen und die nicht eine Bewilligung zum ununterbrochenen Betrieh (Nacht- und Sonntagsarbeit) besitzen, wird die erteilte Bewilligung zur Nachtarbeit an den Vorabenden von Sonnund Festtagen aufgehoben, insbesondere für a. S c h o k o l a d e f a b r i k e n , ausgenommen die Milchkondensierung ; &. B i e r b r a u e r e i e n hinsichtlich des Siedens ; c. H o l z s ä g e r e i e n ; d. S t e i n s ä g e n ;

e. G i p s f a b r i k e n ; f . Z e m e n t - u n d K a l k f a b r i k e n , ausgenommen das Brennen.

Es ist unzulässig, in der auf einen Sonn- oder Festtag folgenden Nacht die Arbeit vor Mitternacht wieder aufzunehmen.

574 II.

1. Im Sinne von Art. 4, lit. a, des Gesetzes wird an den Vorabenden von Sonn- und Festlagen als Hülfsarbeit angesehen : a. in B a u m w o 11 b l e i o h c r e i e n die Beendigung des chemischen Prozesses ; b. in G e r b e r e i e n das Entgegennehmen und Salzen der Häute ; c. in B i e r b r a u e r e i o n : das Reinigen und Füllen von Flaschen und Transportfässern während einer zehnten Stunde in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September, und die Arbeit der Bicrfülirer und ihrer Cehüllen, wogegen an Sonn- und Festtagen jegliche Speditionsarbcit bis spätestens mittags zwölf Uhr beendet sein, soll ; d. in B r e n n h o l z g e s e l l a f t e n der Dctailvcrtrieb ; e. in Z i e g e l e i c n die Besorgung der -Arbeiten an den Ringöfen während einer zehnten Stunde.

2. Die in Kraft bestehenden, vom Bundesrate oder seinem zuständigen Departement^ erteilten Bewilligungen für Vornahme von Hüli's- und Notarbeiten, sowie für einen auch am Sonntag nicht unterbrochenen Betrieb bleiben einstweilen in ihrem bisherigen Umfange aufrecht.

Der Art. 4 des nenen Gesetzes lässt diese Bewilligungen gelten, und wir haben keine Veranlassung, in dieser Hinsicht etwas Weiteres zu bestimmen. Immerhin dürfte es nicht überflüssig sein, darauf hinzuweisen, dass nur solche BctTiebsunternehmer den bezeichneten Art. 4 zu ihren Gunsten anrufen können, die wirklich im Besitze einer allgemeinen oder besondern Ausnahmebewilligung sind.

III.

1. Als Industrien, denen im Sinne von Art. 5, Absatz 2, des Gesetzes Bewilligungen für Verlängerung der Arbeitszeit an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen

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. auf eine längere Zeitdauer, als eine solche von zwei Wochen, erteilt werden dürfen, werden bezeichnet : a. die aargauische S t r o h i n d u s t r i e ; b. die Anfertigung, Reparatur und Reinigung von K l e i d e r n und Wäsche mit Einschluss der S c h u s t e r e i ; c. die Fabrikation v e g e t a b i l i s c h e r K o n s e r v e n ; d. die M i n e r a l w a s s c r fabrikation ; e. die K u n s t d ü n g e r fabrikation ; f. die B u c h d r u c k e r e i, soweit die Herstellung von Tageszeitungen, Fremdenblättern, Polizeiauzeigern, Kurszetteln in Frage kommt ; g. die Werkstätten für R e p a r a t u r von F a h r z e u g e n und für H u f b e s c h l a g .

2. Die Erteilung der in vorstehender Ziffer l genannten Bewilligungen im einzelnen Falle ist Sache der Kantonsregierungen.

IV.

In bezug auf alle diejenigen Gesuche, welche über die in Ziffer I--III dieses Kreisschreibens festgesetzten Grenzen hinausgehen, muss erklärt werden, dass sie den gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprechen. Wir hahen sie demnach abgelehnt; die Betriebe, um die es sich handelt, sind aus der Beilage ersichtlich. Dass die Begehren zu gunstën von Gewerbebetrieben, die nicht xinter dem Fabrikgesetze und damit auch nicht unter dem Samstagarbeitsgesetze stehen, für uns überhaupt ausser Betracht gefallen sind, ist selbstverständlich.

Eine Anzahl von Betriebsinhabern scheint über den wirklich erfolgten Erlass des Bundesgesetzes vom 1. April 1905 im unklaren gewesen zu sein. Ferner wird vielfach übersehen, dass gemäss Art. 5, Absatz l, dieses Gesetzes Uberzeitbewilligungen an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen für die Dauer von zwei Wochen bei allen Industrien zulässig sind, falls das Vorhandensein einer bestimmten und zwingenden äussern Veranlassung nachgewiesen wird. Diese Vorschrift wird dem Bedürfnis eines grossen Teils der vorstellig gewordenen Petenten ge-

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nügen, um so mehr, als das Gesetz nicht vorschreibt, dass die Bewilligung nur eine einmalige sein dürfe.

V.

Die im gegenwärtigen Kreisschreiben enthalteneu Verfügungen treten auf 1. Januar 1906 in Kraft. Sie können jederzeit abgeändert oder ergänzt werden. Wir laden Sie ein, für deren unverzügliche Bekanntgabe an sämtliche Beteiligte besorgt sein zu wollen. Die eingereichten Akten stehen Ihnen auf Wunsch bei unserm Industriedepartemente zur Verfügung.

Wir benützen diesen Anlaß, Sie, getreue liebe Eidgenossen., samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 20. Dezember 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,, Der Bundespräsident:

Buchet.

Der I. Vizekanzler: Sehatzmann.

Beilage : Bericht der Fabrikinspektoren.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend den Vollzug des Bundesgesetzes über die Samstagsarbeit in den Fabriken. (Vom 20. Dezember 1905.)

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27.12.1905

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