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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Fälschung einer Bundesakte bestraften Johann Burri, Schuhmachers, in Bern.

(Vom 10. März 1905.)

Tit.

Johann Burri, Schuhmacher in Bern, löste am 23. März 1904bei der Einnahmenkontrolle der schweizerischen Bundesbahnen eine Abonnementskarte zu Fahrten auf der Strecke Bern - Ostermundigen für einen Monat, also bis 22. April 1904, zum Preise von Fr. 6. In dem Zeitpunkt, da die Gültigkeit des Billettes zu Ende ging, veränderte er auf demselben den Endtermin eigenmächtig in 22. April 1905 und die bezahlte Taxe in Fr. 36, worauf er das Abonnement weiter benutzte bis am 7. Juli 1904, an welchem Tage die Fälschung entdeckt und das Billet sequestriert wurde.

Die einfache Fahrt Bern-Ostermundigen kostet 30 Rp. Burri hat sie nach eigener Angabe viermal per Tag gemacht, mit Ausnahme eines Zeitraumes von vierzehn Tagen, da er wegen Krankheit zu Hause bleiben mußte. Die Bundesbahnen berechneten den ihnen entgangenen Gewinn unter Zuschlag von je 50 Rp. für die ohne Billet gemachte Fahrt auf Fr. 242. 40, verzichteten aberwegen der Vermögenslosigkeit des Fehlbaren darauf, im Straf-.

prozesse Zivilansprüche geltend zu machen.

933 Burri wurde den bernisclien Behörden wegen Fälschung einer Bundesakle zur Beuvteilun'g überwiesen und vom Richteramt Bern mit vier Tagen Gefängnis und Fr. 20 Buße bestraft. In dee Motiven wird erklärt, der Fall sei kein unbedeutender mit Rücksicht auf den Betrag, um welchen die Bundesbahnen betrogen wurden, und weil die öffentliche Urkunde nicht nur gefälscht, sondern auch betrüglich benutzt worden sei.

Mit Eingabe vom 19. Dezember 1904 ersucht der Bestrafte die Bundesversammlung um Erlaß von Gefängnis und Buße, indem er geltend macht, daß er als Familienvater mit drei kleinen Kindern nur schwer mit seinem Verdienste auskommen könne und gerade in dem Zeitpunkte, da er sein Abonnement wieder hätte erneuern sollen, die hierzu nötigen Mittel nicht besessen habe. Er behauptet dabei, nicht vorbestraft zu sein, was aber nicht richtig ist, da er nach behördlichem Zeugnis am 9. September 1896 wegen.

Widersetzlichkeit zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt wurde.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern befürwortet eine teilweiseBerücksichtigung des Gesuches.

Nach Art. 61 des Bundesstrafrechtes ist Fälschung von Bundesakten auch in ganz geringfügigen Fällen mit Gefängnis, verbunden mit einer Geldbuße, zu bestrafen. Die Beurteilung des Burri durch das kantonale Gericht muß daher hinsichtlich des Strafmaßes als eine milde bezeichnet werden, da er durch fortgesetzten Gebrauch des gefälschten Eisenbahnabonnement» sich einen gar nicht unbedeutenden Vorteil verschafft hat. Der Hinweis auf prekäre ökonomische Lage genügt nicht, um einen Erlaß der verdienten Strafe durch Begnadigung zu begründen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A nt r ag:

Es sei das Begnadigungsgesuch des Johann Burri abzuweisen., B e r n , den 10. März

1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Rnchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft i.

Bin gier.

-53-0-=$.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigunggesuch des wegen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes bestraften Ernst Steinhauser, Eisenbahnangestellter in Renens (Waadt).

(Vom 10. März 1905.)

Tit.

I. Am 21. November 1903, abends gegen 6 Uhr, ereignete ·sich im Bahnhof von Palézieux (Waadt) ein schweres Eisenbahnunglück, hei welchem 6 Reisende getötet, acht Reisende und ein Bahnbediensteter verletzt und ein Schaden von zirka Fr. 15,600 an Rollmaterial und Bahnkörper verursacht wurde. Der durchgehende Expreßzug Bern-Lausanne war mit der Geschwindigkeit von 57 km. per Stunde auf eine zum Rangierdienst verwendete Lokomotive gestoßen, die vom Manöverleiter behufs Freigabe eines Geleises disloziert und dann von ihrem Führer so aufgestellt worden war, daß sie die Fahrbahn des Expreßzuges sperrte. Durch den Anprall wurde der Gepäckwagen des letzteren in den nächstfolgenden Personenwagen hineingeschoben und so das Unglück herbeigeführt.

II. Die Behörden des Kantons Waadt eröffneten wegen dieses Ereignisses strafrechtliche Untersuchung und, nachdem der Bundesrat die Beurteilung des Falles den kantonalen Gerichten über-

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Fälschung einer Bundesakte bestraften Johann Burri, Schuhmachers, in Bern. (Vom 10.

März 1905.)

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1905

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15.03.1905

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932-934

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