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Schweizerisches Bundesblatt.

57. Jahrgang. VI.

Nr. 51.

13. Dezember

1905.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & Oie. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Steffisburg über Thun und das rechte Seeufer nach Interlaken.

(Vom 8. Dezember 1905.)

I.

Mittelst Eingabe vom 6. Januar 1900 unterbreiteten die Gem einderäte von Steffisburg, Thun, Goldiwil, H i l t e r f i n g e n , O b e r h o f e n , sowie die D i r e k t i o n der T h u n e r s e e - B e a t e n b e r g b a h n dem Bundesrate das Gesuch um Erteilung der Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Straßenbahn von S t e f f i s b u r g über T h u n und das r e c h t e See u fer nach I n t e r l a k e n .

Ein im April 1900 von Herrn Baumeister Hermann Bützberger in Steffisburg eingereichtes Konzessionsgesuch für eine Straßenbahn Thun -- Steffisburg wurde von diesem unterm 23. April 1902 zurückgezogen und fallt daher nicht mehr in Betracht.

Unterm 29. Oktober 1904 bewarben sich die Herren J. U.

L e u e n b e r g e r, Notar in Bern, und Rudolf von E r l a c h , Ingenieur in Spiez, um die Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Merligen über Beatushöhle nach Interlaken.

Im Auftrage der Regierung des Kantons Bern ist ihre Direktion der Bauten und Eisenbahnen bereits im Jahre 1901 mit den oben genannten Gemeinden und der Beatenbergbahn-Gesellschaft in Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. VI.

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282 Unterhandlung getreten wegen der Feststellung der Bedingungen für die Benützung der Staatsstraße. Die Aufstellung des Pflichtenheftes hat sich jedoch verschiedener Umstände wegen verzögert, namentlich auch deswegen, weil die beteiligten Gemeinden seither ein Initiativkomitee bestellt und dasselbe beauftragt haben> zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft ein neues Konzessionsgesuch für eine elektrische Straßenbahn Steffisburg-ThunInterlaken einzureichen.

II.

Dieses neue Konzessionsgesuch wurde am 13. November 1905 vom I n i t i a t i v k o m i t e e für eine Straßenbahn S t e f f i s b u r g -- T h u n -- r e c h t e s S e e u f e r -- I n t e r i a k en, vertreten durch Herrn Emil L o line r, Nationalrat in Thun, als Präsident, und Herrn Gottlieb H ü s s y , Gerichtsschreiber in Thun, als Sekretär, vorgelegt.

Dem Initiativkomitee hatten die oben genannten Gemeinden und die Beatenbergbahn die Konzessionsvorlagen ihres Gesuches vom 6. Januar 1900 zur Verfügung gestellt und außerdem erklärt, daß sie ihr Konzessionsgesuch fallen lassen.

Indem sich nun das Initiativkomitee auf diese Akten berief, brachte es zur Ergänzung noch folgende Wünsche vor: a. Der Bau solle in Sektionen ausgeführt werden, die folgende Strecken umfassen : 1. Steffisburg--Thun--Oberhofen (eventuell G-unten) ; 2. Oberhofen (eventuell Gunten)--Beatenbucht (eventuell Beatushöhlen) ; 3. Beatenbucht (eventuell Beatushöhlen)--Interlaken.

b. Die Gesellschaft solle berechtigt sein, auf der Strecke oberhalb Gunten während der Wintermonate den Betrieb ganz oder teilweise einzustellen.

Schliesslich wies das Initiativkomitee noch darauf hin, daß die Gründe, die im allgemeinen Berieht des Konzessionsgesuches vom Januar 1900, nämlich die Bedeutung Thuns als Handels-, Markt- und Touristenplutz, sowie auch die fortwährende Zunahme des Verkehrs dieser Stadlt und der Gemeinden Steffisburg, Gunten, Merligen und Interlaken, für die Wünschbarkeit einer Straßenverbindung angeführt worden sind, heute in noch wesentlich erhöhtem Maße Geltung beanspruchen können, da inzwischen der Verkehr in der beteiligten Landesgegend sich noch ganz beträchtlich gehoben habe.

283 Dem technischen Berichte, der noch durch einen besonderen Bericht über die Strecke Steffisburg--Thun -- Oberhofen vom 6. Februar 1903 ergänzt worden war, entnehmen wir folgende Angaben : Die Straßenbahn werde eingeleisig mit Spurweite von l Meter angelegt. Der Minimalradius betrage 20 Meter, die Maximalsteigung auf der Strecke Steffisburg--Thun--Oberhofen 53 °/oo und auf der Strecke Oberhofen--Interlaken 55,4 %o. Die Baulänge Steffisburg--Thun betrage 2,9 Kilometer, diejenige Thun-- Interlaken 23,4 Kilometer. Der Betrieb sei elektrisch, zur Verwendung komme Gleichstrom. Die Bahn beginne beim Hotel Landhaus in Steffisburg und benütze die Kantonsstraße bis Thun.

Daselbst trete sie durch das Berntor ein und führe durch die Marktgasse und die Bahnhofstraße zum Bahnhof Thun. Brücken seien vorgesehen über die Zulg, den Bösbach, die innere und äußere Aare. Vom Bahnhof Thun führe sie zur Unter-Bällizstraße, dann durch die Postgasse, über die Sinnebrücke und durch die Hauptgasse zum Lauitor; von hier auf der Kantonsslraße über Hofstetten nach Oberhofen, dann weiter über Grünten, Merligen, Beatenbucht, Unterseen nach Interlaken-Westbahnhof (Bahnübergang), immer die Straße benutzend. Zwischen Thun und Stefïïsburg und größtenteils zwischen Thun und Merligen besitzen die Straßen genügende Breiten, dagegen sei nach den heutigen Anforderungen an Straßenbahnen eine fast durchgehende Verbreiterung von Merligen bis Neuhaus erforderlich, da hier die Straße auf das Minimalmaß von 4,so Meter zwischen Brustwehr und Futtermauer, oder von 4,36 Meter zwischen Brustwehr und Wasserschale gebaut worden sei. Die Züge bestehen aus einem Automobil allein oder aus einem Automobil mit Anhängewagen.

Das Automobil werde zweiachsig ausgeführt und enthalte 20 bis 25 Plätze. Für Post und Gepäck könne eventuell eine besondere Abteilung vorgesehen werden oder es könne eine der Plattformen für diesen Zweck reserviert werden. Als Anhängewagen können sowohl Personen- wie auch Güterwagen zur Verwendung kommen.

Eventuell könne auch ein spezieller Wagen filr den Transport von Kleinvieh beschafft werden. Auf der Strecke Steffisburg-- Thun sei in der Hochsaison 15 Minutenbetrieb, in der Vor- und Nachsaison 30 Minutenbetrieb und im Winter 60 Minutenbetrieb vorgesehen. Auf der Strecke Thun--Interlaken seien etwa die Hälfte dieser Züge in Aussicht genommen, wobei die Einstellung des Betriebes auf der Strecke Gunten--Interlaken im Winter vorbehalten werde. Die Strecke Steffisburg--Thun--Oberhofen

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könne von einer einzigen Kraftstation aus betrieben werden, welche am rationellsten in oder nahe bei Thun vorgesehen werde.

Da in Thun elektrische Energie aus bestehenden Elektrizitätswerken leicht erhältlich gemacht werden könne, so sei für die Bahn nicht eine eigentliche Kraftstation, sondern nur eine Uniformerstation zu erstellen. Wenn die Bahn später gegen Interlaken verlängert werde, so sei eine zweite Umformerstation, etwa .in der Gegend von Morligen, zu erstellen.

Der summarische Kostenvoranschlag enthält folgende Hauptposten : Kapitalbeschaffung, Verwaltung etc Fr. 100,000 Projektverfassung, Bauleitung etc. . . . . . ,, 35,000 Grunderwerb ,, 60,000 Geleiseanlagen ,, 950,000 Primärstationen Merligen und Thun, Kontakt-, . Speise- und Rückleitung ,, 515,000 Rollmaterial ,, 200,000 Hochbau, Remisen, Werkstätte ,, 25,000 Mobiliar- und Gerätschaften ,, 15,000 Unvorhergesehenes, Verschiedenes ,, 80,000 Zusammen

Fr. 1,980,000

oder Fr. 75,300 per Bahnkilometer.

III.

Mittelst Eingabe vom 14. November gab Herr Notar Leuenberger, im Einverständnis mit Herrn Ingenieur Rudolf von Erlaoh folgende Erklärung ab : Das Konzessionsgesuch für MorligenBeatushühlen-Interlaken werde an und für sich aufrecht erhalten.

Sollte aber eine Konzession für eine durchgehende Tramverbindung Steffisburg-Thun-Interlaken über Beatenbucht erteilt werden und das Unternehmen finanziell gesichert sein, so werde dannzumal die ihnen eventuell erteilte Konzession Merligen-BeatushölilenInterlaken an die Gesellschaft für die durchgehende Linie abgetreten; sollte in jenem Zeitpunkt ihre Konzession zur Ausführung gelangt sein, beziehungsweise die Strecke MerligenBeatenbucht - Beatushöhlen beziehungsweise Interlaken, bereits gebaut sein, so werden sie diese Strecke dem Unternehmen für die durchgehende Linf.e abtreten, beziehungsweise diese Strecke für die durchgehende Linie einschiessen. Hierbei werde die Entschädigungsfrage vorbehalten.

285 Der Regierungsrat des Kantons Bern äußerte sich über die beiden Konzessionsgesuche des Initiativkomitees und der Herren Leuenberger und von Erlach unterm 15. November 1905 folgendermaßen: Die projektierte Straßenbahn Steffisburg - ThunInterlaken solle hauptsächlich dem Lokalverkehr der Ortschaften am rechtseitigen Seeufer unter sich, sowie mit Thun und Interlaken, dienen, während die Thunerseebahn - Gesellschaft und die Dampfschiffgesellschaft für den Thunersee für den Durchgangsverkehr sorgen. Das Konzessionsgesuch Merligen - BeatushöhlenInterlaken werde von den beteiligten Gemeinden ebenfalls empfohlen. Das verliegende Konzessionsgesuch des Initiativkomitees habe jedenfalls die Priorität, weil letzteres im Namen und Einverständnis der bei dem noch unerledigten Konzessionsgesuche vom Januar 1900 beteiligten Gemeinden handle. Immerhin könne der Regierungsrat das Gesuch Leuenberger und von Erlach ebenfalls zur Berücksichtigung empfehlen, insofern zwischen den beidseitigen Konzessionsbewerbern eine Verständigung stattfinde.

Er empfahl schließlich beide Konzessionsgesuche zur Berücksichtigung in dem Sinne, daß selbstverständlich auf der Strecke Merligen-Interlaken nur ein Projekt ausgeführt werden solle und zwar dasjenige, auf welches sich die Konzessionsbewerber einigen, eventuell dasjenige, welches nach Ansicht des Bundesrates den Vorzug verdiene.

Unter Hinweis auf die oben erwähnte Erklärung der Herren Leuenberger und von Erlach vom 14. November 1905 und eine vom gleichen Tage datierte Erklärung der Beatenbergbahn betreffend Rücktritt vom Konzessionsgesuche vom 6. Januar 1900 bemerkte der Regierungsrat des Kantons Bern unterm 28. November 1905, daß ihm diese Erklärungen nicht Anlaß zur Modifikation seiner Vernehmlassung vom 15. November 1905 geben.

Die Regierung hat jedoch die Bewilligung zur Straßenbenützung nur an das Initiativkomitee erteilt; die bezüglichen Bedingungen sind im Pflichtenheft vom 15. November 1905 niedergelegt. Da die Bundesbehörden auf Konzessionsgesuche für Straßenbahnen nach der bisherigen Praxis nur dann eintreten, wenn die Frage der Straßenbenützung in abschließlicher Weise erledigt ist, so kann auf das Konzessionsgesuch der Herren Leuenberger und von Erlach zurzeit wenigstens nicht eingetreten werden. Sollte aber das Initiativkomitee die Bahn nur bis Merligen oder
Beatushöhlen erstellen, so könnte man seinerzeit auf das Gesuch Leuenberger und von Erlach zurückkommen, unter der Voraussetzung, daß dieselben für die Strecke Merligen be-

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ziehungsweise Beatushöhlen-Interlaken inzwischen die Ermächtigung zur Straßenbenützung ebenfalls erhalten hätten.

Der Gemeinderat von Thun hat dem Initiativkomitee, soweit die Gemeindestraßen in Thun in Frage kommen, die Ermächtigung zur Straßenbenützung ebenfalls erteilt.

IV.

Die konferenziellen Verhandlungen fanden am 1. Dezember 1905 in Bern statt. Die Herren Leuenberger und von Erlach, die von der Abhaltung der Konferenz ebenfalls in Kenntnis gesetzt worden waren, nahmen von einer Beschickung derselben Umgang. In dem vorn Eisenbahndepartement erstellten Konzessionsentwurfe war entsprechend dem Wunsche des Initiativkomitees im Artikel 5 die Einteilung in Sektionen in der Weise vorgenommen worden, daß die erste Sektion von Steffisburg über Thun nach Oberhofen (eventuell Gunten), die zweite von Oberhofen (eventuell Gunten) nach Beatenbucht (eventuell Beatushöhlen) und die dritte von Beatenbucht (eventuell Beatushöhlen) nach Interlaken sich erstreckt. In letzter Stunde war dem Bundesrat noch eine Eingabe der Gemeinde Sigriswil zugekommen, worin dieselbe beantragt, es solle die Konzession für die Straßenbahn Steffisburg-Thun-Interlaken nur dann erteilt werden, wenn die erste Sektion bis Gunten ausgedehnt werde und die zweite und dritte Sektion die Strecke Gunten-Interlaken umfasse. Die Eingabe war im wesentlichen mit dem Hinweis darauf begründet, daß Sigriswil einen bedeutenden Verkehr mit Thun habe, weshalb diese Gemeinde, die ja auch durch die unterm 29. Juni 1905 konzessionierte Drahtseilbahn von Gunten nach Sigriswil (E. A. S. XXI, 171) mit Gunten verbunden werden solle, ein ganz erhebliches Interesse daran habe, daß die erste Sektion der Straßenbahn Steffisburg-Thun-Interlaken nicht nur bis Oberhofen, sondern bis Gunten gehe. Nur in diesem letztern Falle werde sich die Gemeinde Sigriswil mit einer Subvention für die Straßenbahn beteiligen und auch nur bei Fortsetzung derselben von Oberhofen bis Gunten könne die Finanzierung der Drahtseilbahn Gunten-Sigriswil durchgeführt werden. Der Vertreter der Regierung unterstützte das Begehren von Sigriswil. Die Vertreter des Initiativkomitees behaupteten zunächst, an der Einteilung, wie sie im Gesuche vorgeschlagen war, festhalten zu müssen, ließen sich dann aber bewegen, dem Wunsche des Gemeinderates von Sigriswil Folge zu geben, worauf im Artikel 5 eine

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entsprechende Änderung in der Einteilung der Sektionen vorgenommen wurde. Danach erstreckt sich nun die erste Sektion von Steffisburg bis Gunten, die zweite von Gunten bis Beatushöhlen und die dritte von Beatushöhlen bis Interlaken. Es schien angezeigt, die zweite Sektion nicht nur bis zur Beatenbucht, sondern, bis zu den Beatushöhlen auszudehnen, weil diese letztern von« Fremden und Einheimischen sehr häufig besucht werden. Im übrigen erklärte man sich nach Vornahme einiger Änderungen mehr untergeordneter Natur mit dem vom Eisenbahndepartement vorgelegten Entwurfe allseitig einverstanden.

Den nachstehenden Beschlussesentwurf, der uns zu keinen weitern Bemerkungen Anlaß gibt, empfehlen wir Ihnen zur Annahme und benützen auch diese Gelegenheit, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den S.Dezember 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Rächet.

Der I, Vizekanzler : Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Steffisburg über Thun und das rechte Seeufer nach Interlaken.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Gemeinderäte von Steffisburg, Thun,.

Goldiwil, Hilterfingen, Oberhofen, sowie der Direktion der Thunersee-Beatenbergbahn vom 6. Januar 1900; 2. zweier Eingaben der Herren J. U. Leuenberger, Notar in Bern, und Rudolf von Erlach, Ingenieur in Spiez, vom 29. Oktober 1904 und 14. November 1905; 3. einer Eingabe des Initiativkomitees für eine Straßenbahn.

Steffisburg--Thun--rechtes Seeufer--Interlaken, vom 13. November 1905; 4. einer Botschaft des Bundesrates vom 8. Dezember 1905, beschließt: I. Dem Initiativkomitee für eine Straßenbahn Steffisburg-- Thun--rechtes Seeufer--Interlaken, vertreten durch Herrn Emil L o h n er, Nationalrat in Thun, als Präsident, und Herrn Gottlieb Hüssy, Gerichtsschreiber in Thun, als Sekretär, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer elektrischen Straßenbahn von S te f fis b ü r g über T h u n und das r e c h t e S e e u f e r nach I n t e r l a k e n unter den in dem nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt:

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Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie all& übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenhahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vorn Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses am gerechnetr erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Thun.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Es wird der Gesellschaft gestattet, die Bahn in drei Sektionen auszuführen, die folgende Strecken umfassen: 1. Steffisburg--Thun--Gunten; 2. Gunten--Beatushöhlen ; 3. Beatushöhlen--Interlaken.

Art. 6. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen für die Sektion Steffisburg--Thun--Gunten nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung dieser Sektion zu machen.

Art. 7. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die Sektion Steffisburg--Thun--Gunten zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Die Fristen für den Bau der 2. und 3. Sektion sind vom Bundesrat festzusetzen.

Art. 8. Die Nichteinhaltung der in Art. 6 und 7, beziehungsweise durch Bundesratsbeschluß angesetzten Fristen für die eine der drei Sektionen hat nur den Hinfall der Konzession für diese, nicht auch für die anderen Sektionen zur Folge.

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Art. 9. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen tiuf Grund von Ausfuhrungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 10. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Straßen für die Anlage und den Betrieb der Bahn gelten die Vorschriften des von der Regierung des Kantons Bern aufgestellten Pflichtenheftes vom 15. November 1905, sowie des Schreibens des Gemeindexates von Thun vom 13. November 1905, soweit diese Vorschriften nicht mit der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung im Widerspruch stehen.

Art. 11. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Bern und au dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 12. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 13. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, daß Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 14. Die Gesollschaft übernimmt in erster Linie die Beförderung von Personen, Gepäck und Gütern. Über die Einführung der Beförderung lebender Tiere entscheidet der Bundesrat.

291 Art. 15. Die Gesellschaft bat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfso-hiffUnternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 16. Die Gesellschaft ist berechtigt, auf der Strecke Gunten--Interlaken den Betrieb während der Zeit vom 1. November bis 31. März ganz oder teilweise einzustellen.

Es bleibt der Gesellschaft im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzusetzen. Immerhin sollen alle daherigen Projekte, soweit sie sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorgelegt werden und dürfen vor der Genehmigung nipht vollzogen werden.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 17. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus vom Bundesrat genehmigt werden muß.

Art. 18. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen eine Taxe von höchstens 10 Rappen per Kilometer der Bahnlänge beziehen.

Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen. Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 19. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

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Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 20. Für Güter kann eine Taxe von höchstens 5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Art. 21. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Trager, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Gütertaxe zu erheben.

Art. 22. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teueruag der Lebens- und Futtermittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln u.s.w. zeitweise niedrigere Taxen zu bewilligen, welche vom Bundesrat nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 23. Im Falle der Einführung der Beförderung lebender Tiere setzt der Bundesrat die Taxen und Bedingungen nach Anhörung der Gesellschaft fest.

Art. 24. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck und für Gütersendungen beträgt höchstens 20 Rappen.

Art. 25. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport voa Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätee aufzuliefern und vom Adressaten auf der Besitimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abieden der Waren ist Sache der Gesellschaft,.

und es darf eine besondere Taxe dafür nicht erhoben werden.

Art. 26. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Bezüglich des Gewichtes werden Gütersendungen bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet und Gepäcksendungen bis auf 10 kg. für volle 10 kg.; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt.

293 Wenn die genaue Ziffer der gemäß diesen Vorschriften berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächtshöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 27. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 28. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrut zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwäriiger Konzession zulässige Maximum der Transportaixen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Ei-höhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 30. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei eioer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 28. März 1905, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 31. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes der neuen Linien und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluß des Ruckkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zage-

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c.

d.

e.

f.

hören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- uad Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Ruckkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, uad sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1945 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1945 und 1. Januar 1960 erfolgt, den 221/2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem I.Januar 1960 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnuuternelimung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

Der Reinertrag ward gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztem auch diejenigen Summen zu rechneu sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nc,ch der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit ·zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 32. Hat der Kanton Bern den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 31 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten

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die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

II. Auf das Konzessionsgesuch der Herren J. U. L e u e n b e r g e r , Notar in Bern, und Rudolf von E r l a c h , Ingenieur in Spiez, für eine elektrische Straßenbahn von M er l ig e n über B e a t u s h ö h l e nach I n t e r l a k e n wird zurzeit nicht eingetreten.

III. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge dieses Beschlusses,, welcher am 1. Januar 1906 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Steffisburg über Thun und das rechte Seeufer nach Interlaken. (Vom 8. Dezember 1905.)

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