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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Trau-Ermächtigung.

(Vom 22. November 1905.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die Vorschrift des Art. 37 des Bundesgesetzes betreffend Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes und die Ehe, vom 24. Dezember 1874, welche die Ermächtigung des Zivilstandsbeamten des Wohnsitzes des Bräutigams verlangt, wenn die Trauung in einem anderen Zivilstandskreise stattfinden soll, hat von jeher Schwierigkeiten bereitet, weil die genannte Vorschrift diejenigen Fälle nicht ins Auge fasste, in denen der Bräutigam (Schweizer oder Ausländer) seinen Wohnsitz im Ausland hat.

Das im Jahre 1881 herausgegebene Handbuch für die schweizerischen Zivilstandsbeamten versuchte deshalb die vorhandene Schwierigkeit dadurch zu heben, dass es in Nr. 186 die Weisung gab, dass, wenn ein im Ausland wohnhafter Angehöriger eines fremden Staates die Ehe in der Schweiz schliessen wolle, hierzu die Ermächtigung des Zivilstandsbeamten seines Wohnortes oder jeder anderen zuständigen Behörde seines Landes, sowie die Bewilligung der kantonalen Aufsichtsbehörde erforderlich sei. Allein auch diese Interpretation genügt nicht, um alle Anstände zu heben. Abgesehen davon, dass eine Anleitung darüber fehlt, ob auch im Ausland domizilierte Schweizer eine diesbezügliche Ermächtigung vorzulegen haben, eine Voraussetzung, die allerdings wiederholt auf Anfragen durch unser Justizdepartement bejaht

153 worden ist (vgl. Geschäftsbericht 1891, B. Bl. 1892, II, 516, Ziffer 10 und Geschäftsbericht 1898, B. Bl. 1899, I, Ziffer le), hat sie zur Folge, dass, sobald die Ermächtigung überhaupt nicht erhältlich, die Vornahme der Trauung in der Schweiz nicht möglich ist, es sei denn, dass der schweizerische Zivilstandsbeamte, wenn eine solche Ermächtigung nicht vorliegt, mit oder ohne Zustimmung seiner Aufsichtsbehörde von derselben absieht.

Eine durch das Schweiz. Justiz- und Polizeidepartement veranstaltete Erhebung hat nun ergeben, dass in den Jahren 1899 bis 1903 in der Schweiz 1552 E h e n abgeschlossen worden sind, bei denen der Bräutigam im Auslande wohnhaft war. Unter diesen war in 233 Fällen der Bräutigam Schweizer (15%), in 1201 Fällen Ausländer (85%).

Nach der Weisung des Handbuches hätten, um in der Schweiz abgeschlossen werden zu können, für diese sämtlichen 1552 Ehen Trauermächtigungen auswärtiger Zivilstandsbeamter oder anderer auswärtiger Behörden vorgewiesen werden sollen.

Solche lagen aber nur vor für 505 Ehen (33%), bei den übrigen 1047 (67%) fehlten sie, bezw. war sie nicht erhältlich gewesen.

Es sind somit in den genannten Jahren 1047 Ehen von schweizerischen Zivilstandsbeamten abgeschlossen worden, ohne dass denselben die Ermächtigung zur Trauung, deren Vorlage die im Handbuch für die Zivilstandsbeamten enthaltene Weisung voraussetzt, vorlag.

Dieses verschiedene Verfahren verlangt gebieterisch nach einer einheitlichen Regelung. Entweder muss am bisherigen Grundsatze, dass der schweizerische Zivilstandsbeamte nur mit Ermächtigung des Zivilstandsbeamten des ausländischen Wohnsitzes des Bräutigams trauen darf, ohne Ausnahme festgehalten werden, oder es muss die Abweichung von diesem Grundsätze nach einheitlicher Regel gestattet werden. Die Durchführung des erstgenannten Grundsatzes würde in zahlreichen Fällen zur Verunmöglichung der Trauung in der Schweiz führen, was kaum in der Absicht des Gesetzes liegt und den Bedürfnissen nicht gerecht wird. Wir halten daher die zweite Lösung, der eine positive Gesetzesbestimmung nicht entgegensteht, für die zweckmässige, und laden Sie ein, in Fällen, wo ein im Auslande wohnhafter Bräutigam sich in der Schweiz trauen lassen will, und wo von der ausländischen Behörde eine auf einen schweizerischen Zivilstandsbeamten lautende Trauermächtigung nicht erhältlich ist, in der Weise zu verfahren, dass auf das Gesuch des Bräutigams die Aufsichtsbehörde desjenigen Kantons, in dem die

154 Trauung stattfinden soll, nach Prüfung der Eheakten, den zur Vornahme der Trauung zuständigen Zivüstandsbeamten bezeichnet.

Indem wir Sie einladen, diese Weisung den Aufsichtsbehörden Ihres Kantons, sowie Ihren Zivilstandsbeamten zur Kenntnis zu bringen, benützen wir diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 22. November 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s . i d e n t :

Buchet.

Der II. Vizekanzler: Gigandet.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend TrauErmächtigung. (Vom 22. November 1905.)

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29.11.1905

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