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Schweizerisches Bundesblatt

57. Jahrgang. IV.

Nr. 24.

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7. Juni 1905.

Bericht der.

Kommission des Ständerates über

die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichtes im Jahre 1904.

(Vom 23. Mai 1905.)

Herr Präsident, meine Herren!

Ohne darauf Anspruch machen zu wollen, die weitschichtige Materie des Berichtes über die Geschäftsführung im Jahre 1904 einer erschöpfenden Besprechung zu unterziehen, beehren wir uns, nachstehend eine Anzahl Punkte anzuführen, die bei der von uns vorgenommenen Prüfung speziell unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, dies unbeschadet weiterer Fälle, über die Ihnen die Kommission mündlich Bericht erstatten wird.

Bundesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

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Geschäftsführung des Bundesrates.

I, Allgemeine Verwaltung» Die Kommission ist davor zurückgeschreckt, eine Ergänzung des auf mehr als 800 Seiten angewachsenen Bandes zu verlangen.

Da aber die in dem betreffenden Jahre angenommenen Postulate in extenso wiedergegeben werden, so ist sie der Meinung, es dürfte sich im Interesse des besseren Verständnisses und der größeren Übersichtlichkeit empfehlen, auch den Text der im Laufe des nämlichen Jahres behandelten, sowie der nicht behandelten Postulate aufzunehmen.

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A. Gesetzgebung und Rechtspflege.

I. Bundesgesetzgebung.

1. S c h w e i z e r i s c h e s Z i v i l g e s e t z b u c h . Mit Botschaft vom 28. Mai 1904 leitete der Bundesrat den Entwurf des schweizerischen Zivilgesetzbuches an die Bundesversammlung. Diese Vorlage umfaßt folgende Abschnitte: Einleitung, Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht.

Zu einem vollständigen Gesetze fehlten also noch das Obligationenrecht und die Einführungsbestimmungen (internationales Privatrecht und Übergangsvorschriften). Diese Teile des Gesetzbuches wurden mit Ergänzungsbotschaft des Bundesrates vom 3. März 1905 der Bundesversammlung unterbreitet. Die Vorberatungskommissionen des National- und des Ständerates sind schon im Berichtsjahr bestellt worden. Die parlamentarische Beratung wird in der nächsten Junisession ihren Anfang nehmen.

2. S c h w e i z e r i s c h e s S t r a f g e s e t z b u c h . An dieser Kodifikation wurde im Berichtsjahr nicht gearbeitet. Das Departement, beziehungsweise der Bundesrat, wird sich damit wohl erst nach Erledigung des Zivilrechtes befassen können.

3. B e g n a d i g u n g s w e s e n . Der gegenwärtige Reehtszustand in bezug auf das Begnadigungswesen der Schweiz ist unhaltbar. Eine Neuordnung dieser Materie ist dringend geboten im Interesse der Rechtsprechung und zur Entlastung der Bundesversammlung. Das wurde wiederholt ausgesprochen und anerkannt.

Bei Behandlung des Geschäftsberichtes des Bundesrates pro 1902 haben die Räte folgendes Postulat angenommen: ,,Der ßundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen, ob nicht die Ausübung des Begnadigungsrechtes neu zu ordnen sei, und eventuell einen bezüglichen Gesetzesentwurf vorzulegen."

J8S

Am 13. November 1903 wies das Departement dieses Postulat dem Bundesanwalt zu behufs Vorlage eines Berichtes und eventuell eines Gesetzesentwurfes. Der Bundesanwalt reichte einen umfassenden Bericht nebst Entwurf im Dezember 1904 ein. Dieser Vorentwurf wird vorerst durch eine Departementalkommission durchberaten werden. Das Departement wird sodann möglichst bald die Vorlage für die Bundesversammlung feststellen.

Ohne auf die Sache selbst hier eintreten zu wollen, begrüßen wir speziell den Vorschlag des Bundesanwaltes, die Begnadigung gegenüber Geldbußen in der Regel auszuschließen. Es wird weiter zu prüfen sein, ob die Begnadigung nicht auch in bezug auf ganz geringe Freiheitsstrafen aufzuheben oder wesentlich einzuschränken sei.

4. E i d g e n ö s s i s c h e r V e r w a l t u n g s g e r i c h t s h o f . Es war Herrn Professor Fleiner nicht möglich, sein Gutachten samt Vorentwurf bis Ende des Berichtsjahres zum Abschluß zu bringen.

Die Frist zur Ausführung seines schwierigen Auftrages mußte bis Ende Juni 1905 erstreckt werden. Nach Eingang des Fleinerschen Berichtes wird das Departement die Angelegenheit so rasch als möglich zur Vorlage an die Bundesversammlung fördern. Die Kommission gibt auch an dieser Stelle der Überzeugung Ausdruck, daß die Frage des eidgenössischen Verwaltungsgerichtshofes ebenso dringlich als wichtig ist.

5. Gesetzgebung über den Schutz des U r h e b e r r e c h t s an W e r k e n der L i t e r a t u r und K u n s t . Die dem Amte für geistiges Eigentum obliegende Vorbereitung einer Revision dieser Gesetzgebung konnte im Berichtsjahr nicht beendigt werden.

Indes sind diese Vorarbeiten nunmehr dem Abschlüsse nahe, und das Departement wird im Laufe des Jahres 1905 an die Ausarbeitung der Vorlage für diepßundesversammlung schreiten können.

6. U n l a u t e r e r W e t t b e w e r b . Mit Petition vom 25. Oktober 1900 hatte der Verein schweizerischer Geschäftsreisender den Erlaß eidgenössischer Rechtsnormen gegen den unlautern Wettbewerb verlangt. Auf Grund eines ausführlichen gedruckten Berichtes des Justizdepartements beschloß der Bundesrat am 23. Februar 1904 : ,,Es ist vorläufig, d. h. bis zum Erlasse eines eidgenössischen Strafrechts, von einer besondern Bundesgesetzgebung über den unlautern Wettbewerb abzusehen und das Vorgehen in dieser Sache der Polizeigesetzgebung der Kantone zu überlassen."

189 Die Kommission vertritt die Anschauung, daß die Frage des gesetzliehen Schutzes gegen den unlautern Wettbewerb dringender Natur ist und nur auf eidgenössischem Boden in befriedigender Weise gelöst werden kann.

II. Internationales Recht.

Im Berichtsjahre fand im Haag vom 16. Mai bis 7. Juni die IV. Konferenz für internationales Privatrecht statt. Es handelte sich dabei um folgende Traktanden : a. Abänderungsvorschlag betreffend die Übereinkunft über Zivilprozeßrecht vom 14. November 1896; &. Neufassung des schon von der III. Konferenz behandelten Entwurfes betreffend das Erbrecht; c. Wirkungen der Ehe auf den persönlichen Zustand der Ehefrau und auf das Güterrecht der Ehegatten ; die Wirkungen der Scheidung und der Trennung von Tisch und Bett; d. die Vormundschaft über Mehrjährige ; e. das internationale Konkursrecht.

Der Bundesrat wird der Bundesversammlung über die Ergebnisse dieser Verhandlungen zu geeigneter Zeit speziellen Bericht erstatten und seine Anträge unterbreiten.

Y. Zivilstand und Ehe.

1. Die Berichte, weiche die Kantone gemäß Zivilstandsgesetz über die alljährlich vorzunehmenden Inspektionen ihrer Zivilstandsämter einzureichen haben, sind für das Jahr 1903 wieder nicht rechtzeitig eingegangen. Am 1. Februar 1905 waren noch zwei derselben ausständig. Der Bundesrat hat auf Anregung eines Kantons die Frist zur Einreichung dieser Berichte bis zum 1. Juli des auf die Inspektion folgenden Jahres erstreckt. Dies namentlich aus dem Grunde, weil die Inspektionsberichte sich für den Geschäftsbericht des Inspektionsjahres sowieso nicht verwerten lassen. Dieser verlängerte Termin wird nun hoffentlich von allen Kantonen eingehalten werden.

L.g.V,

2. Im Berichtsjahre sind die letzten noch ausstehenden Berichte über den Bestand, Zustand und die Aufbewahrung der alten und neuen Personenstandregister eingegangen. Die neuen seit 1876 geführten Personenstandregister sind in sämtlichen Kan-

190 tonen vollzählig und in guter Ordnung. Was die alten Register anbelangt, so ist die Sichtung und Bearbeitung dieses Materials zurzeit noch nicht abgeschlossen.

3. Der Nachtrag zum Handbuch für die Zivilstandsbeamten ist in Bearbeitung und wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 1905 vollendet werden.

4. Eine Schweizerin, Witwe, gebar im Jahr 1897 in Savoyen.

Das Kind wurde damals in die dortigen Zivilstandsregister als Kind unbekannter Eltern eingetragen. Im Berichtsjahr anerkannte die Mutter ihr Kind nach den Formen der französischen Gesetzgebung vor dem zuständigen Zivilstandsbeamten. Der Anerkennungsakt wurde in das französische Geburtsregister eingetragen. Der Bundesrat entschied in Erledigung einer bezüglichen Anfrage, daß eine derartige, gemäß dem Rechte des Geburtsortes rechtsgültige Kindesanerkennung auch für die Verurkundung in den schweizerischen Registern genüge.

5. Auf eine bezügliche Anfrage der königl. großbritannischen Regierung antwortete der ßundesrat, daß die Schweiz; zu denjenigen Staaten gezählt werden müsse, welche grundsätzlich sich der Anerkennung von auf ihrem Gebiete abgeschlossenen sogenannten Konsularehen widersetzen. Nach dem schweizerischen Zivilstandsgesetz seien nur die bürgerlichen Zivilstandsbeamten berechtigt, Ehen abzuschließen.

YIL Keelitspflege.

H. Hiederlassungsreeht und andere vertragsmässige Rechte der Fremden.

Die Regierung des Kantons Bern verweigerte zwei russischen Angehörigen das Hausierpatent. Die hiergegen gerichtete, auf den schweizerisch-russischen Niederlassungsvertrag gestützte Beschwerde wurde vom Bundesrate abgewiesen.

IEE. Begräbniswesen und Konfessionelles.

3. K o n g r e g a t i o n e n . Von den im letztjährigen Berichte erwähnten 21 Fällen sind noch folgende unerledigt: Soeurs Marie in Sursee, Frères des écoles chrétiennes in Freiburg, Pères Marianites in Freiburg, Fidèles compagnes de Jésus in Corbières.

191 Die drei letzten Fälle konnten nicht erledigt werden, weil die verlangten Ergänzungsberichte der kantonalen Regierung am Ende des Berichtsjahres noch ausstanden.

Im Berichtsjahre sind 12 neue Fälle zu verzeichnen.

Diese intensive Einwanderung französischer Kongregationen in die Schweiz ist ein bedeutsamer Vorgang, welcher tiefe politische Wirkungen im Gefolge haben könnte.

Wir sprechen auch an dieser Stelle die Erwartung aus, der Bundesrat werde es an der nötigen Aufsicht nicht fehlen lassen und jeder Verletzung oder Umgehung des Art. 52 der Verfassung energisch entgegentreten.

B. Polizeiwesen.

VI. Zentralpolizeibureau.

Dieses Bureau wurde auf 1. April 1904 in Betrieb gesetzt.

1. In erster Linie wurde das Zentralregister für anthropometrische Messungen eingerichtet. Diese Registratur enthielt auf Ende des Berichtsjahres 4100 Stück solcher Signalemente.

2. Für die Führung des Zentralstrafenregisters wurde auf Grund der Begutachtung einer Fachkommission eine Wegleitung aufgestellt und den Kantonsregierungen mit einem Kreisschreiben mitgeteilt.

Wir nehmen gerne davon Vormerk, daß diese Wegleitung nur provisorischer Natur ist, und sprechen die Anschauung aus, daß bloße Bußurteile nicht registriert werden sollten.

3. Das zentrale Polizeiblatt erscheint seit Januar 1904 unter dem Titel ,,Schweizerischer Polizeianzeigera, beziehungsweise ,,Moniteur Suisse1'.

C, Bundesanwaltschaft.

Die Bundesanwaltschaft ist in letzter Zeit wiederholt beschuldigt worden, bei Ausübung der Fremdenpolizei Spitzel zu züchten, beziehungsweise das Spitzelwesen mit Bundesgeldern zu unterstützen. An Hand der bezüglichen Akten hat sich die Kommission davon überzeugt, daß diese Beschuldigungen unbegründet sind.

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Finanz- und Zolldepartement.

A. Finanzverwaltung.

Gesetzgebung und Postulate.

Behufs Herstellung des Gleichgewichtes in den Bundesfinanzen wurde durch Bundesbeschluß vom 6. Oktober 1899 unter anderm verfügt, es solle vom Jahre 1904 an für neue Hochbauten ein jährlicher Kredit ausgesetzt werden, der die Summe von Fr. 1,000,000 nicht übersteigen dürfe. Nachdem die Versicherungsvorlage vom Volke verworfen und der Hauptgrund für diese Schlußnahme weggefallen war, hat sich der Bundesrat mit der Frage befaßt, ob nun dieser Bundesbeschluß aufgehoben oder abgeändert werden solle. Am 11. November hat der Bundesrat beschlossen, es sei bis auf weiteres davon Umgang zu nehmen, den eidgenössischen Räten die Abänderung oder Aufhebung von Art. 2 dieses Bundesbeschlusses (XVII, 819) zu beantragen.

Ihre Kommission billigt diese Schlußnahme des Bundesrates und findet, es wäre eine Abänderung von Art. 2 dieses Beschlusses von 1899 um so weniger angezeigt, weil sich bisher nicht nur kein dringendes Bedürfnis gezeigt hat, den vorgesehenen Kredit für Hochbauten zu erhöhen, sondern weil hoffentlich in kurzer Zeit die Bundesfinanzen in anderer als durch die frühern Versicherungsvorlagen vorgesehenen Weise, aber voraussichtlich in erheblichem Betrage für Unterstützung der Kranken- und Unfallversicherung in Anspruch genommen werden. Der Umstand, daß sich zufolge der neuen Handelsverträge die Zolleinnahmen bedeutend vermehren werden, sollte nicht etwa als Grund dafür dienen, die frühern Schlußnahmen betreff Herstellung des Gleichgewichts, insofern sich nicht dringende Notwendigkeit hierfür geltend macht, abzuändern.

Ebenso begrüßt es die Kommission, wenn der Bundesrat möglichst bald -- wie in Aussicht gestellt ist -- sich mit der

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Frage der Errichtung einer Alters- und Invalidenkasse für Beamte^ Angestellte und Arbeiter beschäftigt und zugleich prüft, ob und in welcher Weise die Bestimmungen des allgemeinen Besoldungsgesetzes abgeändert werden sollen, welche sich auf Besoldungsnachgenüsse der Hinterlassenen dieser Beamten und Angestellten beziehen. Eine einheitliche Regelung dieser Fragen ist erwünscht, um alle Ungleichheiten auf diesem Gebiete zu beseitigen. Dabei erscheint es keineswegs ausgeschlossen, daß in einzelnen Fällen neben der Beitragsleistung an eine Alters- und Invalidenkasse, auch Besoldungsnachgenüsse den Hinterlassenen verstorbener Beamter zu leisten sind.

Veranlaßt durch eine Petition der schweizerischen Papierfabrikanten, es solle überall in der Bundesverwaltung nur Papier schweizerischer Provenienz, also nur Schweizerfabrikat, zur Verwendung zugelassen werden, ließ der Bundesrat Erhebungen veranstalten. Diese ergaben, daß der Wert des durchschnittlich in einem Jahre von der Bundesverwaltung verbrauchten Druckund Schreibpapiers annähernd Fr. 662,000 beträgt, wovon nur zirka Fr. 37,000, also 5,4 °/o, auf ausländische Fabrikate fallen.

Zudem wurde konstatiert, daß es sich bei diesen Bezügen ausländischen Fabrikates fast ausschließlich um Sorten handelt, welche in der Schweiz entweder gar nicht oder nicht in der gewünschten Qualität erstellt werden, wie zum Beispiel Zeichnungs-, Schreibmaschinen-, Banknoten- und Werttitel-Papier.

Der Bundesrat lehnte es ab, den Abteilungen der Bundesverwaltung den Verbrauch von Papier ausländischer Provenienz zu untersagen, hat dagegen sämtliche Departemente eingeladen, soviel als möglich Produkte der einheimischen Papierindustrie zu verwenden, wenn nicht dringende Gründe für den Bezug ausländischen Fabrikates vorliegen.

Auch diejenigen, welche die einheimische Industrie möglichst schützen wollen, könnea sich mit den Motivierungen der Schlußnahme des Bundesrates einverstanden erklären. Es ist zu wünschen, daß die einzelnen Abteilungen der Bundesverwaltung bei Bezug von Materialien oder Fabrikaten, welche andere Industriezweige als die Papierfabrikation anbetreffen, in der vom Bundesrate festgesetzten Weise möglichst die einheimische Industrie und das einheimische Gewerbe berücksichtigen.

Münzwesen.

Aus dem Berichte ergibt sich, daß der Bundesrat Anordnungen zu strengern Maßnahmen gegen Verbreitung falscher

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Münzen getroffen und einen Beschloß betreffend Vernichtung falscher Münzen durch alle eidgenössischen Amtsstellen mit Kassaverkehr, die kantonalen Kassabeamten, sowie private Verkehrsanstalten und Emissionsbanken erlassen hat.

Gegen derartige Maßnahmen läßt sich allerdings nichts einwenden. Dagegen wäre es wünschbar, wenn auch Anordnungen getroffen werden könnten, um der massenhaften Zirkulation abgerufener Geldstücke mit Erfolg entgegen treten zu können. Zwar nimmt die Kommission Umgang, ein bezügliches Postulat zu stellen, erwartet aber, daß der Bundesrat nach Möglichkeit auch die Beseitigung dieses Übelstandes anstreben werde.

II. Finanzkontrolle.

Aus dem Berichte des Bundesrates erhält man die Überzeugung, daß die Finanzkontrolle bei allen Abteilungen der Bundesverwaltung bis in alle Details auf das minutiöseste durchgeführt werde. Allerdings können auch durch unvermutete und wiederholte Kontrollen Veruntreuungen nicht vollständig verhindert, wohl aber der Zahl und dem Betrage nach sehr beschränkt werden. Durch die in letzten Jahren eingeführte verschärfte Kontrolle sollte es auch verunmöglicht werden, daß ein Zolleinnehmer vermittelst Fälschung der Bücher viele Jahre lang unbemerkt Unterschlagungen zum Schaden des Fiskus begehen kann.

HI. Banknotenkontrolle.

Im Jahre 1904 wurden für einen Betrag von Fr. 43,715,100 defekte Noten vernichtet. Es ergibt das 20,5 % der durchschnittlichen Notenzirkulation, es ist das der geringste Prozentsatz seit 7 Jahren. -- Zwar ist anzunehmen, daß die Zahl der defekten oder beschmutzten Noten um so größer werde, je intensiver deren Zirkulation in den verschiedenen Kreisen der Bevölkerung ist. Aber eine Schlußfolgerung, es sei in einem Jahre, in welchem verhältnismäßig wenig defekte oder beschmutzte Noten zur Vernichtung eingeliefert werden, die Zirkulation der Noten unbedeutend gewesen, wäre sehr gewagt. Denn es kommt jedenfalls viel darauf an, ob die öffentlichen Kassen und auch die Emissionsbanken bei der Prüfung der Noten, ob solche zur Vernichtung geeignet seien, einen strengen oder weniger strengen Maßstab anlegen. Bei Berücksichtigung der Tatsache, daß Stets

195 noch viele unsaubere Noten zirkulieren, welche geeignet sind, sogar zur Verbreitung von Krankheiten beizutragen, erscheint die Mahnung zu strengerm Vorgehen wohl begründet.

Bankausweise und wirtschaftliche Erscheinungen.

Aus einer Zusammenstellung aller im Jahre 1904 eingereichten und publizierten Wochenausweise ergibt sich, daß gegenüber dem Resultate von 1903 eine Verschlimmerung der Situation eingetreten ist. So war im Jahre 1904 das Verhältnis des Barvorrates der Emissionsbanken zu der effektiven Notenzirkulation durchschnittlich 55,s % (1903 : 57,a %) das Maximum betrug 60,6 % (1903 : 62,6 %) das Minimum 49,2 % (gegen 51,g°/o). Der durchschnittliche Prozentsatz wurde im Februar und März und in den Sommermonaten vom Juni bis Oktober überschritten. Die durchschnittliche effektive Notenemission hat gegenüber 1903 um 6,s Millionen zugenommen und betrug im Minimum 8,9 Millionen mehr als im Vorjahre, eine Zunahme, welche auch unter Berücksichtigung etwas regerer Entfaltung der Verkehrstätigkeit und einem vermehrten Bedürfnisse nach Zirkulationsmitteln, zu hoch erscheint, da durch Ausdehnung des Schek- und Giroverkehrs, Gebrauch von Anweisungen oder Generalmandaten von der Ausdehnung der Notenzirkulation leicht hätte Umgang genommen werden können. -- Ebenso wird das Resultat eines Vergleiches zwischen der effektiven Notenzirkulation in dem Jahre 1904 gegenüber 1903 als ungünstig bezeichnet, da die durchschnittliche effektive Zirkulation 6,2 Millionen mehr beträgt als 1903. -- In dem Berichte wird schließlich darauf aufmerksam gemacht, daß bisher das Verhältnis des Totalbarvorrates zu der effektiven Notenzirkulation als Bardeckungsverhältnis angegeben worden sei, was absolut unrichtig sei, denn es könne nicht die sämtliche vorfindliche Barschaft für die Noteneinlösung in Anspruch genommen werden, da ein beträchtlicher Teil der Barschaft zur Bezahlung der übrigen kurzfälligen Verbindlichkeiten verwendet werden müsse. Gemäß der an Händen der Wochensituationen der Emissionsbanken aufgestellten Berechnung beträgt die zur Noteneinlösung verfügbare Barschaft nur 43,7 % des tatsächlichen Notenumlaufes. Dieses Resultat weist neuerdings hin auf die dringende Wünschbark-eit des baldigen Zustandekommens des Gesetzes betreffend die Nationalbank oder eventuell einer Revision des Bundesgesetzes über Ausgabe und Einlösung von Banknoten.

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Denn auch dìo durch Konkordat vereinbarte, seit einigen Jahren von den schweizerischen Emissionsbanken praktizierte Maßnahme des zeitweiligen Rückzuges gewisser Prozentsätze der Noten ihrer Emissionen aus der Zirkulation und deren Hinterlegung beim Inspektorat wird laut Bericht weder hinsichtlich der Höhe der Beträge noch der Zeitdauer nach in dem Maße durchgeführt, wie es wünschbar wäre. Auch ist dieser zeitweise Rückzug der Noten im Jahre 1904 nicht erhöht worden, sondern gegenüber dem Jahre 1903 bedeutend reduziert worden.

IV. Staatskasse.

Obwohl im Berichtsjahre der Münzauswechslungsdienst intensiver arbeitete als im Vorjahre und besondere Aufmerksamkeit dem Rückzuge abgeschliffener Münzen gewidmet wurde und 424,000 solche Münzen zurückgezogen wurden, mußte konstastiert werden, daß noch immer keine Abnahme derselben bemerkbar sei. Es wird das darauf zurückgeführt, daß von Privatpersonen zum Zwecke der Spekulation stetsfort neue Beträge ins Land gebracht werden.

Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß in Italien, wo die Zirkulation abgeschliffener Münzen sehr erschwert wird, die dort vorhandenen abgenutzten Geldstücke bedeutend unter dem Nominalwerte angekauft, spekulationsweise in die Schweiz gebracht und hier zum vollen Werte abgesetzt werden. Die abgeschliffenen Geldstücke sind zum großen Teile französischen Ursprungs. Die Auswechslung dieser abgeschliffenen Münzen nach Frankreich ist nicht nur mit bedeutenden, durchschnittlich 8 °/oo des Nennwertes betragenden Kosten, sondern auch insofern mit Schwierigkeiten verbunden, als die französische Verwaltung bei Annahme dieser Sendungen große Strenge walten läßt und eine Anzahl der unmerklich unter dem zulässigen Mindestgewicht abgeschliffenen Münzen wieder in die Schweiz zurückschickt. Infolge des geringen Silber wertes dieser Münzen erwächst der Schweiz aus diesem Münzauswechslungsdienst eine große Einbuße.

Also ist dringender Grund vorhanden, daß der Bundesrat baldmöglichst hierüber den in Aussicht gestellten Bericht erstatte und Anordnungen zur Abhülfe zu treffen suche.

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V. Wertschriftenverwaltimg.

Auffallend ist die sehr große Differenz betreffend den Wertschriftenverkehr des Bundes und der Spezialfonds in den Jahren 1903 und 1904. Es erzeigt sich insgesamt eine Differenz zu ungunsten des Jahres 1904 um mehr als 55 Millionen Franken.

Diese große Differenz ergibt sich aus dem vorjährigen Übertrag von zirka 16 Millionen Franken in Werttiteln an den Münzreserveund Anleihensamortisationsfonds, der Konversion von Fr. 3,530,000 28/4 englische Konsols in 2J/2 % und Umtausch von Fr. 2,770,000 Nordostbahn- und Jura-Simplon-Bahn- in Bundesbahnobligationen.

Sodann ist aber speziell hervorzuheben, daß auch das neue Verfahren in der Wertschriftenverwaltung erheblich zur Reduktion der frühern Ziffern im allgemeinen Wertschriftenverkehr beiträgt.

Früher wurden regelmäßig alle Titelerwerbungen zuerst für das allgemeine Portefeuille verbucht und erst am Ende des Jahres hieraus die einzelnen Spezialfonds dotiert. Jetzt werden die für die Spezialfonds nach und nach disponibel gewordenen Summen ·zu direkten Ankäufen für diese Spezialfonds verwendet. Diese Vereinfachung erscheint sehr zweckmäßig.

B. Zollverwaltung.

Dem interessanten Berichte betreffend Zollwesen ist zu entnehmen, daß es sehr schwierig ist, Umgehungen einer richtigen Verzollung zu verunmöglichen oder wenigstens zu beschränken.

So ist z. B. an verschiedenen Grenzorten die Beobachtung gemacht worden, daß einige Geschäftshäuser die gesetzliche Verzollung nach dem Bruttogewicht gewerbsmäßig dadurch umgehen, daß sie die Waren bis zu einer der Grenze nahe liegenden Station kommen lassen, sie dort ihrer Verpackung entledigen und dann nach dem Nettogewichte mit Tarazuschlag anmelden. -- Die festgesetzten Tarazuschläge sind sehr niedrig und entsprechen bei vielen Artikeln nicht dem wirklichen Gewichte der üblichen Verpackung, so daß es für einzelne Handelshäuser bedeutenden Vorteil bietet, die Verzollung nach dem Nettogewicht mit Tarazuschlag vornehmen zu lassen. Dadurch werden die Interessen derjenigen Handelshäuser geschädigt, welche ihre Waren direkt beziehen, und es erleidet auch der Fiskus eine Einbuße. -- Es wird daher dieses Verfahren um Nettoverzollung mit Tarazuschlag zu erwirken als ein Mißbrauch betrachtet, und es ist durchaus gerechtfertigt, wenn strengere Anordnungen zur Abwehr solcher Zollumgehungen getroffen werden.

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Wie schon in frühern Berichten bemerkt worden war, bietet der landwirtschaftliche Grenzverkehr vielfach eine Handhabe zur Umgehung des Zollgesetzes. Am meisten gab die zollfreie Einfuhr von Wein aus der Grenzzone zu Klagen Anlaß. Es wurde im letztjährigen Geschäftsbericht darauf hingewiesen, daß Ausländer ein fiktives Domizil in der Schweiz verzeigen, oder daß fiktive Pachtverträge zu dem Zwecke geschlossen werden, um die zollfreie Einfuhr von Wein aus der Grenzzone in die Schweiz zu ermöglichen. -- Um diesen Übelständen entgegenzutreten, hat der Bundesrat am 15. März 1904 in Abänderung der Vollziehungsverordnung zum Zollgesetz beschlossen, daß neuer Obstund Traubenwein nicht mehr zu den rohen Bodenerzeugnissen zu zählen sei. -- Durch diese Schlußnahme war ermöglicht, die Umgehung des Zollgesetzes, welche unter der Vorgabe zollfreien landwirtschaftlichen Grenzverkehrs häufig vorkommt, bedeutend zu beschränken. Veranlaßt durch eine Petition von Einwohnern von Genf, welche in der Grenzzone liegende Rebberge besitzen, hat der Bundesrat das Zolldepartement ermächtigt, vorläufig versuchsweise und auf Zusehen hin den Weinertrag ab denjenigen innerhalb der Grenzzone im Auslande gelegenen Grundstücken, welche Einwohner der Schweiz als Besitzer oder Nutznießer -- mit Ausschluß von Pächtern -- selbst bebauen oder auf eigene Rechnung durch Drittpersonen bebauen lassen, wieder zollfrei zuzulassen.

Es findet ihre Kommission, es sei gerechtfertigt, die durch das Zollgesetz gewährten Vergünstigungen für den Grenzverkehr in keiner Weise zu beschränken und einzig Anordnungen zu treffen, welche zur Bekämpfung von Mißbräuchen als notwendig sich erweisen.

In der Kommission wurden Zweifel darüber geäußert, ob nicht eine unnötige Härte darin liege, daß von der Zollverwaltung die Freipaßabfertigung nach Chiasso für den im Grenzverkehr zollfrei über die bündnerische Grenze eingebrachten Veltlinerwein als unstatthaft erklärt wurde.

Betreffend Zollabfertigung des Reisendengepäcks in Chiasso sind in einem neuen Regulativ derartige Vorschriften aufgestellt, daß eine möglichste Berücksichtigung des mit den Nachtschnellzügen reisenden Publikums getroffen wird. -- Ob diese Erleichterungen besonders nach Eintritt der bevorstehenden Zollerhöhungen nicht zu Zollumgehungen in großem Maßstabe führen werden, ist ungewiß und es wird je nach den Erfahrungen die Kontrolle wieder verschärft werden müssen.

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»

T. Ofoerzolldirektion.

Schon im Prüfungsberichte der ständerätlichen Kommission für das Jahr 1902 ist betont, daß die der Oberzolldirektion zur Verfügung gestellten Lokalitäten an der ßundesgasse dem Räume nach durchaus ungenügend seien, und daß zudem die Beleuchtung und Lüftung viel zu wünschen übrig lassen. Es wurde damals der Wunsch geäußert, daß auf Beseitigung dieser Übelstände Bedacht genommen werde. Es ist nun in Aussicht gestellt, daß die von der Kantonalbank Bern benützten Räumlichkeiten nach deren Übersiedelung in das Museumsgebäude in zweckdienlicher Weise eingerichtet und sodann der Oberzolldirektion als Bureaux zugewiesen werden.

TU. Grenzschutz.

Die Erhöhung der Einfuhrzölle auf eine große Anzahl Positionen wird in erhöhtem Maße zur Umgehung des Zollgesetzes -- sei es durch unrichtige Zolldeklarationen, sei es durch Schmuggel -- anspornen. Zur Abwehr gegen solche Mißbräuche wird nicht nur das Zollpersonal, sondern auch das Grenzwachtkorps verstärkt werden müssen. Dabei sollte nicht nur eine Vermehrung dieses Personals vorgesehen werden, sondern soweit möglich auch eine qualitative Verbesserung angestrebt werden. Allerdings darf das nicht zur Entlassung altgedienter Grenzwächter führen, soweit, solche nicht durch eigenes Verschulden die ihnen obliegenden Verpflichtungen vernachlässigen oder sonst zu begründeten Klagen Anlaß bieten. So lange ein Pensionsgesetz mangelt oder nicht wenigstens eine Alters- und Invalidenkasse der Beamten und Angestellten des Bundes geschaffen ist, erfordert es das Gebot der Billigkeit, daß den invaliden oder halbinvaliden Grenzwäehtern im Sinne des Berichtes des Bundesrates eine angemessene Beschäftigung zugewiesen oder auch wenn sie gänzlich arbeitsunfähig sind, doch ein Teil des frühern Soldes bezahlt werde.

Nebst Vermehrung des Grenzwachtkorps könnte zum Zwecke der Beschränkung des Schmuggels auch geeigneten Orts die Herstellung von Vorrichtungen (Drahtleitungen mit Läutwerken etc.)

ähnlich denjenigen anderer Staaten in Frage kommen.

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Militärdepartemeut.

I. Allgemeines.

Der Vorentwurf zu einem Gesetze über die Militärorganisation ist vom Departemente ausgearbeitet und allen kantonalen Behörden, den Offiziersvereinen und den höheren Offizieren übermittelt worden ; er ist auch allen denjenigen Schweizerbürgern zur Verfügung gestellt worden, die sich mit der Frage befassen wollten.

In den militärischen Kreisen hat derselbe zu zahlreichen und interessanten Diskussionen Anlaß geboten, wobei sich ergeben hat, daß über zahlreiche Punkte noch Differenzen bestehen. Der von den höheren Truppenführern ausgearbeitete Entwurf weist ebenfalls noch erhebliche Abweichungen von demjenigen des Militärdepartements auf.

Um zum Ziele zu gelangen, ist es unerläßlich, daß über die allgemeinen Grundsätze, auf denen das Gesetz aufgebaut werden soll, eine Verständigung zu stände komme. Wir hoffen, daß es dem Bundesrat möglich sein werde, in nicht allzuferner Zeit einen Entwurf vorzulegen, der sich der Zustimmung der verschiedenen Militärbehörden erfreut.

Die Neubewaffnung der Artillerie wird keine Verzögerung erleiden, so daß man annehmen darf, daß unsere Artillerie Ende 1906 mit einem auf der Höhe der letzten Verbesserungen stehenden Material ausgerüstet sein wird.

Tl. Unterricht.

Die vom Bundesrat genehmigte .,,Turnschule"1 vom Jahre 1898 hat die Verordnung vom 16. April 1883 ersetzt. Im Jahre 1904 wurde bei der Rekrutierung versuchsweise eine Prüfung der Stellungspflichtigen auf ihre physische Leisungsfähigkeit angeordnet. Man hat dabei die Möglichkeit festgestellt, diese Prüfung ohne erheblichen Zeitverlust und ohne Beeinträchtigung

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der übrigen Operationen vorzunehmen. Unsere Kommission ist mit dem Bundesrate der Meinung, daß diese Versuche auf alle Stellungspflichtigen auszudehnen seien, um so ein Gesamtresultat für die ganze Schweiz zu erlangen. Diese Prüfung wird den Rekrutierungsoffizieren wertvolles Material für die Einteilung der Rekruten liefern.

Unterrichtskurse.

Die Zahl der ausexerzierten Rekruten, die jährlich an die Infanteriebataillone abgegeben werden, ist seit 1899 in der Abnahme begriffen; sie betrug damals 120 Mann und ist bis zum Jahre 1904 auf 100 Mann, also um 1/a zurückgegangen.

Dieses Resultat hängt mit der durch die strengeren sanitarischen Bedingungen verursachten stetigen Abnahme der eingeteilten Rekruten zusammen. Im Jahre 1896 waren es deren 18,680 und im Jahre 1904 16,921.

Die Zunahme der bei den Spezialwaffen Eingeteilten hat ebenfalls ihren Einfluß auf die Zahl der der Infanterie zugeteilten Rekruten ausgeübt.

Die Rekrutenschulen und die Wiederholungskurse sollten nicht zu frühzeitig ihren Anfang nehmen. In den Monaten Januar und Februar und in der ersten Hälfte des Monats März sind die Temperaturverhältnisse zu unbeständig, die Tage zu kurz und die Exerzierplätze zu schlecht, als daß man aus dem Unterricht denjenigen Nutzen ziehen könnte, den zu erwarten man berechtigt ist. Die Erfahrung hat übrigens gezeigt, daß der Gesundheitszustand der Truppen durch diese verfrühten Kurse stark in Mitleidenschaft gezogen wird.

Aus der Rubrik Wiederholungskurse für Nachdienstpflichtige geht hervor, daß 3282 Mann der Landwehr an diesen Kursen teilgenommen haben. Der Bericht des Bundesrates sagt uns, dieselben seien hauptsächlich für das II. Aufgebot bestimmt, weil es nicht jedermann möglich sei, während der Dauer des Dienstes im I. Aufgebot die vorgeschriebenen zwei Wiederholungskurse zu bestehen.

Das Ergebnis dieser Kurse, sagt der Bundesrat, ist gering.

Wir glauben es gerne, denn im Alter von 40 und mehr Jahren stehende Leute, die ihre Familien und ihre Geschäfte haben, bringen jedenfalls zu diesen Nachdienstkursen nicht denjenigen Eifer und die Schaffensfreudigkeit mit, mit denen einzig bei einer so kurzen Dienstzeit gute Resultate erzielt werden könnten.

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202 Es besteht keine gesetzliche Bestimmung, wonach die Landwehrmannschaften verpflichtet wären, zwei Wiederholungskurse zu absolvieren. Unter diesen Bedingungen halten wir es für angezeigt, auf die Nachdienstkurse für die Landwehr II. Aufgebot zu verzichten. Der Artikel 3 des Gesetzes vom Jahre 1881 erteilt der Bundesversammlung die Kompetenz, zu entscheiden, welche Jahrgänge von den Wiederholungskursen zu dispensieren sind.

St. Maurice.

Die außerordentliche Lage, die der Gemeinde Lavey, auf deren Gebiet die sämtlichen, zum Schutze des Durchlasses von St. Maurice errichteten Befestigungsanlagen stehen, geschaffen worden ist, erheischt es, daß wir einen Augenblick bei ihr verweilen.

Die Gemeinde Lavey-Morcles liegt an der äußersten südöstlichen Grenze des Kantons Waadt und wird durch die Rhone von St. Maurice getrennt. Ihre Landwirtschaft treibende Bevölkerung bestand vor dem Bau der Befestigungen hauptsächlich aus Angehörigen der Gemeinde. Die finanzielle Lage war gut und gestattete die Verteilung eines Überschusses aus den Einkünften der Gemeinde an ihre Bürger. Eine Gemeindesteuer bestand also nicht.

Wenn man die Volkszählungen von 1888 und 1900 mit einander vergleicht, so ergibt sich, daß die Anlage der Befestigungen eine bedeutende Zunahme der Bevölkerung von Lavey zur Folge gehabt hat. Dieselbe betrug im Jahre 1888 349 und im Jahre 1900 789 Seelen.

Die Ausgaben einer Gemeinde, deren Bevölkerung sich in einem Zeiträume von zwölf Jahren mehr als verdoppelt, erfahren notwendigerweise auch eine starke Zunahme. So wurde in Lavey-Morcles die Errichtung von neuen Schulklassen zur Notwendigkeit und verlangte die Militärbevölkerung von den Gemeindebehörden den Bau neuer Schulhäuser. Da man sie, ihrer Ansicht nach, zu lange auf Antwort warten ließ, nahm das Festungspersonal Zuflucht zu anderen Mitteln und machte sich selbst zum Herrn der Lage, indem es Ende 1903 das Recht beanspruchte, an der Verwaltung der Gemeinde teilzunehmen.

Zu diesem Zwecke ließen sich 44 Mann als Mitglieder des Generalrates eintragen, der bis dahin aus 32 Mitgliedern, hauptsächlich früheren Einwohnern und Bürgern von Lavey bestanden hatte.

20$ Dieses überraschende Vorgehen der Militärbevölkerung stelltedieselbe an die Spitze der Gemeindeverwaltung, verlieh ihr die Mehrheit über die Zivilbevölkerung und wurde zur Ursache desKonfliktes.

Die Regierung des Kantons Waadt suchte gemeinsam mit dem eidgenössischen Militärdepartement den Streit beizulegen.

Man gab sich der Hoffnung hin, diesen Zweck erreicht zu haben, als am 15. Dezember 1904 der Gemeinderat und die Mehrzahl der Mitglieder des Generalrates ihre Demission einreichten.

Die angeordneten Neuwahlen ergaben kein Resultat, und so' blieb der Waadtländer Regierung nichts anderes übrig, als die' Verwaltung der Gemeinde Lavey-Morcles einer von der Regie-1 rung eingesetzten Behörde zu übertragen; eine solche Verwaltung kann aber auf die Dauer nicht bestehen.

Die finanzielle Lage der Gemeinde ist so schwierig, daß der Voranschlag für 1905 einen ungedeckten Ausgabenübersehuß von Fr. 18,000 aufweist, trotzdem eine Gemeindesteuer in der gleichen Höhe wie die Staatssteuer erhoben wird. Die Rechnung pro 1904 schließt mit einem bedeutenden Defizit ab.

Wir machen darauf aufmerksam, daß die der Eidgenossenschaft gehörenden Liegenschaften steuerfrei sind, wodurch natürlich das Privateigentum noch besonders belastet wird.

Es kann nicht bestritten werden, daß die Schwierigkeiten, in denen sich die Gemeinde Lavey befindet, durch die Anlage der Befestigungswerke und die damit verbundene große und rasche Zunahme der Bevölkerung verursacht worden sind.

Dite Kommission ist der Ansicht, daß die Eidgenossenschaft verpflichtet ist, einzuschreiten und hofft, der Bundesrat werde den eidgenössischen Räten die nötigen Anträge unterbreiten, um die Wiedereinsetzung von gesetzlichen Gemeindebehörden in Lavey zu ermöglichen und ihnen die Mittel an die Hand zu geben, ihr Amt in gehöriger Weise ausüben zu können.

VII. Sanitätsdienst.

Militärversicherung.

Der Betrieb der Militärversicherung ist auch im Berichtsjahr ein normaler gewesen. Die Leistungen für vorübergehend Geschädigte betrugen Fr. 328,790.75 und weisen denjenigen

'204 vom Jahre 1903 gegenüber, die sich auf Fr. 383,052. 83 beliefen, eine Abnahme auf.

Dagegen sind die Leistungen für bleibende Nachteile nach dem Verfahren des Deckungskapitals im Jahre 1904 auf Fr. 357,473 gestiegen. Im Jahre 1903 betrugen sie Fr. 209,500. 55.

Wir wollen noch in aller Kürze wiederholen, in was das Verfahren des Deckungskapitals, das durch das Versicherungsgesetz vorgeschrieben wird, besteht.

Nachdem die Pension definitiv festgesetzt worden ist, berechnet das Bureau der Militärversicherung an der Hand von Sterblichkeitstafehi, die wahrscheinliche Zeitdauer, während der die Pension ausbezahlt werden muß und überweist dem im 1. Alinea des Artikels 47 des Versicherungsgesetzes vorgesehenen Deckungsfonds einen Betrag, dessen Kapital und Zinsen ausreichen, um die Pension während der voraussichtlichen Lebensdauer der Pensionierten zu bezahlen.

So werden in der Theorie die dem Deckungsfonds im Jahre 1904 überwiesenen Fr. 357,473 erst aufgebraucht sein, nachdem alle im Jahre 1904 bewilligten Pensionen erloschen sein werden.

Die Militärversicherung ist seit 1902 in Kraft, und am 31. Dezember 1904 betrug das Deckungskapital, nach Abzug der in den Jahren 1902, 1903 und 1904 bezahlten Pensionen Fr. 735,964.70.

Der im Artikel 47 des Gesetzes vorgesehene Sicherheitsfonds, eine Art von Reservefonds, wird durch die Überschüsse der jährlich von den Räten bewilligten Kredite über die wirklichen Ausgaben gebildet. Die Zinsen dieses Fonds werden zum Kapital geschlagen. Am 31. Dezember 1904 erreichte derselbe den Betrag von Fr. 103,370. 72.

205

Departement des Innern.

I. Zentralverwaltung.

1. Organisation und Geschäftsgang.

Schon im vorigen Geschäftsjahre ist auf Anregung der nationalrätlichen Kommission dem Bibliothekar ein Gehülfe bewilligt worden. Auf der einen Seite klagt man über stete Vermehrung des Beamtenheeres und gleichwohl wird dasselbe vermehrt, auf -- Anregung parlamentarischer Kommissionen.

3. ZentralMbliothek.

Der Umzug in die neuen Räume (ehemaliger Nationalratssaal) ist nun vollzogen und das Material eingeordnet.

II. Vollziehung der Bundesverfassung und eidgenössischer Gesetze.

1. Ausführung des Artikels 27 der Bundesverfassung.

Der weittragende Beschluß ist nun durchgeführt. Als Kuriosum ist zu erwähnen, daß sich bei den Akten der Jugendsehriften ein Exemplar des bekannten ,,Freiherrn von Münchhausena befindet.

2. Medizinalprüfungen.

Angesichts einer noch nicht beantworteten Petition hat die Kommission den Eindruck gewonnen, daß es angezeigt wäre, die Frage zu prüfen, ob nicht in den leitenden Ausschuß für die Medizinalprüfungen ein Apotheker, ein Zahnarzt und ein Tierarzt aufzunehmen wären. Es würde sich nicht darum handeln, diese Vertreter mit der Leitung der Medizinalprüfungen an den fünf Universitäten zu betrauen, sondern ihnen das Recht einzuräumen, im Schöße des Prüfungsausschusses ihr Fach zu vertreten, haupt-

206

sächlich in bezug auf die Ausarbeitung der Programme. Zu einer Zeit, wo von den Apothekern, den Zahnärzten und den Tierärzten die gleichen vorbereitenden Studien und das gleiche Maturitätszeugnis wie von den Medizinern verlangt wird, erscheint ein solches Begehren nicht ungerechtfertigt, und wir empfehlen dasselbe dem Wohlwollen des Bundesrates, in der Meinung, daß durch eine kleine Abänderung der Verordnung über die Medizinalprüfungen beachtenswerten Wünschen leicht Rechnung getragen werden könnte.

3. Mass und Gewicht.

Art. 64 der Bundesverfassung ist noch vielfach nicht oder wie der Geschäftsbericht weist, zum Teil sehr mangelhaft durchgeführt. Es läge namentlich im Interesse des nicht wohlhabenden Teils der Bevölkerung, daß die Bestimmungen des Gesetzes ernstlich durchgeführt würden.

V. Werke der öffentlichen Gemeinnützigkeit.

1. Schweizerische naturforschende Gesellschaft.

b. Geologische Kommission.

Ist denn unsere Gebirgswelt absolut ohne Aussicht auf rentable Ausbeutung von edeln Metallen oder wird diesem nicht unwichtigen Punkt keine oder zu wenig einläßliche Aufmerksamkeit geschenkt?

VI. Polytechnische Schule.

Die polytechnische Schule ist ein Kleinod in den Errungenschaften des Bundes, und es ist anzuerkennen, daß die Anstalt auf der Höhe ihrer Aufgabe steht. Der eidgenössische Schulrat ist sich des großen Wertes eines tüchtigen Lehrerstandes bewußt und sucht denselben mit allen Kräften zu erhalten.

VII. Gesundheitsamt.

Das Gesundheitsamt scheut keine Mühe, den ansteckenden Krankheiten und deren Verhütung alle Aufmerksamkeit zu schenken.

207 Die Opfer, welche auch im Berichtsjahre für Absonderungshäuser und Desinfektionsanstalten gebracht wurden, sind wohlangebrachte Ausgaben.

X. Schweizerische Landesbibliothek.

Die nationalrätliche Kommission sagte in ihrem vorjährigen Berichte: ,,Die Landesbibliothek wächst bedrohlich". Ob der Bund in derselben 12 Angestellte unterhalten muß, um alle möglichen Erzeugnisse, also auch solche, welche nicht bloß geringen, sondern k e i n e n dauernden Wert haben, aufzustapeln?

Hier sollte mit dem Menschenpersonal wie mit der Aufnahme sogenannter geistiger Erzeugnisse entschieden Wandel geschaffen werden. Der Bundesrat möge daher fürsorgen, daß das Personal der Angestellten auf die nur absolut nötige Zahl reduziert und ·daß in der Landesbibliothek nur solche Schriften aufgenommen werden, welche dauernden Wert haben.

Xu. Oberbauinspektorat. ' Wasserbauwesen.

Das Oberbauinspektorat ist in guten Händen. Nicht nur wird den neu in Frage kommenden Straßen- und Wasserbauten gebührende Aufmerksamkeit geschenkt, sondern ebenso der Aufrechthaltung der bestehenden Werke, die periodisch einer gründlichen Prüfung unterworfen werden unter Verwertung der praktischen Erfahrungen.

Der Vorbehalt, daß der spätere Unterhalt eines Werkes auf dem betreffenden Kanton lasten soll, ist längst als unhaltbar dahin gefallen. Ergänzungen, Naturereignisse und die unausweichliche Notwendigkeit im allgemeinen haben dazu geführt und mußten dazu führen. So werden denn nicht nur die neuen Projekte, sondern ebenso die schon erstellten Bauten ganz unzweifelhaft noch lange die Bundesfinanzen in bedeutendem Maße in Anspruch nehmen. Die Schindlerschen Pfahlbauten werden nach wie vor für alle Bauten von Bedeutung nicht angewendet werden können.

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xm. Direktion der eidg. Bauten.

B. Hochbauten.

Die nationalrätliche Kommission für 1903 sagt, daß der Bund für das elektrische Licht in den Bundeshäusern und deren Dependenzen jährlich Fr. 80,000 bezahle. Vergleichungen mit Lichtpreisen anderer Städte ergeben eine Differenz von minus Fr. 35,000. Es wurde uns gesagt, daß etwelche Ermäßigung erreicht worden sei und noch weitergehend angestrebt werde.

Es wird am Platze sein, wenn der Bundesrat dafür sorgt, daß die jährliche Entschädigung für die Beleuchtung der Bundeshäuser in Einklang gebracht wird mit der anderwärts in analogen Verhältnissen gebräuchlichen Entschädigung.

XIV. Porstwesen, Vogelschutz.

Es liegt uns keine ausführliche Liste für Lawinenverbauungen vor. Das Oherforstinspektorat vertröstete uns, daß nur an Orten, wo man bestimmt auf Erreichung des Zweckes rechnen dürfe, solche Verbauungen gemacht werden. Die Lawinen sind freilich unberechenbare, gewaltige Zerstörer. Bei den Aufforstungen ist der Bund sehr freigebig. Der Eigentümer, zu dessen Nutzen dieselben ausgeführt werden, erhält nicht nur hohe Beiträge, er läßt sich noch dazu das Pfahlholz sehr teuer bezahlen, so daß er noch mitunter ein gutes Geschäft macht.

Betreffend den Vogelschutz wird der Chef des Departements des Innern noch manchen Strauß zu bestehen haben, so lange der Vogelmord selbst in hohen Kreisen geradezu raffiniert betrieben wird.

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Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement.

Handel.

I. Handelsverträge und auswärtige Zollverhältnisse.

N e u e V e r t r ä g e sind im Berichtsjahre abgeschlossen worden mit Italien und Deutschland ; beide Verträge haben die Genehmigung der eidgenössischen Räte erhalten. Ein weiteres Abkommen wurde mit Rumänien getroffen, in dem Sinne, daß die seit dem Jahre 1893 bestehende, bislang jederzeit kündbare Handelsübereinkunft bis Ende 1917 unkündbar in Geltung ge setzt wird; kraft derselben genießen beide Staaten gegenseitig die Rechte der meistbegünstigten Nation. G e k ü n d e t wurden unserseits die Handelsverträge mit Spanien und Österreich-Ungarn ; die bisherigen Verträge werden daher im laufenden Jahre (31. August und 19. September) erlöschen. Beide Staaten haben sich bereit erklärt, über den Abschluß neuer Verträge mit un» in Unterhandlung zu treten.

Unser H a n d e l s v e r k e h r mit dem Auslande weist folgende Ziffern auf: Einfuhr (provisorische Ziffer) 1210 Millionen Franken, Ausfuhr 883 Millionen Franken. Die Ziffern des Vorjahres waren 1159 und 882. Während daher die Einfuhr neuerdings um über 50 Millionen Franken gestiegen ist, ist die Ausfuhr ziemlich genau gleich geblieben.

II. Internationale Ausstellungen.

Mit Gutheißung der Räte ist eine Subvention von Fr. 20,000 gewährt worden für die bernische Ausstellung von Holzschnitzlerarbeiten in L ü t t i c h . Nach den Ihrer Kommission gewordenen Mitteilungen hat der Bundesrat, von einer Ermächtigung der eidgenössischen Räte Gebrauch machend, mittlerweile weitere Subventionen für die Beteiligung an der Ausstellung in Lüttich, wenn:

210 auch in weniger weitgehendem Maße, bewilligt der Uhrenindustrie ·der Kantone Bern und Neuenburg und dem Weinbau des Kantons Wallis.

III. Kommerzielle Berufsbildung.

Die Zahl der vom Bunde subventionierten Handelsschulen beträgt 22, das Total der Subventionen Fr. 297,782 (total der subventionsberechtigten Ausgaben Fr. 910,364). Kaufmännische Fortbildungsschulen des schweizerischen kaufmännischen Vereins -wurden 64 subventioniert mit dem Gesamtbetrage von Fr. 138,293 (Gesamtausgaben Fr. 397,826). Hierzu kommen Beiträge an vereinzelte Vereine und Fortbildungsschulen der Gemeinden mit Fr. 18,822. An Stipendien sind Fr. 10,830 verausgabt worden.

IT. Handelsamtsblatt.

Der Bericht lobt die erfreuliche Entwicklung dieses Unternehmens. Die Zahl der Abonnenten ist auf 4110 angelangt, nicht berechnet 1986 Freiexemplare. Die Rechnung schließt mit einem Aktivsaldo von Fr. 33,612 ab. Nachdem somit das finanzielle Ergebnis ein recht günstiges ist, mag auch unserseits davon abgesehen werden, ob nicht die auffällig hohe Zahl von Frei·exemplaren ohne Schaden von Belang etwas gekürzt werden könnte.

T. Handelsreisende.

Die Einnahmen von Patenttaxen sind im Berichtsjahre neuerdings um Fr. 25,900 gegenüber dem Vorjahre gestiegen und betrugen brutto Fr. 418,500, wovon Fr. 397,763 an die Kantone verteilt werden konnten. Von jener Summe entfallen Fr. 392,800 auf schweizerische Reisende. Von total 31,417 Reisenden haben 24,510 schweizerische und 6907 ausländische Firmen vertreten.

Wegen Übertretung des Patenttaxengesetzes sind 230 Straferkenntnisse mitgeteilt worden. Wie die Zusammenstellung auf Seite 489 des Berichtes zeigt, verteilen sich dieselben in sehr ungleichem Maße auf die verschiedenen Kantone, was wohl auch auf ein ungleiches Maß von Strenge in der Handhabung des Gesetzes schließen läßt.

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VI. Bureau» für Gold- und Silberwaren.

Die Zahl der gestempelten goldenen und silbernen Gegenstände beträgt 3,363,863, wovon 3,287,437 Uhrgehäuse. Die Zahl der letztern ist gegenüber dem Vorjahre um 274,449 Stück (42,991 goldene und 231,458 silberne) gestiegen, was der Bericht wohl mit Grund als Beweis dafür hervorhebt, daß das Berichtsjahr für die Uhrenindustrie in bezug auf die Produktionsziffer als normal bezeichnet werden könne.

Industrie.

I. Allgemeines.

Das vom Bundesrat aufgestellte Reglement für das A r b e i t e r s e k r e t a r i a t ist in Kraft getreten, nachdem der leitende Ausschuß des Arbeiterbundes den anfänglichen Widerstand gegen eine Bestimmung desselben in der Folge aufgegeben. Das Gesuch um Erhöhung der Bundessubvention an das Sekretariat behufs Anstellung eines Adjunkten italienischer Sprache ist für dermalen abschlägig beschieden und, wie wir vernehmen, die Angelegenheit seither nicht weiter verfolgt worden.

Am 30. September hat der Bundesrat die Einladungen an die europäischen Regierungen erlassen für die mittlerweile stattgefuadene i n t e r n a t i o n a l e K o n f e r e n z f ü r g e s e t z l i c h e n Arbeiterschutz.

II. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken.

Im Berichtsjahre wurden 328 Etablissemente mit 3782 Arbeitern dem Gesetze neu u n t e r s t e l l t und aus dem Verzeichnisse gestrichen 202 Etablissemente mit 2782 Arbeitern. Auf Jahresschluß belief sich die Zahl der dem Gesetze unterstellten Etablissemente auf 6530. Auf Veranlassung des Arbeitersekretariates hat das Departement die zunächst beteiligte Kantonsregierung zu einem Untersuche eingeladen über die Stellung der mit Fabriken verbundenen A r b e i t e r i n n e n h e i m e zum Fabrikgesetze.

Auf Seite 500 u. ff. des Berichtes werden einzelne E n t s c h e i d u n g e n des D e p a r t e m e n t s über die Handhabung und Vollziehung des Gesetzes in streitigen Fällen mitgeteilt. Dieselben bekunden durchweg das Bestreben und den Entschluß der

212

Behörde, die Vorschriften des Gesetzes streng durchzuführen und damit der Arbeiterschaft die Wohltaten desselben unter allen Umständen zu sichern. So sehr diese Tendenz zu loben und zubilligen ist, müßten wir doch von einer unnötig rigorosen Praxisabraten.

Das F a b r i k i n s p e k t o r a t verzeichnet 7465 Fabrikbesuchey welche sich ziemlich gleichmäßig auf die drei Kreise verteilen.

Eine Eingabe des Z en trai vorstand es des Metallarbeiterverbandes über das Vorgehen der Inspektoren bei den Fabrikbesuchen ist vom Departement in dem Sinne beschieden worden, daß zu einer Abänderung der bezüglichen Instruktion vom 18. Juni 1883 kein.

Grund vorliege.

Das Departement hat durch Kreisschreiben an die Kantonsregierungen sich dafür verwendet, daß die Gerichtsurteile und administrativen Verfügungen wegen Übertretung des Fabrikgesetzes vorschriftsgemäß den Fabrikinspektoren zur Kenntnis gebracht werden.

Die Angelegenheit betreffend die R e v i s i o n des Fabrikgesetzes, angeregt durch die Motion Studer im Nationalrat, ist durch das Departement in anerkennenswerter Weise gefördert worden. Die von ihm veranlaßte Vorlage der Fabrikinspektoren wurde von ihnen im Laufe des Berichtsjahres fertiggestellt.

IV. Bandesgesetz betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen.

Entgegen der Ansicht einer Behörde hat das Departement auch die s c h e n k u n g s w e i s e Abgabe von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor seitens eines Handelstreibenden als unstatthaft und strafbar erklärt. Wir sind damit durchaus einverstanden.

V. Haftpflicht aus Fabrikbetrieb.

Auf Seite 508 u. fi. des Berichtes werden einzelne Entscheidungen über die Unterstellung von Betrieben unter die Haftpflichtgesetze mitgeteilt. Wie aus den Mitteilungen hervorzugehen scheint, wurde bei einzelnen der Fälle die Entscheidung der Administrativbehörde angerufen, nachdem die Frage der Haftpflicht selbst bereits gerichtlich anhängig war. Nach den Bestimmungen des Gesetzes betreffend die Haftpflicht aus Fabrik-

213 betrieb wird dieses Vorgehen nicht zu beanstanden sein ; dagegen wird man verschiedener Meinung darüber sein können, ob die Sache so völlig gut und einwandfrei sich geordnet finde.

Tl. Kranken- und Unfallversicherung.

Wir setzen den derzeitigen Stand dieser Angelegenheit als bekannt voraus. Nach uns gewordener Mitteilung steht die Ein-bringung der neuen Gesetzesvorlagen für die Dezembersitzung des laufenden Jahres in Aussicht.

Das Departement hat die Durchführung einer Lohnstatistik für einzelne Arbeitergruppen an die Hand genommen. (S. 515 und 516 des Berichtes.) Obgleich die Erhebungen recht kostspielig zu werden scheinen, begrüßen wir das Vorgehen.

VII. Bunfjesbeschluss betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

Im Berichtsjahre sind an 318 solcher Bildungsanstalten B u n d e s b e i t r ä g e in der Höhe von Fr. 1,083,496 ausgerichtet worden. Ein bedeutender Teil dieser Summe ist den Techniken in Winterthur, Fr. 68,500; Biel, Fr. 58,549; Burgdorf, Fr. 32,155; Freiburg, Fr. 29,967; Neuenburg, Fr. 36,018; und Genf, Fr. 22,405 zugekommen. Mit größern Beiträgen figurieren daneben folgende Anstalten : Gewerbeschule der Stadt Zürich, Fr. 81,673; Zürcherische Seidenwebschule, Fr. 11,000: Bernische Lehrwerkstätten, Fr. 24,887 ; Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bern, Fr. 21,800 ; Kantonales Gewerbemuseum Bern, Fr. 12,725; Kunstgewerbeschule Luzern, Fr. 10,088; Allgemeine Gewerbeschule Basel, Fr. 47,251 ; Verkehrsschule St. Gallen, Fr. 30,154 ; Industrie- und Gewerbemuseum St. Gallen, Fr. 28,651; Kantonales Gewerbemuseum Aarau, Fr. 17,839 ; Ecole d'art appliqué à l'industrie Chaux-de-Fonds, Fr. 20,117 ; Ecole d'horlogerie et de mécanique Chaux-de-Fonds, Fr. 35,568; Ecole d'horlogerie Genf, Fr. 18,221 ; Ecoles des beaux-arts Genf, Fr. 39,700; Ecole des arts industriels Genf, Fr. 35,626. Die übrigen Anstalten, welche, meistens in kleinern Beträgen, an der ßundessubvention teilgenommen haben, sind der großen Mehrzahl nach gewerbliche Fortbildungsschulen und Handwerkerschulen.

214

Das Maß, in welchem die einzelnen Kantone an diesen Bundesgeldern partizipieren, ist noch immer ein ziemlich ungleiches.

Seit dem Jahre 1884 bis und mit 1903 beträgt die Gesamtsumme der für diesen Zweck ausgegebenen- Bundesbeiträge Fr. 10,423,879. 23.

Im Berichtsjahre wurden außerdem an Bundesstipendien verabfolgt Fr. 27,762 und an Bundesbeiträgen für ,,besondere Unternehmungen" (Fachkurse, Lehrlingsprüfungen des Gewerbevereins u. s. w.) Fr. 32,348.

Wie auf Seite 530 u. ff. des Berichtes mitgeteilt wird, hat der Bundesrat mit Hinsicht auf Artikel 44 des ,,Rückkaufsgesetzes"' grundsätzlich beschlossen, daß die Subventionierung und Beaufsichtigung der Veranstaltungen für berufliche Ausbildung des E i s e n b a h n p e r s o n a l s fürderhin ausschließlich Sacheder Bundesbannverwaltung sein solle ; demnach seien in Zukunft auch die Budgets, Rechnungen und Subventionsgesuche für die bestehenden Eisenbahnschulen gesondert zu erstellen'tond jeweilen der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen einzureichen.

Im Schöße Ihrer Kommission sind Zweifel darüber geäußert worden, ob die Sache damit gut und zweckmäßig geordnet sei und ob der angeführte Gesetzesartikel wirklich zu dieser Änderung der bisherigen Ordnung der Dinge führe. Mag auch die Frage durch das von den Katen genehmigte Budget für das laufende Jahr einigermaßen präjudiziert erscheinen, glaubten wir ihnen doch Gelegenheit bieten zu sollen, nach neuerlicher Prüfung dazu Stellung nehmen zu können. Zu dem Besuche fügen wir diesem Berichte ein erstes P o s t u l a t bei, dessen Annahme wir Ihnen empfehlen.

YIII. Bundesbeschluss betreffend die hauswirtschaftliche und berufliche Bildung des weiblichen Geschlechts.

Im Berichtsjahre sind für einschlägige Bildungszwecke an 275 Anstalten Fr. 236,674 an Bundesbeiträgen ausgerichtet worden. Für das Detail verweisen wir auf Seite 533 des Berichtes.

Zu der genannten Summe kommen hinzu an Stipendien Fr. 6075und an Beiträgen für verschiedene ,,besondere Unternehmungen" Fr. 4723.

Das Total der Bundesbeiträge für diese Zwecke seit dem Jahre 1896 bis und mit 1903 beläuft sich auf Fr. 1,109,375.65-

21& Auch auf diesem Gebiete machen sich die Kantone dieBundesgeldor immer noch in teilweise auffallig ungleichem Maßezu Nutzen.

Landwirtschaft.

I. landwirtschaftliches Unterrichtswesen und Versuchsanstalten.

An Schüler der landwirtschaftlichen Abteilung des Polytechnikums wurden Stipendien im Betrage von Fr. 3725 ausgerichtet. Der Bundesbeitrag an die bestehenden vier Ackerbauschulen belief sich auf Fr. 48,471. 21, an die Gartenbauschule in Genf auf Fr. 12,930, an die derzeit bestehenden zehn landwirtschaftlichen Winterschulen auf Fr. 73,629. 74. Die letztern Anstalten zählten im Berichtsjahre zusammen 500 Schüler. Für Wandervorträge und Spezialkurse sind Beiträge im Belaufe von Fr. 34,935. 32 ausgerichtet worden.

An die bestehenden 6 Weinbauschulen und Weinbauversuchsanstalten wurden zusammen Fr. 48,520. 92 (Hälfte der kantonalen Auslagen für Lehrkräfte und Lehrmittel) ausgegeben. Bisher wurden dabei auch die Ausgaben mitberücksichtigt, welchevon den Versuchsanstalten · in Lausanne und Auvernier für die R e k o n s t r u k t i o n der R e b b e r g e mit amerikanischen Unterlagen gemacht. worden sind, obwohl, wie der Bericht Seite 545 sagt, ,,diese Ausgaben längst Dimensionen angenommen haben, die über den Rahmen von Versuchen hinausgehen". Da damit die gesetzliche Unterlage dieser Beiträge zweifelhaft geworden, wird es für die Zukunft eventuell nötig sein, dieselbe neu zu begründen. Wie uns mitgeteilt worden ist, befindet sich eine hierauf bezügliche Gesetzesvorlage in Vorbereitung.

Die verschiedenen Anstalten des Bundes für landwirtschaftliches Versuchswesen verursachten eine Gesamtausgabe von Fr. 297,446. 98, denen an Einnahmen Fr. 62,938. 89 gegenüberstehen. Die Ausgaben der schweizerischen Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau in Wädenswil beliefen sich auf Fr. 71,636.89, bei einer Einnahme von total Fr. 18,670.46.

Die letztere Anstalt hat fünf kurzzeitige Kurse, wovon zwei über Obstverwertung, veranstaltet.

Endlieh sind an drei kantonale Molkereischulen mit 95 Schülern Fr. 24,380. 29 Bundesbeitrage geleistet worden.

216

II. Förderung der Tierzucht.

Im Berichtsjahre sind acht im Inland geborene, in Privatbesitz befindliche Hengste anerkannt und auf zusammen Fr. 25,450 eingeschätzt worden, wovon der Bund einen Beitrag von 50 °/o gleich Fr. 12,725 leistete.

Das eidgenössische Hengsten- und Fohlendepot hatte auf Jahresschluß einen Bestand von 103 Hengsten, 80 Fohlen und 79 Hengstfohlen. Die Betriebsrechnung gestaltete sich mit einem Defizit von Fr. 344,561. 92 außerordentlich ungünstig.

An Prämien für Stutfohlen und Zuchtstuten wurden im Berichtsjahre zugesichert Fr. 115,380 und für frühere Jahre bezahlt Fr. 96,100. Für Fohlenweiden wurden Fr. 34,515. 25 ausgerichtet.

Die im Berichtsjahre ausbezahlten Beiprämien für Zuchtstiere belaufen sich auf Fr. 257,171. 75; zugesichert wurden solche im Betrage von Fr. 288,560. 55. Für Kühe und Rinder wurden an Prämien ausbezahlt Fr. 93,783.13 und zugesichert Fr. 114,657. 25.

Für Zuchtbestände und Zuchtfamilien wurden an Prämien ausbezahlt Fr. 121,495. 82 und zugesichert Fr. 119,630. 99.

An 23 Viehzuchtgenossenschaften sind Beiträge an die Grründungskosten im Gesamtbetrage von Fr. 6400 ausgerichtet worden.

Die ausbezahlten Kleinviehprämien belaufen sich zusammen auf Fr. 26,244, die neu zugesicherten auf Fr. 33,966. 50.

Endlich wurde zur Hebung der Schlachtviehproduktion auf sechs Schlachtviehmärkte die Summe von Pr. 5000 verteilt.

III. Bodenverbesserungen.

An Bundesbeiträgen für einschlägige Unternehmungen wurden im Berichtsjahre ausbezahlt Fr. 376,569. 89 und neu zugesichert Fr. 424,231. 01. An letzterer Summe partizipieren 18 Kantone.

IY. Yiehseuchenpolizei.

Dem eidgenössischen Viehseuchenfonds konnte als Mehrbetrag der Einnahmen der Seuchenpolizei an der Grenze über die daherigen Ausgaben die Summe von Fr. 136,468. 49 zugewiesen werden; derselbe hat auf Jahresschluß die Höhe von Fr. 1,825,981. 74 erreicht.

217

Y. Massiiahmeii gegen Schäden, welche die landwirtschaftliche Produktion bedrohen.

Für die Bekämpfung der R e b l a u s hat der Bund für das Jahr 1903 an sechs Kantone einen Beitrag von Fr. 99,075. 77 geleistet. Die bezüglichen Ausgaben derselben haben sich von Fr. 311,303. 49 im Vorjahre auf Fr. 344,466. 96 gesteigert.

Über das Auftreten des Schädlings im Berichtsjahre gibt S. 571 ·des Berichtes Aufschluß.

Die H a g e l v e r s i c h e r u n g hat im Berichtsjahre neuerdings Fortschritte aufzuweisen. Die Versicherungssumme ist von 43,7 im Vorjahre auf 47,3 Millionen angewachsen ; der Bundesbeitrag belief sich auf Fr. 159,767. 85. Daran partizipieren 19 Kantone.

Das Gleiche gilt von der V i e h v e r s i c h e r u n g . Das Total der bezüglichen Bundesbeiträge hat sich von Fr. 329,731. 66 im Vorjahre auf Fr. 400,107. 24 gesteigert, welche sich auf 12 Kantone verteilen.

Tl. Landwirtschaftliche Yereine und Genossenschaften.

Die von den verschiedenen Verbänden bezogenen Bundesunterstützungen belaufen sich auf die Gesamtsumme von Fr. 68,621. 40. Dazu kommt der Beitrag von Fr. 30,000 an ·das Sekretariat des Bauernverbandes.

An Hand der mitgeteilten Zahlen muß zugegeben werden, ·daß der Bund die Landwirtschaft gegenwärtig in sehr bedeutendem Maße finanziell unterstützt. Dabei ist zu konstatieren, daß sich diese Bundeshülfe zurzeit in weit überwiegendem Maße direkt auf die Förderung und den Schutz der landwirtschaftlichen P r o d u k t i o n bezieht. Was dagegen die b e r u f l i c h e A u s b i l d u n g angeht, nehmen sich die Summen, welche der Bund hierfür zu gunsten der Landwirtschaft verwendet, im Vergleiche zu dem, was für diesen Zweck bei andern Erwerbsgebieten ausgegeben wird, immer noch recht bescheiden aus. Während für die gewerbliche und industrielle Berufsbildung im Berichtsjahre an eine große Zahl von Anstalten und Einrichtungen Bundesbeiträge in der Höhe von über einer Million Franken geflossen sind, wird Buiidesblatt. 57. Jahrg. Bd. IV.

15

218 bei der Landwirtschaft mit angemessenen Beträgen nur eine sehr beschränkte Zahl von Anstalten unterstützt, welche auch nur einer verhältnismäßig sehr beschränkten Zahl von Schülern zugänglich sind. Vielfache Bestrebungen, auch bei der Landwirtschaft die berufliche Ausbildung, deren Wert und Nutzen wir wohl als allgemein zugestanden voraussetzen dürfen, mit Hülfe des Bundes w e i t e r n K r e i s e n a u g ä n g l i c h zu m a c h e n , sind bisher am Widerstande maßgebender Organe der Verwaltung gescheitert. Wie vertretbar und gewichtig auch, wenigstens zum Teile, die Gründe sein mögen, die man hierfür vorzubringen pflegt, erachten wir es doch als gerechtfertigt, daß die alte streitige Frage einmal gründlich geprüft und den Räten Gelegenheit geboten werde, darüber endgültig und maßgebend Beschluß zu fassen. Zu dem Behufe bringen wir ein zweites P o s t u l a t ein, dessen Annahme wir Ihnen empfehlen.

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Politisches Departement, III. Reformen in der Bundesverwaltung.

Es wäre, so scheint uns, ein wenig verfrüht, wenn man mit dem Bundesrate annehmen wollte, daß das im Laufe des letzten Jahres aufgestellte und auf diesen .Gegenstand bezügliche Postulat als erledigt zu betrachten sei. Wenn es auch richtig ist, daß einzelne Departemente einer durchgreifenden Reorganisation nicht bedürfen, so bleibt doch noch mehr als eine Frage, die auf eine Lösung wartet. Diese Lösung zu finden, ist keine leichte Aufgabe, schon deshalb nicht, weil das letztjährige Postulat in seiner Fassung einen gewissen Widerspruch enthält. Die Tatsache, daß auf die Einführung von Reformen zum Zwecke einer besseren Überwachung gedrungen wird, scheint die gleichfalls mit Nachdruck verlangte Vereinfachung gewissermaßen auszuschließen.

Die Frage aber, die hauptsächlich berufen erscheint, die Aufmerksamkeit des Bundesrates und der eidgenössischen Räte in Anspruch zu nehmen, ist diejenige der Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes. Abgesehen davon, daß, angesichts eines von Jahr zu Jahr zunehmenden Verwaltungsapparates, der auch eine steigende Zahl von internen Streitigkeiten aufweisen wird, zugegeben werden muß, daß die Gerechtigkeit und die Rechtsprechung nur gewinnen könnten, wenn sie von einer am Streite nicht beteiligten Behörde ausgeübt würden, so muß noch hervorgehoben werden, daß die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes den großen Vorteil hätte, den Bundesrat der ermüdenden Mission, über eine Unzahl von Rekursen zu entscheiden, zu entheben und ihm zu gestatten, der eigentlichen Verwaltung und dem Studium der allgemeinen Probleme des Landes mehr Zeit zu widmen.

Was nun diesen Punkt der Entlastung der Verwaltungsdienstzweige betrifft, so macht die-Kommission darauf aufmerksam, daß es unzweifelhaft von Nutzen wäre, einmal mit einer gewissen

220 Dezentralisation den Anfang zu machen. Die Oberpost-, Telegraphen- und Oberzolldirektionen, sowie die Generaldirektion der Bundesbahnen befassen sich auch mit den kleinsten Fragen, statt daß sie es den Kreisdirektionen überlassen würden, dieselben zu lösen. Die letzteren beschränken sich, in Ermangelung von wirklichen Kompetenzen, darauf, die Verordnungen möglichst genau zu vollziehen und gehen jeder Verantwortlichkeit je länger je mehr aus dem Wege, tiie entwickeln keinerlei Initiative. Ihr Verkehr mit dem Publikum, dem sie aus Furcht, bei der Zentralbehörde Anstoß zu erregen, nicht entgegenzukommen wagen, wird umständlich und entbehrt, trotzdem die besten Absichten vorhanden sind, der nötigen Elastizität und Lebhaftigkeit. Im Interesse aller, um der Verwaltung, die über ausgezeichnete Elemente verfügt, neues Leben einzuflößen und das Publikum besser bedienen zu können, muß vor allem aus zu einer weitgehenden Dezentralisation geschritten werden, und es müssen, ohne die Befugnisse der Direktionen in Bern und der Departemente anzutasten, die Kompetenzen, die Verantwortlichkeit und die Möglichkeit einer intelligenten Tätigkeit der subalternen Organe erweitert werden. Es wird dies das beste Mittel sein, die Bureaukratie zu bekämpfen, deren Gespenst in einigen Köpfen spukt, deren Missetaten vielleicht übertrieben werden, die aber unzweifelhaft besteht und der abgeholfen werden muß.

V. Vertretung der Schweiz im Auslande.

Der Bundesrat betrachtet das Postulat, womit ihm nahegelegt wurde, die Zweckmäßigkeit der Errichtung von Gesandtschaften in Rußland und in den Niederlanden zu prüfen, als zum Teil erledigt. Gegenwärtig ist unser Minister in London auch im Haag akkreditiert. Das Land würde mit Interesse von den Erklärungen des Bundesrates betreffend die Errichtung einer Gesandtschaft in St. Petersburg Kenntnis nehmen und der Kommission wäre es erwünscht zu vernehmen, daß diese wichtige Frage einer glücklichen Lösung entgegensieht.

VIII. Einbürgerungen.

Wir konstatieren * mit Vergnügen, daß der Bundesrat bei der Auslegung der Bestimmung, wonach die Militärpflicht im Heimatstaate keinen Grund mehr bildet, das von einem Ausländer

221

gestellte Gesuch um Erteilung der Bewilligung zur Erwerbung des Schweizerbürgerrechtes abzuweisen, in weitherziger und unseren liberalen Grundsätzen mehr als früher entsprechender Weise verfahren ist. Es ist dies eine Frucht des Bundesgesetzes von 1903 betreffend die Erwerbung des Schweizerbürgerrechtes.

IX. Wiedereinbürgerungen.

Die Auseinandersetzungen des Bundesrates über dieses Kapitel sind sehr interessant. Die vom Bundesrat bei der Anwendung des Artikels 10 des Bundesgesetzes von 1903 verfolgte Tendenz ist gut, es dürfte aber angezeigt sein, einige Jahre verstreichen zu lassen, bevor man über die auf dem Gebiete der Naturalisation relativ neue Praxis ein Urteil fällt.

X. Optionen.

Dem vom Bundesrat eingenommenen Standpunkt ist die Genehmigung zu erteilen ; er tat recht daran, die Übereinkunft vom 23. Juli 1879 zwischen der Schweiz und Frankreich nicht zu kündigen. Wir empfehlen ihm, auch in Zukunft dieser Materie, die für gewisse Kantone von größter Wichtigkeit ist, seine volle Aufmerkamkeit zu schenken.

222

Post- und Eisenbahndepartement.

I. Eisenbahn-Wesen.

A. Allgemeines.

4. Internationale Verhältnisse.

Durchstich des Simplons.

Die Kommission hat mit Befriedigung von der Erklärung des Bundesrates Kenntnis genommen, wonach die mit Italien abzuschließenden internationalen Übereinkünfte betreffend den Anschluß des schweizerischen Bahnnetzes an das italienische durch den Simplon auf den Tag der Betriebseröffnung der Simplonbahn in Kraft treten können und die im Geschäftsberichte hervorgehobenen außerordentlichen Schwierigkeiten, welche die Vollendung der italienischen Zufahrtslinien verzögern, rein technischer Natur sind.

C. Technische'Kontrolle.

1. Bahnanlagen und feste Einrichtungen.

Ausbau auf zweite Spur.

Einige zweispurige Linien sind im Laufe des Berichtsjahres dem Betriebe übergeben worden.

Das den Privatbahnen durch Bundesratsbeschluß vom 1. Mai 1900 auferlegte Programm ist aber noch weit von seiner Verwirklichung entfernt. Die Kommission spricht den Wunsch aus, daß an diesem Programm keine einschränkende Änderung getroffen werde und daß der Bundesrat soviel als möglich in der Reihenfolge und den Fristen, die darin vorgesehen sind, dessen Ausführung beschleunige.

223

Einführung des elektrischen Betriebes.

Die schweizerische Studienkommission für elektrischen Bahnbetrieb hat das Programm der Arbeiten ausgearbeitet, welche sie im Laufe der nächsten Jahre vorzunehmen gedenkt; anderseits sind die vorbereitenden Arbeiten für die Versuchsfahrten auf der Linie Seebach-Wettingen ihrem Abschluß nahe. Dagegen haben die unter gewissen Voraussetzungen gestatteten Versuche noch nicht begonnen. Die Kommission hat von den diesbezüglichen Mitteilungen Vormerk genommen. Dieselben liefern den Beweis, daß der Bundesrat, die Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen und die genannte Studienkommission der wichtigen Frage der Einführung des elektrischen Betriebes auf dem schweizerischen Bahnnetz ihre volle Aufmerksamkeit schenken.

Diese Frage scheint aber, so allgemein gehalten, auf so große technische, verwaltungsrechtliche und finanzielle Schwierigkeiten zu stoßen, daß deren Lösung in absehbarer Zeit kaum zu erwarten sein wird.

Unter diesen Umständen ersucht die Kommission den Bundesrat, die Frage zu prüfen, ob es nicht vorteilhaft wäre, die begonnenen Studien auf die zu dem Netze der Bundesbahnen gehörenden Nebenbahnen zu beschränken. Die praktischen Schwierigkeiten, die sich einem in der angegebenen Weise begrenzten Studium entgegenstellen würden, wären erheblich kleiner, da auf mehreren Nebenbahnen unseres Landes der elektrische Betrieb nach verschiedenen Systemen schon eingeführt ist.

Das Ergebnis dieser Studien wäre um so wertvoller, als dasselbe in nicht allzuferner Zeit erreichbar sein dürfte und sein Nutzen gerade demjenigen Teil unserer Bevölkerung zu gute käme, die vom Dampfbetrieb am wenigsten profitiert.

Zustand der Bahnen.

Der Berieht konstatiert, daß auf zahlreichen Stationen eine Verbesserung der Beleuchtung stattgefunden hat; die Zahl der Stationen wird nicht angegeben. Es wäre zu wünschen, daß diese Arbeit in noch schnellerem Tempo als bis dahin durchgeführt würde; auch dürfte es sich empfehlen, allen Eisenbahnunternehmungen das Kreisschreiben des Bundesrates vom 21. Juli 1891 in Erinnerung zu bringen. Die in diesem Kreisschreiben erwähnten, mit einer schlechten Beleuchtung verbundenen Unzukömmlichkeiten haben seither keinenfalls abgenommen.

224

3. Bahnbetrieb.

Das Eisenbahndepartement hat die nötigen Maßregeln getroffen, um den durch die Motion des Herrn Nationalrat Dinkelmann verlangten allgemeinen Plakatfahrplan schon auf 1. Mai 190& herausgeben zu können.

c, Vollziehung des Arbeitsgesetzes.

Zwei Transportgesellschaften haben den reglementarischen Erholungsurlaub als durch die im Militärdienst zugebrachte Zeit konsumiert betrachtet. Der Bundesrat ist dieser Ansicht nicht beigetreten und die Kommission erklärt sich mit seiner Interpretation in den beiden angeführten Fällen einverstanden.

d, Fahrleistungen und Zugsverspätungen.

Die Zahl der Zugsverspätungen hat im Berichtsjahre, trotz des enormen Touristenverkehrs, abgenommen. Es ist dies ein erfreuliches, vom Bericht in gebührender Weise begrüßtes Resultat.

Aus den von der Kommission gemachten Erhebungen geht hervor, daß das Hauptverdienst an der eingetretenen Besserung der Postverwaltung zugeschrieben werden muß, die zahlreiche wirksame Maßnahmen getroffen hat, um das Umladen der Postsendungen in den Bahnhöfen zu beschleunigen. -- Anderseits haben auch die Organe der Bisenbahnen verschiedene Maßregeln ergriffen, um die Zugsverspätungen zu vermindern.

Zu diesen Maßregeln gehört laut Bericht die Gewährung von etwas längeren Umschlagszeiten bei den wichtigern Zugsgruppen.

Die Kommission hat gegen dieses Verfahren nichts einzuwenden, vorausgesetzt, daß dasselbe auf die Fahrzeit der internationalen Schnellzüge keinen Einfluß ausübe. Da die Geschwindigkeit dieser Züge, infolge der ungünstigen topographischen Verhältnisse unseres Landes, bei der Durchfahrt durch unser Gebiet sowieso eine bedeutende Verminderung erfährt, so sollte diese Verminderung nicht noch durch zu lange Aufenthalte in den Bahnhöfen gesteigert werden ; aus einem Vergleiche der Umschlagszeiten in der Schweiz mit denjenigen anderer Länder bei internationalen Zügen geht die Inferiorität der Schweiz auf diesem speziellen Gebiete unzweifelhaft hervor. Die Kommission ist der

225 Meinung, daß es nicht angeht, die Lage der Dinge noch zu verschlechtern, sondern daß man im Gegenteil suchen sollte, sie zu.

verbessern.

E. Starkstromkontrolle.

Die vom Generalsekretariat des schweizerischen elektrotechnischen Vereins unter Mitwirkung des Starkstrominspektorats aufgestellte Statistik umfaßt 1359 Elektrizitätswerke und sonstige Anlagen. Von diesen haben nur 13 von dem im Gesetz vom 24. Juni 1902 vorgesehenen Expropriationsrecht Gebrauch machen müssen ; es handelt sich dabei nur um 22 Fälle. Diese Zahlen beweisen, daß die bei Anlaß der Beratung des Gesetzes in den eidgenössischen Räten ausgesprochenen Befürchtungen übertrieben waren.

II. Postverwaltung.

Die Rechnung der Postverwaltung weist einen Reinertrag von Fr. 3,377,603. 82 und gegenüber dem Voranschlag einen Mehrertrag von Fr. 1,189,603. 82 auf; beinahe alle Rubriken haben zu diesem Mehrertrage beigesteuert.

Mit Rücksicht auf diese anhaltend günstigen finanziellen Ergebnisse ist die Kommission der Ansicht, daß es billig wäre, die Zeitungstransporttaxe auf den ursprünglichen Ansatz von 3 /4 Rappen per Zeitungsnummer zu ermäßigen ; ein derartiger Beschluß dürfte auch deshalb als gerechtfertigt erscheinen, weil die Einführung des gegenwärtigen Ansatzes von l Rappen nur den Charakter einer außerordentlichen und vorübergehenden Maßrege tragen sollte.

X. Kursdienst.

Die Fahrpläne der Transportunternehmungen werden periodisch der Prüfung und den Beratungen von Vertretern der Kantone und der beteiligten Unternehmungen unterbreitet. Einzig die Fahrpläne des Postdienstes werden von der eidgenössischen Verwaltung ohne vorhergehende Diskussion festgestellt. Die Kommission ersucht den Bundesrat, die Frage zu prüfen, ob es nicht vorteilhaft wäre, die Fahrpläne des Postdienstes gleich wie diejenigen anderer Unternehmungen, der Konferenz zu unterbreiten, die halbjährlich in Bern zusammentritt.

226

XI. Verschiedenes.

F r a n k o m a r k e n h e f t c h e n . Die Post Verwaltung hat im Laufe des Berichtsjahres eine glückliehe Neuerung eingeführt, die vom Publikum gut aufgenommen worden ist. Es betrifft dies die Ausgabe von Frankomarkenheftchen. Diese Heftchen enthalten vorläufig nur Marken zu 5 und 10 Cts.; sie wurden von den Postbureaux I. und II. Klasse, den Poststellen mit Fremdenverkehr und denjenigen Postbureaux III. Klasse, die solche verlangt haben, abgegeben. Zweifellos wird diese Verbesserung, welche wir der schweizerischen Postverwaltung verdanken, sich weiter entwickeln und angesichts der großen Vorteile, die dem Publikum daraus erwachsen, auch von andern Staaten eingeführt werden.

III. Telegraphenverwaltung.

Sowohl der Telephon- als der Telegraphenverkehr weisen eine ansehnliche Zunahme auf, ob man nun den Voranschlag oder das Resultat der Rechnung für das Jahr 1903 zum Vergleich heranziehe. Die durch die Ausbreitung des Telephonverkehrs herbeigeführte relative Abnahme im Telegraphenverkehr scheint somit ihr Ende erreicht zu haben.

Die allgemeine finanzielle Lage dieser beiden Dienstzweige ist besser als aus dem Passivsaldo des Berichtsjahres im Betrage von Fr. 683,146.27 geschlossen werden könnte. Man muß einerseits die der laufenden Kasse für das verzinsliche Inventar im Werte von 10,674,850 bezahlten Zinsen und anderseits den sehr hohen, aus den Einnahmen des Berichtsjahres gedeckten Betrag der Amortisationen mit Fr. 2,476,057 der ebenfalls der laufenden Kasse überwiesen worden ist, in Betracht ziehen.

227

Geschäftsführung des Bundesgerichts.

Nachdem die Zahl der Mitglieder des Bundesgerichts mit Bundesgesetz vom 24. Juni 1904 erhöht worden, dürfen wir hoffen, daß der Arbeitsüberlastung für einige Zeit abgeholfen sei.

Allerdings sind die Geschäfte in steter Zunahme begriffen.

Im Berichtsjahre wurden behufs rascherer Redaktion der Urteile dem Bundesgericht zwei weitere Sekretäre zugeteilt. Es sollte aber auch eine raschere Ausfertigung der Urteile angestrebt werden. Sofern zu diesem Zwecke die Vermehrung des Kanzleipersonals nötig ist, sollte diese unverzüglich stattfinden.

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Bericht der Kommission des Ständerates über die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichtes im Jahre 1904. (Vom 23. Mai 1905.)

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