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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Hermann Weber-Hegnauer, Getreidehändler in Aarau.

(Vom 2. Oktober 1905.)

Tit.

Hermann. Weber wurde vom Bezirksgericht Kulm, KantonAargau, wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden zu Fr. 40 Geldbuße, Fr. 10 Staatsgebühr und zu den Kosten verurteilt, weil er im dortigen Bezirk ohne Lösung einer Taxkarte bei Pferdebesitzern (Fuhrhaltern, Landwirten, Gastwirten u. s. w.) Bestellungen von Hafer aufgenommen hatte. Er ersucht nun um Erlaß der Buße oder erhebliche Reduktion derselben auf dem Wege der Begnadigung, indem er folgendes vorbringt : Er betreibe seit Jahren den Haferund Heuhandel und verkaufe dabei bald an Kunden, die zu ihm kommen, um Bestellungen aufzugeben, bald an Pferdebesitzer in deren Domizil. Es sei ihm aber nicht bekannt gewesen, daß zur Betreibung dieses Gewerbes eine Taxkarte gelöst werden müsse.

Im übrigen sei ihm bekannt, daß in ändern ähnlichen Fällen keine oder nur ganz geringfügige Bußen verhängt worden seien, weshalb

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er die ihm auferlegte Strafe flir zu hoch halte. Er habe nachträglich bei Anlaß der Gerichtsverhandlung die gesetzliche Taxe bezahlt.

Der Sekretär für Patenttaxen hält dafür, die Strafe sei den Verhältnissen angemessen, da Weber als Geschäftsmann offenbar das Patenttaxengeseta gekannt und gewußt habe, daß sein Geschäftsbetrieb eine Taxkarte erfordere, und weil nicht anzunehmen sei, daß er wegen seiner ökonomischen Situation die Buße nicht zu bezahlen vermöge. Laut Mitteilung des Gemeinderates von Aarau versteuert Weber ein reines Vermögen von Fr. 2,7,100 un^ einen Erwerb von Fr. 2000.

Die Anwendung des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1892 auf Fälle der vorliegenden Art ist bestritten. Der Sekretär des eidgenössischen HandeFsdepartementes spricht sich in einer im Jahr 1898 erschienenen offiziellen Publikation, betitelt ,,Vorschriften für Handelsreisende"1, dahin aus, daß nur dann Taxfreiheit gewährt werden könne, wenn die vom Reisenden verkauften Artikel im eigentlichen Gewerbe des Käufers zur Verwendung kommen, nicht aber, wenn die angebotenen Waren nur zum Unterhalt der Produktionsmittel dienen, wie z. B. Öl für Maschinen, Futter für die Fuhrhaltereien.

Das schweizerische Bundesgericht aber stellte unter eingehender Begründung bei der Beurteilung eines Spezialfalles (iu Sachen Scheuermeier, Urteil vom 13. Dezember 1901, Entscheidungen, Bd. XXV1I/I, Nr. 93) fest, daß nach dem Text des Gesetzes und dessen Materialien das Merkmal, nach welchem die Taxpflichtigen von den von der Taxe befreiten Reisenden unterschieden werden, einzig und allein darin liege, ob die von ihnen angebotenen Waren zum Gebrauche des Einzelnen respektive dessen Haushaltung dienen, oder aber zur Verwendung im Gewerbe bestimmt seien.

Die Richtigkeit der eben erwähnten gerichtlichen Interpretation des Bundesgesetzes vorausgesetzt, war die Bestrafung; des Petenten nicht gerechtfertigt, soweit sie erfolgte, weil an Fuhrhalter und Gastwirte Hafer verkauft wurde, die ihn in ihrem Gewerbebetrieb zur Fütterung von Pferden ihrer Kunden verwendeten. Anders 1 dagegen verhält es sich mit der von Weber ebenfalls praktizierten Abgabe dieser Ware auf Bestellung durch Landwirte für den Gebrauch im eigenen, privaten Gewerbe, der gleich steht mit Verwendung von Viktualien für die Bedürfnisse der Haushaltung im engern Sinne. Weber ist daher mit Grund bestraft worden, und angesichts der Tatsache, daß er durch die jahrelange Nichtbeachtung des Gesetzes ganz bedeutende Taxbeträge umging, er-

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scheint die verhängte Buße von Fr. 40 innerhalb der gesetzlichen Strafgrenzen von Fr. 1--1000 nicht als so unverhältnismäßig hoch, daß sie durch Begnadigung ermäßigt werden müßte.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A n t r a g:

Es sei das Begnadigungsgesuch des Hermann Weber abzuweisen.

B e r n , den *2. Oktober

1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, D er B u n de s p r ä s i d e n t :

Buchet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Uebertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden bestraften Hermann Weber-Hegnauer, Getreidehändler in Aarau. (Vom 2. Oktober 1905.)

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