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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Übertragung der Konzession einer Drahtseilbahn vom Bahnhof Lugano nach der Stadt Lugano.

(Vom 11. Dezember 1905.)

Tit.

Durch Beschluß vom 15. Januar 1904 setzten wir die Taxen herunter, welche die Drahtseilbahngesellschaft Lugano-Bahnhof bis dahin erhoben hatte. Die Gemeinde Lugano, welche beabsichtigte, diese Drahtseilbahn zurückzukaufen und für das finanzielle Ergebnis der Taxreduktion fürchtete, rekurrierte gegen jenen Beschluß an Sie. In dem Berichte, den wir auf Ihre Einladung am 28. Juni 1904 über diese Frage erstatteten, beantragten wir Gutbeißung unseres Beschlusses, indem wir folgendes beifügten : ,,Wenn der Rückkauf durch die Gemeinde früher oder später Tatsache wird, so steht es alsdann der Gemeindebehörde von Lugano als neuem Konzessionär zu, bei Anlaß der Konzessionsübertragung, welche durch die Bundesversammlung erfolgen muß, ihre Wünsche auf Abänderung derselben geltend zu machen."

(Vergleiche Bundesbl. 1904, IV, 630.)

Der Fall, auf welchen wir in dem Berichte anspielten, ist nun eingetreten, und die Gemeinde Lugano hat unterm 15. April abbin bei unserem Eisenbahndepartement das Gesuch gestellt, die Übertragung der Konzession der Drahtseilbahn Lugano-Bahnhof auf die Gemeinde durch die Bundesversammlung genehmigen zu lassen. Die Gemeinde, wird in der Eingabe ferner bemerkt, habe am 1. Februar 1905 gegen Bezahlung von Fr. 185,000 von der Bahn Besitz ergriffen.

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Das Eisenbahndepartemcnt entwarf beförderlichst einen Bundesbeschluß betreffend die Konzessionsübertragung und stellte den Entwurf der Gemeinde Lugano mit der Einladung zu, in denselben, entsprechend unserem erwähnten Berichte, diejenigen Taxen einzusetzen, welche sie sich konzessionsmäßig zu sichern wünsche.

Die Gemeinde Lugano machte aber ihre Vorschläge erst am 2. November 1905. indem sie beifügte, daß die zurzeit erhobenen Taxen nicht die Höhe der konzessionsmäßigen erreichten.

Das Eisenbahndepartement nahm an den Vorschlägen der Gemeinde einige Änderungen vor. Hierauf sandte es den so ergänzten Beschlussesentwurf an den Staatsrat des Kantons Tessiu und an den Gemeinderat von Lugano zur Vermehmlassung. Beide Behörden erklärten, die eine unterm 28. November, die andere unterm 2. dieses Monats ihre Zustimmung.

Wie dem Entwurfe zu entnehmen ist, enthält derselbe mit der Übertragung zugleich eine neue Konzession. Soweit die besondere Art dieser Bahn es zuläßt, wurden die in neueren Konzessionen üblichen Bestimmungen aufgenommen; auch wurde berücksichtigt, daß es sich um eine Bahn handelt, die bereits gebaut und im Eigentum und Betrieb einer Gemeinde steht.

Da die einzelnen Bestimmungen des Entwurfes, den wir unserseits genehmigt haben, keiner besonderen Erklärung bedürfen, so empfehlen wir Ihnen, die Übertragung der Konzession der Drahtseilbahn Lugano-Bahnhof durch Annahme des nachfolgenden Beschlusses-Euiwurfes gutzuheißen.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 11. Dezember 1905.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, ,, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Bnchet.

Der I. Vizekanzler : Scîiat/îiuum.

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Bundesbeschluß betreffend

Uebertragung der Konzession einer Drahtseilbahn vom Bahnhof Lugano nach der Stadt Lugano.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Stadtrates von Lugano vom 15. April 1905 ; "2. einer Botschaft des Bundesrates vom 11. Dezember 1905, besehließt: Die durch Bundesbeschluß vom 18. Dezember 1884 (E. A. S.

VIII, n. F., 110) erteilte und durch Bundesbeschluß vom 23. Dezember 1885 (ibid. 331) abgeänderte Konzession für den Bau und den Betrieb einer Drahtseilbahn vom Bahnhof Lugano nach «der Stadt Lugano wird unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen auf die Stadtgemeinde Lugano übertragen : Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt..

Art. 2. Die Konzession läuft am 18. Dezember 1964

ab.

Art. 3. Der Sitz der Unternehmung ist in Lugano.

Art. 4. Die Ausführung allfälliger Ergänzungen und Änderungen der Bahn darf nur geschehen auf Grund von AusführungsBundesblatt. 57. Jahrg. Bd. VI.

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314 planen, welche vorher dem Eisenbahndepartement vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Das Departement ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 5. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des KantonsTessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 6. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwalttmg behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchungnötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 7. Der Bundosrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Bahnuntornehmung, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gemeinde nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 8. Die Anzahl der täglichen Züge und deren Fahrzeiten werden von der Bahmmternehmung festgesetzt. Indessen sind alle daherigen Projekte wenigstens 14 Tage vor dem Beginn ihrer Wirksamkeit deir Eisenbahndepartement vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Art. 9. Die Wagen erhalten zwei Klassen und ihr Typus unterliegt der Genehmigung des Bundesratcs.

Art. 10. Die Bahn Verwaltung hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 11. Die Bahn übernimmt die Beförderung von Personen und von Gepäck; Güter werden zugelassen, soweit sie nicht sperriger Natur sind und das Gewicht eines einzelnen Kollo 100 kg. nicht übersteigt. Zum Transport lebender Tiere ist die Bahnunternehmung nichj verpflichtet.

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Die Unternehmung kann für die Beförderung von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze beziehen: in der ersten Wagenklasse : 40 Rappen für die Bergfahrt, 20 ,, ,, ,, Talfahrt, in der zweiten Wagenklasse : 20 ,, ,, ,, Bergfahrt, 10 ,, ,, T Talfahrt.

Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersr jähre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen. Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonuementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Wagen untergebracht werden kann. Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von 25 Rappen per Stück für Kolli bis zu 40 kg.

Gewicht und von 50 Rappen per Stück für schwerere Kolli bezogen werden.

Für die zur Beförderung zugelassenen Güter können 50 Rappen per 100 kg., im Minimum 20 Rappen per Sendung, bezogen werden.

Bei Festsetzung der Gütertaxen werden Sendungen bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet ; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt. Wenn die genaue Ziffer der Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

In diesen Gepäck- und Gütertaxen sind inbegriffen die Gebühren für das Auf- und Abladen der Waren, sowie für den Transport zwischen der Drahtseilbahn und den Gepäck- und Güterexpeditionen im Gotthardbahnhof Lugano und umgekehrt.

Art. 12. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

°o Art. 13. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind dem Eisenbahndepartement zur Genehmigung vorzulegen.

316 Art. 14. Wenn die Bahaunternehmung drei Jahro nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Konzessionärm nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 15. Die Konzessionärin ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstiitzungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 28. März 1905, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besonderen Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 16. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen.

Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Konzessionärin drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkauf er Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringe Q.

e. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1940 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des

317 durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Konzessionärin notifiziert wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1940 und 1. Januar 1955 erfolgt, den 22 '/2 fachen Wert : -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1955 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages;-- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des'Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 17. Hat der Kanton Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 16 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der Stadt Lugano zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 18. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche am 1. Januar 1906 in Kraft tritt, beauftragt.

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13.12.1905

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