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Bundesblatt

75. Jahrgang.

Bern, den 21. Februar 1923.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, in Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Zu 1389

X. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Massnahmen gemäss Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr.

(Vom 13. Februar 19230 Der Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr ist durch Bundesbeschluss vom 30. Juni 1922 in seiner Wirksamkeit bis 30. Juni 1923 verlängert worden.

In Nachachtung von Art. 3 des ersterwähnten Beschlusses beehren wir uns, über die gestützt hierauf getroffenen neuen Anordnungen Bericht zu erstatten.

Nach Anhörung der begutachtenden Kommission und auf ihre Empfehlungen beschloss der Bundesrat am 14. Oktober 1922, die nachstehende Warenkategorie bis auf weiteres von der Einholung einer Bewilligung abhängig zu machen: Naturwein in Fässern, bis und mit 13° Alkoholgehalt; Weinmost, Zolltarifnummer 117 a, Sie finden den einschlägigen Bundesratsbeschluss, der am 19. Oktober 1922 in Kraft trat, am Schlüsse dieses Berichtes abgedruckt. Nachstehend geben wir Ihnen die Beweggründe bekannt, die uns in Übereinstimmung mit der Kommission dazu führten, genannten Wein und Weinmost den Einfuhrbeschränkungen zu unterstellen.

Dem Begehren der Fédération romande des vignerons in Lausanne um Einfuhrbeschränkungen für Wein schloss sich ein vom schweizerischen Bauernverband unterstütztes Gesuch der Weinbaukommission des schweizerischen Obst- und Weinbauvereins, sowie einer Weinproduzentenversammlung in Zürich an.

Es stund im letzten Herbst im In- und im Auslande eine sehr grosse Weinernte in Aussicht. Während in der Schweiz Bundesblatt.

75. Jahrg. Bd. I.

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526 normalerweise zirka V« Million Hektoliter Wein jährlich geerntet werden, wurde der Ertrag der inländischen Weinernte für 1922 auf nahezu l Million Hektoliter geschätzt. Die tatsächlichen Ernteergebnisse haben dieser Ertragsschätzung in der Folge recht gegeben.

Über die Weineinfuhr geìjen nachstehende Zahlen Aufschluss: a. Weineinfuhr aus allen Ländern zusammen: Monatsdurchschnitt .

Total

1913 hl 137,590 1,651,078

1919 hl 114,511 1,374,130

1920 hl 120,088 1,441,057

1921 hl 111,735 1,340,824

1922*) hl 92,910 743,273

b. Weineinfuhr aus Österreich und Ungarn.

Monatsdurchschnitt .

Total

Aus 1920 aus 1921 aus 1922 aus41) Österr.-Ungarn Österr. Ungarn Ostern. Ungarn Ostern. Ungarn 1913 1919 hl hl hl hl hl hl hl hl 5,949 1,154 184 264 96 68 145 5657 71,387 13,848 2,214 3,164 l'löl 817 1,159 45,256

Importe der ersten acht Monate 1922 aus: Österreich Ungarn .

Jan. Febr. März . April Mai Juni Juli Aug. Sept.

hl hl hl hl hl hl hl hl hl 63 41 7 117 259 4 362 3 148 1,050 1,527 1,030 2,339 2,930 13,170 13,717 9,493 6,423

Die gesamte mittlere Weineinfuhr der Jahre 1919/22 zeigt gegenüber 1913 'einen bescheidenen Rückgang, wobei aber für das Jahr 1922 nur die Binfuhrmengen der ersten acht Monate in Rechnung gestellt sind. Die Einfuhr der vier folgenden Monate konnte im Zeitpunkte des Erlasses der Einfuhrbeschränkung noch nicht mit Sicherheit eingeschätzt werden ; nach Lage der Verhältnisse und nach frühem Erfahrungen musste aber mit einer steigenden Einfuhr, besonders aus valutaschwachen Ländern, gerechnet werden. Bemerkenswert war die Tatsache, dass bei verminderter Weineinfuhr im gesamten der Import aus Ungarn im Verlaufe des Jahres 1922 eine starke Zunahme erfahren hatte.

Auch Ungarn erwartete eine grosse Weinernte, so dass zu befürchten war, dass die bereits stark angewachsenen ungarischen Importziffern durch die neue Ernte eine weitere Steigerung erfahren würden. Die grossen Zufuhren im Oktober haben diese Annahme bestätigt.

*) Durchschnitt der ersten acht Monate.

5271 Die schweizerischen Weinproduzenten waren sich von Anfang an bewusst, dass bedeutende Preiskonzessionen auf der neuen Weinernte unvermeidlich wurden. Die Angebote des Handels, soweit solche zu Beginn der Ernte überhaupt vorlagen, bewegten sich aber weit unter den Erwartungen. Für gewöhnliche Weissweine der Ostschweiz gingen die Preise auf 40, ja selbst auf 30 Rappen für den Eiter zurück, während sie sich für mittlere Qualitäten der Westschweiz zwischen 50 bis 60 Rappen bewegten. Für Rotweine und für weisse Qualitätsweine wurden bessere Preise gewährt. Es musste aber befürchtet werden, dass der Wein in einzelnen Produktionsgebieten überhaupt nicht verkauft und von den Produzenten wegen Platzmangel nicht zweckmässig gefasst werden könne.

Die Vertreter des Weinhandels erklärten die Zurückhaltung mit noch bestehenden Vorräten beim Handel und bei den Wirten, einer mangelnden Nachfrage, sowie der in Aussicht stehenden geringen Qualität des neuen Weines. Erschwerend wirkte überdies der in weiten Kreisen wahrgenommene Rückgang des Weinkonsums, als dessen Hauptursachen die bestehende Wirtschaftskrisis und die hohen Kleinhandelspreise für Weine genannt wurden. Auch die nasskalte Witterung im Herbst 1922 hat den Konsum besonders von neuem, süssem Wein beeinträchtigt.

Der Weinbau gehört zu denjenigen landwirtschaftlichen Kulturen, die. in der Schweiz schon seit Jahrzehnten notleidend sind. Verschiedene Krankheiten bedrohen den Weinbau. Ihre Bekämpfung verursacht grosse Kosten, die Arbeitskräfte sind verhältnismässig teuer und die gewohnten Rebarbeiter sind nicht leicht erhältlich. Der Weinbau wurde daher in unserm Lande nach und nach eingeschränkt. Der auffallende Rückgang des Weinbaues ist heute vor allem unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu bedauern, weil der Weinbau verhältnismässig viele Arbeitskräfte erfordert. Die Bestrebungen der massgebenden Kreise gehen dahin, die Weinkultur wenigstens in ihrem heutigen Umfang und in den bessern Lagen zu erhalten.

Würden nun aus den oben angeführten Gründen die Preise für die diesjährige Ernte allzu sehr gedrückt, ja ihre Verwertung geradezu in Frage gestellt, so wäre die Folge eine Entmutigung des Weinbauers und eine weitere Reduktion der Weinbaufläche.

Man war sich wohl bewusst, dass angesichts der bestehenden Schwierigkeiten eine
Hebung des Weinabsatzes in einem in Produzentenkreisen erwarteten Masse durch keine Mittel erreicht werden konnte. Eine starke Herabsetzung der Preise war unvermeidlich und zur Förderung des Weinabsatzes auch not-

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wendig. Der Preisrückgang fand übrigens einen gewissen Ausgleich durch die quantitativ teilweise sehr hohen Weinerträge.

In der Kommission für Einfuhrbeschränkungen wurden ausser der Einfuhrbeschränkung auch andere Massnahmen zum Schütze des schweizerischen Weinbaues vor der verheerenden Valutakonkurrenz erörtert. Schliesslich war aber die Kommission fast einstimmig der Auffassung, dass ohne das Mittel der Einfuhrbeschränkung eine Lösung nicht erreicht werden könne. Sie kam aber gleichzeitig zu dem Schlüsse, dass die Einfuhrbeschränkung nur gegenüber den ausgesprochen valutaschwachen Ländern, aus denen eine weit über die normalen Lieferungen hinausgehende Weineinfuhr befürchtet werden müsse, Anwendung finden sollte. Die Kommission vertrat demzufolge die Auffassung, es möchte in Würdigung unseres Exportes an industriellen, gewerblichen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen von Massnahmen gegen die Weineinfuhr aus Spanien, Italien und Frankreich Umgang genommen werden. Sollten jedoch solche Massnahmen unumgänglich werden, so würde es sich empfehlen, mit den betreffenden Regierungen darüber zunächst zu verhandeln.

Eingehende Prüfungen führten alsdann zu dem bereits erwähnten Bundesratsbeschluss vom 14. Oktober 1922 betreffend die Beschränkung der Weineinfuhr. Das Volkswirtschaftsdepartement wurde gleichzeitig angewiesen, auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses über die schweizerisch-italienische und die schweizerisch-französische Grenze eine generelle Einfuhrbewilligung zu erteilen. Diese Massnahme stimmt mit der Praxis überein, indem auch die übrigen Einfuhrbeschränkungen nur gegen ausgesprochen valutaschwache Länder in Anwendung kommen und nur ausnahmsweise und vereinzelt für die Einfuhr über die französische und italienische Grenze Geltung haben.

Zur Besprechung der im Bundesratsbeschluss vom i 4. Oktober 1922 betreffend die Beschränkung der Einfuhr vorgesehenen Massnahmen veranlasste das Volkswirtschaftsdepartement auf den 19. Oktober 1922 eine Konferenz, an der die Landwirtschaftsdirektoren der wichtigsten Weinbau treibenden Kantone, sowie Vertreter der Produzenten, des Handels und der Wirte teilnahmen. Die Vertreter des Handels und der Wirte erklärten sich bereit, bei der Übernahme der inländischen Weine nach Möglichkeit mitzuwirken und deren Absatz zu fördern. Sie vertraten
im weitern die Auffassung, dass in Rücksicht auf die grosse Inlandsernte und die Preisherabsetzung für Inlandsweine auch ohne besondere staatliche Massnahme der Weinimport aus unsern hauptsächlichsten und normalen Lieferungsgebieten erheblich zurückgehen werde.

529 Die Vertreter der Produzenten befürworteten eine allgemeine Kontingentierung der Weineinfuhr, da die vorgesehenen Einfuhrbeschränkungen keinen ausreichenden Schutz zu bieten vermöchten. Für den Fall, dass sich bei der Einkellerung der Weine Schwierigkeiten bieten sollten, wurde die Mitwirkung der Behörden zwecks eventueller Requisition von Fässern und Lagerräumen gewünscht und in Aussicht gestellt. Man verständigte sich sodann auf weitere Besprechungen zwischen Vertretern der regionalen Organisationen der Produzenten und des Handels, bei denen eventuell auch Vertreter der Behörden mitzuwirken hätten.

Die Versammlung diskutierte überdies die aus ihrer Mitte erfolgten Anregungen betreffend Erleichterungen in Vorschriften der Lebensmittelgesetzgebung, die in Rücksicht auf die besondern Eigenschaften der 1922er Weine zu gewähren wären (Trockenzuckerung, Verschnitt der Weine). Die Konferenz ernannte sodann eine kleinere Subkommission zur weitern Behandlung der Angelegenheit. Diese hat seither auf Einladung des Volkswirtschaftsdepartements einmal getagt.

In der Folge konnte von der eventuell in Aussicht genommenen Requisition von Fässern und Kellern Umgang genommen werden. Die in Sachen der Lebensmittelvorschriften von den Interessenten übereinstimmend gewünschten Erleichterungen wurden vom Bundesrate für die 1922er Weine bewilligt.

Von einer allgemeinen Kontingentierung des Weinimportes musste wegen den damit verbundenen Schwierigkeiten, namentlich aber aus Rücksichten auf unsere internationalen Handelsbeziehungen, gerade auch mit Rücksicht auf landwirtschaftliche Exporte, Umgang genommen werden. Dagegen wurde nach einer Schlussnahme des Bundesrates vom 15. November 1922 den Regierungen der Weinbau treibenden Kantone ein Kredit von fünf Millionen Franken eröffnet zwecks Gewährung billiger Darlehen an Weinproduzenten, die ihre Weine nicht rechtzeitig verkaufen und daher ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen können. Die Kantone haben die Vorschüsse sicherzustellen und dem Bund spätestens bis 30. November 1923 mit 2 °/o Zins zurückzuzahlen. Der Zinsausfall ist aus den Einnahmen an Einfuhrgebühren für Weine der Bundeskasse zu vergüten. Auch andere Hilfsmittel wurden erörtert, haben aber bisher zu weitern Massnahmen nicht geführt.

Der Weinbau hat sich den Einwirkungen der allgemeinen
Wirtschaftskrisis nicht entziehen können. Keine Mittel hätten die Krisis von ihm abzuwenden vermocht. Die reiche Weinernte des vergangenen Herbstes hat die Absatzstockung und den Preis-

530 druck auf dem Weinmarkte besonders ungünstig gestaltet. Die vom Bundesrat getroffenen Massnahmen vermochten, wie vorauszusehen war, keine durchgreifende Hilfe zu bringen. Dagegen ist es gelungen, die übermässige Weineinfuhr aus ganz valutaschwachen Produktionsgebieten zu hemmen und die zweckmässige Einkellerang der inländischen Weinernte sicherzustellen.

Weitergehende Massnahmen erschienen nicht möglich. Der Bundesrat wird indessen den Verhältnissen unserer Weinproduktion auch weiterhin seine ganze Aufmerksamkeit schenken.

Wir beantragen Ihnen, Sie möchten von den getroffenen Massnahmen in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen.

B e r n , den 13. Februar 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der Bundespräsident:

Scheurer.

Der Bundeskanzler : Steiger.

Beilaffe : Bundesratsbeschluss vom 14. Oktober 1922 betreffend die Beschränkung der Einfuhr.

531 Beilage,

Bundesratsbeschluss betreffend

die Beschränkung der Einfuhr.

(Vom 14. Oktober 1922.)

Der schweizerische Bundesrat, gestützt auf den Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr*) und die am 14. März 1921 erlassene Vollziehungsverordnung **), beschliesst: Art. 1. Bis auf weiteres ist die Einfuhr folgender Warengattung von der Einholung einer Bewilligung abhängig gemacht: Naturwein in Fässern, bis und mit 13,o° Alkoholgehalt; Weinmost, Zolltarifnummer 117a.

Art. 2. Das Volkswirtschaftsdepartement wird ermächtigt, die zur Aufbewahrung der diesjährigen Ernte und zu ihrer Überführung in den Konsum zweckdienlichen Vorkehrungen zu treffen.

Es wird dies zunächst durch Verhandlungen mit den Interessenten zu erreichen suchen. Sind weitere behördliche Massnahmen nötig, so wird es dem Bundesrat die nötigen Anträge unterbreiten.

Art. 3. Der gegenwärtige Beschluss tritt am 19. Oktober 1922 in Kraft. Das Zolldepartement, das Volkswirtschaftsdepartement und das Ernährungsamt sind mit seinem Vollzuge betraut.

Die Behandlung der Einfuhrgesuche wird dem Ernährungsamt übertragen.

B e r n , den 14. Oktober 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Steiger.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 130.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVIT, S. 193.

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X. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Massnahmen gemäss Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr. (Vom 13. Februar 1923.)

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