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1793

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Zulassung neuer Staaten zu den privat- und zivilprozessrechtlichen internationalen Haager Übereinkünften vom 12. Juni 1902 und 17. Juli 1905.

(Vom 3. Dezember 1923.)

Mit Note vom 20. November 1922 teilte die Niederländische Gesandtschaft in Bern dem Politischen Departement mit, Finnland, die Tschechoslowakei, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen sowie Polen -- letzteres sowohl für sich als für die Freie Stadt Danzig -- hätten den Wunsch ausgesprochen, der internationalen Haager Übereinkunft vom 17. Juli 1905 betreffend Zivilprozess, an der die Schweiz teilhat, beizutreten. Am 5. März letzthin benachrichtigte uns die gleiche Gesandtschaft davon, Polen wünsche des weitern im eigenen und im Namen der Freien Stadt Danzig folgenden drei Übereinkünften beizutreten, die die Schweiz gleichfalls unterzeichnet hat, nämlich der Haager Übereinkunft vom 12. Juni 1902 a. zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschliessung; b. zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze und der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiete der Ehescheidung; c. zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige.

Nun enthält aber jedes dieser Abkommen eine Bestimmung, wonach die Möglichkeit eines spätem Beitritts nur denjenigen Staaten vorbehalten wird, die an der internationalen Konferenz zur Ausarbeitung des betreffenden Abkommens vertreten waren.

Da keiner der Staaten, die ihnen gegenwärtig beizutreten wünschen, diese Bedingung erfüllt, sah sich die Niederländische Regierung veranlasst, die Frage zu prüfen, wie deren Wunsche entsprochen werden könnte. Daher schlug sie den Signatarstaaten dieser vier

349 Übereinkünfte vor, eine gleiche Anzahl von Protokollen zu unterzeichnen ; darin soll der gemeinsame Wille festgestellt werden, den neuen Staaten den Beitritt zu jeder dieser Übereinkünfte zu ermöglichen, und soll zu diesem Zwecke in Aussicht genommen werden, im Niederländischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten eine gleiche Anzahl von Beitrittsprotokollen aufzulegen, worin die Beitrittserklärungen einzutragen sind und der Beitritt festgestellt wird.

Diese Protokolle und die eben erwähnten Beitrittsprotokolle haben folgenden Wortlaut :

ProtokoU.

,,Die von vertragschliessenden Staaten der Haager Übereinkunft vom , in dem Wunsche, den an der . . . . Konferenz für internationales Privatrecht nicht vertretenen Staaten den Beitritt zu dieser Übereinkunft zu ermöglichen, nach-dem deren dahinzielendes Begehren von den vertragschliessenden Staaten günstig aufgenommen worden ist, sind dahin übereingekommen, dass im Niederländischen Ministerium für Auswärtige .Angelegenheiten ein Beitrittsprotokoll aufgelegt werden wird, worin die genannten Beitrittserklärungen einzutragen sind und ·der Beitritt festgestellt wird ; diese Beitrittserklärungen werden ihre Wirkung vom sechzigsten Tage nach Unterzeichnung des .genannten Protokolls an ausüben.

Das vorliegende Protokoll soll ratifiziert, und die Ratifikationen sollen im Haag hinterlegt werden, sobald . . . . (für die Übereinkunft betreffend Zivilprozess und diejenige zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige: sechs, für die Übereinkünfte zur Regelung des Geltungsbereichs der G-esetze auf dem Gebiete der Eheschliessung und der Ehescheidung: fünf) ·der vertragschliessenden Mächte in der Lage sind, dies zu tun.

Es wird am dreissigsten Tage nach dem Zeitpunkt, wo die vertragschliessenden Mächte ihre Ratifikationen hinterlegt haben werden, in Kraft treten.

Zu Urkund dessen haben die zu diesem Zwecke gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten das vorliegende Protokoll unterschrieben, welches das Datum des heutigen Tages tragen und wovon eine beglaubigte Abschrift jeder der vertragsehliessenden Mächte zugestellt werden wird.

So geschehen im Haag, den Bundesblatt.

75. Jahrg.

Bd. III.

u

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Beitrittsprotokoll.

,,In dieser Stadt ist den ein Protokoll unterzeichnet worden, das festsetzt, in welcher Weise die an der Konferenz für internationales Privatrecht nicht vertretenen Mächte der Haager Übereinkunft vom beitreten können.

Auf Grund dieses Protokolls ist im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten im Haag das vorliegende Protokoll aufgelegt worden, worin die Beitrittserklärungen zu der vorgenannten Übereinkunft einzutragen sind und der Beitritt festgestellt wird.

Es sind nacheinander beigetreteu: i/» Als wir zunächst ersucht wurden, das auf die Übereinkunft betreffend Zivilprozess bezügliche Protokoll zu unterzeichnen, baten wir die Niederländische Regierung, als die Verfasserin des Protokollentwurfes, uns zu bestätigen, dass unsere Auslegung des ersten Absatzes dieser Urkunde zutreffend sei; diese Auslegung geht dahin, dass ein neuer Staat zur Unterzeichnung des Beitrittsprotokolls erst dann zugelassen werden dürfe, wenn alle vertragschliessenden Mächte dem Beitritt dieses Staates zugestimmt haben.

Der Bundesrat legte einigen Wert auf diese Bedingung, dieeine einhellige Zustimmung voraussetzt, wegen der Tragweite gewisser Bestimmungen der Übereinkunft betreffend Zivilprozess,.

namentlich der Art. 17 bis 19 (Sicherheitsleistung für die Prozesskosten).

Am 29. Januar letzthin antwortete die Niederländische Gesandtschaft, die oben erwähnte Auslegung sei zutreffend und entspreche der Meinung der Niederländischen Regierung.

Unter diesen Umständen bestand kein Hindernis mehr, dem niederländischen Vorschlage Folge zu geben. Der Bundesrat beschloss denn auch am 5. Februar, den schweizerischen Gesandten im Haag, Herrn A. de Pury, zu ermächtigen, das genannte Protokoll unter Vorbehalt der Genehmigung durch die eidgenössischen Räte zu unterzeichnen. Am 5. März setzte unser Gesandter seine Unterschrift unter das Protokoll, das bereits vom spanischen und vom belgischen Gesandten unterzeichnet war. Der schwedische und der rumänische Vertreter standen im Begriffe, binnen kurzem ein gleiches zu tun, und die Niederländische Regierung schickte sich an, die Angelegenheit denjenigen vertragschliessenden Staaten in Erinnerung zu bringen, die sich noch nicht damit befasst hatten.

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In Beantwortung einer neuen niederländischen Note vom 5. März dehnte der Bundesrat am 13. April seinen Beschluss auf die drei Protokolle betreffend die Übereinkünfte vom 12. Juni 1902 über Eheschliessung, Ehescheidung und Vormundschaft aus.

Diese drei Protokolle sind am 19. Juni von Hrn. A. de Pury unterzeichnet worden.

Es liegt uns daran, nochmals zu betonen, dass diese Unterschriften unserer Stellungnahme zu den Beitrittsgesuchen selbst keineswegs vorgreifen. Diese Protokolle sollen lediglich ein Eintreten auf diese Gesuche möglich machen. Zu diesem Zwecke räumen sie das unbedingte Hindernis aus dem Wege, das die Vertragsstaaten der Haager Übereinkünfte, offenbar ohne übrigens je eine derartige Ausschliesslichkeit gewollt zu haben, durch die Redaktion einer Bestimmung dieser Übereinkünfte dem Beitritt gewisser Staaten in den Weg gelegt haben, die in ihrer Mehrzahl zu jener Zeit noch gar nicht bestanden. Auch nachdem die Protokolle in Kraft erwachsen sind, wird es uns jederzeit erlaubt sein, dem Beitritt eines solchen Staates wirksam entgegenzutreten, dessen Teilnahme an dieser oder jener Übereinkunft uns nicht erwünscht scheinen sollte.

Was die praktische Bedeutung der vorgeschlagenen Änderungen anbelangt, so darf darauf hingewiesen werden, dass das Gebiet der Staaten, deren Beitritt zu den vorerwähnten Übereinkünften in Aussicht steht, zur Zeit des Abschlusses dieser Übereinkünfte in seiner Gesamtheit oder zu einem grossen Teil den vertragschliessenden Staaten angehörte und der Beitritt anderer Staaten für den Augenblick lediglich eine theoretische Möglichkeit bildet ; wenn diese Möglichkeit sich verwirklichen sollte, so würden sich damit die vertragschliessenden Staaten überdies dem Ziele nähern, das die Haager Konferenzen sich gesteckt hatten, nämlich, auf dem ganzen europäischen Erdteil in gewissen wichtigen Gebieten des internationalen Privatrechts und des Zivilprozesses einheitliche Regeln zur Geltung zu bringen.

Folgende Staaten haben gegenwärtig an den oben erwähnten Übereinkünften teil : 1. Übereinkunft zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschliessung, vom 12. Juni 1902 : Deutschland, Ungarn, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Rumänien, Schweden und die Schweiz.

2. Übereinkunft zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Ehescheidung, vom 12. Juni 1902 :

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Deutschland, Ungarn, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Rumänien, Schweden und die Schweiz.

3. Übereinkunft zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige, vom 12. Juni 1902 : Deutschland, Belgien, Spanien, Ungarn, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Rumänien Schweden und die Schweiz.

4. Internationale Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozess, vom 17. Juli 1905: Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Ungarn, Italien, Luxemburg, Norwegen, die Niederlande, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden und die Schweiz.

Wir beantragen Ihnen demnach, die vier in Rede stehenden Protokolle gutzuheissen, und bitten Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung genehmigen zu wollen.

B e r n , den 3. Dezember 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Scheurer.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

353

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Genehmigung der Protokolle, die zum Zwecke haben, den Beitritt neuer Staaten zu den Haager Übereinkünften betreffend das Privatrecht und den Zivilprozess zu ermöglichen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 3. Dezember 1923, beschliesst : A. Die vier Protokolle, die den an der 3. oder an der 4. Konferenz für internationales Privatrecht nicht vertretenen Staaten die Möglichkeit bieten, den internationalen Haager Übereinkünften vom 12. Juni 1902 zur Regelung a. des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschliessung, b. des Geltungsbereichs der Gesetze und der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiete der Ehescheidung und der Trennung von Tisch und Bett, c. der Vormundschaft über Minderjährige, und der Haager Übereinkunft vom 17. Juli 1905 betreffend Zivilprozess beizutreten, werden genehmigt.

B. Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge des vorliegenden Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Zulassung neuer Staaten zu den privat- und zivilprozessrechtlichen internationalen Haager Übereinkünften vom 12. Juni 1902 und 17. Juli 1905. (Vom 3. Dezember 1923.)

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05.12.1923

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