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Botschaft de»

Bundesrates an die Bundesversammlung über die dritte und vierte Internationale Arbeitskonferenz.

(Vom 4. Mai 1928.)

A. Einleitung.

Nach den Friedensverträgen (Art. 891 und 392 des Vertrages von Versailles) ist der Sitz des Völkerbundes auch der Sitz des Internationalen Arbeitsamtes und gleichzeitig der Ort, wo die Tagungen der Arbeitskonferenzen stattfinden, sofern nicht an einer frühem Konferenz ein anderer Tagungsort mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen bezeichnet worden ist.

Mit der Verlegung des Sitzes des Völkerbundes nach Genf ist diese Stadt auch der Sitz des Internationalen Arbeitsamtes und der ordentliche Versammlungsort der jährlichen Arbeitskonferenaen geworden.

Demgemäss fanden die dritte und die vierte Konferenz in den Jahren 1921 und 1922 in Genf statt; jene vom 25. Oktober bis 19. November 1921, diese vom 18. Oktober bis 8. November 1922.

Die dritte Konferenz hatte sich unter anderm auch mit Fragen der Landarbeit befasst. Auf Veranlassung der französischen Eegierung beschloss der Völkerbundsrat am 12. Mai 1922, den Ständigen Internationalen Gerichtshof um Abgabe eines Gutachtens über die Zuständigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation in diesen Fragen zu ersuchen. Die Verneinung der Zuständigkeit hätte eine neue Lage geschaffen und die Hinfälligkeit der auf die Landarbeit bezüglichen Beschlüsse der dritten Internationalen Arbeitskonferenz zur Folge gehabt. Es war daher gegeben, vor der Stellungnahme zu diesen Beschlüssen den Entscheid des Ständigen Internationalen Gerichtshofes abzuwarten. Hieraus entstand eine Verzögerung, welche zur Folge hatte, dass wir Ihnen die Beschlüsse der dritten Arbeitskonferenz ausnahmsweise nicht innert Jahresfrist nach Schluss der Konferenz, wohl aber innert der noch zulässigen Frist von achtzehn Monaten (Art. 405 des Friedensvertrages) unterbreiten.

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B. Die dritte Internationale Arbeitskonferenz yom 25. Oktober bis 19. November 1921.

I.

Sie war ursprünglich für den Monat April 1921 vorgesehen, musate dann aber, um mehr Zeit für die Vorbereitung zu gewinnen, auf den Oktober verschoben werden.

Die Tagesordnung war vom Verwaltungerat des Internationalen Arbeitsamtes wie folgt festgesetzt worden: 1. Neugestaltung der Zusammensetzung des Verwaltungsrates des Internationalen Arbeitsamtes, 2. Anpassung des Washingtoner-Beschlusses betreffend die Eegelung der Arbeitszeit auf die Landarbeit, 3. Anpassung der andern Beschlüsse von Washington auf die Landarbeit : a. Mittel zur Verhütung der Arbeitslosigkeit und zur Bekämpfung ihrer Folgen; l). Schutz der Frauen und Kinder.

4. Besondere Schutzmassnahmen für die Landarbeiter: a. landwirtschaftlicher technischer Unterricht; b. Unterkunft und Schlafgelegenheit der Landarbeiter; c. Sicherstellung des Vereins- und Koalitionsrechts; d. Schutz gegen Unfälle, Krankheit, Invalidität und Alter, 5. Desinfektion der milzbrandhaltigen Wolle.

6. Verbot der Verwendung von Bleiweiss im Malergewerbe.

7. Die wöchentliche Euhezeit in Gewerbe und Handel.

8. a. Verbot der Beschäftigung jugendlicher Personen unter 18 Jahren in Bunkern und Heizräumen; 6. obligatorische ärztliche Untersuchung der an Bord von Schiffen beschäftigten Kinder.

Die Absicht einer internationalen Regelung der Landarbeit löste in der schweizerischen Landwirtschaft eine gewisse Beunruhigung aus. Sie fürchtete, auf diesem Wege einer ihrer Eigenart nicht entsprechenden und ihre Existenz erschwerenden Ordnung unterworfen zu werden.

Der Bundesrat konnte sich diesen Bedenken'nicht verschliessen.

Mit Zuschrift vom 7, Jauuttr 1921 machte ei den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes aufmerksam auf die Gründe,

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welche seines Erachtens gegen die Zweckmäßigkeit einer Behandlung der Fragen der Landarbeit sprachen und ersuchte ihn, sie von der Tagesordnung abzusetzen oder zum wenigsten ihro Prüfung aufzuschieben. Der Verwaltungsrat glaubte, dieser Anregung keine Folge geben zu können, unter Hinweis auf Art. 402 des Friedensvertrages, dessen Absätze l und 2 folgendermassen lauten; «Die Eegierung eines jeden Mitgliedes hat das Bechi, gegen die Aufnahme einer oder mehrerer der vorgesehenen Gegenstände in die Tagesordnung der Konferenz Einspruch zu erheben.

Die Einspruchsbegründung ist in einer an den Direktor zu richtenden erläuternden Denkschrift darzulegen, der sie den Mitgliedern der ständigen Organisation mitzuteilen hat.

Die beanstandeten Gegenstände bleiben trotzdem auf der Tagesordnung, wenn die Konferenz mit Zweidrittelmehrheit der von den anwesenden Vertretern abgegebenen Stimmen so beschliesst.» Da dieses Verfahren in der Folge von der franzosischen Begierung eingeschlagen wurde, indem sie mit Eingaben vom 18. Mai und 7. Oktober 1921 die Absetzung sämtlicher Landarbeitsfragen von der Tagesordnung verlangte, konnte die Schweiz davon Umgang nehmen, selbst in gleicher "Weise vorzugehen.

Die Zusammenkuppelung verschiedenartiger Fragen in ein und derselben Tagesordnung bot Schwierigkeiten für die Zusammensetzung der Koriferenzdelegation. Je nachdem den landwirtschaftlichen oder den industriellen Fragen grössere Wichtigkeit beigemessen wurde, waren die Delegierten der Arbeitgeber und Arbeiter anders zu bestellen. Mit Rücksicht auf die Zurückhaltung der Schweiz in den Landwirtschaftsfragen einigte man sich voreist dahin, die Delegierten aus der Industrie zu bezeichnen und ihnen landwirtschaftliche Experten beizugeben. Während eine Verständigung über die Bezeichnung und die Bolle dieser Experten auf Seite der Arbeitgeber erzielt wurde, war dies bei den Arbeitnehmern nicht möglich. Der schweizerische Gewerkschaf tsbund als der grösste Arbeitnehmeiverband beanspruchte für sich das Bccht, nicht nur den Arbeiterdelegierten, sondern auch die Experten zu stellen, selbst in den Fragen der Landwirtschaft, wo er nicht als Vertreter der Arbeiterschaft anerkannt werden konnte, weil die schweizerischen Landwirtachaftsarbeiter gewerkschaftlich nicht organisiert sind. Schliesslich verständigte man sich dahin,
landwirtschaftliche Berater nur den Begierungsdelegiortcn, nicht aber den Arbeitgeber- und Arbeiterdelegierten beizugeben. Gestutzt hierauf wurde die Delegation tolgendermassen zusammengesetzt :

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1. Regierungsvertreter : a. Delegierte: Herr Dr. Rüfenacht, damals Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung, ,, Herr Fürsprech Pfister, Direktor des eidgenössischen Arbeitsamtes ; b. Technische Berater: Herr Begierungsrat Porchet in Lausanne, Herr Professor Moos in Zürich, Herr Dr. Carrière, Direktor des eidgenössischen Gesundheitsamtes, Herr Maillard, eidgenössischer Fabrikinspektor in Lausanne, Frau Gillabert-Eandin in Moudon.

2. Arbeitgebervertreter: a. Delegierter: Herr Colomb, Sekretär der kantonal-bernischen Vereinigung der Uhrenfabrikanten in Biel.

b. Technische Berater: Herr P. Schellenherg, Fabrikant in Burglen, Herr Ed. Cuenod, Architekt in Genf, Herr M. Gassmann, Vizepräsident des Verbandes Zürcher Handelsfirmen in Zürich.

3. Arbeitervertreter: a. Delegierter: Herr Schürch, französischer Sekretär des schweizerischen Gewerkschaftsbundes.

b. Technische Berater: Herr Stickel, Maler in Zürich, Herr Nationalrat Baumann, Sekretär der Union Helvetia in Luzern.

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II.

An der Konferenz waren von 54 Mitgliedstaaten 89 vertreten ; davon 25 mit vollständigen und 14 mit unvollständigen Delegationen (nur l oder 2 Regierungsvertreter). Im ganzen waren es 119 Delegierte und 285 technische Berater. Der Vorsitz der Konferenz wurde Lord Burnham, ehemaligem Mitglied des englischen Unterhauses, übertragen.

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Der Einspruch Frankreichs gegen die Tagesordnung führte zu einer eingehenden Erörterung sowohl der grundsätzlichen Frage der Zuständigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation inbezug auf die Landarbeit, als auch der Frage der Zweckmftssigkeit einer internationalen Regelung. Die Konferenz bejahte die Zuständigkeit; die vorgesehene Zweidrittelmehrheit sprach sich auch für die Belassung der Landarbeitsfragen auf der Tagesordnung aus, mit Ausnahme der Arbeitszeitfrage.

Die einzelnen Gegenstände der Tagesordnung fanden folgende Erledigung: 1. Beform des Verwaltungsrates. -- Wie wir in unserer Botschaft vom lO.Dezember 1920 über die erste Internationale Arbeitskonferenz in Washington erwähnten, wurde die Schweiz unter die acht Staaten eingereiht, denen infolge ihrer industriellen Bedeutung von Eechts wegen ein Begierungssitz im Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes zukommt. Gegen die in Washington vorgenommene Bezeichnung dieser acht Staaten wurde von Schweden, Polen, Kanada und Indien Einspruch erhoben, der von den drei ersten Staaten später fallen gelassen, von Indien aber aufrechterhalten wurde. Nach Art. 398 des Friedensvertrages steht der Entscheid über einen solchen Einspruch dem Völkerbundsrat zu. Die Konferenz begnügte sich, in einer Resolution dem Wunsch Ausdruck zu geben, es möchte die Streitfrage durch den Völkerbundsrat vor der im Jahre 1922 stattfindenden Gresamterneuerung des Verwaltungsrates entschieden werden.

Im übrigen gab die Frage der zweckmässigen Zusammensetzung des Verwaltungsrates im Schosse der hierfür eingesetzten Kommission viel zu reden. Diese kam zum Schlüsse, dass eine befriedigende Lösung nur durch eine Bevision des Art. 893 des Friedensvertrages gemäss dem in Art. 422 vorgesehenen Verfahren zu erzielen sei. Auf ihren Antrag lud die Konferenz den Verwaltungsrat ein, die Frage näher zu prüfen und auf die Tagesordnung der nächsten Konferenz zu setzen.

Endlich stellte die Konferenz inbezug auf die Vertretung der aussereuropäischen Länder im Verwaltungsrat und inbezug auf die Ernennung von Ersatzmännern für den Verwaltungsrat bestimmte Vorschläge auf, in der Meinung, dass sie den Begierungen, Arbeitgebern und Arbeitern zur Prüfung zu unterbreiten seien.

Ein endgültiger Beschluss über diesen Verhandlungsgegenstand wurde also nicht gefasst.

2. Die Fragen der Landarbeit. ·-- Wie bereits erwähnt, wurde die Arbeitszeitfrage von der Tagesordnung abgesetzt. Inbezug

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auf die übrigen Fragen der Landwirtschaft wurden von der Konferenz folgende Beschlüsse in Form von Entwürfen von Übereinkommen und Vorschlägen angenommen (Beilage III, Ziff. l--10).

a. Vorschlag betreffend die Nachtarbeit der Frauen in der Landwirtschaft ; 6, Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft; c. Vorschlag betreffend die Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen in der Landwirtschaft: d. Vorschlag betreffend die Unterbringung der landwirtschaftlichen Arbeiter; e. Vorschlag betreffend die Massnahmen zur Verhütung der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft; /. Vorschlag betreffend den Schutz der in der Landwirtschaft beschäftigten Frauen vor und nach der Niederkunft; g. Vorschlag betreffend die Förderung des beruflichen Unterrichts in der Landwirtschaft; h. Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Vereins- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeiter; i, Entwurf eines Übereinkommens betreffend die Entschädigung der Landarbeiter bei Arbeitsunfällen; k. Vorschlag betreffend die Sozialversicherungin der Landwirtschaft.

8. Desinfektion der milzbrandhaltigen Wolle. -- Nach einem von der ersten Internationalen Arbeitskonferenz in Washington vom Jahre 1919 angenommenen Vorschlag (siehe hierüber unsere Botschaft vom 10. Dezember 1920) wurden die der Internationalen Arbeitsorganisation angehörenden Staaten eingeladen, zur Entseuchung milzbrandverdächtiger Wolle geeignete Massnahmen zu treffen, sei es im Ursprungsland, sei es, falls dies nicht angehe, im Löschungshafen des Einfuhrlandes.

Die Arbeitskonferenz von 1921 sollte darüber entscheiden, ob nicht an Stelle des erwähnten Vorschlages die wirksamere Form eines Übereinkommens zu setzen sei, das den Grundsatz der obligatorischen Desinfektion der milzbrandverdächtigen Wolle zu enthalten hätte.

Vom Internationalen Arbeitsamt war ein solcher Entwurf ausgearbeitet und der Konferenz unterbreitet worden.

Die Erhebungen ergaben die Ungefährlichkeit der in unserem Lande zur Verarbeitung gelangenden Wolle. Seit mehr als zwanzig Jahren ist kein Fall von Milzbrand, verursacht durch Wolle, bekannt geworden. Die boi uns eingeführte Wolle stammt meistens aus Südamerika, Australien, dem Kapland und einigen europäischen Ländern, also aus Ursprungsländern, wo der Milzbrand am lebenden Tier be-

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kämpft wird. Gefährlich ist die aus einigen asiatischen Ländern stammende AVoile, wo keine Bekämpfung des Milzbrandes am lebenden Tier stattfindet. Solche Wolle gelangt aber bei uns nicht zur Verwendung.

Die Frage schien uns nicht genügend abgeklärt, um Gegenstand einer internationalen Bindung zu bilden, um so mehr als sich herausstellte, dass durch das vorgeschlagene Desinfektionsverfahren die zur Herstellung feiner Gewebe notwendige Sortierung der Wolle verunmöglicht würde. Wir nahmen daher schon in unserer Vemehmlassung an das Internationale Arbeitsamt den Standpunkt ein, es möchte die Frage zu näherer Prüfung einer Expertenkommission überwiesen und die Beschlussfassung durch die Konferenz verschoben werden.

In diesem Sinne entschied denn auch die Konferenz, und es wird sich voraussichtlich die Konferenz von 1928 mit der Frage neuerdings zu befassen haben.

4. Verbot der V e r w e n d u n g von Bleiweiss im Malergewerbe. -- Das Verbot der Bleiweissverwendung ist ehi altes Postulat, über das schon viel gesprochen und geschrieben wurde. Es ist daher nicht zu verwundern, dass die Frage auch an der Konferenz, insbesondere in der hierfür eingesetzten Kommission, zu lebhaften Auseinandersetzungen führte und sich Freunde und Gegner des Verbotes anfänglich schroff gegenüberstanden. Schliesshch kam es zu einer Verständigung, die ihren Ausdruck fand in dem von der Konferenz mit 90 gegen 0 Stimmen angenommenen «Entwurf eines Übereinkommens betreffend die Verwendung von ßleiweiss zum Anstrich»,i (Beilage III, Ziff. H).

5. Die wöchentliche Buhezeit in Gewerbe und Handel.

-- Die von der Konferenz in dieser Sache gefassten Beschlüsse sind folgende : a, Entwurf eines Übereinkommens betreffend den wöchentlichen ßuhetag in gewerblichen Betrieben (Beilage III, Ziff. 12) ; ?). Vorschlag betreffend den wöchentlichen Ruhetag in Handelsbetrieben (Beilage III, Ziff. 13).

6. Der letzte Verhandlungsgegenstand der Tagesordnung betrifft ausschliesslich Fragen der Meerschiffahrt. Die Konferenz nahm folgende zwei Entwürfe von Übereinkommen an: a. Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Mindestalter für die Zulassung von Jugendlichen zur Beschäftigung als Trimmer oder Heizer (Beilage III, Ziff. 14) ; b. Entwurf eines Übereinkommens betreffend die obligatorische ärztliche Untersuchung der in der Seeschiffahrt beschäftigten Kinder und Jugendlichen (Beilage III, Ziff. 15).

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III.

Zwei Fragen, welche die dritte Arbeitskonferenz beschäftigten, sind nachher dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zur Entschei- ' düng unterbreitet worden. Ihrer grundsätzlichen Bedeutung wegen tun wir ihrer hier Erwähnung.

Die eine Frage betrifft, wie wir schon in der Einleitung bemerkten, die Zuständigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation in Landwirtschaftsfragen. Die Konferenz hatte die Zuständigkeit bejaht; damit war aber kein endgültiger Entscheid gefällt; denn es handelte sich um eine Auslegung des XIII. Teils des Friedensvertrages, wofür nach Art. 423 der Ständige Internationale Gerichtshof zuständig ist.

Auf Ansuchen Frankreichs beschloss der Völkerbundsrat am 12. Mai 1922, von jener Instanz gemäss Art. 14 des Vertrages'ein Gutachten über die Frage einzuholen, ob sich die Zuständigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation auf die Begelung der Arbeitsbedingungen der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen beziehe. Am 18. Juli 1922 beschloss er, wiederum auf Ansuchen Frankreichs, dem Gerichtshof die weitere Frage zur Begutachtung zu unterbreiten, ob die Prüfung von Vorschlägen zur Organisation und Förderung von Mitteln der landwirtschaftlichen Produktion und die Prüfung aller ähnlichen Fragen unter die Zuständigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation falle. In seinen Entscheiden vom 12. August 1922 bejahte der Gerichtshof die erste Frage, verneinte aber die zweite. Damit ist die Zuständigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation in landwirtschaftlichen Fragen endgültig abgegrenzt : sie ist bejaht für alle Fragen, welche die Arbeitsbedingungen betreffen, und verneint für die Fragen, die sich auf die Produktion beziehen.

Die zweite grundsätzliche dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zum Entscheid vorgelegte Frage betrifft die Auslegung des Art. 889, Abs. 3, des Friedensvertrages, der folgendermassen lautet : «Die Mitglieder verpflichten sich, diejenigen Vertreter und technischen Ratgeber, die nicht Begierungsvertreter sind, im Einverständnis mit den massgebenden Berufsverbänden der Arbeitgeber oder Arbeiter des betreffenden Landes zu bezeichnen, vorausgesetzt, dass solche Verbände bestehen.

Anlass zu der Streitfrage gab die Ernennung des niederländischen Arbeiterdelegierten für die dritte Internationale Arbeitskonferenz. In den Niederlanden bestehen folgende fünf Arbeiterverbände : 1. der niederländische Gewerkschaftsbund mit 218,596 Mitgliedern im April 1921;

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2. der römisch-katholische Gewerkschaftsverband mit 155,642 Mitgliedern im April 1921; 3. der christlich Nationale Gewerkschaftsverband mit 75,618 Mitgliedern im April 1921; 4. der allgemeine niederländische Gewerkschaftsverband mit 51,195 Mitgliedern im April 1921; 5. das nationale Arbeitersekretariat mit 36,088 Mitgliedern am 1. Januar 1921.

Die unter Nr. 2, 3 und 4 genannten Verbände verständigten sich, um für die Ernennung des Arbeiterdelegierten einen gemeinsamen Bewerber aufzustellen. Damit war der Gewerkschaftsbund nicht einverstanden; er beanspruchte als grossier Verband das Recht, den Delegierten zu stellen. Die niederländische Regierung bezeichnete für diesmal den Kandidaten der drei Verbände als Delegierten der Arbeitnehmer. Gegen diese Ernennung erhob der niederländische Gewerkschaftsbund bei der Arbeitskonferenz Einsprache, die in der Weise ihre Erledigung fand, dass der ernannte Delegierte zu den Sitzungen zugelassen, gleichzeitig aber beschlossen wurde, es sei der Völkerbund srat zu ersuchen, die Streitfrage dem Ständigen Internationalen Gerichtshof vorzulegen. Dieser sprach sich mit Beschluss vom 31. Juli 1922 dahin aus. dass der Arbeiterdelegierte der Niederlande im Einklang mit den Bestimmungen des Art. 389, Abs. 3, des Versailler Vertrages bezeichnet -worden sei. Er ging dabei vonder Ansicht aus, dass nicht immer ein einzelner, zahlenmässig stärkster Berufsverband der massgebende Berufsverband sei, mit dessen Einverständnis der Delegierte zu bezeichnen sei, sondern dass auch eine Mehrheit von Berufsverbänden in Betracht fallen könne, wenn ihr eine massgebende Bedeutung zukomme.

. Die vierte Internationale Arbeitskonferenz vom 1$. Oktober bis 3. November 1922.

T.

Die Tagesordnung für diese Konferenz war vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes folgendermassen festgesetzt worden : 1 Mitteilung statistischer und sonstiger Unterlagen über Aus- und Einwanderung, Rückwanderung oder Durchgangsverkehr von Auswanderern an das Internationale Arbeitsamt.

2. Abänderung des XIII. Teiles des Friedensvertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge a. bezüglich der Zusammensetzung des Verwaltungsrates ; b. bezuglich der regelmässigen Wiederkehr der Konferenztagungen.

Ausserdem hatte sich die Konferenz zu befassen mit der Neuwahl des Verwaltungsrates, dem Bericht des Direktors, der Abänderung ihrer Geschäftsordnung, dem Bericht über die Arbeitslosigkeit und einigen andern Fragen.

Die Delegation für diese Konferenz wurde wie folgt zusammengesetzt : 1. Kegierungsvertreter : Herr Fürsprech Pfister, Direktor des eidgenössischen Arbeitsamtes, Herr Professor Delaquis, Chef der Polizeiabteilnng des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements; 2. Arbeitgebervertreter: Herr Colomb, Sekretär der kantonal-bernischen Vereinigung der Uhrenfabrikanten in Biel; 8. Arbeitervertreter: Herr Schürch, französischer Sekretär des schweizerischen Gewerkschaft sbundes.

Die Ernennung der beiden letztem erfolgte im Einvernehmen mit den massgebenden Berufsverbänden. Von der Bezeichnung technischer Ratgeber wurde vorerst Umgang genommen. Im Laufe der Konferenz wurde dann dem Arbeitgebervertreter auf sein ausdrückliches Gesuch hin und im Einverständnis mit dem betreffenden Berufsverband ein technischer Batgeber in der Person des Herrn Dr. Secretan, Sekretär des Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeberorganisationen, beigeordnet. Es geschah dies in Anbetracht des Umstandes, dass sich Herr Colomb, der Mitglied mehrerer Kommissionen war, in einzelnen derselben zu vertreten lassen wünschte.

In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass sich Arbeiterverbände, welche Minderheiten vertreten, wiederholt dagegen verwahrten, dass bei der Ernennung des Arbeiterdelegierten ausschliesslich der schweizerische Gewerkschaftsbund berücksichtigt werde. Bei der in Art. 889, Abs. 3, des Friedensvertrages festgesetzten Ordnung konnte der Bundesrat bisher nicht anders handeln.

Mit Eingabe vom 26. Juli 1922 warf daher der christlich-soziale

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Arbeiterbund der Schweiz die Frage auf, ob nicht eine Abänderung dieser Ordnung durch eine Revision der bezuglichen Bestimmungen der Friedensverträge anzustreben sei, oder ob nicht wenigstens durch Ernennung technischer Berater die bisher von den Arbeitskonferenzen ausgeschlossenen Arbeiterverbände zur Mitwirkung an den internationalen Arbeitsfragen herangezogen werden könnten. Es wäre ausserordentlich zu begrüssen, wenn sich die Arbeiterverbände in diesem Sinne unter sich einigen könnten.

II.

Von 55 Mitgliedstaaten waren an der Konferenz 36 vertreten, wovon 22 mit vollständigen und 14 mit unvollständigen Delegationen (nur l oder 2 Begierungsvertreter). Die Zahl der Delegierten betrug 107 und diejenige der technischen Berater 87. Der Vorsitz wurde wiederum Lord Burnham übertragen.

Zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung ist folgendes zu bemerken: 1. Aus- und Einwanderung. -- Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hatte im März 1920 gemäss einem Beschlüsse der Konferenz von Washington eine internationale Auswanderungskommission gebildet, mit dem Auftrag, Bericht zu erstatten über die Massnahmen zur Begelung der Wanderungen von Arbeitern ausserhalb des Ursprungslandes und zum Schutze der Interessen der Lohnarbeiter, die nicht im Ursprungsland wohnen.

Bei der Prüfung der zahlreichen Vorschläge dieser Kommission kam der Verwaltungsrat zum Schluss, dass sie erst nach gründlicher Untersuchung Verhandlungsgegenstand der Konferenz sein können.

Er anerkannte jedoch, dass die erste Bedingung zur Anstellung solcher Untersuchungen in einer planmässigen Sammlung von Unterlagen über die Probleme der Auswanderung bestehen musate. Daher setzte er die Frage statistischer Mitteilungen an das Internationale Arbeitsamt über die Aus-, Ein- und Eückwanderung auf die Tagesordnung der vierten Konferenz.

Das Ergebnis der Konferenzverhandlung war die Annahme eines «Vorschlages betreffend die Mitteilung statistischer und anderer Auskünfte über Ein-, Aus-, Eück- und Durchwanderung an das Internationale Arbeitsamt» (Beilage IV, Ziff. 1).

2. Beform des Verwaltungsrates. -- Wie wir bereits ausführten, hatte die Frage schon die Konferenz vom Jahre zuvor beschäftigt. Der Verwaltungsrat gab der ihm erteilten Einladung Folge und arbeitete eine neue Fassung des Art. 898 des Friedensvertrages aus, der folgende Neuerungen vorsah:

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a. Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates von 24 auf 82 (16 Begierungsvertreter, 8 Vertreter der Arbeitgeber und 8 Vertreter der Arbeiter); i>. Aufhebung der Bestimmung, da&s den acht wichtigsten Industriestaaten eine Vertretung von Rechts wegen zukomme und Ersetzung durch die Vorschrift, dass folgende sechs Staaten im Verwaltungsrate vertreten sein müssen: Deutschland, Vereinigte Staaten, Frankreich, Grossbritannien, Italien und Japan; c. Festsetzung einer Mindestzahl von Sitzen für die aussereuropäischen Staaten; d. Zulassung eines im Verwali ungsrat nicht vertretenen Staates zu dessen Verhandlungen in Fragen, die ihn besonders berühren; e. Nichtwählbarkeit derjenigen Staaten in den Verwaltungsrat, die ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Völkerbund für das vorangegangene Jahr nicht nachgekommen sind.

Die Konferenz stimmte der Abänderung des Art. 393 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge zu. Die von ihr beschlossene neue Fassung, welche in Beilage IV, Ziff. 2, wiedergegeben ist, hat die unter a und c erwähnten Vorschläge, nicht aber die übrigen berücksichtigt.

Um rechtswirksam zu werden, rnuss die neue Fassung die Zustimmung der Staaten erhalten, deren Vertreter den Eat des Völkerbundes bilden, sowie von drei Vierteln der Mitgliedstaaten ratifiziert sein (Art. 422 Friedensvertrag).

3. Die rogelmässige Wiederkehr der Arbeitskonferenzen. -- Die Friedensverträge (Art. 889 Vertrag von Versailles) schreiben vor, dass die Konferenz je nach Bedarf, aber mindestens einmal jährlich, abgehalten werden soll.

Die Verschiedenheit der Gesetzgebungen und der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse der einzelnen Länder, die Verschiedenheit der Bässen, Sprachen und Auffassungen, die Verschiedenheit beruflicher Interessen: das alles sind Faktoren, welche die Tätigkeit der Konferenzen ausserordentlich erschweren. Um so notwendiger ist eine sorgfältige Vorbereitung sowohl seitens der einzelnen Staaten als seitens des Internationalen Arbeitsamtes. Die rasche Aufeinanderfolge der Konferenzen ist aber zuweilen einlîindernia für eine sorgfältige Vorbereitung.

Mit dem Schluss einer Konferenz ist dia Aufgabe der Begierungen nicht abgetan. Es handelt sich darum, die KonferenzbeBchlüsse auf ihre Anwendung und Durchführung auf nationalem Boden zu prüfen ; Bundeablatt.

75. Jahrg. Bd. II.

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häufig ist eine Abänderung der nationalen Gesetze und ihre Anpassung an die internationale Regelung notwendig, eine Aufgabe, die nicht immer leicht und rasch zu lösen ist. Unterdessen stehen bereits ·wieder neue Konferenzen vor der Tür. Die Konferenzbeschlüsse mehren sich und die nationalen Gesetzgeber haben Mühe, dem eingeschlagenen Tempo zu folgen.

In diesem System liegt die Gefahr, dass die Beschlüsse nicht immer den Schwierigkeiten der Anwendung und Durchführung genügend Rechnung tragen, dass sie infolgedessen von vielen Staaten nicht verwirklicht werden können und sich die Zahl der nicht zur Verwirklichung gelangten oder der Erledigung harrenden Beschlüsse immer mehr vermehrt. Um dieser Gefahr vorzubeugen, erhielt der schweizerische Regierungsvertreter im Verwaltungsrat denAuftrag, für den Fall, dass eine Abänderung anderer Bestimmungen des XIII. Teils des Friedensvertrages in Aussicht genommen werde, zu beantragen, dass der erste Satz des Art. 889 folgendermassen neu zu fassen sei: «Die Allgemeine Konferenz von Vertretern der Mitglieder hält je nach Bedarf, aber mindestens alle zwei Jahre, ihre Tagungen ab.» Der Verwaltungsrat stimmte dein Antrag zu und setzte die Frage auf die Tagesordnung der vierten Konferenz. Die Mehrzahl der Regierungen erklärte sich auf die Umfrage des Internationalen Arbeitsamtes hin mit dem Antrag einverstanden. Nachdem aber auf die Konferenz hin eine starke Gegnerschaft eingesetzt hatte, wurde der Antrag von der durch die Konferenz bestellten Kommission mit 17 gegen 15 Stimmen und daraufhin auch von der Konferenz selbst abgelehnt. Dagegen nahm letztere eine Resolution an, wonach der Verwaltungsrat eingeladen wurde, die Frage zu prüfen, ob nicht die Konferenzen abwechslungsweise in einem Jahre lediglich der Vorbereitung und im andern Jahre der endgültigen Annahme von Beschlüssen gewidmet sein sollten.

4. Neuwahl des Verwaltungsrates. -- Durch Entscheid des Völkerbundsrates vom 80. September 1922 wurde der auf Seite 5 erwähnte Einspruch Indiens gegen die in Washington vorgenommene Bezeichnung der acht wichtigsten Industriestaaten begründet erklärt und folgende neue Liste dieser Staaten (in alphabetischer Reihenfolge) aufgestellt: Belgien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Italien, Japan und Kanada. Die Schweiz wurde also von der Liste der acht
wichtigsten Industriestaaten gestrichen; sie verlor damit den Anspruch, im Verwaltungsrat von Rechts wegen vertreten zu sein.

Die Neuwahl des Verwaltungsrates auf eine weitere Periode von drei Jahren hatte nach den bisherigen Bestimmungen des Art. 393

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dea Friedensvertrages zu erfolgen, da die neue Fassung noch nicht Rechtskraft erlangt hat. Die Konferenz war inbezug auf die acht wichtigsten Industriestaaten an den Entscheid des Völkerbundsrates gebunden. Jenen Staaten kam also von Rechts wegen je ein Regierungssitz iin Verwaltungsrate zu, Ausserdem waren noch vier weitere Regierungssitze zu bezeichnen, und zwar durch die Regierungsdelegierten der Konferenz mit Ausschluss der Delegierten der acht erwähnten Staaten. Diese vier Sitze fielen folgenden Staaten (in alphabetischer Reihenfolge) zu: Chile, Pinnland, Polen und Spanien.

Die Schweiz hatte damit ihren Regierungssitz im Verwaltungsrat endgültig verloren. Die schweizerischen Arbeitgeber und Arbeiter erhielten je einen Ersatzmann.

5. Bezüglich der übrigen Verhandlungs-gegenstände ist noch die von der Konferenz in der Arbeitslosenfrage gefasste Resolution zu erwähnen, die folgenden Wortlaut hat: Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation nimmt folgende Resolution an: a. Die Konferenz beschliesst, dass die Bestrebungen zur Schaffung einer bessern internationalen Vergleichsbasis für die Arbeitslosenstatistik sowie zu ihrem Ausbau auf nationalem Boden fortzusetzen seien.

b. Die Konferenz beschliesst, dass das Internationale Arbeitsamt die Sammlung und Sichtung von Material über die Arbeitslosigkeit entsprechend den frühern Beschlüssen der Internationalen Arbeitskonferenz tatkräftig fortzuführen und hierbei insbesondere auf die Veränderungen in der Produktion und im Verbrauch der verschiedenen Arten von Gütern Rücksicht zu nehmen hat.

c. Die Konferenz beschliesst, dass durch den Verwaltungsrat die von der internationalen Wirtschaftskonferenz in Genua gewünschte periodische Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Arbeiten zu erwägen ist.

d. Die Konferenz beschliesst, dass vom Internationalen Arbeitsamt besondere Erhebungen über die Ursachen der Saisonarbeitslosigkeit und die Mittel zu ihrer Abhilfe zu veranstalten sind.

e. Die Konferenz beschließet, das Internationale Arbeitsamt sei im Interesse einer wirksamen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu beauftragen, in Verbindung mit der wirtschaftlichen und finanziellen Abteilung des Völkerbundes das Problem der Arbeitslosenkrisen und ihrer Wiederkehr sowie der Schwankungen in der wirtschaftlichen Produktion zum Gegenstand be-

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sonderer Prüfung zu machen, namentlich die Ergebnisse der Erhebungen in den verschiedenen Ländern zu sammeln und zu vergleichen, sowie dio Massnahmen bekanntzugeben, welche zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Produktion und zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes getroffen wurden.

/. Inbezug auf die gegenwärtige Krisis nimmt die Konferenz Kenntnis von folgender Resolution der Dritten Völkerbunds Versammlung : «Nach Kenntnisnahme der Beschlüsse der Allgemeinen Arbeitskonferenz vom Jahre 1921, die eine Erhebung über den nationalen und internationalen Charakter der Arbeitslosenkrisis sowie über die Mittel zu ihrer Bekämpfung verlangt und das Internationale Arbeitsamt ersucht hatte, zur Lösung der durch diese Untersuchung aufgeworfenen wirtschaftlichen und finanziellen Fragen die Mitwirkung der wirtschaftlichen und finanziellen Abteilung des Völkerbundes anzurufen, fordert die Versammlung die Wirtschafts- und Finanzkommission auf, innert kürzester Frist die Tragweite und Methode dieser Mitarbeit festzusetzen und dem Internationalen Arbeitsamt bei Durchführung der von ihm unternommenen Erhebung jede verfugbare Auskunft zu erteilen.» Demgemäss beschliesst die Konferenz, dass das Internationale Arbeitsamt -- entsprechend einer bereits an der dritten Tagung gef assten Resolution--von der Wirtschaf t s- und Finanzkommission des Völkerbundes alle Auskünfte verlangen soll über die Wirkungen der Währungs-, Finanz- und Handelspolitik in den verschiedenen Ländern auf die Beschäftigung der Arbeiter beiderlei Geschlechts, und dass hierbei das Amt sich mit der genannten Organisation über das Vorgehen bei Sammlung der notwendigen Statistiken zu verständigen hat.

Eine Anzahl weiterer Resolutionen sind dem Verwaltungsrat zur Prüfung überwiesen worden.

D. Stellungnahme zu den Beschlüssen der dritten und vierten Internationalen Arbeitskonferenz.

In Betracht fallen nur die Beschlüsse , welche die Form eines Vorschlages oder eines Entwurfes zu einem internationalen Übereinkommen haben, und überdies der Beschluss betreffend die Abänderung des Art, 898 des Versailler Vertrages und der entsprechenden Artikel der übrigen Friedensverträge.

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Jedes Land hat die Pflicht, die erstgenannten Beschlüsse innert Jahresfrist oder spätestens innert achtzehn Monaten seiner oder seinen zuständigen Stellen zur weitern Beschlussfassung zu unterbreiten (Art. 405 Friedensvertrag). Wie wir in unserer Botschaft über die erste Internationale Arbeitskonferenz eingehend ausgeführt haben, ist in unserm Lande die Bundesversammlung hierfür zuständig.

Wir werden im nachstehenden zu den verschiedenen Beschlüssen Stellung nehmen und Ihnen unsere Anträge unterbreiten.

I. Die Landwirtschaftsîragen.

(Beilage III, Ziff. 1--10.)

Nach der Bundesverfassung fehlt dem Bund in landwirtschaftlichen Fragen im Gegensatz zu Handel, Industrie und Gewerbe die Gesetzgebungshoheit. Diese Sonderstellung ist der Landwirtschaft in Anbetracht ihrer Eigenart eingeräumt worden. Bemessen an den Verhältnissen des Auslandes gibt es in der Schweiz nur bäuerlichen Kleinbesitz; der Grossgrundbesitz mit industrieartiger Produktionsweise ist unbekannt. Der Bauer mit seiner Familie bearbeitet die Scholle; die fremden Arbeitskräfte, die er benötigt, leben in der Eegel mit ihm in gleicher Haushaltung und teilen seine Lebensweise und seine Arbeit. Eine besondere gesetzliche Eegelung der Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft ist unter solchen Verhältnissen von den Kantonen, denen die Gesetzgebungghoheit auf diesem Gebiete zusteht, weder als notwendig noch zweckmässig erachtet worden. Aus dem gleichen Grund ist stets von einer Übertragung der Gesetzgebungshoheit auf den Bund Umgang genommen worden. Diesen Verhältnissen muss auch den Versuchen einer internationalen Eegelung gegenüber Eechnung getragen werden. Die in der schweizerischen Landwirtschaft durch diese Versuche ausgelöste Beunruhigung ist nicht zum mindesten auf die Befürchtung zurückzuführen, durch internationale Bindungen die überlieferte und von der nationalen Gesetzgebung bisher anerkannte Stellung der Landwirtschaft einzubüssen.

Unter solchen Umständen inusste der Bundesrat gegenüber einer internationalen Eegelung äusserste Zurückhaltung beobachten; seine Delegierten an der dritten Arbeitskonferenz haben sich denn auch in der Schlussabstimmung über die landwirtschaftlichen Fragen unter Abgabe einer ihre Stellungnahme begründenden Erklärung der Stimme enthalten. Auch heute kann der Bundesrat gegenüber den von der Konferenz gefassten Beschlüssen seine bisherige Haltung nicht ändern.

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Vom Standpunkt der Verfassung aus kann sich der Bund mangels Zuständigkeit mit verschiedenen Beschlüssen überhaupt nicht befassen; es sind dies: 1. Vorschlag b e t r e f f e n d die Nachtarbeit der Frauen in der L a n d w i r t s c h a f t .

2. Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Alter f ü r die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft.

3. Vorschlag b e t r e f f e n d die Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen in der L a n d w i r t s c h a f t .

4. Vorschlag b e t r e f f e n d die U n t e r b r i n g u n g der landw i r t s c h a f t l i c h e n Arbeiter.

Alle diese Beschlüsse würden zu ihrer Verwirklichung gesetzliche Massnahmen erfordern, wozu der Bund nicht berechtigt ist. Immerhin wollen wir bei diesem Anlasse darauf hinweisen, dass die im Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft enthaltenen Forderungen durch die kantonalen Schulgesetze bereits verwirklicht sind.

Zu den übrigen in Betracht fallenden Beschlüssen haben wir folgendes zu bemerken: 5. Vorschlag b e t r e f f e n d die Massnahmen zur Verh ü t u n g der Arbeitslosigkeit in der L a n d w i r t s c h a f t . -- Der Vorschlag sieht besondere Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft vor. In normalen Zeiten kann von einer Arbeitslosigkeit unter den schweizerischen Landarbeitern nicht gesprochen werden. Unsere Landwirtschaft litt vielmehr seit langem Mangel au Arbeitskräften. Erst die Wirtschaftskrisis der Nachkriegszeit hat in dieser Hinsicht einigerinassen Wandlung geschaffen, indem zahlreiche Arbeitskräfte aus der Industrie zur Landwirtschaft zurückgeflutet sind und der früher übliche Zustrom jugendlicher Arbeiter vom Lande in die Industrie abgedämmt ist. Immerhin ist auch heute die Lage nicht derart, dass sich besondere Massnahmen für unsere Landwirtschaft rechtfertigen.

Anderseits ist darauf hinzuweisen, dass die vorgesehenen Massnahmon auf die Verhältnisse anderer Ländor zugeschnitten sind; die meisten Vorschlage -- Anwendung neuer und verbesserter technischer Verfahren zum Anbau von Grund und Boden ; intensive Nutzung des Bodens; Förderung der ländlichen Siedlungen und der Nebengewerbe (Heimarbeit) landwirtschaftlicher Arbeiter -- entsprochen dein, was bei uns entweder verwirklicht ist oder angestrebt wird. Was die im Vorschlag angeregten Verkehrserleichterungen anbetrifft, so werden sie

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von den Eisenbahnen den Arbeitern und den Arbeitslosen aller Berufskategorien eingeräumt. Kaum anwendbar auf unsere Verhältnisse dürfte die Anregung sein, die Bildung von Genossenschaften landwirtschaftlicher Arbeiter zur Bebauung von Grund und Boden zu erleichtern.

"Wir sind der Auffassung, dass der Vorschlag uns nicht Veranlassung zu weitern Massnahmen geben kann.

G. Vorschlag b e t r e f f e n d den Schutz der in der Landwirtschaft beschäftigtenFrauen vor und nach der Niederk u n f t . -- Die Anregung geht dahin, es sei den Lohnarbeiterinnen in der Landwirtschaft vor und nach der Niederkunft ein ähnlicher Schutz zu gewähren, wie er für die im Handel und Gewerbe beschäftigten Frauen in dem von der Internationalen Arbeitskonferenz von Washington angenommenen Entwurf zu einem Übereinkommen vorgesehen ist. Wir nahmen hierzu in unserer Botschaft über die Washingtoner Arbeitskonferenz (S. 44 bis 56) eingehend Stellung. Wir kamen damals zum Schluss, dass der Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen nicht möglich sei, dass aber der Gedanke des Übereinkommens durch eine auf dem Wege der Revision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes einzuführende Mutterschaftsversicherung verwirklicht werden sollte. In der Botschaft hiess es wörtlich: Das Volkswirtschaftsdepartement hat bereits am 24. September 1920 das Bundesamt für Sozialversicherung beauftragt, die Einfuhrung der Mutterschaftsversicherung auf dem beschriebenen Weg zu prüfen und dabei auch zu untersuchen, ob die Versicherung sich nur auf die Kreise zu beschränken habe, welche das Washingtoner Übereinkommen ins Auge fasst, oder ob sie nicht auch auf die Landwirtschaft ausgedehnt werden soll. Die ganze Frage wird Gegenstand eingehender Prüfung bilden im Zusammenhang mit der Totalrevision der Krankenversicherung, deren Inangriffnahme der Bundesrat am 27. September 1920 beschlossen hat. Sobald die Ergebnisse dieser Prüfung vorliegen, werden wir in der Sache weiter Stellung nehmen.

Von diesen Erklärungen nahm die Bundesversammlung mit Beschlüssen vom 20. Oktober 1921 und 3 .Februar 1922 in zustimmendem Sinne Kenntnis.

Unsere frühern Ausführungen haben noch heute ihre volle Gültigkeit, Seither ist die Frage der Mutterschaftsversicherung in Verbindung mit der Fiage der Eevision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes einer Expertenkommission unterbreitet worden.

Da sich die Angelegenheit noch im Stadium der Vorprüfung befindet

80

so enthalten wir uns weiterer Erörterungen und fügen lediglich bei, dass sich auch die Expertenkommission auf den Standpunkt stellte, eine allfällige Mutterschaftsversicherung sei auf alle Berufsarten, also auch auf die Landwirtschaft, auszudehnen.

Den Vorarbeiten für die Gesetzesrevision ist ihr Lauf zu lassen.

Sie werden Gelegenheit haben, anlässlich der neuen G esetzesvorläge zu der Mutterschaftsversicherung Stellung zu nehmen. Zu weitern Massnahmen gibt daher der in Frage stehende Vorschlag nicht Anlass.

7. Vorschlag b e t r e f f e n d die F ö r d e r u n g des b e r u f lichen Unterrichts. -- Nach dem Vorschlag soll jeder Staat, der Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation ist. den beruflichen Unterricht in der Landwirtschaft fördern und ihn den landwirtschaftlichen Arbeitern zu denselben Bedingungen zugangig machen wie allen andern Personen.

Der berufliche Unterricht in der Landwirtschaft ist Sache der Kantone; der Bund unterstützt sie in ihren Bestrebungen durch Subventionen gemäss Bundesgesetz vom 22. Dezember 1893.

Was der Vorschlag materiell verlangt, ist bei uns verwirklicht.

Zu weitem Massnahmen gibt er nicht Anlass.

8. E n t w u r f eines Übereinkommens b e t r e f f e n d das Vereins- und Koalitionsrecht der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n A r b e i t e r . -- Der Entwurf verlangt für die landwirtschaftlichen Arbeiter das gleiche Vereins- und Koalitionsrecht wie für die gewerblichen Arbeiter. Nach der Bundesverfassung (Art. 56) ist dieses Recht für alle Bürger gewährleistet. Der Zweck des Entwurfes ist daher bei uns bereits erfüllt.

Dagegen ist darauf hinzuweisen, dass die landwirtschafltliehen Arbeiter in der Schweiz nicht beruflich organisiersind.d. Es hängt das mit der Eigenart unserer Landwirtschaft und insbesondere mit dem Umstand zusammen, dass die landwirtschaftlichen Arbeiter mit dem Dienstherrn in d R e g e l g e l in häuslichGemeinschaftait leben.

Angesichts dieser Verhältnisse halten wir es nicht für notwendig, in dieser Frage eine internationale Bindung einzugehen, und sehen daher davon ab, den Beitritt zum Übereinkommen zu beantragen.

9. E n t w u r f eines Ü b e r e i n k o m m e n s b e t r e f f e n d die E n t s c h ä d i g u n g der L a n d a r b e i t e r bei Arbeitsunfällen. -- Nach dem Entwurf des Übereinkommens sollen die nationalen
Gesetze über Unfallentschädigung auf die landwirtschaftlichen Arbeiter ausgedehnt werden. Der Beitritt zum Übereinkommen hätte für uns die Abänderung des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes im Sinne der Ausdehnung der obligatorischen Unfallversiche-

81 rung auf die Landwirtschaft zur Folge. Da zurzeit der Versuch einer solchen Abänderung kaum Aussicht auf Erfolg hätte, kann ein Beitritt zum Übereinkommen nicht in Frage kommen.

10. Vorschlag b e t r e f f e n d die Sozialversicherung in der L a n d w i r t s c h a f t . -- Auch hier geht die Forderung nach Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter mit den Arbeitern in Gewerbe und Handel, was die Versicherung gegen Krankheit, Invalidität, Alter und soziale Risiken ähnlicher Art anbetrifft.

Inbezug auf die Krankenversicherung ist daran zu erinnern, dass sie nach dem gegenwärtigen Bundesgesetz fakultativ ist, dass es aber den Kantonen freisteht, sie für alle oder einzelne Berufsarten obligatorisch zu erklären. Eine zukünftige Revision des Gesetzes, auf die wir bereits hingewiesen haben, wird zeigen, ob und in welchem Umfang das bisherige System zu ändern ist.

Die Invaliditäts- und Altersversicherung ist gegenwärtig bei der Bundesversammlung hängig; wie Ihnen bekannt, ist nicht beabsichtigt, die Landwirtschaft anders zu behandeln als andere Berufsarten.

Weitere Massnahmen drangen sich zurzeit nicht auf.

Aus allen diesen Erwägungen kommen wir zum Schluss, dass die Beschlüsse der dritten Internationalen Arbeitskonf erenz betreffend die landwirtschaftlichen Fragen nicht Anlass zubesondern Massnahmen geben.

Wir beantragen Ihnen, von dieser Erklärung in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen.

u. Entwurf fines Übereinkommens betreffend die Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich.

(Beilage DI, Ziff. 11.)

Der Entwurf verbietet grundsatzlich die Verwendung von Bleiweiss und ähnlichen Erzeugnissen zum Anstrich der Innenwände von Gebäuden. Ausnahmen von diesem Grundsatz in bestimmten Fällen sind zulässig. Das Verbot hat sechs Jahre nach Schluss der dritten Internationalen Arbeitskonferenz in Kraft zu treten. Bei den Anstricharbeiten, bei denen Bleiweiss ausnahmsweise noch verwendet werden darf, sollen Jugendliche unter achtzehn Jahren und Frauen nicht beschäftigt werden; ebenso sind für solche Arbeiten besondere Schutzmassregeln vorgeschrieben.

Wie wir bereits erwähnten, sUmmt die Bleiweissfrage nicht von heute; das Verbot der Verwendung von Bleiweiss im Malergewerbe ist vielmehr ein altes Postulat, dessen Durchführung bisher vielfach

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an der Frage scheiterte, ob ein vollwertiges Ersatzmittel vorhanden sei. Diese Präge hat auch an der dritten Arbeitskonferenz eine grosse Eolle gespielt, und von ihrer Bejahung hing im wesentlichen eine Einigung ab.

Die im Entwurf niedergelegte Lösung ist das Ergebnis einer Verständigung, der auch unsere Delegierten zustimmten und mit der wir uns, soweit wir die Verhältnisse zurzeit überblicken können, grundsätzlich ebenfalls einverstanden erklären.

Bevor aber die Schweiz dem Übereinkommen beitreten kann, muss in unserer nationalen Gesetzgebung die Grundlage hierfür geschaffen werden, und dies ist nur durch Erlass eines Bundesgetsezes möglich. Die Vorarbeiten hierfür sind im Gang; allein die damit betraute Vorinstanz, das eidgenössische Arbeitsamt, ist mit Arbeit derart überlastet, dass es nicht möglich war, einen Gesetzesentwurf schon jetzt vorzulegen. Es wird das später geschehen. In der Botschaft zu einer solchen Gesetzesvorlage werden wir eingehend zum ganzen Problem Stellung nehmen.

Wir beantragen Ihnen, von diesen Erklärungen Kenntnis zu nehmen und die Beschlussfassung über den Beitritt der Schweiz zum vorstehenden Übereinkommen zu verschieben, bis über das Schicksal der angekündigten Gesetzesvorlage entschieden ist.

HI. Der wöchentliche Ruhetag in Gewerbe und Handel.

1. Entwurf eines Übereinkommens b e t r e f f e n d den wöchentlichen Euhetag in gewerblichen Betrieben (Beilage III, Ziff. 12). -- Das Überinkoinmen gilt für die öffentlichen und privaten «gewerblichen Betriebe», insbesondere auch für die Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen, Eisenbahnen und Binnengewässern, mit Ausnahme der Handbeförderung. Dem in diesen Betrieben beschäftigten Personal soll grundsätzlich innerhalb dos Zeitraumes von 7 Tagen eine Euhezeit von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden gewährt werden. Von dieser Vorschrift können Betriebe, in denen nur Mitglieder ein und derselben Familie arbeiten, entbunden werden. Auch sonst sind Ausnahmen zulässig (Art. 4), insbesondere wenn Gründe der "Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit dafür sprechen. Dem Internationalen Arbeitsamt sind die Ausnahmen bekanntzugeben und Änderungen alle zwei Jahre mitzuteilen.

Der Grundsatz des wöchentlichen Buhetages für dio gewerblichen Betriebe ist in der Schweiz allgemein durchgeführt, und zwar zum Teil durch die Bundesgesetzgebung, zum Teil durch die kanto-

Baien Arbeiterschutz- und Sonntagsruhegesetze und zum Teil endlich durch blosse Überlieferung. Eine internationale Bindung kann nur in Frage kommen für diejenigen Betriebe, die der Bundesgesetzgebung unterstellt sind. Diesbezüglich fallen in Betracht das Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken vom 18. Juni 1914/27. Juni 1919 und das Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten vom 6. März 1920.

Für die von der Bundesgesetzgebung nicht erfassten Betriebe fällt eine internationale Bindung deshalb ausser Betracht, weil dem Bund das Eecht der Kontrolle und Mitsprache fehlt. Ein Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen ist daher nur dann möglich, wenn die der Bundesgesetzgebung nicht unterstellten Betriebe davon ausgenommen werden können. Eine solche Ausnahme scheint uns nach Art. 4 des Übereinkommens zulässig zu sein ; allerdings nicht aus ' wirtschaftlichen und humanitären Gründen, die vorwiegend, aber nicht ausschliesslich massgebend sein sollen, sondern aus verfassungsrechtlichen Gründen. Die Ausnahme würde also nicht erfolgen, weil jene Betriebe der Wohltat des wöchentlichen Buhetages nicht teilhaftig sein sollen, sondern weil eine internationale Bindung für sie nicht übernommen werden kann.

Den schweizerischen Regierungsdelegierten an der dritten Internationalen Arbeitskonferenz ist die Frage, auf die es hier ankommt, nicht entgangen. Da sie in der vorberatenden Kommission nicht vertreten waren, so haben sie anlässhch der Beratung des Übereinkommens in der Vollsitzung darauf aufmerksam gemacht und der Meinung Ausdruck gegeben, dass die betreffende Bestimmung des Übereinkommens in der soeben angegebenen Weise auszulegen sei, es sei denn, dass die Konferenz ausdrücklich eine andere Auffassung bekunde. Der Berichterstatter der Kommission, der englische Eegierangsvertreter Sir Montagne Barlow, wies in seiner Antwort vorerst darauf hin, dass sich die Schweiz, falls ihr als Bundesstaat die Ratifikation des Übereinkommens aus staatsrechtlichen Gründen Schwierigkeiten bereiten sollte, auf Art. 405 des Friedensvertrages berufen und das Übereinkommen als einfachen Vorschlag betrachten könne; anderseits erhob er aber gegenüber der von unsern Delegierten vertretenen Auslegung keinen Einwand; auch sonst liess sich aus der Mitte der Konferenz
kein Widerspruch dagegen hören. Es darf daher angenommen werden, dass unsere Auslegung dem Willen der Konferenz entspricht, also demjenigen Organ, welches den in Frage stehenden Eechtssatz erlassen hat.

Wir stehen somit vor folgender Lage. Materiell sind die Anforderungen des Übereinkommens in unserm Lande erfüllt. Seine Anerkennung verursacht daher keine materiellen Schwierigkeiten

8-i und erfordert keine gesetzlichen Massnahinen. Formell kann die Zustimmung zum Übereinkommen auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: entweder es wird als einfacher Vorschlag betrachtet (Art, 405, Abs. 9, Friedensvertrag), oder bei der Eatifikation des Übereinkommens wird eine Ausnahme für die derBundesgosetzgebung nicht unterstellten Betriebe gemacht. Wir entschliessen uns für den zweiten Weg.

Durch dieses Vorgehen werden wir demnach nur eine Bindung im Eahmen der zwei erwähnten Bundesgesetze eingehen; die darin vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz des wöchentlichen Ruhetages bleiben bestehen. Es ist ausdrücklich hervorzuheben, dass der Beitritt zum Übereinkommen sogar eine spätere Änderung der Gesetze nicht hindert. Da der Grundsatz des wöchentlichen Buhetages selbst von keiner Seite bestritten ist und auch in Zukunft in unserer nationalen Gesetzgebung Anerkennung finden wird, so kann es sich bei allfàlligen Gesetzesanderungen nicht um Aufhebung des Grundsatzes, sondern lediglich um Änderungen in den Ausnahmen handeln.

Das Übereinkommen verbindert die Staaten nicht, solche Änderungen vorzunehmen, sondern verlangt nur ihre Bekanntgabe an das Internationale Arbeitsamt.

Nach Art. 18 des Übereinkommens kann dieses nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet vom Tage, an dem es zum erstenmal in Kraft tritt, gekündet werden; die Wirkung der Kündigung tritt ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Generalsekretariat des Völkerbundes ein.

Da also das Übereinkommen befristet und nicht für die Dauer von mehr als Cuntzehn Jahren abgeschlossen ist, so unterliegt ein allfälliger Beitrittsbeschhiss nicht dem Referendum.

Gestützt auf diese Erwägungen sprechen wir uns für den Beitritt zu dem in Frage stehenden Übereinkommen unter den gemachten Vorbehalten aus und ersuchen Sie, uns die Ermächtigung hierzu durch die Annahme des bezüglichen Entwurfes eines Bundesbeschlusses zu erteilen (Beilage I).

2. V o r s c h l a g b e t r e f f e n d den w ö c h e n t l i c h e n B u h e t a g in H a n d e l s b e t r i e b e n (Beilage III, Ziff. 18). -- Nach dem Vorschlag soll den Angestellten der Handelsbetriebe ebenfalls ein wöchentlicher Buhetag gewährt werden; Ausnahmen können getrofien werden und sind dem Internationalen Arbeitsamt in einem Verzeichnis mitzuteilen; ebenso sind ihm Änderungen alle zwei Jahre anzuzeigen.
Die wöchentliche Buhezeit in Handelsbetrieben ist in der Schweiz zurzeit von Bundes wegen nicht geregelt. Massgebend sind ausschliesslieh die kantonalen Gesetze und zum Teil alto Überlieferung. Eins Änderung des bestehenden Zustandes kann erst bei Anlass der Gewerbegesetzgebung in Frage kommen.

85 Materiell entspricht der bestehende Znstand dem Vorschlag.

Formell ist die Aufstellung einer Liste der Ausnahmen kaum zu erfüllen, angesichts des Umstandes, dass diese Ausnahmen kantonal und in einzelnen Kantonen sogar gemeindeweise geordnet sind.

Wir sehen davon ab, weitere Massnahmen inbezug auf diesen Beschluss zu beantragen.

IV. Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Mindestalter für die Zulassung von Jugendlichen zur Beschäftigung als Trimmer oder Heizer und Entwurf eines Übereinkommeng betreffend die obligatorische ärztliche Untersuchung der in der Seeschiffahrt beschäftigten Kinder und Jugendlichen.

(Beilage III, Ziff. 14 und 15.)

Beide Beschlüsse beziehen sieh ausschliesslich auf die Meerschiffahrt und sind daher für unser Land gegenstandslos. Infolgedessen erübrigt es sich, in dieser Sache einen Antrag zu stellen.

V. Vorschlag betreffend die Mitteilung statistischer und anderer Auskünfte über Ein-, Aus-, Rück- und Durchwanderung an das Internationale Arbeitsamt.

(Beilage IV, Ziff. 1.)

Der Vorschlag enthält in seinem I. und II. Teil die Einladung an die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, dein Internationalen Arbeitsamt statistische Mitteilungen über die Ausund Einwanderung regelmäßig zukommen zu lassen. Wie wir uns schon in der Vernehmlassung auf die im letzten Jahr erfolgte Urnfrage des Internationalen Arbeitsamtes äusserten, sind wir bereit, der Einladung nachzukommen. Allein wir müssen auch hier darauf hinweisen, dass unser Land über die Aus- und Einwanderung keine vollständige Statistik besitzt. Die Statistik des eidgenössischen Auswanderungsamtes umfasst nur die Auswanderung nach aussereuropäischen Staaten und auch hier nur diejenigen Personen, die sich einer schweizerischen Auswanderangsagentur bedienen, eine Voraussetzung, die nach den bisherigen Erfahrungen ungefähr bei 97 % der Auswanderer nach aussereuropäischen Ländern zutrifft. Über die Einwanderung besitzen wir keine zuverlässige Statistik; die alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen geben lediglich Aufschluss über die Veränderungen in der Zahl der bei uns niedergelassenen Fremden. Über die Rück- und Durchwanderung fehlen uns jegliche Angaben. Es wird sich fragen, ob wir mit der Zeit in unserm nationalen Interesse nicht dazu gelangen werden, unsere Statistik auf diesem Gebiete weiter zu entwickeln.

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Im III. Teil des Vorschlages wird den Mitgliedern der Liter* nationalen Arbeitsorganisation empfohlen, durch gegenseitige Verständigung Hand zu bieten zu einer einheitlichen Bestimmung desBegriffes «Auswanderer», zur Verwendung von Personalausweisen nach einheitlichen Angaben und zur Anwendung einheitlicher Methoden in der Ein- und Auswanderungsstatistik. Wir werden auch diesen Postulaten unsere Aufmerksamkeit zuwenden.

Es handelt sich nach dem Angeführten lediglich urn Verwaltungsmassnahmen, die ausschliesslich in der Kompetenz des Bundesrate^ liegen. Wir wollten aber nicht unterlassen, Ihnen hiervon in diesem Zusammenhang Kenntnis zu geben.

VI. Abänderung von Ait. 393 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge.

(Beilage IV, Zifl. 2.)

Wie schon erwähnt, bestehen diese Abänderungen in einer Erhöhung der Mitgliederzahl des Verwaltungsrates von 24 auf 82 (16 Eegierungsvertreter, 8 Vertreter der Arbeitgeber und 8 Vertreter der Arbeiter) sowie in der Festsetzung einer Mindestzahl von Sitzen für die aussereuropäischen Staaten. Hauptzweck dieser Änderungen ist, einer grössern Anzahl von Staaten die Möglichkeit einer Vertretung im Eat zu sichern.

Der Bundesrat war anfänglich der Meinung, die Änderung in der Zusammensetzung des Verwaltungsrates sollte ohne Revision des Vertrages von Versailles herbeigeführt werden. Nachdem nun aber die Internationale Arbeitskonferenz mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit anders beschlossen hat, besteht kein Grund, sich dieser Auffassung nicht anzuschliessen.

Nach Art. 422 des Vertrages von Versailles müssen Abänderungen des XIII. Teils von den Staaten, deren Vertreter den Eat des Völkerbundes bilden sowie von drei Vierteln der Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert werden. Da Art. 898 unter diesen XIII. Teil fällt, erhebt sich die Frage, wie die Schweiz bei Batifizierung der beschlossenen Änderungen vorzugehen hat.

Gemäss Art. 387 des Vertrages von Versailles sind die Mitglieder des Völkerbundes ipso jure auch Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation. Mit ihrem Beitritt zum Völkerbund hat sich daher die Schweiz auch an die Bestimmungen des XIII. Teils des Versailler Vertrages gebunden. Nähere Ausführungen darüber enthält unsere Botschaft vom 4. August 1919 betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund. Die Frage bildete übrigens Gegenstand.

87

eingehender Prüfung durch die Völkerbundsversammlung. Anlässlich der Behandlung einer Beschwerde Salvadors, das unter Berufung darauf, dass es nur dem Völkerbundspakt beigetreten sei, geltend machte, es habe die im XIII. Teil aufgestellten Verpflichtungen nicht übernommen und daher auch keinen Beitrag an die Kosten der internationalen Arbeitsorganisation zu leisten, legte die Kommission der Versammlung in ihrem Bericht dar, dass die Eigenschaften als Mitglied des Völkerbundes und als Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation unlösbar miteinander verbunden seien und dass infolgedessen die Bestimmungen des XIII. Teils für den Völkerbund bedingungslose und uneingeschränkte Geltung besitzen. Dieser Auffassung der Kommission hat die Versammlung am 29. September 1922 zugestimmt.

Der XIII. Teil ist als ein mit dem Völkerbund zusammenhängendes Sonderabkommen zu betrachten. Nach Ziffer I des Bundesbeschlusses vom 5. März 1920 über den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund kommen für die Batifikation der Abänderungen des Völkerbundsvertrages sowie für die Genehmigung von mit dem Völkerbund zusammenhängenden Übereinkünften jeder Art die von der Bundesverfassung für den Erlass von Bundesgesetzen aufgestellten Bestimmungen zur Anwendung. Dasselbe Vorgehen ist anzuwenden bezüglich der Änderung von Art. 898, denn die Ratifikation dieses Abänderungsbeschlusses bedeutet nichts anderes als die Übernahme internationaler Verpflichtungen, die in einer mit dem Völkerbund zusammenhängenden Übereinkunft aufgestellt sind. Die Batifikation des abgeänderten Art. 898 bedarf daher eines Bundesbeschlusses mit Beferendumsklausel.

Gestützt auf diese Erwägungen beantragen wir Ihnen die Annahme des beiliegenden Entwurfs zu einem Bundesbeschluss (Beilage II).

Bern, den 4. Mai 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates: Der Bundespräsident: Scheurer.

Der Bundeskanzler: Steiger.

88 (Entwurf.)

Beilage L

ßundesbeschluss betreffend

die Ratifikation des von der dritten Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Übereinkommens betreffend den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Art. 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4, Mai

1923, beschliesst: I. Der Bundesrat wird ermächtigt, den Beitritt der Schweiz zu dem von der dritten Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Übereinkommen betreffend den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben zu erklären in dem Sinne, daas sich die Ratifikation auf die der Bundesgesetzgebung unterstellten Betriebe zu beschränken hat.

II. Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

89

(Entwurf.)

Seilage II.

Bundesbeschluss betreffend

die Ratifikation der Abänderungen von Artikel 393 des Versailler Vertrages und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Mai 1923, beschliesst: I. Die von der vierten Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation beschlossenen Abänderungen von Artikel 393 des Versailler Vertrages und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge werden ratifiziert.

II. Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Beschlusses sowie mit dessen Veröffentlichung nach Massgabe von Ziff. I, Absatz 2, des am 16. Mai 1920 von Volk und Ständen gutgeheissenen Bundesbeschlusses über den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund beauftragt.

Beilage : Art. 393 des Versailler Vertrages in seiner neuen Fassung

Bundesblatt.

75. Jahrg. HÜ II

90

Beilage 111.

Internationale Arbeitskonferenz.

Dritte Jahrestagung Genf, 25. Oktober bis 19. November 1921.

Von der Konferenz angenommene Entwürfe von Übereinkommen und Vorschläge.

Bemerkung zur deutschen Übersetzung.

Die deutsche Übersetzung der nachstehenden Beschlüsse -- im Urtext lauten sie französisch, und englisch -- entspricht dem Text, der an einer Konferenz von Vertretern Deutschlands, Österreichs, der Schweiz sowie des Internationalen Arbeitsamtes festgesetzt wurde.

91

1.

Vorschlag betreffend die Nachtarbeit der Frauen in der Landwirtschaft.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier ain 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend die Nachtarbeit der Frauen in der Landwirtschaft, eine Frage, die zum dritten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschhiss, diese Anträge in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern FriedensverträgeDie Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation schlägt vor: dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation Massnahmen treffe, um die Nachtarbeit von Lohnarbeiterinnen in landwirtschaftlichen Betrieben derart zu regeln, dass eine den Bedürfnissen und der Natur ihres Körpers entsprechende, wenn möglich ununterbrochene Buhezeit von mindestens neun Stunden gewährleistet ist.

92

2.

Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 23, Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Entwurf eines Übereinkommens an.

Sie stutzt sich dabei auf ihren ßeschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend die Beschäftigung von Kindern in der Landwirtschaft während der Pflichtschulstunden, eine Frage, die zum dritten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss, diese' Antrage in Form eines Entwurfes zu einem internationalen Übereinkommen zu fassen.

Das Übereinkommen ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge zur Batifizierung vorzulegen.

Artikel 1.

Kinder unter U Jahren dürfen in öffentlichen oder privaten landwirtschaftlichen Botrieben oder ihren Nebenbetrieben nur ausserhalb der für den Schulunterricht bestimmten Stunden beschäftigt werden oder arbeiten. Diese Beschäftigung darf jedoch den Schulbesuch nicht beeinträchtigen.

Artikel 2.

Zum Zwecke praktischer Berufsausbildung dürfen die Unterrichtszeiten und die Schulstunden so geregelt werden, dass die Kinder bei leichter landwirtschaftlicher Arbeit, und besonders bei leichter Erntearbeit beschäftigt werden können. Der Schulbesuch während des ganzen Jahres darf jedoch nicht weniger als acht Monate betragen.

93 Artikel 3.

Die Bestimmungen des Artikels l finden keine Anwendung auf Arbeiten von Kindern in Fachschulen, wenn diese Arbeiten durch die öffentliche Behörde genehmigt sind und von ihr überwacht werden.

Artikel 4.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 5.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Ratifikationen von zwei Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem seine Ratifikation heim Sekretariat eingetragen worden ist.

Artikel 6.

Sobald die Ratifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen ist, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Er gibt ihnen gleichfalls Kenntnis vom Eintrag der Ratifikationen, die ihm später von andern Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 7.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 5 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Bestimmungen der Artikel l, 2 und 8 spätestens am l, Januar 1924 anzuwenden und die zu ihrer Durchführung nötigen Maesnahmen zu treffen.

Artikel 8.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemäss den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der -andern Friedensverträge anzuwenden.

94

Artikel 9.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem es zum erstenmal in Kraft tritt, durch eine an den Generalsekretär des Volkerbundes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kundigen. Die Wirkung dieser Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 10.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Nachprüfung oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel li.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens~sind in gleicher Weise massgebend.

95

3.

Vorschlag betreffend die Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen in der Landwirtschaft.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den .nachstehenden Vorschlag an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend die Nachtarbeit der Kinder und der Jugendlichen in der Landwirtschaft, eine .Krage, die zum dritten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss, diese Antrage in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation schlägt vor: I.

dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation Massnahmen treffe, um die Nachtarbeit der Kinder unter 14 Jahren in landwirtschaftlichen Betrieben. derart zu regeln, dass ihnen eine den Bedürfnissen und der Natur ihres Körpers entsprechende Euhezeit von mindestens zehn aufeinanderfolgenden Stunden gewährleistet ist; II.

dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation Massnahmen treffe, um die Nachtarbeit der Jugendlichen im Alter von 14--18 Jahren in den landwirtschaftlichen Betrieben derart zu regeln, dass ihnen eine den Bedurfnissen und der Natur ihres Körpers entsprechende Buhezeit von mindestens neun aufeinanderfolgenden Stunden gewährleistet ist.

96

4.

Vorschlag betreffend die Unterbringung der landwirtschaftlichen Arbeiter.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend die Unterbringung der landwirtschaftlichen Arbeiter, eine Frage, die zum vierten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört.

sowie ferner auf ihren Besohluss, diese Anträge in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der, Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge ; Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation schlägt vor: 1.

dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, soweit dies noch nicht geschehen ist, durch gesetzgeberische oder andere Massnahmen die Bedingungen für die Unterbringung der landwirtschaftlichen Arbeiter regle, unter Berücksichtigung der klimatischen oder sonstigen, die Landwirtschaft, des Landes beeinflussenden besondern Verhältnisse, nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und Arbeiter, falls solche bestehen; II.

dass dieso Vorschriften für alle Eäumbchkeiten gelten, die von den Arbeitgehern ihren Arbeitern zur Unterkunft zugewiesen werden, gleichviel ob die Arbeiter einzeln, in Gruppen oder familienweise

97

untergebracht sind, und ob die Räumlichkeiten im Hause des Arbeitgebers oder in Gebäuden liegen, die von den Arbeitgebern den Arbeitern zur Verfügung gestellt sind; III.

dass diese Vorschriften folgende Bestimmungen enthalten: a. soweit nicht die klimatischen Verhältnisse die Heizung überflüssig machen, müssen die den Arbeiterfamilien, Arbeitergruppen oder einzelnen Arbeitern gewährten Wohnungen heizbare Bäume enthalten; fc. die Eäumlichkeiten für die Unterbringung von Arbeitergruppen müssen für jeden Bewohner ein besonderes Bett enthalten und derart eingerichtet und gelegen sein, dass den Arbeitern die Reinhaltung des Körpers ermöglicht wird. Für die Unterbringung der beiden Geschlechter sind gesonderte Räumlichkeiten vorzusehen. Bei der Unterbringung von Familien ist für die Kinder geeignete Vorsorge zu treffen; C, Stallungen und offene Schuppen dürfen nicht als Schlafräume für die Arbeiter benutzt werden: IV.

dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation durch geeignete Massnahmen die Durchführung dieser Vorschriften gewährleiste.

98

5.

Vorschlag betreffend die Massnahmen zur Verhütung der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend die Massnahrnen zur Verhütung der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft, eine Frage, die zum dritten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss, diese Anträge in Form eines Vorschlages zu lassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgobung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge.

I.

Mit Eücksicht darauf, dass der in Washington angenommene Entwurf zu einem Übereinkommen und die dort beschlossenen Vorschläge betreffend die Arbeitslosigkeit in ihren Grundsätzen auch auf landwirtschaftliehe Arbeiter Anwendung finden, und in Anerkennung der Eigenart der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft, sehlägt die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation vor: dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation unter Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen und der besondern landwirtschaftlichen Verhältnisse des Landes Massnahmen zur Verhütung oder Verminderung der Arbeitslosigkeit unter den landwirtschaftlichen Arbeitern in Erwägung ziehe und unter diesem Gesichtspunkt prüfe, inwieweit es zweckmässig wäre:

99

1. neue technische Verfahren zum Anbau von Grund und Boden einzuführen, der gegenwärtig nicht oder nur teilweise bebaut \\ird, aber durch derartige Massnahmen hinreichend ertragsfähig gemacht werden könnte; 2. die Anwendung verbesserter Anbauvorfahren und eine intensivere Nutzung des Bodens zu fördern; 3. die ländliche Siedelung zu fördern; 4. durch Verkehrserleichterungen die Beschäftigung arbeitsloser landwirtschaftlicher Arbeiter bei vorübergehender Arbeit zu ermöglichen ; 5. die Entwicklung von Nebengewerben und Arbeit anderer Art (Füllarbeit) zu fordern, durch die landwirtschaftliche Arbeiter während der Saisonarbeitslosigkeit beschäftigt werden können; dabei muss jedoch Vorsorge getroffen werden, dass diese Arbeit unter angemessenen Bedingungen ausgeführt wird; 6. Massnahmen zu treffen, um die Bildung von Genossenschaften landwirtschaftlicher Arbeiter zur Bebauung von Grund und Boden, zum Ankauf oder zur Pacht von Land zu erleichtern und zu diesem Zweck den landwirtschaftlichen Kredit zu fördern, besonders zugunsten der Genossenschaften landwirtschaftlicher Arbeiter, welche sich der landwirtschaftlichen Produktion widmen.

II.

Die Allgemeine Arbeitskonferenz schlägt vor, dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation regelmässig einen Bericht über die Massnahmen zur Durchführung dieses Vorschlages erstatte.

100

6.

Vorschlag betreffend den Schutz der in der Landwirtschaft beschäftigten Frauen vor und nach der Niederkunft.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend den Schutz der in der Landwirtschaft beschäftigten Lohnarbeiterinnen vor und nach der Niederkunft, eine Frage, die zum dritten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss, diese Anträge in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation schlägt vor: dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation Massnahmen trefie, um den Lohnarbeiterinnen in landwirtschaftlichen Betrieben vor und nach der Niederkunft einen ähnlichen, Schutz zu gewähren, wie er für die in Handel und Gewerbe beschäftigten Frauen in dem von der Internationalen Arbeitskonferenz in Washington angenommenen Entwurf zu einem Übereinkommen vorgesehen ist.

Diese Massnahmen sollen das Hecht, während einer bestimmten Zeit vor und nach der Niederkunft von der Arbeit fernzubleiben, und den Anspruch auf eine Unterstützung -- entweder aus öffentlichen Mitteln oder durch eine Versicherung -- während dieser fteit sicherstellen.

101

7.

Vorschlag betreffend die Förderung des beruflichen Unterrichts in der Landwirtschaft.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25, Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stutzt sich dabei auf ihren Beschluss iiber die Annahme verschiedener Anträge betreffend die Forderung des beruflichen Unterrichts in der Landwirtschaft, eine Frage, die zum vierten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Besehluss, diese Anträge in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensvertràge.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation schlägt vor: I.

dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation sich bestrebe, den beruflichen Unterricht in der Landwirtschaft zu fördern und besonders den landwirtschaftlichen Lohnarbeitern diesen Unterricht unter denselben Bedingungen zugänglich zu machen wie allen andern in der Landwirtschaft beschäftigten Personen, II.

dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation dem Internationalen Arbeitsamt regelmässig einen Bericht erstatte mit möglichst vollständigen Angaben über die Durchführung der Gesetze zur Förderung des beruflichen Unterrichts in der Landwirtschaft, über die für diesen Z'week aufgewendeten Mittel und getroffenen Maasnahmen.

102

8.

Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Vereinsund Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeiter.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Entwurf eines Übereinkommens an.

Sie stutzt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Antrage betreffend das Vereins- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeiter, eine Frage, die zum vierten Verhandhmgggegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss, diese Anträge in Form eines Entwurfs zu einem internationalen Übereinkommen zu fassen.

Das Übereinkommen ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge zur Ratifizierung vorzulegen.

Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, allen in der Landwirtschaft beschäftigten Personen das gleiche Vereins- und Koalitionsrecht wie den gewerblichen Arbeitern zu gewährleisten und jode gesetzliche oder anderweitige Bestimmung aufzuheben, die dieses Recht für die landwirtschaftlichen Arbeiter einschränkt.

Artikel 2.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 3.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Ratifikationen von zwei Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

103

In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an déni seine Ratifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Artikel 4.

Sobald die Eatifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen ist, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Er gibt ihnen gleichfalls Kenntnis vom Eintrag der Eatifikationen, die ihm später von andern Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 5.

Vorbehältlieh der Bestimmungen des Artikels 8 verpflichtet sieh jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Bestimmungen des Artikels l spätestens am 1. Januar 1924 anzuwenden und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen.

Artikel 6.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemäss den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge anzuwenden.

Artikel 7.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem es zum erstenmal in Kraft tritt, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Wirkung dieser Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 8.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über dje Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Nachprüfung oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 9.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

104

9Entwurf eines Übereinkommens betreffend die Entschädigung der Landarbeiter bei Arbeitsunfällen.

Die \'om Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Entwurf eines Übereinkommens an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend den Schutz der landwirtschaftlichen Arbeiter gegen Unfälle, eine Frage, die zum vierten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss. diese Anträge in Form eines Entwurfs zu einem internationalen Übereinkommen zu fassen.

Das Übereinkommen ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge zur Ratifizierung vorzulegen.

Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, auf alle landwirtschaftlichen Lohnarbeiter seine Gesetze und Vorschriften auszudehnen, die eine Entschädigung der Arbeiter für Unfälle infolge der Arbeit oder gelegentlich der Arbeit vorsehen, Artikel 2.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 3.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Ratifikationen von zwei Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem seine Ratifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist.

105

Artikel 4.

Sobald die Ratifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen ist, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Er gibt ihnen gleichfalls Kenntnis vom Eintrag der Batifikationen, die ihm später von andern Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 5.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 3 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Bestimmungen des Artikels l spätestens am 1. Januar 1924 anzuwenden und die zu ihrer Durchführung notigen Massnahmen zu treffen.

Artikel 6.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemäss den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensvertrage anzuwenden, Artikel 7.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem es zum erstenmal in Kraft tritt, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kundigen. Die Wirkung dieser Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 8.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seme Nachprüfung oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 9.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher "Weise maßgebend.

Bundesblatt.

75. Jahrg. Bd. II.

106

10.

Vorschlag betreffend die Sozialversicherung in der Landwirtschaft.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme eines Antrages betreffend den Schutz der landwirtschaftlichen Arbeiter gegen Krankheit, Invalidität und Alter, eine Frage, die zum vierten Verbandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss, diesen Antrag in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation schlägt vor: dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation seine durch Gesetze oder andere Vorschriften geregelte Sozialversicherung gegen Krankheit, Invalidität, Alter und soziale .Risiken ähnlicher Art auf die Lohnarbeiter in der Landwirtschaft unter den gleichen Bedingungen ausdehne, die für die Arbeiter in Gewerbe xind Handel gelten.

107

U.

Entwurf eines Obereinkommens betreffend die Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Entwurf eines Übereinkommens an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend das Verbot der Verwendung von Bleiweiss zum Anstrich, eine Frage, die den sechsten Verhandlungsgegenstand der Tagung bildet, sowie ferner auf ihren Beschluss, diese Anträge in Form eines Entwurfes zu einem internationalen Übereinkommen zu fassen.

Das übereinkommen ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge zur Batifizierung vorzulegen.

Artikel 1.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, vorbehaltlich der im Artikel 2 vorgesehenen Ausnahmen, die Verwendung von Bleiweiss, Bleisulfat und von allen Erzeugnissen, welche diese Farbstoffe enthalten, zum Anstreichen der Innenwände von Gebäuden zu verbieten. Ausgenommen sind Bahnhöfe und gewerbliche Anlagen, wenn die zuständigen Behörden nach Anhörung der Verbände der Arbeitgeber und Arbeiter erklärt haben, daes dazu die Verwendung von Bleiweiss und Bleisulfat oder einer Farbe, welche diese Stoffe enthält, nötig ist.

Die Verwendung von weissen Farben, die höchstens zwei Prozent Blei, als metallisches Blei berechnet, enthalten, ist indes zulässig.

Artikel 2.

Die Vorschriften des Artikels l gelten nicht für die Kunst- oder Dekorationsmalerei und für daB Linienziehen mit oder ohne Latte.

Jede Regierung bestimmt die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Arten der Malerarbeiten und wird auch die Verwendung

108 von Bleiweiss, Bleisulfat und von allen .Farben, welche diese Stoffe enthalten, hei Ausführung der in Absatz 1 bezeichneten Arbeiten in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Artikel 5, 6 und 7 des gegenwärtigen Übereinkommens regeln.

Artikel 3.

Jugendliche unter .18 Jahren und Frauen dürfen nicht mit gewerblichen Malerarbeiten beschäftigt werden, bei denen Bleiweiss, Bleisulfat oder andere Farben, welche diese Stoffe enthalten, verwendet werden.

Die zuständigen Behörden können nach Anhörung der Verbände der Arbeitgeber und Arbeiter die Beschäftigung von Anstreicherlehrlingen bei den im Absatz l bezeichneten Arbeiten zum Zweck ihrer beruflichen Ausbildung gestatten.

Artikel 4.

Die in Artikel l und 8 vorgesehenen Verbote treten 6 Jahre nach Schluss der dritten Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz in Kraft.

Artikel 5.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das, dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Verwendung von Bleiweiss. Bleisulfat und von allen Farben, dio diese Stoffe enthalten, soweit ihre Verwendung nicht verboten ist, nach folgenden Grundsätzen zu regeln: I. a. Bleiweiss, Bleisulfat oder Erzeugnisse, die diese Farbstoffe enthalten, dürfen für Anstreicharbeiten nur in Pastenform oder als gebrauchsfertige Farben verwendet werden.

b. Es sind Massnahmen zu treffen, um die Gefahren beim Au!tragen von Farbe in Pulverform zu verhüten.

c. Soweit dies irgendwie möglich ist, sind Massnahmen zu treffen, um die Gefahren zu verhüten, die aus der Staubentwicklung beim Abschaben oder Abkratzen entstehen.

II. a. Es sind geeignete Vorkehrungen zu treffen, damit die Anstreicher sich während und nach Schluss der Arbeit waschen können.

b. Die Anstreicher müssen während der ganzen Dauer ihrer Arbeit Arbeitskleider tragen.

C. Durch geeignete Vorkehrungen ist dafür zu sorgen, dass die während der Arbeit abgelegte Kleidung des Anstreichers

109

nicht durch das bei der Malerei verwendete Material verunreinigt wird.

III. a. Alle Fälle von Bleivergiftungen und mutmasslichen Bleivergiftungen sind anzuzeigen und von einem durch die zuständige Behörde bestimmten Arzt nachzuprüfen, b. Die zuständige Behörde kann, wenn sie es für erforderlich hält, eine ärztliche Untersuchung der Arbeiter verlangen.

IV. Den Anstreichern sind Merkblätter über die im Malergewerbe ·/AI beobachtenden besondern hygienischen Vorsichtsmassregeln auszuhändigen.

Artikel 6.

Um die Beachtung der in den voranstehenden Artikeln enthaltenen Vorschriften zu sichern, haben die zuständigen Behörden, nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und Arbeiter, alle erforderlichen Massnahmen zu treffen.

Artikel 7.

Die Fälle von Bleivergiftungen unter den Malern sind besonders statistisch zu erfassen, und zwar a. die Erkrankungsfälle auf Grund von Anzeigen und amtEchen Bescheinigungen aller Fälle von Bleivergiftung: b. die Todesfälle nach einem vom statistischen Amt eines jeden Landes genehmigten Verfahren.

Artikel 8.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles nnd der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 9.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Eatifikationen von zwei Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem seine Ratifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist.

110

Artikel 10.

Sobald die ^Ratifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen ist, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Er gibt ihnen gleichfalls Kenntnis vom Eintrag der Eatifikationen, die ihm später von andern Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 11.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, die Bestimmungen der Artikel l, 2, 8, 4, 5. 6 und 7 spätestens am 1. Januar 1924 anzuwenden und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen.

Artikel .12.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten geniäss den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge anzuwenden, Artikel 18.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem es zum erstenmal in Kraft tritt, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Wirkung dieser Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 14.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Nachprüfung oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15.

Der iraiizosische und der englische "Wortlaut dieses Übereinkommens iind in Bleicher Weise niassgebend.

Ili

12.

Entwurf eines Übereinkommens betreffend den wöchentlichen Ruhetag in gewerblichen Betrieben.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Entwurf eines Übereinkommens an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluß über die Annahme verschiedener Anträge betreffend den wöchentlichen Ruhetag m gewerblichen Betrieben, eine Frage, die zum siebenten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss, diese Anträge in Form eines Entwurfs zu einem internationalen Übereinkommen zu fassen.

Das Übereinkommen ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge zur Balifizierung vorzulegen, Artikel 1.

Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere: a. Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen; fc. Gewerbe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, mit Einschluss des Schiffbaues, der Abbruchunternehmungen, der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft irgendwelcher Art und von Elektrizität ; c. der Bau, der Wiederaufbau, die Instandhaltung, die Ausbesserung, der Umbau oder der Abbruch von Bauwerken, Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfun, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Strassen, Tunneln, Brücken, Strassenüberführungen, Abwasserkanälen, Brunnenschächten, Telegraph- und Telephonanlagen, elektrischen Anlagen. Gasund Wasserwerken und andern Bauarbeiten sowie die dazu nötigen Vor- und Grundarbeiten;

na d, die Beförderung von Personen oder Guiern auf Strasaen, Eisenbahnen, Binnengewässern, Inbegriffen der Verkehr mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Weilten und in Lagerhäusern, mit Ausnahme der Handbeförderung.

Diese Auszählung gilt unter Vorbehalt der besondern Ausnahmen für einzelne Länder, die in dem Übereinkommen von Washington betreffend die Festsetzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben auf 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich vorgesehen sind, soweit diese Ausnahmen auf das vorliegende Übereinkommen anwendbar sind.

In Ergänzung der vorstehenden Aufzahlung kann jedes Mitglied erforderlichenfalls die Grenze zwischen Gewerbe einerseits. Handel und Landwirtschaft anderseits bestimmen.

Artikel 2.

Allen in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder deren Nebenbetrieben beschäftigten Personen ist unter Vorbehalt der in den nachstehenden Artikeln festgesetzten Ausnahmen innerhalb eines Zeitraumes von 7 Tagen eine Buhezeit von mindestens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

Diese Buhezeit ist, soweit als möglich, dem ganzen Personal des Betriebes gleichzeitig zu gewähren.

Sie ist derart festzusetzen, dass sie soweit als möglich auf die durch Herkommen oder Brauch des Landes odor der Gegend bestimmten Bnhetage fällt.

Artikel 3.

Jedes Mitglied kann von der Vorschrift des Artikels 2 diejenigen Personen ausnehrnen, welche iji den gewerblichen Betrieben beschäftigt sind, in denen lediglich Mitglieder einer und derselben Familie verwendet werden.

Artikel 4.

Jedes Mitglied kann, gänzlich oder teilweise, Ausnahmen von den Bestimmungen des Artikels 2 (einschliesslich Aufhebungen oder Kürzungen der Buhezeit) gewahren, insbesondere wo Erwägungen der Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit dafür sprechen. Vorher sind, falls solche bestehen, die zuständigen Verbände der Arbeitgeber und Arbeiter anzuhören.

Diese Anhörung ist nicht erforderlich für Ausnahmen, die bereits gesetzlich festgelegt sind.

Artikel 5.

Jedes Mitglied hat soweit als möglich Bestimmungen zu treffen, die eine Ersatzruhezeit für Aufhebungen und Kürzungen nach Ar-

118 tikel 4 gewähren, es sei denn, dass Vereinbarungen oder Ortsgebräuche solche Ruhezeiten bereits vorsehen, Artikel 6.

Jedes Mitglied hat ein Verzeichnis der nach Artikel 8 und 4 dieses Übereinkommens zugelassenen Ausnahmen aufzustellen und es dem Internationalen Arbeitsamt zu übermitteln. Änderungen des Verzeichnisses sind in der Folge alle zwei Jahre mitzuteilen.

Das Internationale Arbeitsamt erstattet über diesen Gegenstand der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation Bericht.

Artikel 7.

Um die Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu erleichtern, ist jeder Arbeitgeber, Betriebsleiter oder Geschäftsführer verpflichtet: a. falls die wöchentliche Buhezeit dem ganzen Personal gleichzeitig gewährt wird, durch Anschläge an gut sichtbarer Stelle im Betrieb oder an einem andern geeigneten Ort oder auf eine sonst von der Begierung genehmigte AVeise Tage und Stunden der gemeinsamen Buhezeit bekanntzugeben; b. falls die Buhezeit dem ganzen Personal nicht gleichzeitig gewährt wird, diejenigen Arbeiter oder Angestellten, deren Buhezeit besonders geregelt ist, in einem nach gesetzlicher oder behördlicher Vorschrift aufzustellenden Verzeichnis namhaft zu machen und darin die Art der Begelung der Buhezeit bekanntzugeben.

Artikel 8.

Die förmlichen Batifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen, Artikel 9.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald, die Batifikationen von zwei Mitgliedern durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Batifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem seine Batifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist.

114 Artikel 10.

Sobald die ^Ratifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen ist, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Er gibt ihnen gleichfalls Kenntnis vom Eintrag der Eatifikationen, die ihm später von andern Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 11.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 8 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Bestimmungen der Artikel l, 2, 8, 4, S, 6 und 7 spätestens am 1. Januar 1924 anzuwenden und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen.

Artikel 12.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemass den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträgo anzuwenden.

Artikel 18.

Jedes Mitglied; das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem es zum erstenmal m Kraft tritt, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Wirkung dieser Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 14.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Nachprüfung oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleirhpr Weise mossgebend.

115

13.

Vorschlag betreffend den wöchentlichen Ruhetag in Handelsbetrieben.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stützt sieh dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend den wöchentlichen Ruhetag in Handelsbetrieben, eine Frage, die zum siebenten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss., diese Anträge in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedens vertrage.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation schlägt vor: I.

dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation Massnahmen treffe, um den Angestellten in allen Handelsbetrieben öffentlicher oder privater Natur oder deren Nebenbetrieben, vorbehaltlich der in folgender Zitier vorgesehenen Ausnahmen, innerhalb eines Zeitraumes von 7 Tagen eine Ruhezeit v on wenigstens 24 aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

Diese Ruhezeit soll soweit als moglieh dem ganzen Personal jedes Betriebes gleichzeitig gewahrt und möglichst derart festgesetzt werden, dass sie auf die durch Herkommen oder Brauch des Landes oder der Gegend bestimmten Ruhetage fällt:

116 II.

dass jedes Mitglied alle zur Durchführung dieses Vorschlages erforderlichen Mas&nahmen treffe und insbesondere die Ausnahmen bestimme, die es für nötig erachtet.

Die für nötig befundenen Ausnahmen möge jedes Mitglied in einem Verzeichnis zusammenstellen;

III.

dass jedes Mitglied dem Internationalen Arbeitsamt ein Verzeichnis der auf Grund von Ziffer II zugelassenen Ausnahmen und ebenso in der Folge alle zwei Jahre sämtliche Änderungen des Verzeichnisses übermittle, damit das Internationale Arbeitsamt der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation hierüber Bericht erstatte.

117

14.

Entwurf eines Übereinkommens betreffend das Mindestalter für die Zulassung von Jugendlichen zur Beschäftigung als Trimmer oder Heizer.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Entwurf eines Übereinkommens an.

Sie stützt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend das Verbot der Beschäftigung von Jugendlichen unter 18 Jahren al& Trimmer oder Heizer, eine Frage, die zum achten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf ihren Beschluss. diese Anträge in Form eines Entwurfes zu einem internationalen Übereinkommen zu fassen.

Das Übereinkommen ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge zur Batifizierung vorzulegen.

Artikel 1.

Jm Sinne dieses Übereinkommens umlassl der Ausdruck cSchiff» alle Boote, Schiffe oder Fahrzeuge, die bei der Seeschiffahrt verwendet werden, gleichviel ob sie im öffentlichen oder privaten Eigentum stehen. Kriegsschiffe fallen nicht darunter.

Artikel 2, Jugendliche unter 18 Jahren dürfen an Bord von Schiffen nicht als Trimmer oder Heizer beschäftigt werden.

Artikel S.

Die Bestimmungen des Artikels 2 finden keine Anwendung auf: a. die Arbeit von Jugendlichen auf Schulschiffen, sofern diese Arbeit von der Behörde gestattet ist und von ihr überwacht wird; 6. die Arbeit von Jugendlichen auf Schiffen, welche vorwiegend durch eine andere Triebkraft als Dampf bewegt werden;

118 e. die Arbeit von Jugendlichen im Alter von mindestens 16 Jahren, welche durch ärztliche Untersuchung körperlich tauglich befunden wurden und als Trimmer oder Heizer auf solchen Schiffen beschäftigt werden, die ausschliesslich die Küstenfahrt von Indien und Japan betreiben. Dabei sind die Vorschriften zu beachten, die nach Anhörung der massgebenden Verbinde der Arbeitgeber und Arbeiter jener Länder zu erlassen sind.

Artikel 4.

Wird ein Trimmer oder Heizer in einem Hafen benötigt, wo nur Jugendliche unter 18 Jahren zur Verfügung stehen, so können solche jugendliche Personen beschäftigt werden, sofern sie mindestens 16 Jahre alt sind. Jedoch müssen für den zu besetzenden Trimmeroder Heizerposten zwei Jugendliche eingestellt werden.

Artikel 5.

Damit die Durchführung der Vorschriften dieses Übereinkommens überwacht werden kann, hat jeder Kapitän oder Schiffsführer, unter Angabe von Jahr und Tag der Geburt, ein Verzeichnis aller an Bord des Schiffes beschäftigten Personen unter 18 Jahren zu führen oder sie in der Mannschaftsliste besonders zu verzeichnen.

Artikel 6.

Die Heuerverträge müssen einen Auszug aus den Bestimmungen dieses Übereinkommens enthalten.

Artikel 7.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 8.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Eatifikationen von zwei Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generalsekretär des Völkerbundes eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem seine [Ratifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist.

119 Artikel 9.

Sobald die Katifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen ist, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Er gibt ihnen gleichfalls Kenntnis vom Eintrag -der Ratifikationen, die ihm später von andern Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 10.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 8 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Bestimmungen der Artikel l, 2, 8, 4, 5 und 6 spätestens am 1. Januar 1924 anzuwenden und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen.

Artikel 11.

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemäss den Bestimmungen des Artikels 421 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge anzuwenden.

Artikel 12.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem es aum erstenmal in Kraft tritt, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Wirkung dieser Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 13.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Nachprüfung oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 14.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgehend.

120

15.

Entwurf eines Übereinkommens betreffend die obligatorische ärztliche Untersuchung der in der Seeschiffahrt beschäftigten Kinder und Jugendlichen.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberui'ene und hier am 25. Oktober 1921 zu ihrer dritten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt den nachstehenden Entwurf eines Übereinkommens an.

Sie stutzt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend die obligatorische arztliche Untersuchung der in der Seeschiffahrt beschäftigten Kinder und Jugendlichen, eine Frage, die zum achten Verhandlungsgegenstand der Tagung gehört, sowie ferner auf üiren Beschluss, diese Anträge in Form eines Entwurfs zu einem internationalen Übereinkommen zu fassen, Das Übereinkommen ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation gemäss den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedens vertrage zur Batifizierung vorzulegen.

Artikel 1.

Im Sinne dieses Übereinkommens umfasst der Ausdruck «Schiff» alle Boote, Schiffe oder Fahrzeuge, die bei der Seeschiffahrt verwendet werden, gleichviel ob sie im öffentlichen oder privaten Eigentum stehen. Kriegsschiffe fallen nicht darunter.

Artikel 2.

Kinder und Jugendliche dürfen an Bord von Schiffen nur dann beschäftigt werden, wenn sie über ihre Eignung zu solcher Arbeit ein ärztliches Zeugnis vorgelegt haben, das durch einen von der zuständigen Behörde anerkannten Arzt unterzeichnet ist. Ausgenommen sind Schiffe, auf denen lediglich Mitglieder einer und derselben Familie beschäftigt sind.

121

Artikel 8.

Kinder und Jugendliche dürfen zur Arbeit auf See nur dann ständig verwendet werden, wenn die ärztliche Untersuchung wenigstens einmal im Jahre wiederholt und nach jeder neuen Untersuchung ein ärztliches Zeugnis über die Eignung xur Arbeit auf See vorgelegt wird. Läuft die Gültigkeit eines ärztlichen Zeugnisses während einer Eeise ab, so bleibt es bis zum Ende der Eeise in Kraft.

Artikel 4.

In dringenden Fällen kann die zuständige Behörde Jugendlichen unter 18 Jahren gestatten, ohne die in Artikel 2 und 8 dieses Übereinkommens vorgesehene Untersuchung an Bord zu gehen, sofern die Untersuchung in dem ersten Hafen, den das Schiff anläuft, nachgeholt wird.

Artikel 5.

Die förmlichen ^Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teils XIII des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensverträge dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 6.

Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Katifikationen ·von zwei Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generalsekretär eingetragen worden sind.

Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren ."Ratifikation beim Sekretariat eingetragen ist.

lu der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem seine Eatifikation beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Artikel 7.

Sobald die Eatifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen ist, teilt der Generalsekretär des Völkerbundes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Er gibt ihnen gleichfalls Kenntnis vom Eintrag der ^Ratifikationen, die ihm später von andern Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

Artikel 8.

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels G verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die RegtimBundesblatt. 75. Jahrg. Bd. II.

9

122

mungen der Artikel l, 2, 3 und 4 spätestens am l, Januar 1924 anzuwenden und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen.

Artikel 9.

, Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten gemäss den Bestimmungen des Artikels 421 des -Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge anzuwenden.

Artikel 10.

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem es zum erstenmal in Kraft tritt, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Wirkung dieser Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Sekretariat ein.

Artikel 11.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre einmal der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob seine Nachprüfung oder Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 12.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

123

Beilage IV.

Internationale Arbeitskonferenz Vierte Jahrestagung Genf, 18. Oktober bis 3. November 1922,

Von der Konferenz aufgestellter Vorschlag und Beschluss über Abänderung des Versaillervertrages.

Bemerkung zur deutschen Übersetzung.

Die deutsche Übersetzung der nachstehenden Beschlüsse -- im Urtext lauten sie französisch und englisch -- entspricht dem Text, der durch Vertreter Deutschlands, Österreichs, der Schweiz sowie des Internationalen Arbeitsamtes gemeinsam festgesetzt wurde.

124

1.

Vorschlag betreffend die Mitteilung von statistischen und anderen Auskünften über Ein-, Aus«, Rück- und Durchwanderung an das Internationale Arbeitsamt.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 18. Oktober 1922 zu ihrer vierten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes nimmt heute, am 2. November 1922, den nachstehenden Vorschlag an.

Sie stutzt sich dabei auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend die Mitteilung von statistischen und andern Auskünften über Ein-, Aus-, Rück- und Durchwanderung an das Internationale Arbeitsamt, eine Frage, die den zweiten Verhandlungsgegenstand der Tagung bildet, sowie auf ihren Beschluss, diese Anträge in Form eines Vorschlages zu fassen.

Der Vorschlag ist den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen, damit sie ihn auf dem Wege der Landesgesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten lassen, gemass den Bestimmungen des Teils XIH des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Teile der andern Friedensvertrage.

I.

Die Allgemeine Konferenz schlägt vor, dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation dein Internationalen Arbeitsamt alle verfügbaren Auskünfte über Ein-, Aus-, Kuck- und Duvchwanderung sowie über die Massnahmeii übermittle, die hinsichtlich dieser Fragen ergriffen wurden oder geplant sind.

Diese Auskünfte sollen soweit als möglich einmal vierteljährlich mitgeteilt werden, und zwar spätestens binnen drei Monaten nach Ablauf der Zeit, auf die sie sich beziehen.

II.

Die Allgemeine Konferenz schlügt voi', dass jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation sich nach Kräften bemühe, dem

125

Internationalen Arbeitsamt nach Massgabe der vorhandenen Unterlagen die Gesamtzahl der Ein- und Auswanderer mitzuteilen, und " zwar binnen sechs Monaten nach Schluss des Jahres, worauf sie sich bezieht. Dabei sind die eigenen Staatsangehörigen von den Ausländern getrennt aufzuführen; ferner sind insbesondere für die eigenen Staatsangehörigen und, soweit als möglich, auch für die Ausländer anzugeben: 1. das Geschlecht des Ein- oder Auswanderers; 2. das Alter; 3. der Beruf; 4. die Staatsangehörigkeit; 5. das Land seines letzten Wohnsitzes; 6. das Land, in dem er den neuen Wohnsitz nehmen will.

III.

Die Allgemeine Konferenz schlägt vor, daes jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation mit andern Mitgliedern soweit als möglieh Vereinbarungen treffe, um 0. den Begriff «Auswanderer» einheitlich zu "bestimmen; 1. die Angaben der Personalausweise einheitlich festzulegen, die den Ein- und Auswanderern von den zuständigen Behörden der an der Vereinbarung beteiligten Mitglieder ausgehändigt werden; c, ein einheitliches Verfahren für die statistische Erfassung der Bin- und Auswanderung anzuwenden.

126

2.

Abänderung von Artikel 393 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge.

Die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufene und hier am 18. Oktober 1922 zu ihrer vierten Tagung versammelte Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes hat nachstehende Abänderung von Artikel 393 des Vertrages von Versailles und der entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge beschlossen : ^Artikel 393 des Vertrages von Versailles und die entsprechenden Artikel der andern Friedensverträge erhalten folgende Fassung: Das Internationale Arbeitsamt steht unter der Aufsicht eines Verwaltungsrates, der sich aus 32 Mitgliedern zusammensetzt, nämlich : 16 RegierungsVertretern, 8 Arbeitgebervertretern und 8 Arbeitervertretern.

Von den 16 die Regierungen vertretenden Personen werden 8 durch die Mitglieder ernannt, denen die grösste industrielle Bedeutung zukommt, und 8 durch die Mitglieder, die zu diesem Zweck von den Regierungsvertretern in der Konferenz unter Ausschluss der Vertreter der erwähnten 8 Mitglieder bezeichnet worden sind. Von den 16 vertretenen Staaten müssen 6 aussereuropäische sein.

Streitigkeiten über die Frage, welchen Mitgliedern die grösste industrielle Bedeutung zukommt, werden durch den Rat des Völkerbundes entschieden.

Die Personen, welche die Arbeitgeber sowie diejenigen, welche die Arbeiter vertreten, werden von den Arbeitgeberbezw. ArbeiteiTertretern an der Konferenz gewählt. 2 Arbeitgebervertreter und 2 ArbeitervertreLer müssen außereuropäischen Staaten angehören.

Der Verwaltungsrat wird alle 3 Jahre erneuert.

127

Um den neuen lext des Artikel? 393 mil dem alten besser vergleichen eu können, folgt nachstehend der abgeänderte Artikel in seiner ursprünglichen Fassung,

Ursprünglicher Text des Art. 398: Das Internationale Arbeitsamt tritt unter die Aufsicht eines aus 24 Mitgliedern bestehenden Verwaltungsrates, für deren Ernennung folgende Bestimmungen gelten: Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes setzt sich folgendermassen zusammen: 12 Personen als Vertreter der Regierungen, 6 Personen, die von den zur Konferenz abgeordneten Vertretern der Arbeitgeber gewählt werden, 6 Personen, die von den zur Konferenz abgeordneten Vertretern der Arbeiter gewählt werden.

Von den 12 die Regierungen vertretenden Personen werden 8 durch die Mitglieder ernannt, denen die grösste industrielle Bedeutung zukommt, und 4 durch die Mitglieder, die zu diesem Zweck von den Regierungsvertretern in der Konferenz unter Ausschluss der Vertreter der erwähnten 8 Mitglieder bezeichnet worden sind.

Streitigkeiten über die Frage, welchen Mitgliedern die grösste industrielle Bedeutung zukommt, werden durch den Rat des Völkerbundes entschieden.

Die Amtsdauer der Mitglieder des Verwaltungsrates beträgt 3 Jahre. Das Verfahren bei der Besetzung freigewordener Sitze

128

Das Verfahren bei der Besetzung freigewordener Sitze, die Bezeichnung der Ersatzleute und andere Fragen ähnlicher Art können, vorbehaltlich der Zustimmung der Konferenz, vom Verwaltungsrat geregelt werden.

Der Verwaltungerat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und stellt seine Geschäftsordnung auf. Er bestimmt selbst den Zeitpunkt seines jedesmaligen Zusammentrittes. Eine besondere Tagung ist jeweils abzuhalten, wenn 12 Personen, die dem Verwaltungsrat angehören, schriftlich einen entsprechenden Antrag stellen."

129

Ursprünglicher Text des Art. 393: (Fortsetzung.)

und andere Fragen ähnlicher Art sind, vorbehaltlich der Zustimmung der Konferenz, vom Verwaltungsrat zu regeln.

Der Verwaltungsrat wählt eines seiner Mitglieder zum Vorsitzenden und stellt seine Geschäftsordnung auf. Er bestimmt selbst den Zeitpunkt seines jedesmaligen Zusammentrittes. Eine besondere Tagung ist jedesmal abzuhalten, wenn wenigstens 10 Mitglieder des Verwaltungsrates schriftlieh einen entsprechenden Antrag stellen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die dritte und vierte Internationale Arbeitskonferenz. (Vom 4. Mai 1923.)

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1923

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09.05.1923

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