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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Teilnahme der Schweiz an der internationalen Ausstellung für moderne dekorative und angewandte Kunst, 1925 in Paris (Vom 17. Dezember 1923.)

1. Nachdem durch die französischen Künstlergesellschaften und Handelskammern schon im Jahre 1911 die Initiative für die Veranstaltung einer internationalen Ausstellung moderner dekorativer und angewandter Kunst in Paris ergriffen worden war, die Realisierung des Vorhabens indessen des Krieges wegen hinausgeschoben werden musste, tauchte das Projekt im Jahre 1920 wieder auf und nahm dann, zufolge energischer Befürwortung und Unterstützung durch die zuständigen Behörden der französischen Republik und der Stadt Paris, die, in der Folge Auch die nötigen, sehr beträchtlichen Kredite bewilligten, bald greifbare Gestalt an. So konnte uns unsere Gesandtschaft in Paris schon im Herbst 1922 einige offizielle Mitteilungen über Charakter, Zweck und Tragweite des Unternehmens vermitteln und einen ersten Entwurf für das Ausstellungsreglement zustellen. In Erkenntnis der Bedeutung, die das Unternehmen auch für die Schweiz haben, kann, unterzogen die zunächst interessierten Departemente des Innern und der Volkswirtschaft den Reglementsentwurf ungesäumt einer nähern Prüfung, und da es sich dabei erwies, dass verschiedene für eine allfällige Beteiligung der Schweiz wesentlich in Betracht fallende Fragen darin keine genügende Abklärung gefunden hatten, so suchten sie sich durch das Mittel unserer Gesandtschaft in Paris ergänzende Auskünfte au beschaffen. Gleichzeitig trat das Departement des Innern mit

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der eidgenössischen Kommission für angewandte Kunst und durch sie mit dem schweizerischen Werkbund und dem Oeuvre, und das Volkswirtschaftedepartement seinerseits durch die ihm angegliederte schweizerische Zentralstelle für das Ausstellungsweseu mit den Industrieverbänden in Fühlung, um zu vernehmen, wie die durch sie vertretenen Kreise sich zur Frage einer eventuellen Teilnahme der Schweiz an der Ausstellung stellen und wie sie sich gegebenenfalls die Organisation der schweizerischen Abteilung denken. Die eidgenössische Kommission für angewandte Kunst sowie Werkbund und Oeuvre, die die ihrer Leitung anvertraute I. nationale Ausstellung angewandter Kunst vom Jahre 1922 in Lausanne bereits als eine Art Vorschau und Vorbereitung der Künstlerschaft und der Industrie auf die Pariser Ausstellung betrachtet hatten, Hessen sich dahin vernehmen, dass ihrer Ansicht nach die Teilnahme der Schweiz an dieser bedeutungsvollen Kunstgewerbeschau aus künstlerischen wie aus wirtschaftlichen Gründen dringend erwünscht und notwendig sei. In ähnlicher Weise äusserten sich in diesem Punkt auch die durch das Volkswirtschaftsdepartement und die Ausstellungszentrale vertretenen Kreise. In der ersten grundsätzlichen Frage der Beteiligung der Schweiz herrschte also unter dem Vorbehalt, dass es möglich sei, eine unseres Landes qualitativ und quantitativ würdige Schau zu veranstalten, bei beiden Interessentengruppen von allem Anfang an eine erfreuliche Übereinstimmung der Auffassungen ; nicht so in den die Organisation betreffenden Fragen.

Während nämlich die eidgenössische Kommission für angewandte Kunst und mit ihr Werkbund und Oeuvre, unter Berufung auf die Bestimmungen der Art. 20 ff. der Verordnung für die Förderung und Hebung der angewandten Kunst vom 25. November 1919, die Forderung stellten, dass die künstlerische Leitung der schweizerischen Abteilung ganz der Kommission für angewandte Kunst und dem Sekretariat von Werkbund und Oeuvre übertragen und die Ausstellungszentrale selbst lediglich mit der Verwaltung des Unternehmens beauftragt werde, berief sich die letztere ihrerseits auf das für sie geltende, gleichfalls vom Bundesrat genehmigte Organisationsreglement vom 27. Oktober 1908 und wollte demgemäss die ,,einheitliche organisatorische Leitung" der schweizerischen Abteilung für sich vindizieren mit der Begründung,
dass bei einem solchen Unternehmen einzig eine zentrale Leitung für eine sachgemässe und finanziell erspriessliche Organisation Gewähr biete.

Als uns im Juni 1923 dann durch die französische Betschaf't die o f f i z i e l l e E i n l a d u n g zur Beschickung der Ausstellung

531 zuging, deren definitive Beantwortung wir indessen erst nach Begrüssung der eidgenössischen Räte in Aussicht stellten, galt es also in erster Linie, auch in den organisatorischen Fragen eine Verständigung herbeizuführen und Klarheit zu schaffen. Zu dem Zwecke berief unser Departement des Innern, zusammen mit den Mitgliedern der eidgenössischen Kommission für angewandte Kunst, Vertreter der Zentralstelle für das Ausstellungswesen und der Industrien auf den 10. Juli zu einer gemeinsamen Besprechung ein. Die angestrebte Übereinstimmung der Ansichten war aber auch bei dem Anlass nicht zu erzielen. Die beteiligten Departemente suchten deshalb auf Grund gemeinsamer Besprechungen und Beratungen unter sich eine Lösung, die dafür Gewähr bietet, dass die schweizerische Abteilung dem besondern Charakter, den die französischen Behörden ihrer Veranstaltung geben wollen, gerecht werde, sowie zugleich die Teilnahme aller interessierten Kreise der Schweiz ermöglicht und damit ihren Erfolg von vornherein sichert. Eine solche Verständigung ist dem Grundsatze nach unter den Departementen zustande gekommen, und wir werden Sie im folgenden über dieselbe orientieren; vorher aber scheint es uns notwendig zu sein, den besondern Charakter und Zweck der Veranstaltung etwas eingehender zu erörtern und im Zusammenhang damit auf die Bedeutung hinzuweisen, die der Teilnahme der Schweiz an der Ausstellung zukommt.

2. Durchgehen wir das Pariser Ausstellungsreglement und die dasselbe erläuternden und ergänzenden amtlichen und quasiamtlichen Publikationen, so ist ohne weiteres festzustellen, dass die projektierte internationale Ausstellung für moderne dekorative und angewandte Kunst, 1925 in Paris, nach der Absicht der französischen Behörden und der durch sie bestellten leitenden Organe weder als Kunstausstellung im engern Sinne des Wortes, noch als gewöhnliche Industrie- und Gewerbeausstellung oder gar als Verkaufsmesse aufzufassen ist. Sie ist nicht als Ausstellung der grossen Masse der Handels- und Industriefirmen gedacht und soll infolgedessen auch nicht die gesamte Produktion eines Landes, sondern unter strenger Ausscheidung alles dessen, was künstlerisch in Gestaltung, Ausführung und Material nicht vollwertig ist, oder sich als blosse Nachahmung alter Modelle und Stile darstellt, s t r i k t e n u r m . o d e r n e S c
h ö p f u n g e n v o n ausgesprochen künstlerischem Charakter und wirkl i c h e r O r i g i n a l i t ä t u m f a s s e n . Nicht die Bedeutung einer Firma als solcher soll also für ihre Zulassung zur Ausstellung entscheidend sein, sondern ausschliesslich die b e s o n d e r e

532 k ü n s t l e r i s c h e Q u a l i t ä t i h r e r E r z e u g n i s s e . Es gilt die schöpferischen Energien beim Künstler, dem .Handwerker und dem Industriellen zu wecken, sie zu intensiver Zusammenarbeit zu verhalten und so eine Musterausstellung zu veranstalten, in der die Produkte ihrer Zusammenarbeit auf den verschiedensten Gebieten des Kunstgewerbes und der Industrie, wenn immer möglich in der Form ihrer praktischen Verwendung zur Darstellung gebracht werden sollen. Es wird also besonderes Gewicht darauf gelegt, dass Ensembles mit allen ihren Zubehörden, harmonisch ausgestattete ganze Räume und nur, wenn das nicht möglich ist, Einzelobjekte in Vitrinen etc. zur Ausstellung gebracht werden, um so dem Publikum einen klaren Überblick über die modernen kunstgewerblichen Bestrebungen der einzelnen Länder zu vermitteln. Da diese auf die künstlerische Qualität der Ausstellungsobjekte sich beziehenden Vorschriften nach der ausdrücklichen Bestimmung des Reglements auch für die auswärtigen Staaten verbindlich sind, so hielten wir darauf, etwas näher auf sie einzutreten. Im Anschluss daran sei indessen mit besonderem Nachdruck betont, dass die Ausstellung in hohem Masse auch w i r t s c h a f t l i c h e Z w e c k e verfolgt. Sie soll im Wettbewerb unter den Völkern, über die Produktion jedes einzelnen derselben an verkäuflichen Serienartikeln orientieren und ihnen damit auf dem Weltmarkt neue Absatzmöglichkeiten verschaffen. Dies dürfte denn auch der wesentlichste Grund sein, weshalb schon verschiedene auswärtige Staaten, wie England, Italien (mit einem Kredit von 5 Millionen Lire), Österreich und Belgien der Ausstellung ihre Teilnahme zugesichert haben und verschiedene andere, worunter zweifellos auch Amerika, ihnen folgen werden. Da nun die Schweiz auf dem Weltmarkt überhaupt nur mit Qualitätsware konkurrieren kann, die an künstlerischer Ausstattung, Gediegenheit des Materials und Solidität ihrer Verarbeitung den höchsten Anforderungen im Sinne gerade des Ausstell ungsreglementes entspricht, so dürfte es für sie von ganz besonderem Nutzen sein, sich am Wettbewerb der Völker zu beteiligen und so der Einladung zur Beschickung der Ausstellung Folge zu leisten. Voraussetzung dafür ist aber, wie schon angedeutet wurde, dass die schweizerische Abteilung ein entsprechend hohes Niveau erreiche und so
unserm Lande Ehre mache, was hinwiederum dadurch bedingt ist, dass Künstler, Handwerker und Industrielle gemeinsam dem nationalen Unternehmen ihre Mithilfe zusagen und sich zur Pflicht machen, unter Aufbietung aller Kräfte, ihr Bestes zum Gelingen des Unternehmens beizutragen. Zu dem Zwecke scheint uns aber unerlässlich zu sein, allen diesen Kreisen schon bei der

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Regelung der die Organisation der schweizerischen Abteilung betreffenden Fragen ein Mitspracherecht zuzubilligen und so jedes Vorrecht und jede die Mitwirkung der übrigen Kreise beeinträchtigende Ausschliesslichkeit von vornherein zu vermeiden.

Nach der zwischen den Departementen des Innern und der Volkswirtschaft zustande gekommenen Vereinbarung soll demgemäss für den direkten Verkehr mit der Pariser Ausstellungsleitung unser dortiger Gesandter als Generalkommissär bezeichnet und sodann als leitendes und verantwortliches Organ für die schweizerische Abteilung e i n e b e s o n d e r e A u s s t e l l u n g s k o m m i s s i o n v o n 11 Mitgliedern eingesetzt werden, der neben je einem Vertreter der beiden Departemente u. a. je drei Vertreter der Künstlerschaft und der durch die Ausstellungszentrale vertretenen Produktionskreise angehören sollen. Dieser vom Bundesrat zu wählenden Kommission läge vor allem die Aufgabe ob, das im Einvernehmen der beteiligten Departemente entworfene Reglement für die schweizerische Abteilung durchzuberaten und zu bereinigen, den Voranschlag der Kosten festzulegen und die Vorschläge für die Ausstattung der der Schweiz zugewiesenen Räume zu überprüfen und zu genehmigen, während für den Vollzug ihrer Beschlüsse ein ähnlich zusammengesetzter kleinerer Arbeitsausschuss von etwa 5 Mitgliedern und für die Auswahl der eingesandten Objekte eine nach französischem Muster gleichfalls zu je einem Drittel aus Künstlern, Industriellen und neutralen Fachleuten bestehende Jury bestellt wurde. Damit diese befähigt sei, in allen kunstgewerblichen Branchen mit Fachkenntnis zu urteilen, wird sie von sich aus weitere Spezialisten als Experten beiziehen. Eine weitere, der Hauptsache nach aus Mitgliedern der eidgenössischen Kommission für angewandte Kunst bestehende Delegation, der auch ein Architekt beigegeben würde, wäre mit der Auswahl der Säle, der Erstellung von Entwürfen für ihre Ausgestaltung und die endliche Placierung der zur Ausstellung .zugelassenen Werke zu betrauen. Damit soll angedeutet werden, dass in rein künstlerischen Dingen naturgemäss der Künstlerschaft ein massgebendes Wort einzuräumen sei. Aus dieser Erwägung heraus wären die Mitglieder der Kommission für angewandte Kunst ·denn auch zu ermächtigen, sich schon vor der Auswahl der für die Ausstellung bestimmten Objekte
durch die Industriellen, Künstler und Handwerker mit diesen im Sinne der Aufklärung und der unverbindlichen Raterteilung in Verbindung zu setzen.

Die administrative Leitung sodann würde durch die Zentralstelle für das Ausstellungswesen besorgt, der übrigens durch Vertretung in den vorgenannten Unterkomitees ein Mitspracherecht auch für Bundesblatt. 75. Jahrg. BJ. III.

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die übrigen Fragen eingeräumt würde. So ungefähr wäre, unter dem Vorbehalt allfällig als nötig sich erweisender Änderungen, die Organisation der schweizerischen Abteilung gedacht. Wir zweifeln nicht daran, dass auf dieser Grundlage allen interessierten Kreisen unseres Landes die Möglichkeit gegeben würde, sich mit Erfolg an der Ausstellung zu beteiligen und dass sie ihr daher ihre Mitwirkung auch nicht versagen werden. In dieser Erwartung empfehlen wir Ihnen sehr angelegentlich, dem Grundsatze nach die offizielle Teilnahme der Schweiz an der Ausstellung zu beschliessen.

3. Mit Bezug auf die H ö h e der K o s t e n , die das Unternehmen erfordert, können wir Ihnen leider noch keine genaueren Angaben machen, da trotz aller Bemühungen bisher nicht einmal mit Bezug auf die Ausstellungsräume die nötigen Abklärungen erhältlich gewesen sind. Nur soviel steht fest, dass, wenn die Schweiz sich mit der Zuteilung von Räumen in den allgemeinen Hallen begnügt, diese ihr im Rohbau mit Boden unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Das gleiche gälte hinsichtlich der Parzelle für die Erstellung eines eigenen Pavillons, wovon wir indessen vorläufig wenigstens glauben Umgang nehmen zu können.

Ebensowenig wie die baulichen lassen sich zurzeit, wo der Umfang der schweizerischen Abteilung noch gar nicht zu übersehen ist, die übrigen Kosten berechnen. Nach den Erfahrungen, die die schweizerische Zentralstelle für das Ausstellungswesen in ähnlichen Fällen schon gemacht hat, dürfte indessen mit einer Gesamtausgabe von etwa Fr. 300 000 zu rechnen sein. Wir ersuchen Sie, uns also vorläufig einen Kredit bis zu diesem Betrag bewilligen zu wollen. Wir werden durch die beteiligten Departemente darüber wachen lassen, dass möglichst haushälterisch mit dem Geld umgegangen, d. h. kein übertriebener Aufwand gemacht werde, und hoffen so mit dem nachgesuchten Kredit auskommen zu können. Sollte das aber wider Erwarten nicht der Fall sein, so müssten wir uns vorbehalten, später um einen Nachtragskredit nachzusuchen. Gerade wegen der Unmöglichkeit, Ihnen mit Bezug auf den Kostenpunkt genauere Angaben zu machen, haben wir selbst gezögert, Ihnen jetzt schon diese Anträge zu unterbreiten. Da aber nach dieser Richtung auch in der nächsten Zeit keine weitere Abklärung zu erwarten wäre und andererseits die grundsätzliche Beschlussfassung
über die Teilnahme der Schweiz an der Ausstellung und die Inangriffnahme der Vorbereitungsarbeiten bereits s e h r d r i n g l i c h e r N a t u r ist, so .ersuchen wir Sie, sich an diesem Mangel unserer Eingabe nicht zu

535 stossen und demgemäss den angeschlossenen Beschlussentwurf genehmigen zu wollen.

B e r n , den 17. Dezember 1923.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Scheurer.

Der Bundeskanzler: Steiger.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Teilnahme der Schweiz an der internationalen Ausstellung für moderne dekorative und angewandte Kunst, 1925 in Paris, und Bewilligung des erforderlichen Kredites.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 17. Dezember 1923, beschliesst: Art. 1. Der Bund erleichtert den schweizerischen Interessenten die kollektive Teilnahme an der internationalen Ausstellung für moderne dekorative und angewandte Kunst, 1925 in Paris.

Art. 2. Zu dem Zwecke bewilligt er einen einmaligen Kredit in der Höhe von Fr. 300,000. --.

Art. 3. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Teilnahme der Schweiz an der internationalen Ausstellung für moderne dekorative und angewandte Kunst, 1925 in Paris (Vom 17. Dezember 1923.)

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19.12.1923

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