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Bericht des

Eidg. Versicherungsgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1922.

(Vom

26. Februar 1923.)

Hochgeachteter Herr Präsident !

Hochgeachtete Herren !

Wir beehren uns, Ihnen hiermit gemäss Art. 28 des Bundesbeschlusses betreffend die Organisation und das Verfahren des Eidg. Versicherungsgerichts über unsere Amtstätigkeit im Jahre 1922 wie folgt Bericht zu erstatten: A. Allgemeines.

I. Gerichtsgebäude.

Die allgemein als notwendig empfundene Vergrösserung des Gerichtsgebäudes ist im Berichtsjahr ihrer Verwirklichung näher gerückt. Die Direktion der eidgenössischen Bauten hat ein Bauprojekt ausgearbeitet, welches am 9. November 1922 vom Gericht genehmigt worden ist. Es darf daher mit einer baldigen Vorlage des Bundesrats über diesen Gegenstand gerechnet werden, um so mehr, als die Bundesversammlung schon bei Ankauf des Gebäudes unter Angabe der ungefähren Bausumme darüber orientiert worden war, dass noch ein An- und Umbau dringend notwendig sein werde (Botschaft des Bundesrates vom 23. September 1921, Bundesbl. 1921, IV. Bd., S. 167).

II. Persönliches.

Bundesversicherungsrichter Berta ist auf Ende des Berichtsjahres als Obmann des im Versailler Vertrag vorgesehenen internationalen Schiedsgerichts zwischen Deutschland und Italien zurückgetreten, um sich wieder ganz seiner Tätigkeit als Mitglied unseres Gerichts zu widmen.

712 An Stelle des in den zürcherischen Gerichtsdienst zurückgekehrten Sekretärs Wolff ist am 1. Februar 1922 der bisherige ausserordentliche Sekretär Heinrich S c h n e z l e r , von Schaffhausen, gewählt worden. Bald danach erfolgte die Wiederbesetzung einer seit Ende des Jahres 1919 freigebliebenen Sekretärstelle mit der Person des bisherigen ausserordentlichen Sekretärs Dr. August R a m s p e r g e r , von Basel und Frauenfeld, während für den in den Lehrkörper der juristischen Fakultät der Universität Lausanne übergetretenen Sekretär Meylan der bisherige ausserordentliche Sekretär Georges R o s s e t , von Villeneuve und Veytaux, nachrückte.

III. Gerichtsabteilungen.

Die für das Jahr 1921 gebildet gewesenen Gerichtsabteilungen sind im Berichtsjahr gleich geblieben.

Dagegen hat in bezug auf die Verteilung der Geschäfte unter diese Abteilungen insofern eine Änderung stattgefunden, als von Beginn des Jahres 1922 an die in die Kompetenz einer Gerichtsabteilung von drei Mitgliedern fallenden Geschäfte aus dem Gebiet der Unfallversicherung zu gleichen Teilen der I. und II. Abteilung zugewiesen wurden.

IV. Geschäftslast.

Wahrend die Zahl der neueingelaufenen Geschäfte aus dem Gebiete der Unfallversicherung sich im Berichtsjahr gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich verändert hat, ist der Geschäftsandrang auf den andern Rechtsprechungsgebieten des Gerichts neuerdings grösser geworden.

Was die Gesuche um Vollstreckbarerklärung der Prämienforderungen der Anstalt anbelangt, so ist deren Zahl im Berichtsjahr auf 401 gestiegen (1918: 283; 1919: 369; 1920: 338; 1921: 387). In Militärversicherungssachen haben die Berufungen die Zahl 868 erreicht (1918: 710; 1919: 1181; 1920: 561; 1921: 769). Nach Monaten verteilen sich diese Berufungen wie folgt: Januar 51; Februar 79; März: 86; April: 52; Mai: 58; Juni: 58; Juli: 68; August: 78; September: 88; Oktober 83; November : 81 ; Dezember : 86.

Trotz der Zunahme der Geschäfte ist es gelungen, in Unfallversicherungs- und Prämienvollstreckbarkeitssachen die Zahlen der auf das Jahr 1923 übertragenen Geschäfte gegenüber den entsprechenden Ziffern des Vorjahres zu vermindern. Im Gebiete der Militärversicherung war dagegen ein Anwachsen der Pen-

713 denzen auf Ende des Berichtsjahres nicht zu vermeiden, obschon der Vermehrung der Eingänge um rund 100 Berufungen eine Vermehrung auch der Erledigungen um 70 Fälle entgegengesetzt zu werden vermochte.

Die Zahl der gutgeheissenen Berufungen aus dem Gebiet der Militärversicherung hat, wie schon in den frühern Jahren, auch im Berichtsjahr prozentual stark abgenommen. Eine Aufstellung ergibt, dass von den Fällen, in denen auf die Berufung eingetreten und die Sache also materiell beurteilt wurde, in den Jahren 1918 85 %, 1919 68 %, 1920 64 %, 1921 63 % und 1922 49 % gutgeheissen worden sind. Geht man von der Anzahl der in jedem Jahre durch Urteil überhaupt (also durch materielles Urteil oder Nichteintretensentscheid) erledigten Fälle aus, so ergeben die Gutheissungen folgende Prozentsätze: 1918 74 %, 1919 65 %, 1920 61 %, 1921 58 % und 1922 44 %.

Vergleicht man die Zahl der Gutheissungen mit der Zahl der Gesamterledigungen (Urteile und Abschreibungsbeschlüsse.), so gelangt man zu folgender Zahlenreihe : 1918 47%, 1919 37%, 1920 49 %, 1921 43 % und 1922 28 %. Dabei ist zu bemerken, dass in diesen Gutheissungszahlen auch die zahlreichen Fälle nur teilweiser, oft ganz geringer Gutheissung Inbegriffen sind.

V. Verschiedenes.

Die grundsätzlichen Entscheide des Gerichts sind auch im Berichtsjahr wieder in der ,,Schweiz. Zeitschrift für Unfallkunde" (Verlag Ernst Bircher in Bern) erschienen. Die Herausgabe einer amtlichen Sammlung der Entscheide des Gerichts, wie sie seinerzeit von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates angeregt worden war, dürfte auch in der nächsten Zukunft nicht verwirklicht werden, nachdem ein zu diesem Zweck vom Gericht ins Budget pro 1923 eingesetzter Betrag von Fr. 4000 im Ständerat gestrichen und im Nationalrat nicht wieder aufgenommen worden ist.

Die Rechtsprechung des Gerichts in Militärversicherungssachen ist im Ständerat zur Sprache gebracht worden. Das Gericht ist darauf mit der Finanzkommission des Ständerates in Fühlung getreten. An der mit dieser Behörde abgehaltenen Konferenz nahmen die Vertreter des Gerichts hauptsächlich Anlass, auf die Reformbedürftigkeit der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen hinzuweisen. Es ist das übrigens bereits im letztjährigen Geschäftsbericht geschehen.

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Die Gesamtzahl der im Berichtsjahr abgehaltenen Sitzungen beläuft sich auf 160. Diese Sitzungen verteilen sich wie folgt: Gesamtgericht 61, I. Abteilung 60, II. Abteilung §9. Darin sind nicht Inbegriffen die Sitzungen von Präsident und Vizepräsident als Richter in Prämienvollstreckbarkeitssachen und als Einzelrichter. Ausserdem ist eine Reihe von Geschäften auf dem Zirkulationsweg erledigt worden.

B. Besonderes.

Die Statistik weist für das Berichtsjahr 1798 hängig gewesene (464 übertragene und 1334 neueingelaufene), sowie 1248 erledigte Geschäfte auf. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild : I. Unfallversicherung.

Ina Berichtsjahr sind insgesamt 100 Berufungen gemäss Art. 120 ff. OB pendent gewesen (44 übertragene und 56 neueingegangene). Davon sind 61 erledigt und 39 auf das Jahr 1923 übertragen worden. Von den 61 erledigten Berufungen wurden 24 vom Gesamtgericht, 10 von der I. Abteilung, 14 von der II. Abteilung und 13 durch den Vizepräsidenten als Einzelrichter beurteilt, und zwar 29 innerhalb des ersten Halbjahres, 15 innerhalb des zweiten Halbjahres und 17 innerhalb eines längeren Zeitraumes nach ihrem Einlangen. Von den behandelten Berufungen wurden 20 ganz oder teilweise gutgeheissen, 34 abgewiesen, l durch Nichteintreten erledigt und 6 infolge Vergleichs oder Rückzugs vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.

Ì6 dieser Berufungen stammen aus dem Kanton Luzern, 8 aus dem Kanton Bern (wovon 6 aus dem deutschen und 2 aus dem französischen Kantonsteil), 6 aus dem Kanton Genf, 5 aus dem Kanton Tessin, je 4 aus den Kantonen Zürich und St. Gallen, 3 aus dem Kanton Solothurn, je 2 aus den Kantonen Glarus, Baselstadt, Basellandschaft, Aargau und Wallis (letzterer Kanton mit je einer Berufung aus dem deutschen und aus dem französischen Kantonsteil) und endlich je l Berufung aus den Kantonen Nidwaiden, Schaff hausen, Graubünden, Thurgau und Waadt. Nach Nationalsprachen verteilen sie sich also wie folgt : 46 = 76 °/o stammen aus der deutschen, 10 = 16 °/o aus der französischen und 5 = 8 % aus der italienischen Schweiz.

Die Zahl der im Berichtsjahr hängig gewesenen Gesuche um Vollstreckbarerklärung der Prämienforderungen der Schweiz.

Unfallversicherungsanstalt beträgt 433 (32 vom Jahre 1921 übertragene und 401 neueingegangene'). Davon sind 402- erledigt

715 und 31 auf das Jahr 1923 übertragen worden. 380 wurden ganz oder teilweise gutgeheissen, 3 abgewiesen und 19 infolge Rückzugs vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. Die Erledigung erfolgte in 127 Fällen innerhalb des 1., in 116 Fällen innerhalb des 2., in 66 Fällen innerhalb des 3., in 30 Fällen innerhalb des 4., in 51 Fällen innerhalb des 5. Monats und in 12 Fällen innerhalb eines längern Zeitraumes nach Einreichung der Gesuche. Nach den Kreisagenturen, von denen sie gestellt wuïden, verteilen sie sich wie folgt: Luzern 97, St. Gallen 92, Zürich 58, Lausanne 47, La Chaux-de-Fonds 38, Bern 24, Aarau 20, Winterthur 15 und Basel 11. Nach den Nationalsprachen ausgeschieden ergibt sich folgendes Bild: 273 = 68% stammen aus der deutschen, 78 = 19 °/o aus der französischen und 51 = 13 °/o aus der italienischen Schweiz. Ausserdem sind 2 Wiedererwägungsgesuche eingereicht worden, auf welche nicht eingetreten werden konnte.

II. Militärversicherung.

Die Gesamtzahl der im Berichtsjahr hängig gewesenen Berufungen gemäss Art. 55 MVG von 1914 erreicht 1252 (384 übertragene und 868 neueingegangene Geschäfte). Unter den neueingelaufenen Geschäften befinden sich 587 Berufungen gegen Verfügungen des Vertreters des Oberfeldarztes (Militärversicherung), 262 Berufungen gegen Entscheide der Eidg. Pensionskommission, 17 Revisionsgesuche und 2 Erläuterungsgesuche. Erledigt worden sind 777 und auf das Jahr 1923 übertragen 475 Geschäfte. Von den 777 Streitigkeiten wurden durch Urteil 486 erledigt, wovon 93 durch das Gesamtgericht, 144 durch die I. Abteilung, 93 durch die II. Abteilung, 156 durch den Präsidenten als solchen oder als Einzelrichter; durch Abschreibungsbeschluss infolge Rückzugs der Berufung nach erfolgter Aufklärung durch das Gericht oder wegen Vergleichs usw. wurden erledigt 291 Fälle, wovon 107 durch die Abteilungen und 184 durch den Präsidenten. Bei 204 der" durch Urteil des Gesamtgerichts und der Abteilungen, bei 108 der durch Urteil des Einzelrichters und bei 156 der durch Abschreibungsbeschluss erledigten Fälle mussten Beweiserhebungen im Sinne von Art. 134 und 136 OB vorgenommen wenden. Die Zahl der in diesen Fällen abgehörten Parteien und Zeugen beträgt 600, die Zahl der angeordneten Expertisen 161, worunter 159 medizinische. Ganz oder teilweise gutgeheissen wurden 215, abgewiesen 221, durch Nichteintreten erledigt 50 Fälle. Innerhalb des 1. Monats nach ihrem Einlangen wurden 57, innerhalb dès 2. Monats 86, innerhalb

716 des 3. Monats 105, innerhalb des 4. Monats 103, innerhalb des 5. Monats 66, innerhalb des 6. Monats 44, innerhalb des 7. Monats 57, innerhalb des 8. Monats 35, innerhalb des 9, Monats 42, innerhalb des vierten Quartals 82, innerhalb des dritten Halbjahres 70 und innerhalb eines längern Zeitraumes 30 Geschäfte erledigt. Nach den Nationalsprachen verteilen sich die erledigten Militärversicherungsstreitigkeiten wie folgt: 533 = 69 °/o stammen aus der deutschen, 166 = 21 °/o aus der französischen und 78 = 10 °/o aus der italienischen Schweiz.

III. Personalversicherung.

Im Berichtsjahr sind 3 Streitigkeiten gemäss Art. 7, Abs. 2, Bundesgesetz über die Versicherungskasse der Bundesverwaltung beim Eidg. Versicherungsgericht hängig gewesen (l vom Jahre 1921 übertragene und 2 neueingegangene). Erledigt worden sind 2 Streitigkeiten, wovon die eine durch Abweisung der Klage und die andere durch Abschreibung der Sache infolge Vergleichs.

Ausserdem ist gegen Ende des Jahres dem Gericht noch eine Streitigkeit zwischen einem Angestellten der Bernischen Kraftwerke und der Pensions- und Hilfskasse dieser Werke zu schiedsgerichtlicher Beurteilung unterbreitet worden.

IV. Beschwerden.

Endlich sind 7 Beschwerden pendent gewesen (3 übertragene und 4 neu dazugekommene), welche sich gegen Anwälte richten und deren Kostenrechnungen oder Mandatsausübung überhaupt betreffen. Erledigt wurden 4 dieser Beschwerden, und zwar 2 durch Gutheissung und 2 durch Abweisung.

Genehmigen Sie, hochgeachteter Herr Präsident, hochgeachtete Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

L u z e r n , den 26. Februar

1923.

Im Namen des Eidg. Versicherungsgerichts, Der Präsident:

Albisser.

Der Gerichtsschreiber: Lauber.

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