No 1

J

Bundesblatt

75. Jahrgang.

Bern, den 3. Januar 1923.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 2O Franken im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli £ de. in Bern.

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1694

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die dritte Session der Völkerbundsversammlung.

(Tom 22. Dezember 1922.)

I.

Einleitung.

Die dritte ordentliche Tagung der Völkerbundsversammlung wurde, in Übereinstimmung mit einer Vorschrift der Geschäftsordnung, die sich die Versammlung im Dezember 1920 gegeben hatte, auf den ersten Montag des Monats September dieses Jahres nach Genf einberufen Die vorläufige Tagesordnung dieser Session wurde den Mitgliedern des Völkerbundes im Monat Mai -in den Umrissen bekanntgegeben. Sie enthielt der Zahl nach weniger Traktanden als die Verhandlungsprogramme der Tagungen von 1920 und 1921. Dies lag zumal darin begründet, dass in den beiden ersten Sessionen der Versammlung der Ausbau der rechtlichen Grundlagen der Völkerbundsinstitutionen bereits soweit gediehen war, dass für die nächste Zukunft weniger Beschlüsse organisatorischen Charakters geboten schienen. Es konnte somit von Anfang an eine kürzere Dauer der dritten Tagung ins Auge gefasst werden. Anderseits stand die Wichtigkeit der Session vom September 1922 ausser Frage. Denn angesichts der verwickelten politischen Verhältnisse des europäischen Kontinents «chien es unabweislich, dass einzelne der gegenwärtig einer Lösung harrenden Probleme in den Kreis der Betrachtungen des Völkerbundes gezogen würden.

Am 7. Juli bestellte der Bundesrat die Vertretung der Eidgenossenschaft bei der. Dritten Völkerbundsversammlung.

*) Oie Bestimmungen dieser Geschäftsordnung sind im Anhange zum Berichte des Bundesrates vom 19. Dezember 1921 über die zweite Session der Völkerbundsversammlung abgedruckt. Bundesbl. 1921, V, 527.

Bundesblatt, 75. Jahrg. Bd. I.

l

Er bezeichnete als Delegierte, wie in den Jahren J92O und 1921, den Chef des Politischen Departements, Herrn Bundesrat M o t t a , Herrn alt Bundesrat A d o r und Herrn Ständerat U s t e r i . An Stelle von Herrn Professor Dr. Max Hu b e r , der nach seiner Wahl in den Ständigen Internationalen Gerichtshof als Mitglied der Delegation zurückgetreten war, wurde Herr Nationalrat Dr. Robert F o r r e r als Ersatzdelegierter ausersehen.

Ferner wurde Herr Professor Dr. Walter B u r c k h a r d t als Rechtsberater der Abordnung bezeichnet.

Die in der provisorischen Tagesordnung erwähnten Verhandlungsgegenstände wurden, ebenso wie in früheren Jahren, nach vorläufiger Prüfung durch das Politische Departement in einer gemeinsamen Konferenz der bundesrätlichen Delegation für auswärtige Angelegenheiten und der schweizerischen Delegation bei der Versammlung durchberaten. Auf der Grundlage dieser Erörterungen setzte der Bundesrat in seiner Sitzung vom 1. September die Instruktionen für die schweizerische Abordnung fest.

Über die einzelnen Geschäfte selbst liess sich allerdings in jenem Augenblicke nur teilweise ein abschliessendes Urteil gewinnen, da die Berichte der verschiedenen technischen Organisationen über ihre Wirksamkeit seit der letzten Session der Völkerbundsversammlung noch nicht insgesamt vorlagen und auch die Schlussfblgerungen mehrerer Expertenkommissionen, die vom Völkerbundsrat auf Grund von früheren Resolutionen der Versammlung eingesetzt worden waren, noch nicht bekannt waren.

Infolgedessen beschränkten sich die bundesrätlichen Instruktionen in der Hauptsache auch auf die Aufstellung von Leitlinien für die Haltung der schweizerischen Delegation und behielten in manchen Punkten ergänzende Entschlüsse des Bundesrates vor.

Soweit die Grundsätze der Politik der Schweiz im Rahmen des Völkerbundes in Frage standen, war es gegeben, däss die der Delegation im Vorjahre erteilten Instruktionen im wesentlichen bestätigt wurden. Dies musste namentlich für die Stellungnahme gegenüber den politischen Angelegenheiten Geltung haben,, die in den Geschäftsbereich des Völkerbundsrates fielen und über die auch der Rat Bericht erstattete. Ebenso war zum vornherein, der Standpunkt der Vertreter der Eidgenossenschaft gegenüber den Gesuchen aller anerkannten Staaten um Aufnahme in den Völkerbund klar. Allerdings
war eine beträchtliche Erweiterung des Kreises der Völkerbundsmitglieder in dieser Session nicht zu · erwarten, da ein Aufnahmebegehren bloss von Seiten U n g a r n s vorlag.

3

Es stand nicht zu erwarten, dass die Frage einer Verlegung des V ö l k e r b u n d s s i t z e s , die in der Session des Jahres 1921 aus Erwägungen vorab finanzieller Natur als eine Möglichkeit hingestellt worden war, während der Dritten Versammlung zu grundsätzlichen Debatten Anlass geben würde. Die Völkerbundsversammlung hatte ja am Schlüsse ihrer zweiten Tagung ausdrücklich festgestellt, dass die Wahl des Völkerbundssitzes nicht von finanziellen Motiven, sondern von andern Erwägungen höherer Art bestimmt sein müsse. Anderseits gab die Feststellung, dass die Dienstzweige des Internationalen Arbeitsamtes einer andern Unterkunftsmöglichkeit dringend bedurften, der finanziellen Kontrollkommission des Völkerbundes in ihrem Bericht an die Dritte Versammlung zur Erklärung Anlass, dass zuvor über die dauernde Beibehaltung des Bundessitzes in Genf Beschluss gefasst werden müsse. Diese Tatsache musste in den Instruktionen der schweizerischen Delegation Berücksichtigung finden.

Da ausser den ursprünglich auf der T a g e s o r d n u n g verzeichneten Fragen fortlaufend weitere Probleme von. Völkerbundsmitgliedern zur Behandlung angemeldet wurden und denselben zum Teil eine grosse politische Tragweite zukam (wie namentlich der Prüfung der Möglichkeit einer Wiederaufrichtung Österreichs), wurde vorgesehen, dass die Delegation für eine materielle Behandlung dieser Geschäfte während der Session eintreten solle.

Ebenso wie in der Session des Jahres 1921 sollte an der dritten Tagung der Versammlung die Frage der A b ä n d e r u n g des V ö l k e r b u n d s p a k t e s zur Sprache kommen. Auf Grund von ausdrücklichen Resolutionen der Zweiten Völkerbundsversammlung war die Beschlussfassung über Streichung oder Abänderung des Artikels 10 sowie über Revision oder Auslegung des Artikels 18 auf die dritte Session zurückgestellt worden. Zu beiden Punkten waren den schweizerischen Delegierten im Vorjahr Instruktionen erteilt worden, deren Inhalt im wesentlichen bestätigt werden konnte.

Eine besondere Expertenkommission war gemäss eines weiteren Beschlusses der Zweiten Versammlung eingesetzt worden, um die Frage der Ausgestaltung des V e r g l e i c h s v e r f a h r e n s im Völkerbunde zu prüfen. Diese Kommission legte der Dritten Versammlung den Entwurf einer Resolution vor, die in wesentlichen Teilen Vorschlägen
entsprach, die bei früheren Gelegenheiten von schweizerischer Seite gemacht worden waren. Auf die Einzelheiten dieser Resolution, die die volle Zustimmung der schweizerischen Vertreter finden konnte, soll im folgenden näher eingegangen werden.

Im Zusammenhange rnit der Frage der Abänderung des Völkerbundspaktes stand die N e u o r d n u n g der K o s t e n v e r t e i l u n g unter den Bundesmitgliedern. Die Zweite Völkerbundsvorsammlung hatte einer Abänderung des Artikels 6 zugestimmt, derzufolge die Festsetzung der Verteilungsskala in die ausschliessliche Kompetenz der Versammlung gelegt worden wäre. Gleichzeitig wurde ein vorläufiger Verteilungsmodus in Aussicht genommen, der für die Schweiz eine Verminderung ihres Beitrages um zirka 64 °/o bedeutet hätte. Entgegen der ursprünglich gehegten Erwartung konnte jedoch dieser Schlüssel nicht in Kraft gesetzt werden, da die erforderliche Anzahl von Ratifikationen der vorgeseheneu Abänderung des Paktes seitens der einzelnen Staaten nicht erhältlich war. Vor Beginn der Sessioti des Jahres 1922 hatte nun eine Expertenkommission des Völkerbundes den Entwurf einer neuen Verteilungstabelle ausgearbeitet, der Aussicht auf Annahme seitens der Regierungen namentlich auch der im Völkerbundsratc vertretenen Staaten bot. Dieser Entwurf sah allerdings eine nicht unbeträchtliche Erhöhung der Beitragsquote der Schweiz gegenüber der von der zweiten Versammlung genehmigten Skala vor. Angesichts der dringenden Notwendigkeit einer Regelung, die dei' Billigkeit mehr entspricht als das im Pakt ursprünglich festgelegte System des Weltpostvereins, glaubte der Bundesrat zu dieser Lösung die Hand bieten zu sollen.

Einen ziemlich beträchtlichen Raum beanspruchten in der Tagesordnung der Dritten Völkerbundsversammlung die Berichte über die Tätigkeit der t e c h n i s c h e n O r g a n i s a t i o n e n des V ö l k e r b u n d e s (Provisorische Wirtschafts- und Finanzkomrnission, Beratende technische Kommission für Verkehrs- und Transitfragen und Hygieneorganisation), die als ständige beratende Instanzen der politischen Organe des Bundes fungieren.

Daneben war vorgesehen, dass die Versammlung eine Anzahl besonderer Berichte über die humanitären Fragen, denen sich der Völkerbund zugewandt hatte (Kampf gegen den Frauen- und Kinderhandel, Lage der russischen Flüchtlinge, Bekämpfung des Opiumhandels), entgegennehmen würde. Zu mehreren dieser Probleme hatte der Bundesrat in den Monaten vor der Versammlung Stellung genommen, so dass die Haltung der Delegation vielfach bereits umschrieben war.

Die mannigfaltigen Aufgaben,
deren Durchführung der Völkerbund übernommen hatte, bewirkten ein beträchtliches Anwachsen des B u d g e t s , das vom Rate für das Jahr 1923 auf zirka 25 Millionen Franken veranschlagt wurde. Um diese Ausgaben in angemessenen Grenzen zu halten, war der Bundesrat der Ansicht,

class die Dienstzweige der Völkerbundsverwaltung nicht ohne gewichtige Gründe erweitert werden sollten.

Eines der politisch wichtigsten Probleme, die auf der Traktandenliste verzeichnet waren, bildete unstreitig die Frage der R ü s t u n g s b e s c h r ä n k u n g , wenn auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen beträchtliche positive Ergebnisse kaum unmittelbar erhofft werden konnten. Immerhin hatte sich seit der zweiten Tagung der Versammlung die Erkenntnis der unumgänglichen Notwendigkeit Bahn gebrochen, den in Artikel 8 des Paktes vorgezeichneten Weg ernstlich zu begehen. Die Tätigkeit der beratenden Instanzen des Völkerbundsrates (Ständige Kommission für militärische, maritime und aviatische Fragen und Gemischte Kommission für die Rüstungsbeschränkung) vor der Dritten Versammlung hatte ausschliesslich vorbereitenden Charakter und beschränkte sich vielfach auf die Zusammenstellung von Erhebungen. Hinsichtlich der Abrüstung zu Lande war auch von der Konferenz von Washington, die von der Regierung der amerikanischen Union einberufen worden war, kein neuer Impuls ausgegangen. Es war angesichts der traditionellen Haltung der Schweiz offensichtlich, dass ihre Vertreter beim Völkerbunde für die praktische Verwirklichung des Abrüstungsgedankens eintreten würden. Da jedoch zu Beginn der Session bestimmte Vorschläge noch nicht vorlagen, erhielt die Delegation den weiteren Auftrag, vor ihrei1 Stellungnahme zu den einzelnen geplanten Beschlüssen mit dem Bundesrat in Fühlung zu bleiben.

Am Schlüsse der Tagesordnung der Versammlung wurde die W a h l d e r n i c h t s t ä n d i g e n M i t g l i e d e r des V ö l k e r b u n d s r a t e s aufgeführt. Die Zweite Völkerbundsversammlung hatte darauf verzichtet, eine im voraus bestimmte feste Ordnung der Rotation der Staaten in der Vertretung im Rate einzuführen.

In einer ihrer letzten Sitzungen der Session von 1921 hatte jedoch die Versammlung eine Resolution des Inhalts genehmigt, dass in Zukunft die Wahlen nach einem Rotationssystem und für bestimmte Perioden erfolgen sollten und dass bei der Wahl von 1922 auf die ungleiche Dauer der bisherigen Zugehörigkeit der verschiedenen Mitglieder zum Rate Rücksicht genommen werde.

Der Bundesrat war der Ansicht, dass die schweizerische Delegation für die baldige Verwirklichung eines Rotationssystems eintreten
solle. Gleichzeitig trug er in den Instruktionen der von der Versammlung bereits besprochenen Möglichkeit einer Erhöhung der Mitgliederzahl des Rates Rechnung.

Eine Frage, die ebenfalls in den Instruktionen Berücksichtigung fand, war die der Wahl des P r ä s i d e n t e n der D r i t t e n

V ö l k e r b u n d s v er s ara m l u n g. Wenn auch vor der Session bestimmte Kandidaturen noch nicht aufgestellt waren, so zeichnete sich doch bereits die berechtigte Tendenz ab, den Vorsitz der Versammlung von 1922 einem Vertreter des amerikanischen Kontinents vorzubehalten.

Der vollständige Wortlaut der vom Bundesrat am 1. September genehmigten Instruktionen ist folgender: ,,1. Die der schweizerischen Delegation an der II. Völkerbundsversammlung am 2. September 1921 erteilten Instruktionen werden, soweit sie auf die Grundsätze der schweizerischen Völkerbundspolitik Bezug haben oder Angelegenheiten berühren, die in der Session von 1922 aufs neue zur Erörterung stehen, bestätigt.

2. Die schweizerische Delegation wird bei passender Gelegenheit die Aufmerksamkeit der Versammlung auf die Notwendigkeit hinlenken, dass der Völkerbund auch die Fragen verfolge, die auf die ausserordentlich ernste wirtschaftliche und politische Lage Europas Bezug haben. Da diese Probleme in ihren Rückwirkungen alle Staaten Europas aufs tiefste in Mitleidenschaft ziehen, sollte sich der Völkerbund selbst dann mit ihnen befassen dürfen, wenn damit Bestimmungen der Friedensverträge berührt würden.

3. Hinsichtlich der Wahl des'Präsidenten der III. Völkerbundsversammlung werden der Delegation keine bindenden Instruktionen erteilt. Sie kann jedoch insbesondere einer Nomination ihre Zustimmung geben, welche die Beziehungen des amerikanischen Kontinents zum Völkerbund zu fördern geeignet scheint.

4. Bei Festsetzung der Geschäftsordnung der Session wird sich die Delegation für die Behandlung der von Mitgliedstaaten bisher angemeldeten Traktanden einsetzen. Sie wird ganz besonders für eine Erörterung der Frage der Hilfeleistung für Österreich eintreten. Was die Behandlung des österreichischen Problems in sachlicher Hinsicht anbelangt, so wird die Delegation nach Abklärung der Lage vom Bundesrate besondere Instruktionen einholen.

5. Die Delegation wird bei der Beratung des Geschäftsberichtes des Rates und des Generalsekretariates grundsätzlich aufs neue dahin wirken, dass die Interventionen des-Völkerbundes in allen durch die Friedensverträge vorgesehenen Angelegenheiten unter Wahrung eines Verfahrens zu erfolgen

îiaben, das Gewähr für volle Unparteilichkeit bietet. Sie wird jedoch hinsichtlich derjenigen Geschäfte im allgemeinen Zurückhaltung üben, über die bloss die im Rate vertretenen Staaten ·sich ein erschöpfendes Urteil zu bilden und ihren Standpunkt .zur Geltung zu bringen in der Lage sind und für die diese Mächte infolgedessen auch vor allem die moralische und rechtliche Verantwortung übernehmen müssen.

6. Die der schweizerischen Delegation anlässlich der II. Völkerbundsversammlung erteilten Instruktionen über die -Stellungnahme zur Frage der Streichung oder Abänderung des Artikels 10 des Paktes werden bestätigt.

Die Delegation wird auch aufs neue Anträge bekämpfen, welche das in Artikel 18 des Völkerbundsvertrages niedergelegte Prinzip der Unverbindlichkeit geheimer Verträge abschwächen könnten ; sie wird auf alle Fälle sich einer Regelung widersetzen, die andere als rein technische und administrative Abmachungen der Fertigungspflicht entziehen würden.

Die der Versammlung unterbreiteten Vorschläge über Ausgestaltung des Vergleichsverfahrens im Völkerbunde, die auch im Sinne schweizerischer Anträge abgefasst sind, wird die schweizerische Delegation unterstützen.

7. Gemäss den Grundsätzen, welche für die Schweiz seit ihrem Beitritte zum Völkerbunde massgebend waren, wird die schweizerische Delegation für die Aufnahme der von der Eidgenossenschaft anerkannten Staaten, die ein Aufnahmegesuch stellen, eintreten. Das Aufnahmeverfahren selbst sollte im Geiste der Universalität des Völkerbundes möglichst weitherzig .gestaltet werden.

8. Die schweizerische Delegation wird im Sinne der bisherigen Erklärungen des Bundesrates zur Frage der Abrüstung Vorschläge für die Verwirklichung einer Rüstungsbeschränkung im Völkerbund unterstützen. In bezug auf die einzelnen militärischen Angelegenheiten wird die Delegation vor ihrer Stellungnahme dem Bundesrate berichten und Antrag stellen.

9. Für die Erörterung der Frage des Völkerbundssitzes bleiben die gleichen Grundsätze massgebend, welche die Haltung ·der schweizerischen Delegation an der II. Versammlung be·stimmten. Die Delegation wird gegebenenfalls darüber eine Erklärung abgeben, in welchem Umfange die Eidgenossenschaft, sowie Kanton und Stadt Genf, sich an den Ausgaben des

Völkerbundes für die Erstellung von Gebäulichkeiten für dieVersammlung und für das Internationale Arbeitsamt beteiligenkönnten.

10. In den Beratungen über die Tätigkeit der verschiedenen technischen Organisationen des Völkerbundes wird die Delegation grundsätzlich im Sinne der Gutachten der einschlägigen Departemente Stellung nehmen, unter Vorbehalt besonderer Anträge, die je nach der Entwicklung der Dinge dem Bundesrate zu unterbreiten wären.

Ebenso wird die Delegation bei Behandlung der verschiedenen, auf der Tagesordnung verzeichneten humanitären Aktionen des Völkerbundes und sonstigen Problemen besonderer Art (Frage des Esperanto-Unterrichtes usw.) verfahren.

11. Hinsichtlich der noch ungelösten Frage der Neuordnung der Kostenverteilung im Völkerbunde kann die Delegation; den von der Expertenkommission des Rates formulierten transaktionellen Vorschlag eines neuen Verteilers zustimmen. Siewird jedoch mit Nachdruck auf die Notwendigkeit der baldigen; Anwendung einer neuen Verteilungsart hinweisen und insbesondere dahin wirken, dass die von der II. VersammluDg: genehmigte Abänderung der einschlägigen grundsätzlichen, Bestimmung des Paktes in naher Zukunft in Kraft trete.

12. Bei Beratung des Budgets für das Jahr 1923 wird' die Delegation die Notwendigkeit betonen, die Dienstzweigedes Generalsekretariates und der dem Völkerbund angegliederten Organisationen nicht ohne ganz gewichtige Gründe noch mehr zu erweitern und den Wunsch aussprechen, dass allfällig neu erwachsende Aufgaben wenn möglich von dem bereits vorhandenen Personal bewältigt werden.

13. Hinsichtlich der Wahlen in den Rat des Völkerbundes; wird die Delegation für eine sofortige Verwirklichung eine& Systems des regelmässigen Wechsels der nichtständigen Mitglieder des Rates eintreten. Dieses System soll schon, bei der Wahl von 1922 Anwendung finden, damit eine partielle Erneuerung des Rates bereits auf Beginn des Jahres 1923 eintritt.

Einer Vermehrung der permanenten Sitze.im Rate des Völkerbundes durch Einbeziehung weiterer gegenwärtig dem Völkerbund angehörenden Staaten wird sich die Delegation widersetzen..

Sollte die Frage der Erhöhung der Zahl der nichtständigen Mitglieder des Rates Gestalt annehmen, so wird die Delegation!

vom Bundesrate weitere Instruktionen einholen.ct

o,

II.

Die Stellungnahme der Versammlung zur Tätigkeit des Völkerbundsrates.

Die Session der Versammlung wurde am Vormittag des 4. September vom ersten Delegierten Brasiliens, Herrn d a G a m a, als letzten amtenden Präsidenten des Völkerbundsrates eröffnet.

Fünfundvierzig Staaten von den einundfünfzig Mitgliedern, dieder Völkerbund zählte, waren vertreten. Sechs Staaten, die alle dem amerikanischen Kontinent angehören, hatten keine Delegierte zur Versammlung entsandt: Argentinien, das am 5. Dezember 1920 seine Delegation von der ersten Tagung der Versammlung zurückgezogen hatte, und ferner Bolivien, Honduras, Nicaragua, Peru und Salvador.

Nachdem die Versammlung zunächst, gemäss der Vorschrift ihrer Geschäftsordnung, eine Kommission zur Prüfung der Vollmachten bestellt hatte, wählte sie in der Nachmittagssitzung des Eröffnungstages ihren Präsidenten. Sie gab entschlossen dem Willen Ausdruck, der auch vom schweizerischen Bundesrat erwartet und erwünscht worden war, die Ehre des Vorsitzes ihrer dritten Session dem amerikanischen Kontinent zuteil werden zu lassen, und wählte nahezu einmütig den ersten Delegierten Chile's, Herrn Agustin E d w a r d s .

Noch am Nachmittag des gleichen Tages vollzog die Versammlung ihre G l i e d e r u n g in K o m m i s s i o n e n und erteilte der vorgeschlagenen T a g e s o r d n u n g ihre Genehmigung. Wie in den vorhergehenden Tagungen, wurden auf Vorschlag des Präsidenten sechs Kommissionen gebildet, an deren Sitzungen alle Staaten jeweils durch einen Delegierten vertreten sein sollten und diegesondert über die verschiedenen zur Diskussion stehenden Fragenkomplexe Bericht erstatteten. Um eine fortlaufende Anteilnahme an den Beratungen aller Kommissionen -- von denen gewöhnlich mehrere gleichzeitig tagten -- sicherzustellen, beschloss die schweizerische Delegation, für jeden Ausschuss die Namen zweier ihrer Mitglieder zur Anmeldung zu bringen.

Eine e r s t e K o m m i s s i o n erhielt, ähnlich wie in den Jahren 1920 und 1921, die Aufgabe, die zur Behandlung stehenden O r g a n i s a t i o n s - u n d V e r f a s s u n g s f r a g e n z u prüfen. Sie bezeichnete als ihren Vorsitzenden den ersten Delegierten Italiens, Herrn S c i a l o j a, der bereits das Präsidium des entsprechenden Ausschusses der Zweiten Versammlung bekleidet hatte. Die Schweiz war in dieser Kommission durch Herrn Bun-

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desrat M o t t a vertreten; neben ihm wirkte Herr Professor B u r c k h a r d t als Stellvertreter.

Die z w e i t e K o m m i s s i o n , die unter dem Vorsitz des polnischen Delegierten, Herrn C ho d z ko, stand, hatte den Auftrag, das Werk der t e c h n i s c h e n O r g a n i s a t i o n e n des Völkerbundes seit der zweiten Session der Versammlung zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten. Die Vertretung der schweizerischen Delegation in dieser Kommission übernahm Herr Ständerat U s t e r i und, im Falle von dessen Verhinderung, Herr alt Bundesrat Ad o r.

Im d r i t t e n A u s s c h u s s , der vom kubanischen Delegierten, Herrn Cosme de la Tor r i e n t e , präsidiert wurde, sollte tiber das Problem der R ü s t u n g s b e s c h r ä n k u n g e n verhandelt werden. Herr Nationalrat F o r r e r, sowie Herr Prof. B u r c k h a r d t als Suppléant, nahmen an den Verhandlungen dieser Kommission namens der Schweiz teil.

Wie im vorhergehenden Jahre, hatte die v i e r t e K o m m i s s i o n der Versammlung das Mandat, die mit der inneren Organisation der Dienstzweige des Völkerbundes in Zusammenhang .stehenden Fragen sowie das Budget für das Jahr 1923 durch.zuberaten. Der Chef der dänischen Delegation, Herr Z a h l e , wurde zum Präsidenten dieses Ausschusses gewählt. Schweizerisches Mitglied der vierten Kommission war Herr Ständerat U s t e r i , als dessen Stellvertreter Herr Nationalrat F o r r e r bezeichnet wurde.

Der Tätigkeitsbereich des f ü n f t e n A u s s c h u s s e s , der sich unter dem Vorsitz des kanadischen Delegierten, Herrn Fielding, .konstituierte, erstreckte sich auf die Prüfung der humanitären Aufgaben, die der Völkerbund auf sich genommen hatte und die, «wie bereits bemerkt, in der Tagesordnung der dritten Session einen beträchtlichen Raum einnahmen. Die Vertretung der Schweiz in dieser Kommission übernahm Herr alt Bundesrat Ad o r.

Als weiterer Delegierter war auch für diese Kommission Herr Nationalrat F o r r er in Aussicht genommen.

Die s e c h s t e K o m m i s s i o n der Dritten Versammlung sollte sich, ebenso wie der entsprechende Ausschuss der vorhergehenden Session, ausschliesslich mit Fragen p o l i t i s c h e n C h a r a k t e r s -- insbesondere mit der Aufnahme neuer Völkerbundsmitglieder -- befassen. Der Vorsitz wurde hier dem ersten Delegierten der Niederlande, Jonkheer J. L o u d o n , übertragen.

Herr Bundesrat M o t t a vertrat regelmässig die Schweiz in dieser

11 Kommission : au seiner Stelle sollte gegebenenfalls Herr Stäuderat U s t e r i an ihren Beratungen teilnehmen.

Die ausserordentlich rasche Bildung der Kommissionen ermöglichte es der Versammlung, bereits am zweiten Sitzungstage mit der Behandlung der materiellen Geschäfte zu beginnen. Dies war nur dank .der Erfahrungen möglich, die anlässlich der beiden ·ersten Sessionen gesammelt worden waren und zur Entwicklung einer Art parlamentarischer, der Völkerbundsversammlung eigentümlicher Gepflogenheiten geführt hatten. Anderseits wurde die beschleunigte Gliederung der Versammlung durch die Tatsache erleichtert, dass sehr zahlreiche Delegierte an früheren Sessionen ihre Staaten aufs neue vertraten und somit eine in der organisatorischen Anfangsperiode des Völkerbundes wertvolle Kontinuität in Verfahrensfragen gesichert war. Die Bezeichnung der sechs Kommissionen, welche die verschiedenen Fragenkomplexe juristischer, politischer, humanitärer und anderer Art voneinander geschieden betrachten, hat sich durchaus bewährt und dürfte zu einer dauernden Einrichtung der Versammlungen werden.

Anlässlich der zweiten Session hatten sich mehrfache Konflikte über die Frage entsponnen, ob einzelne der von Mitgliedstaaten zur Anmeldung gebrachten Verhandlungsgegenstände tatsächlich der Tagesordnung einverleibt werden sollten*.) In Voraussicht ähnlicher Diskussionen im September 1922 hatte der Bundesrat die schweizerische Delegation beauftragt, für die materielle Behandlung der vor Beginn der Session angemeldeten Traktanden einzutreten **). Um nicht die Arbeiten des Plenums durch die längern Tagesordnungsdebatten zu verzögern, stimmte die Versammlung einem Vorschlage des Präsidenten zu, demzufolge ein fünfgliedriger Ausschuss das Mandat erhalten sollte, über die Frage der Behandlung 'Strittiger Traktanden Bericht zu erstatten und auch zur Aufnahme während der Session angemeldeter Fragen Stellung zu nehmen. Auch die Bildung dieser Kommission hat sich als durchaus zweckmässig erwiesen und dürfte ebenfalls für kommende Sessionen wegleitend sein.

Nach dem Wortlaut des Artikels 7 der Geschäftsordnung fungierten die Präsidenten der allgemeinen Kommissionen von Rechts wegen als Vizepräsidenten der Versammlung. Daneben *) Vgl. den Bericht des Bundesrates über dio zweite Session der Yülkerbundsversammlung. Buudesbl. 1921, V, 497.

**1 Punkt 4 der Instruktionen s. oben S. (i.

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wurden sechs weitere Vizepräsidenten vorn Plenum direkt gewählt. Die Dritte Versammlung vollzog diesen letzteren Wahlakt erst am 6. September. Bezeichnet wurde der grossbritannische Delegierte Lord B a l f o u r , Graf G r i m e n o (Spanion), Herr H a n o t a u x (Frankreich), Herr Teixeira G-ome°s (Portugal), Herr N i n t c h i t c h, Vertreter des serbisch-kroatisch- slo wenischen Staates, und der schwedische Delegierte Herr B r a n ti n g. Das aus Präsident und Vizepräsidenten bestehende B u r e a u der Ver-sammlung trat während der dritten Tagung häufiger als in den vorhergehenden Sessionen zur Festsetzung der Reihenfolge in der Behandlung der Geschäfte zusammen.

Die erste Woche der Verhandlungen des Plenums der V e rs a m m l u n g wurden durch die Beratungen über den allgemeinen Bericht ausgefüllt, in dem über die T ä t i g k e i t des R a t e s u n d des G e n e r a l s e k r e t a r i a t e s d e s V ö l k e r b u n d e s seit der Tagung des Jahres 1921 referiert wurde. Dieses umfangreiche Dokument, das allerdings leider erst unmittelbar vor der Session zur Verteilung unter den Mitgliedstaaten gelangte, gab einen Überblick über die gesamte Wirksamkeit des Rates auf politischen^ organisatorischem und humanitärem Gebiete. Es bot wiederum den Anlass zu einer Aussprache unter den Völkerbundsmitgliedern,, namentlich den nicht im Rate vertretenen, über die Politik des.

Völkerbundes im allgemeinen. Es wurden der Reihe nach die Entscheidungen berührt, die der Völkerbundsrat seit Ende der zweiten Session getroffen hatte. So wurden die Beschlüsse in der oberschlesischen Frage, über den in Albanien ausgebrochenen Konflikt betreuend die Mandate, sowie hinsichtlich der in der Aalandfrage abgeschlossenen Verhandlungen hervorgehoben. Auch die zur Bekämpfung der Epidemien im Osten getroffenen Massnahmen, sowie die heiklen Fragen der Stellungnahme des Rates in den Gebieten, deren Verwaltung durch den Friedensvertrag zum Teil unter die Aufsicht des Völkerbundes gestellt wurde, fanden Erwähnung. Im weiteren Verlaufe der Beratungen wurde mehrfach geltend gemacht, dass der Völkerbundsrat weiterhin erhöhte Anstrengungen machen sollte, um der eigentlichsten Aufgabe des.

Völkerbundes, der Bewahrung und Herstellung des Friedens,, naoh Möglichkeit gerecht zu werden.

In Ausführung der bundesrätlichen Instruktionen
ergriff Herr Bundesrat M o t t a in der Vormittagssitzung des 7. September das Wort, um den grundsätzlichen Standpunkt der schweizerischen Delegation zu den zur Beratung stehenden Fragen zu entwickeln.

Er führte aus, dass die Kompetenzen von Rat und Versammlung-

13 prinzipiell voneinander geschieden sein müssten, dass es sieh infolgedessen nicht darum handeln könne, den Geschäftsbericht des Volkerbundsrates zu genehmigen oder abzulehnen. Da der Völkerbundsrat für die von ihm beschlossenen Massnahmen die ausschliessliche Verantwortung trage, könne es der Versammlung im allseitigen Interesse nicht obliegen, zu ' allen Einzelheiten der Tätigkeit des Rates Stellung zu nehmen. Zu den wichtigsten Problemen der Stunde übergehend, die einer Lösung durch den Völkerbund harren, betont der Sprecher der schweizerischen Delegation, dass der Völkerbund den Erschütterungen der Politik und Wirtschaft gegenüber sich nicht passiv verhalten dürfe, um sich nicht dem Vorwurf der Machtlosigkeit auszusetzen. Anknüpfend an eine Erklärung, die er bereits in der Session von 1920 abgegeben hatte, berührte Herr Bundesrat Motta sodann -das Verhältnis des Völkerbundes zu den Fragen, die in den Friedensverträgen eine Regelung gefunden haben. Trotzdem an und für sich, diese Probleme nicht vor das Forum des Völkerbundes gehören, berühren sie vielfach in ihren Rückwirkungen die Interessen der an den Verträgen unbeteiligten Bundesmitglieder. Es rechtfertige sich daher, dass der Völkerbund diese Fragen -- unter denen Herr Bundesrat Motta insbesondere diejenige des Kurssturzes der Mark erwähnte -- seine Aufmerksamkeit zuwende.

In seinen Äusserungen zum Bericht über die Tätigkeit des Rates und des Generalsekretariates hob der Chef der schweizerischen Delegation gemäss den Instruktionen des Bundesrates mit besonderem Nachdrucke die Wichtigkeit einer umfassenden und sofortigen Prüfung des Problems der W i e d e r a u f r i c h t ung Ö s t e r r e i c h s durch den Völkerbund hervor. Über die Beratungen im Plenum der Versammlung zu dieser für unser Land ·ausserordentlich bedeutsamen Frage hat der Bundesrat den eidgenössischen Räten bereits in seiner Botschaft vom 1. Dezember 1922 betreffend die finanzielle Beteiligung der Schweiz an der Wiederaufricbtung Österreichs Bericht erstattet. Wenn auch die Versammlung als solche nicht dazu berufen war, den Plan des Wiederherstellungswerkes auszuarbeiten, sondern diese Aufgabe dem Völkerbund oblag, so war doch die Tatsache, dass sie während der Dauer der Verhandlungen über die österreichische Frage tagte und über dieselbe fortlaufend unterrichtet werden konnte; von weitgehender Bedeutung für die Vorbereitung dieses Werkes.

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III.

Politische Beschlüsse der Versammlung.

Anlässlich der allgemeinen Debatte über den Geschäftsbericht; des Rates und des Generalsekretariates gelangte naturgemäss nur ein Teil der politischen Fragen zur Erörterung, mit deren Untersuchung sich der Völkerbund befasst. Die Versammlung hat während ihrer dritten Tagung von sich aus eine Reihe politischer E n t s c h e i d u n g e n getroffen, deren Tragweite zum Teil beträchtlich ist. Wie bereits erwähnt, war es Aufgabe der sechstenK o m m i s s i o n der Versammlung, diese Frage einer vorläufigen Prüfung zu unterziehen und dem Plenum ihre Schlussfolgerungen vorzulegen.

Die erste Aufgabe dieses Ausschusses bestand in einer Berichterstattung über das A u f n a h m e b e g e h r e n , das Ungarn gemäss Artikel l des Paktes an die Versammlung gerichtet hatte. Bekanntlich hatte Ungarn bereits anlässlich der Zweiten Völkerbundsversammlung den Wunsch bekannt gegeben, in den Völkerbund einzutreten, nachträglich jedoch sein Gesuch zurückgezogen,, als über die Frage des Burgenlandes ein Konflikt mit Österreich ausbrach, der das Aufnahmeverfahren zu erschweren drohte. Im Einverständnis mit der ungarischen Regierung war damals das Aufnahmegesuch vorläufig zurückgezogen und auf die Tagesordnung der Session von 1922 gesetzt worden*)- Die sechste Kommission der Dritten Versammlung bestellte nun zunächst einen siebengliedrigen Unterausschuss, der das Mandat erhielt, den von der ungarischen Regierung delegierten Minister des Äussern, Graf B a n f f y , anzuhören und Anträge auszuarbeiten.

Im Schosse dieses Subkomitees wirkte Herr Bundesrat Motta, im Sinne der Instruktionen der schweizerischen Delegation, für eine: möglichst weitherzige Handhabung des Aufnahmeverfahrens. Nachdem die sechste Kommission sich in befürwortendem Sinne zum Gesuch der ungarischen Regierung ausgesprochen hatte, erfolgteam 18. September im Plenum der Versammlung unter Namensaufruf der Delegationen die einstimmige Aufnahme Ungarns in den Völkerbund. Die ungarischen Delegierten nahmen unmittelbar darauf ihren Sitz inmitten der Versammlung ein.

Ein wichtiges Problem, das der sechsten Kommission zur Berichterstattung vorlag, bestand in der Formulierung von Regeln *) Vgl. den Bericht des Bundesrates über die zweite Session derVölkerbundsversaminlung. Bundesbl. 1921, V, 503.

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.für das zum S c h ü t z e der M i n o r i t ä t e n einzuschlagende Verfahren. Während der Debatten über den Geschäftsbericht des Rates hatte der südafrikanische Delegierte, Herr Gilbert M u r r a y , den Antrag eingebracht, die Frage des Minoritätenschutzes von einer Kommission der Versammlung prüfen zu lassen. l)er fünfgliedrige Tagesordnungsausschuss sprach sich zugunsten dieses.

Antrages ans, der darauf von der Versammlung genehmigt wurde.

Die materiellen Vorschläge, die Herr Murra)' in der sechsten Kommission entwickelte, gründeten sich auf die in den Friedensverträgen enthaltenen Bestimmungen über den Schutz der Minderheiten und bezweckten, gewisse Richtlinien für das Verhalten derVölkerbundsorgane bei Überwachung der Durchführung dieser Klauseln aufzustellen. Im Laufe der Diskussion in der Kommission wurde zwar die ursprüngliche Tragweite dieser Vorschläge angesichts der sich geltend machenden Opposition einigermassen abgeschwächt. Immerhin wurde in den Grundsätzen, über die eine Einigung zustande kam, zum Ausdruck gebracht, dass eine offiziöse Intervention des Völkerbundsrates bei Verletzungen der Minoritätenverträge angebracht sei und dass im Falle von Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung dieser Verträge der Hat innert kurzer Frist die Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofes anrufen solle. Es wurde jedoch ebenfalls hervorgehoben, dass die ethnischen und sprachlichen Minderheiten ihrePflichten gegenüber dem Staate, dem sie angehören, nicht vernachlässigen dürfen. Dem Völkerbundsrate sollte das Sekretariat sowohl bei der Prüfung der einlaufenden Beschwerden wie bei der Untersuchung darüber, inwiefern die Minderheiten ihren staatsbürgerlichen Pflichten nachkommen, zur Seite stehen. Endlich wurde dem Wunsche Ausdruck gegeben, dass die durch keineMinoritätenverträge gebundenen Staaten ihren Minderheiten gegenüber das gleiche Mass von Toleranz gewähren möchten.

Die sechste Kommission bat als ihren Berichterstatter über die Frage des Minoritätenschutzes Herrn Bundesrat M o t t a bezeichnet, der am 21. September hierüber im Plenum der Versammlung referierte. Der Wortlaut der Resolutionen, die er namens der Kommission vorschlug, wurde von der Versammlung einstimmig genehmigt*). Der erste schweizerische Delegierte konnte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass die
darin enthaltenen Bestimmungen einen merklichen Fortschritt darstellen und dass namentlich die grundsätzliche Tatsache der Intervention des Völkerbundes zum Schütze der Minderheiten von ausserordentlicher Be*) Siehe deb Wortlaut dieser Resolutionen in der Beilage I, S. 38.

16 deutung sei. In der Tat enthielt .der Völkerbundsvertrag vom 28. April 1919, entgegen zahlreichen Vorschlägen und u. a. dem Vorentwurf der schweizerischen Expertenkommission vom Januar 1919, keinerlei Hinweis auf eine Gewährleistung gewisser Rechte der Minoritäten. Es blieb somit der Entwicklung des Völkerbundes vorbehalten, auf Grund von individueller Vertragsschliessung und auf dem Wege von einstimmigen Beschlüssen der Versammlunggewisse Prinzipien über den Schutz der Minderheiten aufzustellen und deren Beobachtung zu überwachen.

Ein weiterer Bericht der sechsten Kommission an die Versammlung hatte die Frage der M a n d a t e des V ö l k e r b u n d e s über die von Artikel 22 des Paktes betroffenen Territorien zum _ Gegenstand *). Die Versammlung konnte feststellen, dass das Mandatsystem nunmehr effektiv zur Anwendung gelangt. Sie ausserte sich ferner zum grundsätzlichen Verfahren bei Petitionen, die von der Bevölkerung der unter Mandat stehenden Gebiete ausgehen.

Sie nahm endlich von Berichten über die Rebellion im Bo'ndelzwartdistrikt Kenntnis, die im Laufe des Jahres in einem der südafrikanischen Union anvertrauten Mandatgebiete ausgebrochen und von den Truppen der Union unterdrückt worden war. Die schweizerische Delegation griff in die Beratungen über diese Fragen nicht ein.

Der politische Ausschuss hatte sich auch mit der in der Versammlung gemachten Anregung zu befassen, der Völkerbund möge Massnahmen zur Bekämpfung der leider noch in verschiedenen Gegenden herrschenden S k l a v e r e i ergreifen. Gemäss Antrag der Kommission wurde von der Versammlung beschlossen, diese Frage auf die Tagesordnung der Session des Jahres 1923 zu setzen und inzwischen den Rat zu beauftragen, Erhebungen über die Verbreitung der Sklaverei anzustellen **).

Der Geschäftsordnungsausschuss der Versammlung hatte ara 1.5. September beantragt, einen P r o t e s t der l i t a u i s c h e n R e g i e r u n g gegen angebliche rechtswidrige Massnahmen von polnischer Seite gegen die litauische Bevölkerung der Stadt Wilna in die Traktandenliste der Session aufzunehmen. Die Versammlung stimmte dem Vorschlage des Ausschusses zu und überwies diese Frage der sechsten Kommission zur Prüfung***). Am 2 I.September erstattete Herr Bundesrat M o t t a namens dieses Ausschusses dem Plenum Bericht und beantragte, auch den neuen Protest Litauens dem *) Siehe Beilage I, S. 39.

**) Vgl. Beilage I, S. 40.

**) S. die Resolution vorn 15. September in 'der Beilage I, S. 40.

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Völkerbundsrat zu übermitteln, der den polnisch-litauischen Konflikt seit langem einer Lösung entgegenzuführen bestrebt war.

In diesem Sinne wurde auch in der Folge von der Versammlung Beschluss gefasst*).

Wie anlässlich der zweiten Session, wurde auch in° der dritten Tagung der Versammlung die Frage der endgültigen Abklärung der R e c h t s l a g e O s t g a l i z i e n s aufgerollt. Die Versammlung sprach sich einstimmig dafür aus, dass der Rat aufs neue die Aufmerksamkeit der alliierten und assoziierten Mächte auf die Wünschbarkeit einer baldigen Regelung dieses Problems lenken möge**.).

Die Versammlung befasste sich ebenfalls wiederum mit der Lage der kaukasischen Länder Georgien und Armenien. Auf Antrag des belgischen Delegierten de B r o u c k o r e wurde in der sechsten Kommission die Lage G e o r g i e n s , das anlässlich der Ersten Völkerbundsversammlung ein Gesuch um Aufnahme in den Völkerbund gestellt hatte, seither aber von Sovietrussland besetzt worden war, erwogen. Schliesslich wurde eine Resolution des Inhalts genehmigt ***), dass der Völkerbundsrat etwa sich bietende Gelegenheiten wahrnehmen möge, um auf friedlichem Wege im Sinne einer Wiederherstellung normaler Verhältnisse in diesem Lande zu wirken, freilich ohne in völkerrechtswidriger Weise zu intervenieren.

Zur a r m e n i s c h e n F r a g e hatte der Delegierte Südafrikas, Lord Robert Cecil, den Antrag eingebracht, dass die Errichtung einer unabhängigen nationalen Heimstätte der Armenier als eine der wesentlichen Bedingungen des Friedens zwischen den Alliierten und der Türkei erklärt werden sollte. Herr Bundesrat M o t t a wurde von der sechsten Kommission mit der Berichterstattung und Antragstellung über diese Frage betraut. In den Erklärungen, die er am 22. September in der Plenarversammlung abgab, betonto er, dass die Gewährung einer nationalen Sonderoxistenz für Armenien nicht als eine Grundbedingung des künftigen Friedensvertrages mit der Türkei proklamiert werden könne, da der Völkerbund sich nicht mit den Kriegführenden indentifizieren dürfe. Das ganze Problem müsse nicht von einem ausschliesslich politischen, sondern von einem rein humanitären Standpunkt aus -erwogen werden, und in dieser Beziehung erweise sich die *) Vgl. Beilage I, S. 41.

**) Beilage I, S. 42.

***) Am 22. September. Vgl. Beilage I, S. 42.

Bundesblatt.

75. Jahrg. Bd. I.

18 Schaffung einer nationalen Heimstätte für Armenien im allgemeinere Interesse als eine Notwendigkeit. Die Resolution, die Herr Bundesrat Motta namens der politischen Kommission der Versammlung vorschlug und die von dieser einstimmig genehmigt wurde*), beschränkt sich daher darauf, den Wunsch zum Ausdruck zu bringen, es möge das Schicksal Armeniens bei den Friedensverhandlungen mit der Türkei nicht ausser acht gelassea werden.

Entsprechend der allgemeinen Tendenz der Dritten Völkerbundsversammlung, dem Völkerbund eine erhöhte Anteilnahmean der Lösung der wichtigsten politischen Probleme der Stunde zu sichern, befasste sich die sechste Kommission auch mit der Lage im Osten. In einer Resolution, welche die Versammlung auf Antrag dieses Ausschusses in einer ihrer letzten Sitzungen fasste**),.

sprach sie ihre Genugtuung über die bevorstehende Zusammenkunft zwischen der Türkei und den Alliierten aus und betrauteden Rat mit der Aufgabe, sich im Namen des Völkerbundes für ·die Wiederherstellung des Friedens einzusetzen.

IV.

Die Trage der Büstungsfoeschränkung.

In den Instruktionen, die der Bundesrat der schweizerischen Delegation am 2. September erteilte, war zunächst die grundsätzliche Richtlinie aufgestellt, dass die Delegierten die auf die R ü s t u n g s b e s c h r ä n k u n g hinzielenden Vorschläge im Sinneder bisher von schweizerischer Seite gemachten offiaellen Erklärungen unterstützen sollten***). Diese letzteren Erklärungen sind vor allem die Äusserungen des Bundesrates zu verschiedenen Anfragen, die der Völkerbundsrat auf Grund von Resolutionen der Zweiten Versammlung an die Mitglieder des Völkerbundes gerichtet hattet)- Sie bezogen sich auf die militärischen Bedürfnisse der Schweiz als Mitglied des Völkerbundes, auf die Empfehlung der Versammlung über die Beschränkung der Militärausgaben der Völkerbundsmitglieder während zwei aufeinanderfolgenden Jahren, sowie auf die Frage der Kontrolle des Waffen- und Munitionshandels.

*) S. Beilage I, S. 42.

**) Am 27. September 1922. Vgl. Beilage I, S. 43.

***) S. oben S. 7.

t) Vgl. den Bericht des Bundesrates vom 19. Dezember 1921. Bundesblatt 1921, V, 519 f.

19 In Noten, die der Bundesrat anfangs Juli 1922 an den Völkerbundsrat gerichtet hatte und die damals der Öffentlichkeit übergeben wurden, war hervorgehoben worden, dass die Schweiz, als seinem ganzen Wesen nach friedliebender Staat, den vom Völkerbund unternommenen und auf eine fortschreitende Beschränkung der Rüstungen hinzielenden Bemühungen vorbehaltlos beistimmen könne. Es wurde jedoch daran erinnert, dass die ewige Neutralität für die Schweiz die Verpflichtung in sich schliesse, die Unverletzlichkeit ihres Gebietes aus eigener Kraft zu verbürgen. Im Vergleich zu anderen Staaten erscheint die gegenwärtige militärische Rüstung der Schweiz als sehr beschränkt, und der Bundesrat konnte infolgedessen darauf hinweisen, dass, wenn andere Länder einen ähnlichen Massstab anlegen würden, das Problem der Abrüstung seiner Lösung tatsächlich sehr nahe, wenn nicht bereits gelöst wäre. Mit Bezug auf die Resolution der Versammlung über die Beschränkung der Militärausgaben glaubte der Bundesrat grundsätzlich die Verpflichtung übernehmen zu können, in den Jahren 1923 und 1924 die Höhe der Militärausgaben des Rechnungsjahres 1922 nicht zu überschreiten, unter der Voraussetzung, dass die anderen Mitglieder des Völkerbundes sich in ähnlicher Weise verpflichteten. Einer weiteren Resolution der Zweiten Versammlung Folge gebend, hatte der Bundesrat sich prinzipiell zugunsten des Beitritts der Schweiz zur Konvention von Saint-Germain vom 10. September 1919 betreffend die Kontrolle des Waffen- und Munitionshandels ausgesprochen.

So- lagen die Dinge bei Eröffnung der dritten Tagung der Versammlung. Erst nach Beginn der Session wurde den Delegationen der allgemeine Bericht vorgelegt, der von der gemischten temporären Kommission für die Rüstungsbeschränkung ausgearbeitet worden war. Er wurde dem d r i t t e n A u s s c h u s s der Versammlung zur Prüfung überwiesen. Die Schweiz war in diesem Ausschüsse durch Herrn Nationalrat F o r r e r, zeitweilig durch Herrn Professor B u r c k h a r d t , vertreten.

Auf Grund einer vorläufigen Diskussion der dritten Kommission wurde Lord Robert C e ci l mit der Abfassung eines Berichtes beauftragt, der zuerst von der Kommission selbst durchberaten und sodann, am 27. September, vom Plenum der Versammlung genehmigt wurde*). Angesichts der hervorragenden Wichtigkeit des Problems scheint es angezeigt, im folgenden kurz den Inhalt der von der Versammlung gefassten sechzehn Reso*) S. Beilage II, S. 48 ff.

*0 lutionen über die Rüstungsbeschränkung zu berühren und gleichzeitig die Haltung zu erwähnen, die die schweizerische Delegation anlässlich der Debatten über einzelne derselben einnehmen zu müssen glaubte.

In einer e r s t e n Resolution, die allgemeine Zustimmung i'and, wird zum Ausdruck gebracht, dass die gemischte temporäre Kommission ihre Aufgabe im Laufe des nächsten Jahres fortsetzen soll, unter Wahrung eines engen Kontaktes mit den Regierungen und in Anlehnung an die in Artikel 9 des Paktes vorgesehene ständige beratende Kommission für militärische, maritime und aviatische Fragen. Eine gewisse Unklarheit herrschte zunächst über die Tragweite der z w e i t e n Resolution, in der der Wunsch geäussert wird, die Regierungen möchten bei ihren militärischen Ausgaben grundsätzlich auf das Zahlenverhältnis des Jahres 1913 zurückgehen. Um Missverständnissen vorzubeugen, wurde präzisiert, dass für die Berechnung der Ausgaben die Verringerung des Kaufwertes des Geldes seit dem Jahre 1913 berücksichtigt werden müsse. Nachdem die erste Einladung an die Regierungen, ihre g e g e n w ä r t i g e n Militärausgaben im Laufe der nächsten Jahre nicht zu überschreiten, im ganzen nicht unbefriedigende Resultate ergeben hatte, wurde so ein weiterer Schritt auf dem Wege der Rüstungsbeschränkung angebahnt. Die R e s o l u t i o n III hat den Plan der künftigen statistischen Erhebungen der gemischten ·Kommission für Rüstungsbeschränkung zum Gegenstand, der die dritte Kommission eine beträchtliche Bedeutung zumass. Die R e s o l u t i o n e n IV, V und VI beziehen sich auf die K o n trolle des Waffenhandels und der privaten Fabrik a t i o n von K r i e g s m a t e r i a l . Der Völkerbundsrat wird ersucht, gegebenenfalls eine Konferenz der Völkerbundsmitglieder und auch der dem Bunde nicht angehörenden Staaten einzuberufen, um eine Konvention über die Kontrolle der privaten Herptellung von Waffen und Munition auszuarbeiten. Was die Kontrolle des Waffen h a n d e l s anbelangt, so wird aufs neue erklärt, dass sie die einzig wirksame Massnahme darstelle, um die Gefahren der infolge des Krieges angehäuften Stocks von Waffen und Munrjion abzuwenden. Da am Vorabend der Eröffnung der Session bekannt geworden war, dass die amerikanische Union es ablehne, die Konvention von Saint-Germain vom 11. September 1919 zu ratifizieren,
wurde es klar, dass die Hoffnung auf das Inkrafttreten dieses Abkommens gegenwärtig aufgegeben werden müsse. Die Gemischte temporäre Kommission erhält infolgedessen den Auftrag, einen neuen Entwurf eines Vertrages für die Kontrolle des Waffenhandels auszuarbeiten -r hierbei sollten die even-

2f

tuellen Bemerkungen der Vereinigten Staaten Berücksichtigung finden. Unter diesen Umständee besteht für die Schweiz kein :> Anlass, sich, wie beabsichtigt worden war, gegenwärtig der Konvention von 1919 anzuschliessen.

Die R e s o l u t i o n V I E hat die Frage des Verbots der A n w e n d u n g g i f t i g e r G a s e im Kriegsfalle zum Gegenstand. Es wird ins Auge gefasst, die Mitglieder des Völkerbundes zum Beitritt zur Konvention einzuladen, die über diese Frage an der Abrüstungskonferenz von Washington abgeschlossen wurde.

An die R e s o l u t i o n V I I I , die den Wunsch der Versammlung nach einer Fortsetzung der Erhebungen über die militärischen, B e d ü r f n i s s e der Völkerbundsstaaten zum Ausdruck bringt,; schliesst sich die in der R e s o l u t i o n IX enthaltene Anregung an den Rat, zu prüfen, inwieweit die Bestimmung des Artikels & des Paktes über den A u s t a u s c h m i l i t ä r i s c h e r N a c h r i c h t e n unter Völkerbundsmitgliedern bereits durchgeführt wer-, den könnte.

Die R e s o l u t i o n e n X und XI stellen mehr allgemeine Kundgebungen im Hinblick auf die Abrüstungskonferenz in W a s h i n g t o n und den künftigen panamerikanischen Kongress von S a n t i a g o dar. Die R e s o l u t i o n XII bezieht sich auf die A b r ü s t u n g zur See und hat infolgedessen für die Schweiz kein unmittelbares Interesse. In der R e s o l u t i o n XIII kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass die Gemischte temporäre Kommission bis zur nächsten Versammlung einen allgemeinen Plan der Rüstungsbeschränkung zu Lande ausarbeiten möge.

Besonderes Interesse knüpfte sich an die Beratung über die XIV. R e s o l u t i o n , in der von der Möglichkeit des Abschlusses eines ,,Paktes wechselseitiger Garantie" die Rede ist. Es wurde darin zunächst der Grundsatz ausgesprochen, dass nur ein allg e m e i n e r Plan der Rüstungsbeschränkung Aussicht auf Erfolg haben könne und dass bei der gegenwärtigen weltpolitischen Lage eine grosse Zahl von Regierungen die Verantwortung für eine erhebliche Verminderung ihrer Rüstungen nur übernehmen könnten, wenn sie auf andere Weise hinreichende Gewähr für die Sicherheit ihrer Länder erhielten. Die Resolution besagt ferner, dass eine derartige Garantie durch ein allen Staaten zum Beitritt offenstehendes D e f e n s i v a b k o m m e n geboten werden könnte,
dab die vertragschliessenden Staaten im Falle eines Angriffs auf einen von ihnen zur Hilfeleistung verpflichten würde. Als Vorbedingung zum .Abschluss eines solchen Vertrages wurde die Zustimmung zur tatsächlichen Rüstungsbeschränkung erklärt.

22 Es wurde im Wortlaute dieser Resolution ausdrücklich präzisiert, dass die Modalitäten des Abschlusses eines derartigen Garantiepaktes erst den verschiedenen Regierungen zur souveränen Beurteilung vorgelegt werden müssten. Die schweizerische Delegation hielt es jedoch für angezeigt, bereits in diesem ersten Stadium der Vorbereitung dem Gedanken eines derartigen Garantiepaktes Ausdruck zu geben. Herr Nationalrat F o r r er erklärte in der Sitzung der dritten Kommission vom 17. September namens der schweizerischen Delegation, dass die Schweiz alle Abrüstungsbestrebungen aufs freudigste begrüsse und daher, soweit an ihr liege, auch den vorliegenden Plan mit der grössten Sympathie prüfen werde. Gleichzeitig erinnerte jedoch der Sprecher der schweizerischen Delegation an die Grenzen, welche der Schweiz bei ihrer Stellungnahme zu diesen Fragen durch ihre immerwährende Neutralität gezogen sind. Eine ergänzende Erklärung in diesem Sinne gab auch Herr Bundesrat M o t t a in der Sitzung der dritten Kommission vom 23. September ab.

Die Reihe der vom dritten Ausschuss vorgeschlagenen und von der Versammlung genehmigten Resolutionen, welche die eigentliche Abrüstung zum Gegenstand haben, wird durch die R e s o l u t i o n XV beschlossen, in der die Möglichkeit des Abschlusses r e g i o n a l e r A b m a c h u n g e n zur Rüstungsbeschränkung ins Auge gefasst wird.

In ihrer Gesamtheit stellen diese Resolutionen freilich nur ~die ersten Ansätze zu einer tatsächlichen Beschränkung der Rüstungen zu Lande dar. Die Verhandlungen der dritten Kommission Hessen die ausserordentlichen Schwierigkeiten zutage treten, die sich unter den heutigen Verhältnissen selbst wenig einschneidenden Massnahmen entgegenstellen. Anderseits zeigte sich das unablässige Bestreben, das Problem der Abrüstung nach allen Seiten gründlich zu prüfen und keine Möglichkeit ausser acht zu lassen, um es seiner Lösung näher zu bringen. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass der Völkerbund, auf diesem Wege fortschreitend, mit der Zeit zu guten Ergebnissen gelangen wird. Die schweizerische Delegation, die gemäss ihren Instruktionen bei Stellungnahme zu den wichtigsten der erörterten Fragen mit dem Bundesrat in Verbindung blieb, konnte den vorgeschlagenen Resolutionen ihre volle Zustimmung geben, freilich unter Betonung der Tatsache, dass die
immerwährende Neutralität der Schweiz, die in den Verträgen von 1815 niedergelegt und durch die Londoner Deklaration des Völkerbundsrates vom 13. Februar 1920 als Abkommen zur Aufrechterhaltung des Friedens anerkannt wurde, stets unangetastet bleiben müsse.

23 Gegen Schluss der Verhandlungen des dritten Ausschusses ·wurde von dem französischen Delegierten Senator de J o u v e n e l «eine Frage aufgerollt, die zwar formell nur in indirektem Zusammenhange mit der Rüstungsbeschränkung steht, ihrer weittragenden Bedeutung wegen aber die grossie Aufmerksamkeit, verdiente: die Frage der moralischen A b r ü s t u n g und im Zusammenhang damit das Problem der Reparationen und der interalliierten Schulden. Die Debatten über diese Frage führten zur Annahme der XVI. R e s o l u t i o n zur Frage der Rüstungsbeschränkung, in der die Versammlung zunächst erklärt, dass 'die moralische Abrüstung, die allein zur tatsächlichen Rüstungsbeschränkung überführen könne, durch das gegenwärtige wirtschaftliche Chaos erschwert werde. Es wird infolgedessen der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass sobald als möglich voa selten ^ler Signatärmächte des Friedensvertrages eine Regelung des Problems der interalliierten Schulden sowie der Reparationen erfolgen möge. Die Versammlung drückte ferner den Wunsch aus, ,,dass der Völkerbundsrat allen von den interessierten Regierungen in diesem Sinne gemachten Bemühungen eine ständige Aufmerksamkeit zuwenden möge, wobei allerdings davon auszugehen sei, dass er zur Lösung dieser Probleme eine nützliche Mitwirkung nur entfalten könne, wenn diese Regierungen ihn -darum angehen". Über die Auslegung dieser etwas unklar formulierten Resolution entspann sich zwischen dem Chef der ·schweizerischen Delegation und Herrn de Jouvenel eine grundsätzliche Auseinandersetzung, die an dieser Stelle kurz Erwähnung finden muss.

Gegenüber der von einer Seite vertretenen Auffassung, dass unter den ,,interessierten Regierungen" bloss die Regierungen ·der alliierten Mächte zu verstehen seien, betonte Herr Bundesrat Motta namens der schweizerischen Delegation, dass auch die Vereinigten Staaten und Deutschland das Recht haben müssten, sich an den Rat zu wenden. Unter Hervorhebung der Notwendigkeit, dass Deutschland am Völkerbund mitarbeite und sich s e l b s t an den Völkerbundsrat wende, erklärte er, dass es anderseits auch notwendig sei, dass es diesfalls vom Rate nicht zurückgewiesen. werde. Die dritte Kommission der Versammlung hat ·sich nicht darüber ausgesprochen, ob der engeren oder weiteren Auslegung dieses Ausdrucks der Resolution der Vorzug zu geben
·sei. Angesichts der Wichtigkeit der zur Erörterung stehenden Frage sowie namentlich auch der grundsätzlichen Haltung des Völkerbundes bei der Behandlung politischer Probleme, die allgemeine Interessen berühren, hatte jedoch die Delegation es als ihre Pflicht erachtet, ihren Standpunkt klar zur Geltung zu bringen.

2« V.

Die Tätigkeit der technischen Organisationen des Yölkerbnndes.

Die Berichte der sogenannten t e c h n i s c h e n O r g a n i s a t i o n e n des V ö l k e r b u n d e s über die von ihnen seit Schluss der zweiten Session der Versammlung entfaltete Wirksamkeit wurden vorgängig ihrer Behandlung im Plenum der Versammlung vom z w e i t e n A u s s c h u s s e durchberaten. Die schweizerische Delegation war, wie bereits bemerkt, in dieser Kommission durch Herrn Ständerat U st eri vertreten.

Die erste Vorlage, die der Vollversammlung von der zweiten Kommission unterbreitet wurde, betraf die Tätigkeit der H y g i e n e o r g a n i s a t i o n des Völkerbundes. In seinem Bericht über die zweite Session der Völkerbundsversammlung hat der Bundesrat die etwas gezwungene organisatorische Regelung geschildert, die vorläufig getroffen worden war, um die Zusammenarbeit der neuen vom Völkerbunde geschaffenen Instanzen mit dem durch Konvention vom Jahre 1907 ins Leben gerufenen internationalen Hygieneamt xu ordnen. Die Dritte Versammlung schloss sich mit Resolution vom 15. September 1922 *) der Auffassung der zweiten Kommission an, derzufolge im Laufe der Session von 1923 die gegenwärtige provisorische Ordnung durch die S c h a f f u n g einer endgültigen Organisation ersetzt werden könnte. Grundsätzlich wurde erklärt, dass die Hygieneorganisation ein Werk von dauerndem Nutzen vollbringe und infolgedessen jedenfalls auf eine permanente Basis gestellt werden müsse.

In materieller Hinsicht genehmigte die Versammlung fernereinzelne Richtlinien für die künftige Tätigkeit der Hygieneorganisation, indem sie ihre Zustimmung zu den nach verschiedenen Richtungen hin unternommenen Schritten gab. Sie befürwortete endlich, dass die Bekämpfung der -in Osteuropa sich in verheerender Weise ausbreitenden Seuchen, derea Wichtigkeit auch auf der Konferenz von Genua anerkannt worden war, durch die E p i d e m i e n k o m m i s s i o n des Völkerbundes unter erhöhter finanzieller Beteiligung der Mitgliedstaaten fortgesetzt werde.

Gemäss einem prinzipiellen Wunsche, der anlässlich früherer Tagungen der Versammlung auch seitens der schweizerischen Delegation geäussert worden war, stellte die Versammlung die *) Siehe den Wortlaut der Resolutionen über die Hygieneffage im der Beilage III, S. 49.

2&

Forderung auf, dass soweit als irgend möglich jede Zweispurigkeit in der Behandlung von Hygieriefragen auf internationalem Boden vermieden werden solle.

Handelte es sich bei der Hygieneorganisation um einen Apparat, der noch nicht auf definitiver Basis ausgestaltet ist, so sind dagegen die organisatorischen Grundlagen der Instanzen des Völkerbundes für die Prüfung von V e r k e h r s - und T r a n s i t f r a g e n von der Konferenz von Barcelona vom Frühjahr 1921, sowie von der Zweiten Versammlung bereits endgültig festgelegt worden*). Die Dritte Versammlung beschränkte sich denn auch im wesentlichen auf eine Kenntnisnahme der von der beratenden technischen Kommission für Verkehrs- und Transitfragen durchgeführten oder geplanten Massnahmen **). Für das Jahr 1923 wird die Einberufung einer zweiten allgemeinen Verkehrs- und Transitkonferenz in Aussicht genommen.

Die provisorische Wirtschafts- und Finanzorg a n i s a t i o n des V ö l k e r b u n d e s hatte seit der zweiten Session der Versammlung ihren Wirkungsbereich nicht unbeträchtlich erweitert. Das wichtigste Problem, mit dessen Studium diese Organisation vom Völkerbundsrate betraut wurde, ist die bereits hervorgehobene Frage der Sanierung der österreichischen Staatsfinanzen. Die provisorische Wirtschafts- und Finanzkommissiori untersuchte ferner die Mittel und Wege, um die Empfehlungen der Brüsseler Finanzkonferenz sowie der Wirtschaftskonferene von Genua wenigstens teilweise zur Durchführung gelangen zu lassen. In den Resolutionen, die am 28. September von der Versammlung genehmigt wurden***), kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass die Wirtschafts- und Finanzorganisation bereit sein sollte, ihre Mitwirkung zu leihen, falls der Völkerbund an der Lösung des Problems der internationalen Schulden mitzuarbeiten berufen würde.

In organisatorischer Hinsicht wurde bestimmt, dass die Wirtschafts- und Finanzorganisation bis auf weiteres in ihrer vorläufigen Form weiterbestehen und dass eine endgültige Regelung erst in einer künftigen Session der Versammlung erfolgen solle.

Dem zweiten Ausschuss der Versammlung war auch die Frage der internationalen Organisation der g e i s t i g e n A r b e i t *) Vgl. den Bericht des Bundesrates über die II. Völkerbundsver^ Sammlung Bundesbl. 1921, V, 509.

**) Der Wortlaut ihrer Resolutionen über diese Frage ist in der Beilage III, S. 52, abgedruckt.

***=) Siehe Beilage III, S. 53.

26 zur 'Prüfung überwiesen worden. Eine spezielle Expertenkommission, die auf Grund einer Resolution der Zweiten Versammlung vom Rate eingesetzt worden war, hatte im August 1922 eine ·erste Session abgehalten und einzelne Punkte abgeklärt, in denen ·eine Aktion auf internationalem Boden wünschbar erschien. Die «weite Kommission der Versammlung war nicht der Ansicht, dass neue Organisationen zum Schütze der Interessen der geistigen Arbeit geschaffen werden sollten. Dies entsprach auch dem von der schweizerischen Delegation bisher eingenommenen Standpunkt, · dass die Tätigkeit des Völkerbundes sich nicht zu sehr zersplittern solle. Es wurde vielmehr festgestellt, dass die Hauptaufgabe der Kommission für geistige Zusammenarbeit, die ihre Tätigkeit fortsetzen wird, darin bestehen müsse, die bereits von privaten und halbamtlichen Organisationen geleistete Arbeit zu koordinieren.

In ihrer Resolution vom 28. September*) genehmigte die Versammlung auch einzelne Vorschläge, die unmittelbar praktische Verwirklichung finden können, wie die Beschaffung wissenschaftlichen Materials für die Universitäten und Lehranstalten der infolge de3 Krieges notleidenden Länder. In der Budgetberatung ·des folgenden Tages erhöhte die Versammlung den für die Tätigkeit der Kommission für geistige Zusammenarbeit ursprünglich «eingesetzten Kredit**).

In diesem Zusammenhang erscheint es angebracht, die Folge au erwähnen, welche die Versammlung der Anregung gab, die Einführung des E s p e r a n t o als internationale Hilfssprache zu befürworten. Diese Frage wurde zwar im Schosse der fünften Kommission der Versammlung behandelt; sie steht jedoch sachlich in naher Beziehung zu den Problemen, die von der Kommission für geistige Zusammenarbeit geprüft werden. Die Versammlung sah von einer materiellen Beschlussfassuog in diesem Punkte ab und beschloss, ein Gutachten der erwähnten Expertenkommission ·abzuwarten***).

"^ Im Hinblick auf die künftige Tätigkeit der technischen Organisationen des Völkerbundes nahm die Versammlung auch z u d e m p a n a m e r i k a n i s c h e n Kongress Stellung, dei1 in Santiago zusammentreten soll. Es wurde erklärt, dass diese technischen Organisationen, die auch von der Konferenz von Genua mit der *) Vgl. Beilage III, S. 56.

**) Siehe den Wortlaut dieser finanziellen Resolution in der Beilage IV,

S. 58.

***) Mit Resolution vom 21. September. Vgl. Beilage III, S. 57.

27

Durchführung gewisser Massnahmen beauftragt worden waren, ·weitere Aufgaben übernehmen könnten, die der Kongress von Santiago ihnen gegebenenfalls zu überweisen wünschen sollte*).

VI.

Die Finanzen des Völkerbundes.

Die F i n a n z w i r t s c h a f t des V ö l k e r b u n d e s beschäftigte in der Hauptsache, wie in den vorhergehenden Jahren, die v i e r t e K o m m i s s i o n der Versammlung, deren schweizerisches Mitglied ebenfalls Herr Ständerat U s t e r i war.

Dieser Ausschuss beantragte nach sehr langen und einlässlichen Verhandlungen, in deren Verlauf jeder einzelne Posten nachgeprüft wurde, die Genehmigung des B u d g e t s des Völkerb u n d e s für das Jahr 1923. In den Beratungen der Kommission war ein ernster Sparwille festzustellen. Anderseits ist nicht zu verkennen, dass die Überweisung zahlreicher neuer Aufgaben an den Völkerbund auch erhebliche weitere Ausgaben mit sich bringt. Dem Wunsche der meisten Regierungen -- der auch in Punkt 12 der Instruktionen des Bundesrates zum Ausdruck kam -- dass die bestehenden ständigen Dienstzweige der Völkerbundsorganisationeu nicht ohne ganz gewichtige Gründe weiter ausgedehnt würden, ist in der Budgetberatung fortwährend Rechnung getragen worden. Der Budgetvoranschlag des Völkerbundes für 1923 sieht Ausgaben im Gesamtbetrage von 25,673,508 Fr.

vor. Hiervon entfallen über 15 Millionen auf das Generalsekretariat des Völkerbundes, ungefähr 8 Millionen auf die Internationale Arbeitsorganisation und annähernd 2 Millionen auf den Släadigen Internationalen Gerichtshof. Zu bemerken ist, dass das Budget für 1923 als Rechnungseinheit den S c h w e i z e r f r a n k e n annimmt. Dieses Budget wurde vom Plenum der Versammlung am 29. September genehmigt**).

Eine weitere Resolution spricht die Zustimmung der Versammlung zu dem Reglement über die Finanzgebarung des Völkerbundes aus, das vom Rate in endgültiger Gestalt vorgelegt wurde ***).

Jm gleichen Zusammenhang ist auch ein Beschluss finanziellen Charakters zu erwähnen, der auf Antrag der e r s t e n Kommission der Versammlung (für Verfassungsfragen) gefasst wurde. Dieser Beschluss stellt eine Ergänzung der finanziellen *) In einer Resolution vom 30. September, a. a. 0. S. 57. .

**) S. Beilage IV, S. 57 ff.

***) S. Beilage IV, S. 60.

28.

Bestimmungen des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes dar und regelt die Entschädigungen der Ersatzrichter und: technischen Assessoren des Gerichtshofes*).

In der Einleitung zum gegenwärtigen Bericht ist der Stand der Frage der N e u o r d n u n g der K o s t e n v e r t e i l u n g im Völkerbund zu Beginn der Dritten Versammlung dargelegt worden**). Die Rechtsfrage, ob die Versammlung überhaupt befugt sei, einen neuen Verteilungsmodus zu beschliessen, ehe die in ihrer zweiten Session genehmigte Abänderung des Artikel 6 des.

Paktes in Kraft erwachsen sei, wurde in einem Unter au sschuss der ersten Kommission einlässlich erörtert. Die schweizerische Delegation, die in diesem Unterausschusse durch Herrn Bundesrat M o t t a und Herrn Professor B u r c k h a r d t vertreten war, setzte sich gemäss den Instruktionen des Bundesrates für eine sofortige Durchführung eines neuen Verteilers ein. Die Lösung wurde, darin erblickt, eine einmütige Zustimmung der Mitglieder der Versammlung zu einer provisorischen Neuordnung zu erlangen., die Geltung haben sollte, bis die erforderliche Anzahl von Ratifikationen durch die Mitgliedstaaten das Inkrafttreten der einschlägigen grundsätzlichen Bestimmung des Paktes ermöglichen, würde. In Verhandlungen mit den Vertretern der Mitgliedstaaten wurde die Verwirklichung dieses Vorschlages gesucht. Das Ergebnis dieser Unterhandlungen stellt die Resolution der Versammlung vom 30. September 1922 dar, der das Schema einer vorläufigen Neuverteilung beiliegt***). Diese vorläufige Neuregelung soll nur für das Jahr 1923 Geltung haben. Von insgesamt 944 Einheiten entfallen auf die Schweiz 15, was einem Beitrage von 408,000 Franken zum Gesamtbudget des Jahres 1923 entspricht t). Diese Resolution wurde einmütig -- bei Stimmenthaltung Cubas, das als einziger Staat die provisorische Neuverteilung nicht annehmen wollte -- angenommen.

Da jedoch das neue Verteilungsschema noch nicht jede Unbilligkeit beseitigt, wurde beschlossen, dass die Expertenkommission des Rates zur Prüfung der Frage der Kostenverteilung ihre Tätigkeit fortsetzen und den Plan einer endgültigen Regelung vorbereiten solle. Ferner wurde an den Rat die Einladung gerichtet, die Mitgliedstaaten zur beschleunigten Ratifikation der *) A. a. 0. S. 60.

**) S. oben S. 4.

***) S. Beilage Y, S. 61.

t) Im Jahre 1922 belief sich der Beitrag der Schweiz bei einen!!

tìesamtbudget von ca. 22 Millionen auf 609,000 Franken.

29 grundsätzlichen Bestimmung des Völkerbundsvertrages aufzufordern. Dieser letztere Beschluss entsprach ebenfalls dem Wunsche ·des Bundesrates, der in Punkt 11 der Instruktionen vom 1. September zum Ausdruck kam.

In der vierten Kommission der Versammlung kam bei der Beratung über die Organisation der ständigen Dienstzweige des Völkerbundes die Frage der Erstellung eines Gebäudes für das Internationale Arbeitsamt zur Sprache. Bei dieser Gelegenheit wurde der Gedanke laut, dass die Vorbedingung einer Entscheidung über die Errichtung einer neuen Gebäulichkeit die endgültige Beantwortung der Frage des V ö l k e r b u n d s s i t z e s sei.

Es wurde ein Unterausschuss gebildet, in dem Herr Ständerat U s t e r i die Schweiz vertrat. Über das Ergebnis der Beratungen in der vierten Kommission sowie über den Inhalt der Resolution, die am 29. September von der 'Versammlung genehmigt wurde, hat der Bundesrat den eidgenössischen Räten bereits in seiner Botschaft vom 22. November 1922 betreffend die schenkungsweise Überlassung eines Grundstückes an den Völkerbund Bericht erstattet.

VII.

Humanitäre Fragen.

Es ist bereits in der Einleitung zu diesem Bericht erwähnt ·worden, dass die Fragen der Mitwirkung des Völkerbundes bei der Lösung verschiedener h u m a n i t ä r e r Probleme zusammen mit der Wirksamkeit der technischen Organisationen einen beträchtlichen Raum in der Tagesordnung der Dritten Versammlung einnahmen. Die Aktionen des Völkerbundes auf humanitärem Gebiete, die im Laufe des Jahres sehr zahlreich waren, wurden vielfach im wesentlichen durch den Völkerbundsrat bestimmt.

Angesichts der Tatsache, dass wirksame und gross angelegte Massnahmen nur unter Teilnahme aller oder eines beträchtlichen Teils der Mitgliedstaaten möglich sind, bot die Tagung der Versammlung eine günstige Gelegenheit, um die allgemeinen Richtlinien für die Gesamtheit dieser Fragen aufzustellen. Die Versammlung beauftragte ihren f ü n f t e n A u s s c h u s s , in der die Schweiz durch Herrn alt Bundesrat A do r vertreten war, mit dieser Aufgabe.

Die erste Resolution, die auf Antrag dieser Kommission gefasst wurde, hatte die Bekämpfung des H a n d e l s mit O p i u m und andern schädlichen Drogen zum Gegenstand*). Bereits die *) Beilage V, S. 63.

30 Zweite Völkerbundsversammlung hatte, wie in dem Berichte des Bundesrates vom 19. Dezember 1921*) ausgeführt ist, unter Zugrundelegung der Opiumkonvention von 1912 ein umfassendes System staatlicher Kontrolle des Handels mit Opium, Morphin, Kokain usw. vorgesehen. Die Dritte Versammlung betonte aufs neue die Dringlichkeit der Durchführung eines wirksamen Kontrollsystems auf internationalem Boden und fasste eine Reihe von Schritten bei den Regierungen der Völkerbundsstaaten ins Auge.

Über die Stellung der Schweiz zu diesen Problemen, deren Bedeutung für unser Land nicht zu verkennen ist, gedenkt der Bundesrat den eidgenössischen Räten eine besondere Botschaft zulen zu lassen.

Am Schlüsse der Zweiten Völkerbundsversammlung, am 3. Oktober 1921, hatte der Chef der schweizerischen Delegation namens des Bundesrates die unter den Völkerbundsstaaten abgeschlossene Konvention zur U n t e r d r ü c k u n g des F r a u e n u n d K i n d e r h a n d e l s unterzeichnet, welche die bereits vorher bestehenden internationalen Abmachungen zum Kampfe gegen den Mädchenhandel ergänzte**). Zu Beginn der dritten Session der Versammlung hatten bereits 35 Regierungen ihre Unterschrift unter dieses neue Abkommen gesetzt. Die Verhandlungen des fünften Ausschusses erfolgten auf der Grundlage des Berichtes der beratenden Kommission des Völkerbundes für die Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels, die im Juni 1921 in Genf ihre erste Zusammenkunft abgehalten hatte. Die Resolution, die von der Dritten Versammlung mit Bezug auf diese Frage angenommen wurde, bringt in der Hauptsache die Genehmigung des ersten Berichtes dieser Expertenkommission zum Ausdruck***).

Die fünfte Kommission der Versammlung beschäftigte sich auch mit den Massnahmen, die in Ausführung eines im Jahre 1921 gefassten Beschlusses zugunsten der in Kleinasien vers c h l e p p t e n F r a u e n und K i n d e r getroffen worden waren.

Auf ihren Vorschlag beschloss die Versammlung u. a., die Mächte, dio Mandate über kleinasiatische Gebiete ausüben, um Unterstützung dieses Werkes zu ersuchen f).

Auf Antrag der grossbritannischen Delegation befasste sich die fünfte Kommission und sodann das Plenum der Versammlung mit der Frage der Bekämpfung p o r n o g r a p h i s c h e r V e r *) **) ***) t)

Bundesbl. 1921, V, 516.

Vgl. den Bericht des Bundesrates vom 19. Dezember 1921, S. 616 ff: Siehe Beilage V, S. 64.

. -.

.

Siehe Beilage V, S. 65.

31 o f f e n t i i c h u n g e n ; es wurde auf ein bereits im Jahre 1910 über diesen Gegenstand abgeschlossenes administratives Abkommen hingewiesen, dem fünfzehn Staaten, darunter auch die Schweiz, beigetreten sind*).

Am 22. September konnte die Versammlung nach Vorbericht der fünften Kommission die erfreuliche Mitteilung entgegennehmen, dass das unter der Leitung des norwegischen Delegierten, Herrn Frithjof N a n s e n , stehende Werk der H ei m S c h a f f u n g der K r i e g s g e f a n g e n e n glücklich zu Ende geführt sei, nachdem 427,386 Gefangene in ihre Heimat zurückkehren konnten. Die Resolution, die von der Versammlung genehmigt wurde, gab daher nur einem allgemeinen Gefühl Ausdruck, indem sie erklärte, dass Herr Nansen sich um das Wohl der Menschheit verdient gemacht habe**).

Herr A d or war als Berichterstatter der fünften Kommission über die zugunsten der r u s s i s c h e n F l ü c h t l i n g e unter der Ägide des Völkerbundes getanen Schritte bezeichnet wordenDie Vorschläge, die er der Versammlung unterbreitete, wurden mit Resolution vom 28. September einstimmig genehmigt***).

Herr Frithjof Nansen, der vom Rate als Oberkommissär desVölkerbundes auch für diese Frage bezeichnet worden war, wurde ersucht, seine Tätigkeit in gleicher Weise wie bisher.fortzusetzen; die Regierungen wurden aufgefordert, ihm nach Möglichkeit ihre Unterstützung angedeihen zu lassen. Es sei in diesem Zusammenhange bemerkt, dass der Bundesrat. von Anfang an das vom Völkerbund zugunsten der russischen Flüchtlinge unternommene Werk, das für die Schweiz auch von unmittelbarem Interesse ist, unterstützt hat.

Während ihrer Session erhielt die Session Kenntnis von der äussersten Notlage von mehr als 200,000 F l ü c h t l i n g e n aus K l e i n a s i e n , die infolge der letzten kriegerischen Ereignisse ihre Heimwesen verlassen hatten. Auf Antrag der fünften Kommission beschloss sie am 19. September, Herrn Nansen die Leitung eines Hilfswerkes auch für diese Flüchtlinge zu übertragen f). Zu Ende der Session, als die Not sich noch gesteigert hatte, fasste die Versammlung auf Antrag des ersten grossbritannischen Delegierten, Lord Balfour, den Beschluss, sofort einen Appell an dieRegierungen um finanzielle Unterstützung dieses Werkes zu *) **) ***) t)

A. a. 0. S. 65.

A. a. 0. S. 66.

A. a. 0. S. 66.

A. a. 0. S. 67

.S2 richten *). Zahlreiche Regierungen sagten noch vor Ende der Session ihre Hilfeleistung zu. Es sei in diesem Zusammenhange erwähnt, dass auch der ßundesrat am 27. Oktober den ßeschluss fasste, 15,000 Franken für dieses Hilfswerk zur Verfügung zu stellen.

VIII.

Der rechtliche Ausbau der Organisation des Völkerbundes.

Die O r g a n i s a t i o n s - und V e r f a s s u n g s f r a g e n beschäftigten die Versammlung in ihrer dritten Tagung in geringerem Masse als in den vorhergehenden Sessionen. Neue grundsätzliche Fragen standen nicht zur Diskussion. Beratungen über die Abänderung einzelner Bestimmungen des Völkerbundspaktes fanden nur insoweit statt, als die zweite Versammlung ausdrücklich die Beschlussfassung auf die dritte Session verschoben hatte.

Von den Anträgen der e r s t e n K o m m i s s i o n der Versammlung -- an deren Beratungen namens der Schweiz Herr Bundesrat M o t t a und Herr Professor B u r c k h a r d t teilnahmen -- bezogen sich einzelne auf die Abänderung der G e s c h ä f t s o r d n u n g der V e r s a m m l u n g . Die Artikel 4, 7 und 14 dieser Geschäftsordnung wurden auf Grund der in der zweiten und dritten Tagung der Versammlung gemachten Erfahrungen modifiziert. Um der Übung Rechnung zu tragen, dass über die Tätigkeit des Völkerbundsrates und des Generalsekretariates stets ein einheitlicher Bericht erstattet wurde, soll in Artikel 4 der Geschäftsordnung nicht mehr von den g e t r e n n t e n Berichten dieser beiden Organe die Rede sein**)- ^a ferner die W a h l der V i z e p r ä s i d e n t e n nicht immer unmittelbar zu Beginn einer Session erfolgen kann, wie es Artikel 7 der Geschäftsordnung in seiner bisherigen Fassung vorschreibt, wurde bestimmt, dass die Wahl in e i n e r der ersten Sitzungen erfolgen solle***). Gemäss einem Vorschlage der englischen Delegation wurden sodann im Hinblick auf das Verfahren bei Finanzfragen einige Abänderungen zu Artikel 14 der Geschäftsordnung genehmigt f).

Der Beschluss, der auf Antrag der ersten Kommission mit Bezug auf die Entschädigungen der Ersatzrichter und Assessoren des Ständigen Internationalen Gerichtshofes gefasst wurde, hat bereits oben bei Erörterung der Finanzwirtschaft des Völkerbundes Erwähnung gefunden. . Ebenso ist auch die Lösung dar*) Vgl. Beilage V, S. 68.

**) Vgl. Beilage VI, S. 68.

***) A. a. 0. S. 69.

t) A. a. 0. S. 69.

33

gestellt worden, die eine vorläufige Neuordnung der Kostenverteilung im Völkerbund ermöglichte, obschon die Abänderung der einschlägigen Bestimmungen des Paktes bis zur Stunde noch nicht in Kraft erwachsen ist.

Hinsichtlich der Frage der Abänderung des Paktes im allgemeinen musste die Kommission feststellen, dass seitens der einzelnen Völkerbundsmitglieder die Ratifikation der von der Zweiten Versammlung genehmigten Abänderungen nur sehr langsam vollzogen wurde. In diesem Zusammenhange muss eine Resolution der Versammlung vom 29. September*) erwähnt werden, die nachdrücklich erklärte, es sei von höchster Bedeutung^ dass diese Ratifikation tatsächlich erfolge und den Rat beauftragte, geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit dies erreicht werde.

Mit Bezug auf die Frage der Streichung oder Abänderung des A r t i k e l s 10 des P a k t e s wurde nach langen Debatten beschlossen, einen entgültigen Entscheid der Versammlung des Jahres 1923 anheimzustellen **).. Die schweizerische Delegation hätte, wie Herr Bundesrat Motta in der Kommission ausführte, einer Streichung des Artikels 10 grundsätzlich zustimmen können, doch nur für den Fall, dass dadurch der Beitritt der Vereinigten Staaten zum Völkerbund tatsächlich erleichtert würde, was gegenwärtig zum mindesten als zweifelhaft erscheint.

In der Dritten Versammlung wurden aufs neue von verschiedener Seite Vorstösse gemacht, um das Prinzip der Unverbindlichkeit der nicht beim Generalsekretariat des Völkerbundes gefertigten Verträge aus dem Wortlaut des A r t i k e l s 18 zu eliminieren. Mit anderen Delegierten trat auch der schweizerische Vertreter in der Kommission wie im Vorjahre mit allem Nachdrucke für die Beibehaltung der Eintragungspflicht mit allen im Völkerbundsvertrag an das Unterlassen der Registrierung geknüpften Folgen ein. Die Resolution, die schliesslich von der Versammlung genehmigt wurde, besagt, dass eine endgültige Entscheidung erst getroffen werden könne, wenn die Praxis der Eintragung und Veröffentlichung gewisse Erfahrungen mit sich gebracht haben werde***).

Einen positiven Beschluss fasste die Versammlung über die A u s g e s t a l t u n g d e s V e r g l e i c h s v e r f a h r e n s i m Völkerb u n d . Die Prüfung dieser Frage durch die Versammlung ging auf die Vorschläge zurück, die von Dänemark, Norwegen und *) A. a. 0. S. 70.

**) A. a. 0. S. 70.

***) A. a. 0. S. 70.

Bundesblatt.

75. Jahrg. Bd. I.

3

34 Schweden bereits anlässlich der Pariser Friedenskonferenz gemacht worden waren und auf die Einführung eines Systems von Vergleichskommissionen in die Verfassung des Völkerbundes abzielten. Es ist bereits in der Einleitung erwähnt worden, dass eine Expertenkommission in Ausführung einer Resolution der zweiten Versammlung am 22. Januar 1922 mit dem Auftrage eingesetzt worden war, dieses Problem einlässlich zu untersuchen.

Die Kommission kam in ihren Beratungen zum Schlüsse, dass eine allgemeine Regelung des Vergleichsverfahrens im Völkerbund nicht ins Auge zu fassen sei, sondern dass der individuellen Vertragsschliessung ein möglichst grossei1 Spielraum eingeräumt werden solle. Der Versammlung wurde der Entwurf einer Resolution vorgelegt, in der'ein S c h e m a für die Vertragsschliessung unter einzelnen Staaten aufgestellt wird. Daneben wurde unter anderm präzisiert, dass der Völkerbundsrat, unabhängig von den andern Mitteln, die ihm durch den Pakt zum Zwecke der Friedenserhaltung an die Hand gegeben sind, an die von den Parteien eingesetzten Vergleichskommissionen sich wenden kann.

In dem Schema der Vertragsschliessung zeigt sich offensichtlich der Einfluss der Anregungen, die von schweizerischer Seite zur Ausgestaltung des Vergleichsverfahrens ausgegangen sind und namentlich einzelner Bestimmungen des schweizerisch-deutschen Vergleichsvertrages vom 3. Dezember 1921. Die schweizerische Delegation trat für die Annahme des Resolutionsentwurfes ein, der am 22. September vom Plenum der Versammlung genehmigt wurde *).

In den Instruktionen, die der Bundesrat am 1. September seinen Delegierten erteilte, hatte er der Frage der W a h l e n in den Rat des V ö l k e r b u n d e s erhöhte Aufmerksamkeit zugewandt. Die Zusammensetzung des Völkerbundsrates und die abwechselnde Mitwirkung einer möglichst grossen Zahl von Völkerbundsmitgliedern hat für die Politik des Völkerbundes um so mehr Bedeutung, als dieselbe während ungefähr elf Monaten des Jahres tatsächlich r vom Rate bestimmt wird.

Zu Mitte der dritten Tagung der Versammlung wurde bekannt, dass der Rat des Völkerbundes sich auf den Vorschlag geeinigt habe, die Zahl der nichtständigen im Rate vertretenen Mitglieder von 4 auf 6 zu erhöhen. Gemäss Artikel 4, Alinea 2, des Völkerbundsvertrages bedarf es bekanntlich für die Erhöhung der Zahl der von der Versammlung für die Vertretung im Rate *) Siehe a. a. 0. S. 70 ff.

35 gewählten Mitglieder der Zustimmung der Mehrheit der Versammlung. Es zeigte sich bald, dass die überwiegende Mehrheit der Versammlung dem Vorschlage des Rates- eine sehr günstige Aufnahme bereitete. Dennoch wurde in der ersten Kommission der Versammlung, die mit dem Studium des Vorschlages des Rates betraut wurde, auch auf die beträchtlichen Nachteile ausdrücklich hingewiesen, welche mit einer Erhöhung der Zahl der nichtständigen Mitglieder für die Aktionsfähigkeit des Rates verbunden seien. Diese Auffassung wurde mit grossem Nachdruck vom niederländischen Delegierten, Professor Struycken, verfochten.

Auch Herr Bundesrat Motta glaubte, bei Anerkennung der Vorteile der Erhöhung der Zahl der nichtständigen Mitglieder auf die Gefahr hinweisen zu müssen, welche eine unverhältnismässig starke Vertretung der Klein- und Mittelstaaten, die den wirklichen Machtverhältnissen keineswegs entsprechen würde, mit sich bringen würde.

G e g e n die Zustimmung zum Vorschlage des Rates sprechen namentlich die Erwägungen, die der Bundesrat bereits in seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom 4. Januar 1922 betreffend die Abänderung des ViJikerbundsvertrages (Seite 9) angedeutet hat. Es steht vielleicht tatsächlich zu befürchten, dass, sofern nicht in absehbarer Zeit eine entsprechende Erhöhung der Zahl der ständigen .Mitglieder des Völkerbundsrates erfolgt, das Missverhältnis zwischen Grossmächten und Kleinstaaten im Rate dazu führt, dass die ersteren wichtigere Angelegenheiten vor das Forum des Völkerbundes zu bringen weniger geneigt sind, und derartige Fragen ausschliesslich unter sich zu regeln versuchen werden.

Demgegenüber herrschte aber bei der Mehrheit der Versammlung die Überzeugung, dass bei der gegenwärtigen Lage des Völkerbundes die Erhöhung der Zahl der nichtständigen Mitglieder eine lebhaftere Anteilnahme der Nichtgrossmächte an der Völkerbundspolitik zur Folge haben werde. Auch wurde geltend gemacht, dass ein vermehrter Einfluss der Klein- und Mittelstaaten im Rate des Völkerbundes unter den gegenwärtigen Verhältnissen eher ausgleichend wirken könnte. Endlich wurde hervorgehoben, dass das Missverhältnis zwischen der Vertretung der Grossmächte und der Kleinstaaten nur ein zeitweiliges sein werde, indem zu hoffen steht, dass die gegenwärtig dem Völkerbund nicht angehörenden Grossmächte in Zukunft
ebenfalls ständige Sitze annehmen werden.

Angesichts dieser Erwägungen war die Delegation der Auffassung, der sich der Bundesrat anschloss, dass die Schweiz ihre Zustimmung

36

zum Vorschlage des Rates geben könne. Am 25. September genehmigte die Versammlung eine Resolution in diesem Sinne*).

Gemäss den Instruktionen des Bundesrates trat der erste schweizerische Delegierte in der ersten Kommission nachdrücklich dafür ein, dass'bei Anlass der Neuwahlen des Jahres 1922 ein endgültiges System der Rotation in der Vertretung im Rate eingeführt werde. Angesichts der Tatsache, dass die von der Zweiten Völkerbundsversammlung genehmigte Abänderung zu Art. 4 des Paktes, welche es einer Zweidrittelmehrheit der Versammlung anheimstellt, Regeln für die Erneuerung der nichtständigen Vertreter im Rate aufzustellen, noch nicht rechtskräftig geworden war, war es indessen leider nicht zu erreichen, dass b i n d e n d e Beschlüsse über den einzuführenden Turnus der Vertretung gefasst würden. Die Versammlung musste sich darauf beschränken, in ihrer Resolution zu dieser Frage**) eine E m p f e h l u n g an die vierte Session zn richten, ein von der ersten Kommission ausgearbeitetes System der allmählichen Erneuerung zur Anwendung zu bringen. In der Erklärung, in der sich Herr Bundesrat M o 11 a ·/.M dieser Resolution äusserte, gab er aufs neue der Hoffnung Ausdruck, dass die Völkerbundsstaateff^durch Ratifikation der einschlägigen Bestimmung 'des Paktes einer endgültigen Regelung der Vertretung im Rate den Weg ebnen würde.

An ihrem letzten Sitzungstage, am 30. September, schritt die Versammlung zur Wahl der sechs nichtständigen Mitglieder des Völkerbundsrates. Die Mandate Belgiens, Brasiliens, Chinas und Spaniens wurden b e s t ä t i g t . Als neu im Rate vertretene Staaten wurden S c h w e d e n und U r u g u a y bezeichnet.

Wir glauben uns abschliessender Erörterungen und allgemeiner Betrachtungen über das Werk der Dritten Völkerbundsversammlung enthalten zu sollen. Wollten wir den Versuch machen, bereits nach der kurzen Frist, die seit Abschluss der dritten Tagung der Versammlung verstrichen ist, ein zusammenfassendes Urteil über ihre Arbeiten zu äussern, so würden wir sagen, dass der Völkerbund dahin zu tendieren scheint, seinen Einfluss mehr als bisher auf weltpolitische Fragen der Stunde auszudehnen. Diese Tendenz ist zu begrüssen. Im Ausbau der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Völkerbundes in ein ge*) Siehe Beilage VI, S. 73.

**) A. a. 0., S. 74.

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wisser Stillstand eingetreten, der seinen Grund in dem Wunsche hat, das Ergebnis weiterer Erfahrungen abzuwarten, ehe weitere Änderungen organisatorischer Natur beschlossen werden.

Indem wir Sie ersuchen, von dea vorstehenden Ausführungen Kenntnis nehmen zu wollen, benützen wir den Anlass, um Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 22. Dezember 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler : Steiger.

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Beilagen;') I. Resolutionen über politische Fragen.

1. Schutz der Minderheiten.

(Resolutioneii vom 21. September 1922.)

Die Versammlung genehmigt den Bericht der sechsten Kommission bezüglich der Frage des Schutzes der Minderheiten und fasst infolgedessen folgende Resolutionen : 1. Obwohl es in Fällen ernsthafter Verstössc gegen die Minderheitenverträge notwendig ist, dass der Rat sein volles Recht, direkt zu handeln, bewahrt, erkennt die Versammlung an, dass in den gewöhnlichen Fällen für den Völkerbund das beste Mittel, um die guten Beziehungen zwischen den verschiedenen Signatarregierungen der Verträge und den Personen, die zu Minderheiten der Rasse, Religion oder Sprache gehören und die ihrer Souveränität unterstellt sind, aufrechtzuerhalten, darin besteht, mit diesen Regierungen offiziöse und wohlwollende Beziehungen zu unterhalten. Zu diesem Zwecke regt die Versammlung an, dass der Rat verlangen könne, ein zahlreicheres Sekretariatspersonal zu seiner Verfügung zu haben.

2; Im Falle von Meinungsverschiedenheiten über Rechtsfragen oder Tatsachen, welche die Bestimmungen der Minderheiten vertrage zwischen der interessierten Regierung und irgendeinem Mitgliedsstaate des Rates des Völkerbundes betreffen, empfiehlt die Versammlung den Mitgliedern des Rates, unter Vermeidung jeder unnützen Frist den Ständigen Internationalen Gerichtshof um eine Entscheidung gemäss den Minderheitenverträgen anzurufen, wobei es wohlverstanden ist, dass die andern im Pakt vorgesehenen Vermittlungsformen jederzeit angewendet werden können.

3. Die Versammlung, die das grundlegende Recht der Minderheiten anerkennt, vom Völkerbund vor jeder Bedrückung geschützt zu werden, weist jedoch gleichzeitig auf die Pflicht hin, die den Angehörigen ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten obliegt, als loyale Bürger mit der Nation zusammenzuarbeiten, der sie jetzt angehören.

*) Deutscher Text der Resolutionen der Dritten Völkerbundsversammlung auf Grund einer Übersetzung der Nachrichtenabteilung des Völkerbundssekretariates.

39 4. Die Versammlung spricht die Hoffnung aus, dass die Staaten, welche dem Völkerbund gegenüber durch keine gesetzlichen Verpflichtungen betreffend die Minderheiten gebunden sind, dennoch in der Behandlung der ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten zumindest denselben Grad von Gerechtigkeit und Duldsamkeit beobachten werden, der von den Verträgen und gemäss der ständigen Wirksamkeit des Rates gefordert wird.

0. Das Generalsekretäriat, das beauftragt ist, die Nachrichten über die Durchführung der Minderheitenverträge zu sammeln, soll nicht nur den Rat bei seiner Prüfung der Beschwerden betreffend,die Verstösse gegen diese Verträge unterstützen, sondern soll auch dem Rate beistehen, sich über die Art und Weise Rechenschaft abzulegen, in der Personen, die nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten angehören, ihren Pflichten gegenüber ihren Staaten nachkommen. Die auf diese Weise gesammelten Nachrichten können zur Verfügung d.er Mitgliedsstaaten des Völkerbundes gestellt werden, wenn sie es verlangen.

2. Mandate.

(Resolutionen vom 20. September 1922.)

1. Die Versammlung legt Gewicht darauf, ihre lebhafte Befriedigung darüber auszudrücken, dass der Wortlaut der Mandate, die im Jahre 1921 noch nicht verkündet worden waren, festgesetzt werden konnte ; dass die Berichte über die Verwaltung der unter Mandat stehenden Gebiete der ständigen Mandatskommission vorgelegt und in Gegenwart beglaubigter Vertreter der Mandatarmächte geprüft wurden und dass auf diese Art das System der Mandate voll in Wirksamkeit treten konnte.

Die Versammlung wünscht insbesondere, der ständigen Mandatskommission ihre lebhafte Dankbarkeit für die grosse Sorgfalt und Unparteilichkeit, die sie in der Durchführung ihrer wichtigen und heiklen Mission aufgewendet hat, auszusprechen.

II. Im Gefühl der Befriedigung über die Bekanntgabe des Berichtes über den Bondelzwart-Aufstand im Jahre 1922 durch die Regierung der Südafrikanischen Union in ihier Eigenschaft als Mandatarmacht von Südwest-Afrika ; im Gefühl lebhafter Besorgnis hinsichtlich des Wohlergehens der Überlebenden und der Hilfe, die ihnen gebracht werden könnte, beschliesst die Versammlung :

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a. die lebhafte Genugtuung auszudrücken, die ihr die vom Delegierten von Süd-Afrika, Sir Edgar Walton, abgegebene offizielle Erklärung einflösste, derzufolge eine vollständige und unparteiische Untersuchung über alle Umstände des Bondelzwart-Aufstandes und seiner Niederwerfung vorgenommen wird, und b. die zuversichtliche Hoffnung zu äussern, dass die ständige Mandatskommission, die anlässlich ihrer nächsten Tagung mit dieser Frage befasst werde, in der Lage sein wird, festzustellen, diiss befriedigende Verhältnisse wieder hergestellt sind, und dass inzwischen die Mandatarmacht alle Anstrengungen machen wird, um die Leiden der Opfer, namentlich der Frauen und Kinder, zu mildern, und dass sie den Schutz und die Rückerstattung des Viehbestandes und im allgemeinen die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Lebens in dem Bondelzwart-Bezirk sicherstellen wird.

III. Die Versammlung, die die Frage des Petitionsrechts, die in dem Bericht der ständigen Mandatskommission aufgeworfen ist, geprüft hat, spricht die Hoffnung aus, dass dieses Recht derart umschrieben werden möge, dass: a. alle von den Bewohnern der unter Mandat stehenden Gebiete ausgehenden Petitionen der ständigen Mandatskommission durch die Vermittlung der örtlichen Verwaltung und der Mandatarmacht zugestellt werden ; b. dass alle die Lage der Bewohner der unter Mandat stehenden Gebiete betreffenden Petitionen, die aus andern Quellen stammen, nicht den Gegenstand der Prüfung der ständigen Mandatskommission bilden, bevor die Mandatarmacht jede Möglichkeit gehabt hat, ihre Meinung auszusprechen.

3. Sklaverei.

(Resolution vom 21. September 1922.)

Die Versammlung beschliesst, dass die Frage der Sklaverei auf die Tagesordnung der Vierten Versammlung gesetzt werden soll, und ersucht den Rat, der Versammlung einen Bericht über die Mitteilungen vorzulegen, die ihm in dieser Angelegenheit zukommen.

4. Antrag der litauischen Regierung über die Aufnahme einer neuen Frage in die Tagesordnung der Versammlung.

(Resolution vom 15. September 1922.)

Die Dritte Versammlung ist von der litauischen Regierung mit einem Antrag auf Aufnahme einer neuen Frage in die Tagesordnung befasst worden, die folgendermassen umschrieben wurde:

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,,Einspruch gegen die willkürlichen, nach der Empfehlung des Rates vom 13. Januar 1922 begangenen Handlungen der polnischen Regierung beireffend das Gebiet von Wilna."

In Anbetracht des Schreibens der polnischen Regierung bezüglich der Vorfrage, angesichts der Antwort der litauischen Regierung vom 6. September 1922, billigt die Versammlung den vom Delegierten Belgiens, Herrn Hymans, im Namen der Sonderkommission vorgelegten Bericht j sie beschliesst infolgedessen, dass es statthaft ist, die Vorfrage zu bejahen, insoweit als die litauische Beschwerde das Statut von "Wilna und die Wahlen, zu denen die polnische Regierung in diesem Gebiet zu schreiten beabsichtigt, zum Gegenstand hatte; sie belassi die neue Frage auf ihrer Tagesordnung, insoweit dieselbe die missbräuchliche Behandlung ins Auge fasst, der die litauische Bevölkerung im Gebiet von Wilna unterworfen worden sein soll ; und da es nicht" wünschenswert ist, dass die Debatte in der Versammlung auf die Anschuldigungen Litauens hin eröffnet wird, bevor die zuständige Kommission sie prüfen konnte, leitet sie die so klar abgegrenzte Frage direkt und ohne Debatte an die sechste Kommission der Versammlung zurück, der die Prüfung der politischen Fragen obliegt.

5. Beschwerden der litauischen Regierung über die Behandlung der nicht-polnischen Elemente im Gebiete von Wilna.

[Resolution vom 21. September 1922.)

% Unter Bezugnahme auf ihre Resolution vom 15. September 1922, nach Kenntnisnahme der Beschwerden der litauischen Regierung bezüglich der Behandlung der nicht-polnischen Elemente im Gebiete von Wilna, anderseits nach Anhörung der im Gegensatz -zu diesen Behauptungen vom Delegierten Polens vorgebrachten Bemerkungen, in Anbetracht des Umstandes, dass die aufgerollten Fragen zu denjenigen gehören, deren weitere Behandlung sich der Rat, nachdem er seine Empfehlung für die Regelung des polnischlitauischen Streitfalles in abschliessender Form ausgesprochen hatte, in seiner Resolution vom 13. Januar 1922 in dem Sinne vorbehalten hat, dass er nötigenfalls beide Regierungen auffordern

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wird, die Entsendung seiner Vertreter an Ort und Stelle zum Zwecke der Berichterstattung zuzulassen, in Anbetracht des Umstandes, dass der Rat bereits von dem Vorrecht, das er sich auf diese Weise vorbehalten hat, Gebrauch gemacht hat, und dass seine Aktion in dieser Hinsicht im Zusammenhang mit seiner allgemeinen Tätigkeit auf dem Gebiete des Schutzes der Minderheiten steht, leitet die Versammlung die ihr von der litauischen Regierung unterbreitete Frage an den Rat zurück und empfiehlt sie seiner besondern Aufmerksamkeit.

6. Die Rechtslage Ostgaliziens.

(Resolution vom 22. September 1922.)

Die Versammlung des Völkerbundes erneuert den von der Zweiten Versammlung in ihrer Resolution vom 27. September 1921 geäusserten Wunsch, der dahin geht, dass der Rat des Völkerbundes die Aufmerksamkeit der alliierten und assoziierten Hauptmächte auf die Wünschbarkeit einer baldigen Regelung der Rechtslage Ostgaliziens lenke.

7. Die Lage Georgiens.

(Resolution vom 22. September 1922.)

Die Versammlung des Völkerbundes, in Erwägung der Lage Georgiens, fordert den Rat auf, den Ereignissen in diesem Teil der Welt mit Aufmerksamkeit zu folgen, damit alle Gelegenheiten, die sich bieten, ergriffen werden können, ûïn durch friedliche, den Regeln des Völkerrechtes entsprechende Mittel zur Rückkehr dieses Landes zu normalen Verhältnissen beizutragen.

8. Armenien.

(Resolution vom 22. September 1922.)

Die Versammlung nimmt mit Dankbarkeit die Entschlüsse des Rates betreffend Armenien zur Kenntnis und äussert den Wunsch, dass man in den Friedensverhandlungen mit der Türkei nicht die Notwendigkeit aus den Augen verliere, eine nationale Heimstätte für die Armenier zu schaffen. Die Versammlung fordert den Rat auf, alle Massnahmen zu ergreifen, die er zu diesem Zwecke für angebracht hält.

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9. Der nahe Osten.

(Resolution vom 27. September 1922.)

Von dem aufrichtigen Wunsche beseelt, die Wiederherstellung des Friedens im nahen Osten zu sichern und alle zu diesem Zwecke unternommenen Bemühungen zu unterstützen, nimmt die Versammlung mit Befriedigung von der geplanten Zusammenkunft einer Konferenz Kenntnis, welche besonders damit betraut sein soll, die gegenwärtige Lage hinsichtlich einer Lösung zu prüfen.

Sie hat volles Vertrauen, dass der Rat, ohne sich im geringsten in die vorgesehenen Verhandlungen einzumischen, alle Massnahmen, die er für angebracht und durch den Stand der Verhandlungen gerechtfertigt hält, ergreifen werde, um dadurch dem einmütigen Wunsche der Versammlung nach einer raschen Wiederkehr des Friedens zu entsprechen.

II, ^Resolutionen über die Beschränkung der Eüstungen.

(Vom 27. September 1922.)

I. a. Die Versammlung hält es für wünschenswert, dass die Temporäre gemischte Kommission aufgefordert werde, noch während eines Jahres die von ihr begonnenen Arbeiten fortzusetzen, und dass sie ihren Bericht in einem angemessenen Zeiträume vor der nächsten Versammlung überreiche. Die Versammlung ersucht ferner den Bat, er möge die Mitglieder des Völkerbundes auffordern, der Kommission bei ihrer schwierigen Arbeit behilflich zu sein und ihr bei Vorbereitung der Entwürfe für die Abrüstung zu Lande und für den Vertrag gegenseitiger Garantie Eat und Beistand zu leisten.

&. Der Versammlung liegt daran, den besonderen Wert hervorzuheben, den sie auf die schon immer bestehende Zusammenarbeit der Temporären gemischten Kommission und der Ständigen beratenden Kommission legt, und den Wunsch auszudrücken, dass diese Mitarbeit fortgesetzt und womöglich noch enger werde. Sie ist der Meinung, dass die technischen Fachkenntnisse der Ständigen beratenden Kommission für das Studium der Fragen vom technisch-militärischen Gesichtspunkte aus, mit denen sich die Temporäre gemischte Kommission beschäftigt, unentbehrlich ist.

II. Die Versammlung spricht den Wunsch aus, dass, um einen Anfang zu machen, die europäischen Staaten, die vor dem Kriege von 1914 unter ihrer gegenwärtigen Benennung bestanden haben, deren juristisches Statut durch den Krieg nicht geändert

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worden ist und die augenblicklich nicht in militärische Operationen, die ihre Eüstungeu rechtfertigen, verwickelt sind, eingeladen werden mögen, den Gesamtbetrag ihrer Ausgaben für militärische Zwecke '/AI Lande, zu Wasser und in der Luft auf die Zahlen von 1918 zurückzuführen, wobei diese Zahlen auf Grundlage der Vorkriegspreise gemäss der von der Temporären gemischten Kommission in Anwendung gebrachten Methode berechnet werden sollen.

III. Die Versammlung spricht ihre Befriedigung aus über die bemerkenswerten Leistungen, die die Sammlung und Ausarbeitungstatistischer Angaben auf einem ganz neuen und besonders schwerigen Gebiete darstellen.

Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Arbeit und vorbehaltlich der Frage, welche Tragweite später den statistischen Erhebungen beizumessen sein werde, wünscht die Versammlung für das kommende Jahr das Programm festzusetzen, das ihr von unmittelbarem Nutzen und praktisch durchführbar erscheint. Sie schlägt deshalb vor, dass das Programm auf die folgenden zwei Punkte beschränkt sei: 1. Eüstungen in Friedenszeiten.

2. Ausgaben für Eüstungen.

Die Versammlung erachtet es für wünschenswert, dass der Eat die Ständige beratende Kommission bitte, der Temporären gemischten Kommission ihre Mitarbeit für den Teil dieser Untersuchung zu gewähren, die sich auf technische Militär-, Marine- und Luftschifffahrtsfragen bezieht.

IV. Nach Prüfung des Berichtes der Temporären gemischten . Kommission ist die Versammlung der Ansicht, dass die einzig praktische Massnahme, die bezüglich der überschüssigen Waffen- und Munitionslager ergriffen werden sollte, darin besteht, eine Kontrolle des internationalen Waffenhandels zu errichten.

V. Nach Kenntnisnahme des Antrages der Temporären gemischten Kommission betreffend ein internationales Übereinkommen über die Kontrolle der privaten Herstellung von Kriegsmaterial ersucht die Versammlung den Eat. zu prüfen, ob es wünschenswert wäre, in einem geeigneten Augenblick eine Konferenz der Mitglieder des Völkerbundes einzuberufen, um diesem Übereinkommen die Form einer Konvention zu geben. Die Versammlung anderseits ist der Auffassung, dass die Staaten, die nicht Mitglieder des Völkerbundes sind, eingeladen werden müssten, an dieser Konferenz -teilzunehmen und an der Politik mitzuarbeiten, die sie annehmen würde.

45 VI. a. Die Versammlung hält es für höchst -wünschenswert, dass die Regierung der Vereinigten Staaten die Einwendungen bekanntgebe, die sie gegen die Bestimmungen der Konvention von St. Germain zu formulieren hat, sowie auch ihre etwaigen Vorschläge über die Art und Weise, in der es möglich wäre, diese Einwendungen zu beheben.

6. Die Versammlung ist der Ansicht, dass die Temporäre gemischte Kommission beauftragt werden soll, einen neuen Entwurf für die Kontrolle des internationalen Waffenhandels auszuarbeiten, der von derselben Konferenz geprüft werden könnte, die die private Herstellung von Waffen zu behandeln hat.

c. Die Versammlung bittet den Rat, die Massnahmen zu ergreifen, die er für angemessen hält, um die oben ins Auge gefassten Ziele zu erreichen.

VII. a. Nach Prüfung des Berichtes der Temporären gemischten Kommission über die Entwicklung des chemischen Krieges billigt die Versammlung den Beschluss der Kommission, eine besondere Unterkommission mit der Vorlegung eines Berichtes über die wahrscheinlichen Wirkungen der chemischen Erfindungen in den nächsten Kriegen zu betrauen. Sie bittet den Rat und die Temporäre gemischte Kommission, dem Bericht dieser Unterkommission durch jedes mögliche Mittel die allergrösste Verbreitung in der Öffentlichkeit zu sichern.

&. Die Versammlung ersucht den Rat, den Mitgliedern des Völkerbundes und den anderen Nationen zu empfehlen, ihren Beitritt zu dem in Washington am 6. Februar 1922 abgeschlossenen Vertrage über die Verwendung von Stickgasen und Unterseeboten in Kriegszeiten und über andere ähnliche Fragen zu geben.

VIII. Nach Prüfung der Antworten der Regierungen von 26 Mitgliedstaaten des Völkerbundes auf die vom Rate an sie gerichtete Rundfrage über die Erfordernisse ihrer nationalen Sicherheit legt die Versammlung Wert darauf, zu erklären, dass sie diesen Antworten, die den künftigen Erörterungen der Temporären gemischten Kommission eine Grundlage geben, grossen Wert beimisst ; sie spricht den Wunsch aus, der Rat möge von neuem die Mitglieder des Völkerbundes, die ihre Antwort noch nicht gesandt haben, auffordern, dies unverzüglich zu tun.

IX. Die Versammlung billigt den Wunsch der Temporären gemischten Kommission, der dahin geht, der Rat möge in Erwägung ziehen, ob der Augenblick nicht gekommen sei, die Anwendung des den Austausch militärischer Auskünfte zwischen den Mitgliedstaaten des Völkerbundes betreffenden Absatzes des Artikels 8 des Paktes zu prüfen.

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X. Die Versammlung drückt ihre Befriedigung über das Werk aus, das in Washington auf dem Gebiete der Herabsetzung der Rüstungen zur See vollbracht worden ist.

XI. a. Die Versammlung nimmt mit Interesse die Anregungder chilenischen Kegierung auf, die dahingeht, die Frage der Abrüstung der panamerikanischen Konferenz zu unterbreiten, die im Monat März 1923 in Santiago stattfinden soll.

Die Versammlung spricht die Hoffnung aus, dass die Konferenz zu praktischen Lösungen gelangen möge, die in den allgemeineren Rahmen der Abrüstung, der den Gegenstand der Arbeiten des Völkerbundes bildet, eingefügt werden können.

b. Die Versammlung empfiehlt dem Rat, die sachverständigen Dienststellen des Völkerbundes gegebenenfalls zu ermächtigen, der panamerikanischen Konferenz von Santiago ihre Mitwirkung zu leihen.

XII. a. Die Versammlung spricht den Wunsch aus, dass der Rat so bald als möglich eine internationale Konferenz einberufe, an der alle Staaten, ob sie Mitglieder des Völkerbundes sind oder nicht, teilzunehmen gebeten werden sollen, um die Ausdehnung der Grundsätze des Vertrages von Washington über die Begrenzung der Rüstungen zur See auf alle Staaten, die nicht Unterzeichner dieses Vertrages sind, zu erwägen. Es ist selbstverständlich, dass alle besonderen Fälle,, einschliesslich jener der neu gebildeten Staaten, auf dieser Konferenz besonders geprüft werden.

b. Dass der Bericht der Temporären gemischten Kommission sowieder Bericht und der Entwurf einer Konvention, die von der Ständigen beratenden Kommission vorbereitet wurden, sowie der Text des Vertrages von Washington unverzüglich den verschiedenen Regierungen zur Prüfung unterbreitet werden.

XIII. Nach Kenntnisnahme des Berichtes der Temporären gemischten Kommission, die die allgemeinen Grundsätze der Abrüstung zu Lande und. in der Luft geprüft hat, beauftragt die Versammlung die Kommission, ihre Erhebungen auf Grund dieser Richtlinien fortzusetzen, zu dem Zwecke, einen genauen Plan einer allgemeinen Beschränkung der Rüstungen zu Lande und in der Luft vorzubereiten, der der nächsten Versammlung zur Prüfung unterbreitet -fljprden kann.

XIV. a. Nach Prüfung des Berichtes der Temporären gemischten Kommission über die Frage eines allgemeinen Vertrages gegenseitiger Garantie, in der Meinung, dass einerseits dieser Bericht in keiner Weise die vollständige Gültigkeit aller Friedensverträge oder anderer bestehender und bekannter Übereinkommen zwischen den

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Staaten irgendwie beeinträchtigen kann und dass anderseits dieser Bericht wertvolle Anregungen enthält in Bezug auf die Methode, die geeignet ist, den Vertrag gegenseitiger Garantie wirksam zu machen, erklärt die Versammlung: 1. Kein Plan zur Herabsetzung der Rüstungen, im Sinne des Artikels 8 des Paktes, kann vollen Erfolg haben, wenn er nicht allgemein ist.

2. In dem gegenwärtigen Zustand der Welt könnte eine grosse Zahl von Eegierungen die Verantwortung für eine ernsthafte Heralisetzung der Rüstungen nicht übernehmen, sofern sie nicht zum Ausgleich eine zufriedenstellende Garantie für die Sicherheit ihres Landes erhalten.

3. Eine solche Garantie kann durch ein Defensivabkommen geboten werden, das allen Ländern zum Beitritt offen steht und das die Parteien verpflichten würde, nach einem zuvor festgesetzten Plan tatsächliche und sofortige Hilfe zu bringen, falls eine von ihnen angegriffen werden sollte ; die Verpflichtung, einem angegriffenen Land Hilfe zu leisten, soll allerdings grundsätzlich auf die Länder beschränkt werden, die in demselben Weltteil gelegen sind. Indessen sollen in Fällen, wo ein Land aus historischen, geographischen oder andern Gründen ganz besonders der Gefahr eines Angriffes ausgesetzt ist, besondere Massnahmen für seine Verteidigung in Ausführung des vorgenannten Planes getroffen werden.

4. Da die allgemeine Herabsetzung der Rüstungen das Ziel der drei vorstehenden Vorschläge und der Vertrag gegenseitiger Garantie das Mittel zur Verwirklichung ist, ist es selbstverständlich, dass die vorherige Zustimmung zu dieser Herabsetzung die erste Bedingung dieses Vertrages ist. Diese Herabsetzung kann entweder in der Form eines allgemeinen Vertrages, was am meisten zu wünschen wäre, oder in Form besonderer Verträge, die jedoch dazu bestimmt sind, sich auszubreiten, und denen alle Länder noch beitreten können, vollzogen werden.

Im ersten Falle zieht der Pakt die allgemeine Herabsetzimg der Rüstungen nach sich.

Im zweiten Falle soll die Herabsetzung den Sicherheiten angepasst sein, die der Garantievertrag beibringt.

Der Rat des Völkerbundes soll, nachdem er die Meinung der Temporären gemischten Kommission, die die Bedingungen prüfen soll, unter denen das eine oder das andere dieser beiden Systeme angewendet werden kann, eingeholt hat, später den zugleich politischen und militärischen Plan des Mechanismus festsetzen, der die Aufgabe

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haben soll, die Verwirklichung des oder der Systeme genau vorzubereiten und sicherzustellen. Der Bat soll diesen Plan den Eegierungen zur Beurteilung und souveränen Beschlussfassung unterbreiten.

b. Die Versammlung bittet den Rat, er möge die verschiedenen Regierungen um ihre Ansicht über die vorstehenden Vorschläge ersuchen; sie ersucht die Temporäre gemischte Kommission, ihre Arbeiten fortzusetzen und, um den vorangehenden Vorschlägen eine möglichst genaue Form zu geben, den Entwurf eines Vertrages vorzubereiten, der auf den in diesen Resolutionen ins Auge gefassten Grundsätzen beruht.

XV. Wenn auch die Versammlung betont, dass die Herabsetzung der Rüstungen, auf die in Artikel 8 des Paktes hingezielt ist, alle ihre Wirkungen für den Frieden der Welt nur ausüben kann, wenn sie allgemein ist, so hegt sie doch den Wunsch, die Bedeutung zu unterstreichen, die regionale Übereinkommen haben können, welche auf eine Beschränkung der Rüstungen abzielen und welche gegebenenfalls sogar die für eine allgemeine Rüstungsbeschränkung vorgesehenen Massnahmen übertreffen könenn; sie bittet daher den Rat, die Temporäre gemischte Kommission zu ersuchen, sie möge im Verlaufe ihrer kommenden Arbeiten die Möglichkeit ins Auge fassen, den Abschluss derartiger Übereinkommen den Staaten zu empfehlen, die daran interessiert sein könnten.

XVI. In der Erwägung, dass die materielle Abrüstung die moralische Abrüstung zur · Vorbedingung hat, und dass diese nur in einer Atmosphäre von Sicherheit und gegenseitigem Vertrauen durchgeführt werden kann, stellt die Versammlung fest, dass dieses Vertrauen unmöglich ist, solange die Störung des Gleichgewichts der Wechselkurse, das wirtschaftliche Chaos und die Arbeitslosigkeit, unter denen die Welt leidet, andauern, und dass nur die Beseitigung der Ungewissheit, die über die Mittel, mit denen die verheerten Gebiete wiederhergestellt werden können, und über die Regelung der interalliierten Schulden herrscht, gestatten wird, diesen Übeln Abhilfe zu schaffen; sie äussert den Wunsch, dass, insofern diese Fragen durch die alleinigen Bemühungen der europäischen Nationen geregelt werden können, die Signatarmächte der internationalen A^erträge und Übereinkommen, deren Gegenstand diese Fragen bilden und in deren Rahmen sie ins Auge gefasst werden müssen, so bald als möglich zu einer Gesamtlösung des Problems der Reparationen und der interalliierten Schulden gelangen mögen;

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sie äussert ferner den Wunsch, dass der Bat allen iii diesem Sinne ·von den interessierten Regierungen gemachten Anstrengungen eine (beständige Aufmerksamkeit widme, wobei es selbstverständlich ist,
lili Eesolutionen und Empfehlungen über das Werk der technischen Orgapisationen.

1. Die Hygieneorganisation.

I. Die Versammlung nimmt mit Befriedigung Kenntnis : a. von der Mitwirkung, welche die Hygieneörganisation den Arbeiten der sanitären Konferenz von Warschau gewährt hat. Sie nimmt .gleichfalls zur Kenntnis, dass die Konferenz von Genua, der die Resolution des Bates vom 8. April 1922 vorgelegt worden war, die Grundsätze des Kampfes gegen die Epidemien, die von der Konferenz von Warschau angenommen worden waren, gebilligt hat, und dass auf Grund dieser Besolution der Konferenz von Genua, die der Hygiene'Organisation durch eine Besolution des Bates vom 21. Juni 1921 'übermittelt worden ist, die Hygieneorganisation mit der Durchführung des von der Konferenz aufgestellten Programmes beauftragt "worden ist; b. von der Tatsache, dass die Hygieneorganisation von verschiedenen Ländern ermächtigt worden ist, die Vermittlungsfunktionen auszuüben, die für sie in gewissen infolge der Warschauer Konferenz abgeschlossenen zweiseitigen -sanitären Konventionen vorgesehen . 'wurde, und dass der Bat seine Ermächtigung zu diesen Funktionen ^gegeben hat; c. von der Zusammenarbeit zwischen der Hygieneorganisation und den andern technischen Organisationen des Völkerbundes, be·sonders mit den Kommissionen für Opiumhandel, Verkehr und Transit und für Mandate; d. von der Mitarbeit, die die Hygieneorganisation bei der Vorbereitung für die Bevisi on der internationalen sanitären Konvention vom Jahre 1912 geleistet hat, und der hierdurch erzielten Zusammenarbeit mit dem internationalen Amt für öffentliche Hygiene, ferner von der Tatsache, dass der Bat beschlossen hat, diese Organisation der Konferenz, die vom internationalen Amt für öffentliche Hygiene; in kurzer Frist zusammenberufen werden soll, zur Verfügung z\i stellen; e. von der von der Hygieneorganisation erreichten Zusammenarbeit bei den experimentellen Forschungen im Hinblick auf die StanBundesblatt. 75. Jahrg. Bd I.

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dardisierung der Sera und der serologischen Reaktionen, deren ersteErgebnisse der demnächst in Genf zusammentretenden Konferenz, unterbreitet werden; /. von der Entwicklung des epidemiologischen Nachrichtendienstes, der nicht auf Probleme, die besonders eine kleine Zahl von Ländern interessierten, beschränkt sein soll; g. von der Initiative der Hygieneorganisation, ein System desAustausches von Sanitätspersonal verschiedener Regierungen einzuführen, das sie gleichfalls auf eine möglichst grosse Zahl von Ländern ausgedehnt zu sehen wünscht.

II. Es ist der Wunsch der Versammlung, der Rockefeller-Foundation ihre Erkenntlichkeit für die finanzielle Unterstützung auszusprechen, die von derselben der Hygieneorganisation zum Zwecke der Entwicklung gewisser Seiten ihres Aktionsprogrammes angeboten, worden ist.

III. Die Versammlung ist der Ansicht, dass die Hygieneorganisation des Völkerbundes einem ständigen Bedürfnis entspricht, und dass es unumgänglich notwendig ist, dass sie ihre Tätigkeit fortsetztSie beschliesst, dass vor Zusammentritt der Vierten Versammlung, auf den Grundlagen und gemäss den Grundsätzen, die von der Ersten Versammlung für die technischen Organisationen des Völkerbundes angenommen worden waren, zur Vorbereitung der Bildung einer ständigen Hygieneorganisation geschritten werden kann, und dass dieVierte Versammlung ihre Zustimmung hierzu erteilen soll. Diese Organisation wird mit den Punktionen betraut werden, die von der Ersten und Zweiten Versammlung umschrieben worden sind. Sie wird im gegebenen Palle und in den Grenzen der im Budget vorgesehenen.

Kredite, vorbehaltlich der obgenannten Zustimmung, vor der Vierten Versammlung in Tätigkeit treten können.

Die Versammlung ermächtigt den Rat, zu diesem Zwecke aus.

jeder allgemeinen sanitären Konferenz, die einberufen werden könnte,.

Nutzen zu ziehen, wobei es selbstverständlich ist, dass alle Mitgliedstaaten des Völkerbundes zur Teilnahme an einer derartigen Konferenz aufgefordert werden müssten.

Die Versammlung fordert den Rat auf, dahin bemüht zu sein,, dass in den Konferenzen, die vielleicht abgehalten werden, alle Massnahmen ergriffen werden, die dazu angetan sind, die Leistung doppelter Arbeit durch die internationalen Hygieneorganisationen zu vermeiden.

IV. Die Versammlung stellt fest, dass das Andauern der Epidemien in Osteuropa für die Welt noch eine grosse Gefahr bedeutet

51 und die Wiederherstellung normaler wirtschaftlicher Bedingungen in den von den Epidemien betroffenen Ländern und in der übrigen Welt behindert.

Sie stellt fest, dass alle bei der internationalen Wirtschaftskonferenz von Genua anwesenden Eegierungen den Grundsatz der Beteiligung aller europäischen Eegierungen bei den notwendigen Ausgaben für den gemeinschaftlich unternommenen Kampf gegen die Ausbreitung der Epidemien sowie auch den Grundsatz angenommen haben, dass die Leitung dieses Kampfes der vorläufigen Epidemienkommission anvertraut werde.

Sie stellt die beträchtlichen finanziellen Bemühungen der Bandstaaten Kusslands zur Führung dieses Feldzuges auf ihrem eigenen Gebiete fest.

Sie nimmt die Tatsache zur Kenntnis, dass die britische Kegierurig in Durchführung der Eesolution von Genua sich erbötig gemacht hat, der vorläufigen Epidemienkommission eine Zahlung von 100,000 Pfund zu leisten, unter der Bedingung, dass der Gesamtbeitrag der andern Kegierungen sich auf den Betrag von 200,000 Pfund belaufe.

Sie nimmt zur Kenntnis, dass der Eat beschlossen hat, diese Leistung zur Kenntnis der Delegationen aller bei der Versammlung anwesenden Mitglieder des Völkerbundes zu bringen und sie zu ersuchen, möglichst noch vor dem Ende der Versammlung bekanntzugeben, welche Hilfe ihre Eegierungen zu leisten bereit wären; sie hofft, dass die Mitglieder des Völkerbundes sobald als möglich eine günstige Antwort geben können.

(Eesolutionen vom 15. September 1922.)

V. Die Versammlung stellt fest, dass bis zum heutigen Tage die vorläufige Epidemienkommission, deren Budget gänzlich aus von gewissen Staaten freiwillig für den Kampf gegen die Epidemien geleisteten Beiträgen besteht, veranlagst worden ist, eine Eeihe epidemiologischer Untersuchungen zu unternehmen und die Zusammenarbeit mit den technischen Verwaltungen enger zu gestalten, wie dies für das von ihr verfolgte Ziel notwendig erscheint, aber dass die Tätigkeit nichtsdestoweniger von der Hygieneorganisation für deren eigenen Bedarf benützt worden ist; sie stellt fest, dass es unter diesen Umständen nicht gerecht erscheint, dass die Kosten dieser Arbeiten, die alle Staaten interessieren, nur von einigen unter ihnen bestritten werden sollen, sondern dass ·sie im Gegenteil dem gewöhnlichen Budget des Völkerbundes angehören müssen; sie stellt fest, dass es'nicht zulässig ist, diese Beträge den Beträgen, die von gewissen Staaten zu dem genau und klar umschriebenen

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Zwecke des eigentlichen Kampfes gegen die Epidemien geleistet wurden, zu entnehmen; sie stellt fest, dass hingegen die gute Fortführung dieser Arbeiten und das Bestreben nach ihrem besten Ergebnis vom wirtschaftlichen Standpunkte aus es wünschenswert machen, die vorläufige Epideraienkommission auch weiterhin mit ihnen zu beauftragen; sie beschliesst, dass ein Betrag von 50,000 Pranken dem Budget der Hygieneorganisation als Beitrag für die vorläufige Epidemienkommission überwiesen werde.

(Eesolution vom 28. September 1922.)

2. Die Organisation für Verkehr und Transit.

(Eesolution vom 28. September 1922.)

I. Nach Kenntnisnahme des ersten und zweiten Berichtes der beratenden und technischen Kommission für Verkehr und Transit über die Tätigkeit der Verkehrs- und Transitorganisation zwischen der Zweiten und Dritten Versammlung nimmt die Versammlung mit Befriedigung zur Kenntnis: a. die Fortschritte, die in der Anwendung der von der Pariser Konferenz für Pässe, Zollformalitäten und direkte Palirkarten im Oktober 1920 angenommenen Empfehlungen, sowie der von der Konferenz von Barcelona angenommenen Konventionen und Empfehlungen erzielt worden sind; b. die Bemühungen, welche die Organisation für Verkehr und Transit zum Zwecke der Erleichterung der Batifizierung der Konventionen von Barcelona oder der Beitritte zu diesen Konventionen unternommen hat; o. die Studien, die zwecks Ausarbeitung der Konvention über das internationale Begirne der Eisenbahnen sowie einer allgemeinen Konvention über das internationale Eegirne der Häfen und zwecks Anwendung des Grundsatzes von der gerechten Behandlung des Handels auf dem Gebiete des Transportwesens unternommen werden; d. die Massnahmen, die ergriffen worden sind, um den Beschlüssen der Konferenz von Genua, die vom Eate des Völkerbundes der Organisation für Verkehr und Transit zugestellt wurden und die den Zweck haben, die materielle Wiederherstellung des Transportwesens in Europa zu entwickeln, Folge zu geben; die Versammlung fordert die Organisation für Verkehr und Transit, die, gemäss der vom Eate des Völkerbundes in seiner Sitzung vom 18. Juni 1921 gebilligten Empfehlung der allgemeinen Konferenz von Barcelona im Laufe des Jahres 1928 eine zweite allgemeine Koa-

53 ferenz in Genf abhalten wird, auf, nach den Methoden, von denen sie sich bisher hat leiten lassen, die Ausübung der ihr übertragenen Mission fortzusetzen ; sie zählt darauf, dass die augenblicklich vorgenommenen Vorarbeiten genügend gefördert werden,damit alle diejenigenderselben, die geeignet erscheinen könnten, ein internationales Übereinkommen zu veranlassen, den Gegenstand genauer Anträge bilden können, die der erwähnten Konferenz unverzüglich unterbreitet werden sollen.

II. Die Versammlung empfiehlt der Organisation für Verkehr und Transit, den interessierten Eegierungen den Entwurf von Konventionen und Empfehlungen zukommen zu lassen, die sie mindestens drei Monate vor der Zusammenkunft der Konferenz, die im Laufe des Jahres 1923 stattfinden soll, vorbereitet haben wird.

III. Die Versammlung'nimmt mit Genugtuung von der baldigen Zusammenkunft der Konferenz der Eisenbahnverwaltungen in Paris Kenntnis, die gemäss den Beschlüssen der Konferenz von Genua von den französischen Eisenbahnverwaltungen einberufen worden ist und lenkt die Aufmerksamkeit des Eates darauf, dass es angebracht wäre, alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um bei dieser Konferenz die Vertretung der Organisation für Verkehr und Transit des Völkerbundes zu sichern, die auf Grund der gleichen, vom Eate und der Versammlung angenommenen Beschlüsse der Konferenz von Genua beauftragt ist, die Entwicklung der ergriffenen Massnahmen zu verfolgen, um ihnen Wirksamkeit zu geben.

3. Wirtschafts- und Finanzkommission.

(Besolution vom 28. September 1922.)

I. Die Versammlung hat mit Befriedigung von der Unterstützung Notiz genommen, die das Finanzkomitee dem Bäte bei seinen Arbeiten zuteil werden Hess, besonders was die Finanzen von Danzig, die für Albanien bestimmte technische Hilfe und die Sanierung der österreichischen Finanzen anbetrifft.

Sie würdigt die Tätigkeit des Komitees vollauf und hofft, dass öS konkrete Vorschläge über jede bestimmte Frage prüfen wird, die unter den gegenwärtigen Bedingungen für eine durch internationale Zusammenarbeit zu erzielende Lösung reif erscheinen mag, und dass es seine Arbeiten in einer praktischen Eichtung verfolgen wird, um positive Ergebnisse zu erzielen.

Sie hofft, dass das Studium der Fragen der Stabilisierung der Währungen und im besondern der Handels- und Zahlungsbilanz

54 der Staaten, die ja eines der wichtigsten Elemente dieser Frage darstellt, mit Eifer fortgesetzt wird, um zu der Veröffentlichung von Berichten zu gelangen, die volles Licht auf dieses so dringliche und bedeutende Problem werfen werden.

II. Die Aufmerksamkeit der Versammlung hat sich wiederum auf den dauernden Ernst der finanziellen Verwirrung gerichtet, deren unheilvolle Wirkungen sich mehr und mehr in der Lage der ganzen Welt fühlbar machen. Sie bringt von neuem ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass ein wesentlicher Bestandteil für die Abhilfe dieser Übel in der Anwendung der finanziellen Begeln liegt, die in Brüssel aufgestellt und jüngst in Genua bestätigt wurden.

'; Sie fordert das Finanzkomitee auf, die im vorigen Jahre unternommenen Untersuchungen über die von den verschiedenen Regierungen in der Anwendung der Brüsseler Resolutionen gemachten Fortschritte fortzusetzen. Sie fordert das Komitee ferner auf, zwecks Erzielung positiver Ergebnisse in offizieller oder offiziöser Mitarbeit mit den interessierten Regierungen alle praktischen Vorschläge zu ermitteln, die gemacht werden könnten, um die möglichst vollständige Verwirklichung der Grundsätze eines gesunden Finanzwesens, die in diesen Resolutionen enthalten sind, zu ermöglichen.

III. Die Versammlung erkennt die Vorteile, die den Finanzen der verschiedenen Länder aus der uneigennützigen Hilfe einer internationalen Körperschaft unparteiischer Sachverständiger erwächst und fordert deshalb das Finanzkomitee auf, sich zur Verfügung der dem Völkerbunde angehörenden Staaten zu halten und ihnen in gutscheinender Weise ihren ganzen Beistand bei Lösung geeigneter Fragen zu leihenIV. a. Die Versammlung nimmt mit Befriedigung Kenntnis von der eingehenden Untersuchung, die das Wirtschaftskomitee mit Bezug auf die Frage der gerechten Regelung des Handels1 unternommen hat und von den hinsichtlich gewisser Seiten des Problems erzielten Fortschritten.

b. Sie hofft, dass als Ej/gebnis der Vorschläge des Komitees die Abänderung der internationalen Abkommen betreffend den unlautern Wettbewerb verwirklicht werde und billigt das vom Rate eingeschlagene Verfahren zur Erreichung dieses Zieles; G. Sie billigt den Vorschlag, eine Konferenz von Sachverständigen in Fragen der zollamtlichen Formalitäten einzuberufen,. . Sie rechnet damit, dass alle irgendwie möglichen Massnahrnen getroffen werden, nicht nur um den Erfolg der Konferenz zu sichern, sondern

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siuch um ihren Beschlüssen Folge zu geben, und zwar in der Art, dass die Regierungen wirksame Massregeln in möglichst kurzer Frist ergreif en.

d. Die Versammlung hat von den andern Arbeiten Kenntnis .genommen, die im Zusammenhang mit dem Problem der gerechten 'Regelung des Handels unternommen wurden. Sie zählt darauf, dass Tiinsichtlich der Niederlassung von Ausländern (Personen und Gesellschaften) in nächster Zeit nützliche Empfehlungen vorgelegt werden.

e. Sie hofft im übrigen, dass die bereits mit Erfolg begonnenen Erhebungen ohne Unterbrechung ausgedehnt und fortgesetzt werden,
V. Die Versammlung nimmt die Fortschritte und Ergebnisse, ·die das Wirtschaftskomitee in den andern von ihm unternommenen Aufgaben, teils in Verfolg der Resolution der Konferenz von Genua (Dumping, statistische Methoden usw.), teils auf andern Gebieten -^Wechselbriefe) erzielt hat, zur Kenntnis. Sie wünscht, dass die Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten des Völkerbundes ganz besonders auf die Empfehlungen gelenkt werde, welche das kommerzielle Schiedsverfahren (die Kompromissklausel) und die Stabilisierung
VI. Nach Kenntnisnahme der Beschlüsse der allgemeinen Arbeitskonferenz vom Jahre 1921, die eine Untersuchung über den nationalen und internationalen Charakter der Krise der Arbeitslosigkeit und über die Mittel zu ihrer Bekämpfung verlangt und das Internationale Arbeitsamt ersucht hatte, die Mitwirkung der wirtschaftlichen und finanziellen Abteilung des Völkerbundes für die Lösung anzurufen, die den durch die Untersuchung aufgeworfenen wirtschaftlichen nnd finanziellen Fragen gegeben werden kann, " fordert die Versammlung die Wirtschafts- und Finanzkommission auf, in sehr kurzer Frist die Tragweite und Methode dieser Mitwirkung festzusetzen und dem Internationalen Arbeitsamt bei der von ihm unternommenen Untersuchung jede Auskunft, die ihr zur Verfügung steht, zu erteilen.

VII. Die Versammlung fordert die Mitgliedstaaten des Völkerbundes auf, der Wirtschafts- und Finanzkommission dadurch Beistand zu leisten, dass sie ihr mit möglichst viel Einzelheiten und so schnell als möglich alle Auskünfte erteilen, um die sie die Kommission ersuchen könnte, besonders insoweit es sich um die verschiedenen Veröffentlichungen und Erhebungen der Kommission über die ge^ .rechte Regelung des Handels handelt.

56 Vili. Die Versammlung nimmt zur Kenntnis, dass der Rat dieAbsicht hat, die wirtschaftliche und. finanzielle Organisation in ihrer' gegenwärtigen vorläufigen Form aufrechtzuerhalten, damit die von ihr unternommenen Arbeiten fortgesetzt werden können, jedoch unter Vorbehalt der Änderungen, die der Eat in der Zusammensetzung der wirtschaftlichen und der finanziellen Kommission vornehmen könnte4. Die Arbeiten der Kommission für geistige Zusammenarbeit.

(Resolutionen vom 28. September 1922.)

I. Die Versammlung, die von dem Bericht der Kommission für geistige Zusammenarbeit Kenntnis nimmt, würdigt die von der Kommission während ihrer ersten Tagung erledigten Arbeiten, sowie diegewissenhafte und genaue Methode, mit welcher sie das Programm ihrer künftigen Arbeiten festgesetzt hat, in hohem Masse ; sie beglückwünscht den Vorsitzenden der Kommission, Herrn Bergson, sowiealle seine Kollegen zu ihrem nützlichen und bedeutenden Werk, und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die Kommission ihre Aufgabe unter Mitwirkung der massgebendsten Fachleute aller Länder in den Grenzen der ihr von der Versammlung zur Verfügung gestellten Kredite fortsetzen werde.

II. Die Versammlung nimmt mit Genugtuung von den Resolutionen Kenntnis, durch die der Rat die Kommission für geistigeZusammenarbeit ermächtigt hat, eine Untersuchung über die Lage der geistigen Arbeit vorzunehmen und drei Unterkommissionen einzusetzen, die beauftragt sind, die Fragen der Bibliographie, der Zusammenarbeit der Universitäten und des geistigen Eigentums zu studieren.

III. Die Versammlung beschliesst, einen Aufruf an alle Länderzu richten, die der am 15. März 1886 in Brüssel abgeschlossenen Konvention über den internationalen Austausch von Veröffentlichungen, noch nicht beigetreten sind, um sie zum Beitritt aufzufordern.

IV. Die Versammlung hat mit lebhaftestem Interesse Kenntnis, von den eingehenden Erhebungen genommen, die die Kommission, für geistige Zusammenarbeit über die Lage des geistigen Lebens in jenen Ländern angestellt hat, in denen es besonders gefährdet ist. Die Versammlung fordert den Bat auf, diese wichtige Frage in, den von der Kommission vorgeschlagenen Grenzen weiter zu verfolgen.

V. Die Versammlung fordert den Rat auf, eine auf internationaler Solidarität begründete geistige Zusammenarbeit herbeizuführen,, mit dem Ziele, den Universitäten und Schulen, denen es infolge der

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Kriege an wissenschaftlichen Büchern und Dokumenten mangelt und die keine ausreichenden Mittel für den Ankauf besitzen, solche Veröffentlichungen zu verschaffen.

5. Esperanto als internationale Hilfssprache.

(Kesolution vom 21. September 1922.)

Die Fragen, die sich auf den Unterricht in Esperanto beziehen,.

werden an die Kommission für geistige Zusammenarbeit verwiesen,, damit diese Kommission ihre Meinung über die verschiedenen Seiten des Problems einer internationalen Hilfssprache abgebe *).

6. Der panamerikanische Kongress und die technischen Organisationen des Völkerbundes.

(Resolution vom 30. September 1922.)

Die Versammlung drückt den Wunsch aus, dass die Mitglieder des Völkerbundes, die auf dem nächsten panamerikanischen Kongress, vertreten sein werden, die Aufmerksamkeit dieses Kongresses auf die Tätigkeit der technischen Organisationen des Völkerbundes lenken mögen; sie drückt den Wunsch aus, dass diese Mitglieder die Mittel suchen mögen, durch die eine vom panamerikanischen Kongress ins Auge gefasste künftige Aktion in einer von den technischen Organisationen des Völkerbundes behandelten Frage soweit als möglich in Zusammenarbeit mit diesen Organismen durchgeführt werden kann.

Die Versammlung empfiehlt dem Bat, nötigenfalls die technischen Organisationen zu ermächtigen, an jeder allgemeines Interesse aufweisenden Aktion mitzuarbeiten, die vom nächsten panamerikanischen Kongress beschlossen werden könnte.

IV. Eesolutionen über finanzielle Fragen.

1. Die Finanzgebarung des Völkerbundes.

(Resolutionen vom 29. September 1922.)

I. Die Völkerbundsversammlung schliesst die Konten über dieAusgaben und Einnahmen des dritten Rechnungsjahres, das mit dem 31. Dezember 1921 endet, endgültig ab.

*) Die Versammlung hat ausserdem, mit einigen Abänderungen, einen Bericht des Generalsekretariates des Völkerbundes über das Esperanto ale internationale Hilfssprache genehmigt.

58 II. Die Versammlung nimmt den ersten Bericht der Kontrollkommission und den ergänzenden Bericht an, soweit die Empfehlungen, die in diesen Berichten enthalten sind, bis jetzt noch nicht zur Durchführung gelangt sind oder nicht im Widerspruch mit andern besondern Beschlüssen der Dritten Völkerbundsversammlung oder ihrer vierten Kommission stehen.

III. In der Erwägung; dass die von der Kommission für geistige Zusammenarbeit gemäss den Beschlüssen der Zweiten Versammlung unternommenen Arbeiten nicht mit Erfolg zu Ende geführt werden können, sofern die nötigen Mittel nicht in das Budget aufgenommen werden, beschliesst die Versammlung, die von der vierten Kommission zu diesem Zwecke unter dem Titel «Internationale Bureaux und verschiedene Fragen» vorgesehenen Kredite von Fr. 125,000 auf Fr. 175,000 zu erhöhen.

IV. In Anwendung des Artikels 4 der von der Ersten Versammlung am 17. Dezember 1920 angenommenen Empfehlung über die Finanzgebarung des Völkerbundes setzt die Versammlung für das Rechnungsjahr 1928 das allgemeine Budget des Völkerbundes, das Budget der internationalen Arbeitsorganisation und die Ergänzungskredite mit einer Gesamtsumme von Fr. 25,673,508 fest und bestimmt, dass die vorgenannten Budgets im Amtsblatt zu veröffentlichen sind.

V. Die Versammlung nimmt Kenntnis von dem Schreiben, das die schweizerische Delegation am 14. September 1922 im Namen des Schweizerischen Bundesrates, des Staatsrates der Eepublik und des Kantons Genf sowie des Gemeinderates der Stadt Genf an das Generalsekretariat des Völkerbundes gerichtet hat und laut welchem unter Torbehalt der Eatifizierung durch die verfassungsmässigen eidgenössischen und genferischen Instanzen und in der Absicht, dem . Völkerbund zu gegebener Zeit die Erstellung von Bäumlichkeiten für die Versammlung und das Internationale Arbeitsamt durch die Be-.

Schaffung geeignet gelegener Grundstücke zu erleichtern, die folgenden Gebäude und Grundstücke geschenkweise überlassen werden : 1. von der schweizerischen Eidgenossenschaft das am Seeufer gelegene Grundstück, Eoute de Lausanne Nr. 154, mit einem Flächenraum von 85,848 Quadratmeter; 2. vom Kanton Genf und der Stadt Genf: der Grundbesitz, der von der Stadtseite her an das Hôtel des Nations stösst und einen Flächenraum von 4498 Quadratmeter aufweist.

Die Versammlung drückt ihre lebhafte Anerkennung für die -Freigebigkeit und den guten Willen gegenüber dem Völkerbunde,

59
VI. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Rates vom 21. Juli 1922 hält es die Versammlung für nötig, ihr volles Einverständnis mit dem Grundsatze zu betonen, demzufolge die Ausgaben für besondere Ermittlungen, die im besonderen Interesse eines oder mehrerer Mitglieder des Völkerbundes gemacht werden, auch von diesem oder diesen Mitgliedern zu tragen sind.

VII. In Erwägung, dass die gegenwärtige Lage der Finanzen aller Länder dem Völkerbunde die grösste Sparsamkeit auferlegt, besonders was neue Arbeiten betrifft, die für den Völkerbund erneute finanzielle Lasten zur Folge haben, selbst wenn diese Arbeiten in den Konventionen oder Kesolutionen, die noch vor der gegenwärtigen Versammlung gefasst worden sind, vorgesehen sind, ersucht die Versammlung den Völkerbundsrat und den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes, darüber zu wachen, dass solche Arbeiten in der Zeit zwischen der Dritten und Vierten Versammlung nur dann vorgenommen werden, wenn ein Dringlichkeitsfall vorliegt: sie ersucht ferner den Völkerbundsrat und den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes, der Vierten Versammlung eine Aufstellung der neuen Arbeiten vorlegen zu wollen, die für den Völkerbund neue finanzielle Lasten zur Folge haben und die innerhalb der im ersten Absatz erwähnten Bedingungen hätten ausgeführt werden können.

.

VIII. In der Erwägung, dass die Kommission zur Festsetzung der Gehälter ihren Bericht über ein System von Pensionierungen und von- Abzügen den Gehältern für das Personal des Sekretariats und des Internationalen Arbeitsamtes der vierten Kommission erst in deren letzten Sitzung, die zwei Tage vor Schluss der Dritten Versammlung stattfand, zugestellt hat; in der Erwägung, dass es ihr unter diesen Umständen unmöglich ist. diese wichtige Frage mit der notwendigen Sorgfalt zu prüfen, beschliesst die Versammlung, den ihr vorgelegten Bericht au die Kontrollkommission zurückzuweisen und den Eat aufzufordern, den .Mitgliedern des Völkerbundes vier Monate vor Eröffnung der Vierton Versammlung einen endgültigen Bericht vorzulegen.

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Wunsch.

la Anbetracht der Notwendigkeit, Ersparnisse in der Finanzgebarung des Völkerbundes zu erzielen, spricht die Versammlung den Wunsch aus, der Eat möge seine Sitzungen stets in Genf abhalten, fiusser im Falle ganz aussergewöhnlicher Umstände, die seineZusammenkunft in einer andern Stadt notwendig machen.

2. Verordnung betreffend die Finanzgebarung des Völkerbundes.

(Eesolution vom 29. September 1922.)

In der Erwägung, dass der Hat in der am 17. Dezember 1920 angenommenen und am 4. Oktober 1921 abgeänderten Empfehlung der Versammlung betreffend die Finanzgebarung des Völkerbundes, aufgefordert wurde, für die ordentliche Tagung der Versammlung von 1922 eine endgültige Eesolution über die Finanzgebarung des Völkerbundes vorzubereiten ; in der Erwägung, dass der Eat die Kontrollkommission aufgefordert hat, ein Eesolutionsprojekt zu entwerfen und diese Kommission einen solchen Entwurf vorlegte und von der Versammlung prüfen liess: nimmt die Versammlung des Völkerbundes die Verordnung über die Finanzgebarung des Völkerbundes an.

3. Entschädigung für gewisse Richter und technische Beisitzer des; Ständigen Internationalen Gerichtshofes.

(Eesolution vom 28. September 1922.)

Nach Prüfung der Anträge, die ihr gemäss dem Artikel 32 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes vom Eate vor. gelegt worden sind, · nimmt die Versammlung des Völkerbundes die Anträge des.

Eates unter Vorbehalt gewisser Abänderungen hinsichtlich des.

Betrages der Entschädigungen an und beschliesst folgendes: ' 1. Jeder Eichter, des Ständigen Internationalen Gerichtshofes, der gemäss dem Artikel 81 des Statuts des Gerichtshofes berufen oder gewählt ist und der nicht stellvertretender Eichter ist, soll aus dem Fonds des Gerichtshofes einen täglichen Beitrag für seine Amtsbetätigung und eine tägliche Entschädigung; für seinen Aufenthalt sowie die Eückerstattung seiner Eeisekosten erhalten, und zwar gemäss dem Tarif und den Bedingungen, die auf einen an einer Tagung des Gerichtshofes teilnehmenden stellvertretenden Eichter Anwendung finden.

öl

2. Die gemäss den Bestimmungen des Artikels 26 des Statuts des Gerichtshofes berufenen technischen Beisitzer sollen aus dem .Ponds des Gerichtshofes eine tägliche Aufenthaltsentschädigung von -50 niederländischen Gulden erhalten, während des Zeitraumes, in dem ihr Amt. sie zwingt, sich an dem Ort niederzulassen, wo der Gerichtshof tagt, wenn sie dortselbst nicht gewöhnlich ansässig sind, oder, wenn sie dortselbst ansässig sind, eine tägliche Aufenthalts«ntschädigung von 25 Gulden; ausserdem sollen die notwendigen Beisekosten dieser Beisitzer aus dem Fonds des Gerichtshofes zurückerstattet werden.

3. Die technischen Beisitzer, die für Angelegenheiten betreffend den Transit und Verkehr berufen sind, besonders für Angelegenheiten, die im Teil XII (Häfen, Wasserläufe, Eisenbahnen) des Vertrages von Versailles und in den entsprechenden Teilen der ändern im Artikel 27 des Statuts des Gerichtshofes genannten Friedensverträge behandelt sind, werden wie die im obenstehenden Para.graphen 2 erwähnten Beisitzer behandelt, wenn sie auf Grund eines Beschlusses des Gerichtshofes ihres Amtes walten.

Wenn dagegen die technischen Beisitzer auf Antrag der Parteien Ihres Amtes walten, so sollen die Entschädigungen nach einer vom Gerichtshof festzusetzenden Verordnung von den Parteien selbst .getragen werden.

4. Die Verteilung der Kosten des Völkerbundes.

(Eesolution vom 30. September 1922.)

In der Erwägung, dass die Anforderungen der Finanzverwaltung des Völkerbundes baldigst eine Änderung des Systems der Verteilung der Kosten des Völkerbundes auf die einzelnen Mitglieder und die Ersetzung der gegenwärtig in Kraft befindlichen Skala des Weltpostvereines durch eine bessere und gerechtere Skala unbedingt erf orderlich machen ; in der Erwägung, dass die der vorliegenden Eesolution beigefügte Skala einstimmig als ein besseres und gerechteres Verteilungssystem für die Kosten des Völkerbundes anerkannt worden ist und dass es als wünschenswert erkannt ist, die sofortige Anwendung dieser Skala bis auf weiteres sicherzustellen, bewilligt die Versammlung die Anwendung der genannten Skala für die Verteilung der Kosten für das Jahr neunzehnhundertdreiundzwanzig; sie ersucht den Bat, die Kommission für die Verteilung der Kosten, unter Vorsitz von Herrn Beveillaud, zu beauftragen, .ihre Untersuchungen fortzusetzen, um eine endgültige Skala aufzu-

62 stellen, die einer nächsten Versammlung vorgelegt werden kann. Die?

Versammlung überlässt es dem Kate, die Zusammensetzung der Kommission zu ändern, wenn er es für angebracht hält.

Die Versammlung ersucht den Bat, die Mitglieder des Völkerbundes zu verständigen, dass es nicht mehr notwendig ist, die Batifizierung der Abäriderungsantrage Nr. 2 und Nr. 3 zu Artikel 6 desVölkerbundsvertrages, die von der Versammlung des Jahres 1922 beschlossen wurden, vorzunehmen, sondern sie zu veranlassen, den Abänderungsvorschlag Nr. l so schnell als möglich zu ratifizieren.

Verteilungstabette für 1933.

Albanien l Übertrag 636 Argentinien (85) *) Litauen 5--1 = 4 Australien. .

26 Luxemburg l Belgien . . . . 2 0 -- 5 = 1 5 Neuseeland -10 Bolivien 5 Nicaragua l Brasilien 35 Niederlande '. . 20Bulgarien 7 N o r w e g e n . . . . . . . . 11 Canada 35 Österreich l Chile 15 Panama l China 65 Paraguay l Columbia 7 Persien 10--4^6 Costa-Bica l Peru 10 Cuba 9 Polen 25 Dänemark.

12 Portugal 10 Estland 5-- 2 = 3 Bumänien. . . . 4 0 -- 9 = 31 Finnland . 10 Salvador l Frankreich . . .95--17 = 78 Schweden 18 Griechenland 10 Schweiz 15 Grossbritannien 95 Der serbisch-kroatisch-sloGuatemala l wenische Staat. . 35--9=26 Haiti 2 Siam 10 Honduras l Spanien 10 Indien 65 Südafrika 15 Italien 73 -- 12=61 Tschechoslowakei . . . . 3 5 Japan 73 Ungarn 4 Lettland 5--2 = 3 Uruguay 7 Liberia l Venezuela 5 Übertrag 636

944 '

*) Unter Vorbehalt der Bemerkungen, die Argentinien sich veranlasst sehen könnte anzubringen. Diese Einheiten finden in dem Budget keineBerücksichtigung.

63

V, Resolutionen über soziale und humanitäre Fragen.

1. Handel mit Opium und andern schädlichen Drogen.

(Eesolutionen vom 19. September 1922.)

I. In der Überzeugung, dass das praktischste Mittel zur Ausübung einer Kontrolle über den Handel mit schädlichen Betäubungsmitteln in einem System von Einfuhr- und Ausfuhrzeugnissen besteht, und anderseits in der Meinung, dass nur Massiiahmen internationaler Art den Erfolg dieses Systems gestatten können, besteht die Versammlung allen Regierungen gegenüber auf der unbedingten Notwendigkeit, dieses System der Einfuhr- und Ausfuhrzeugnisse unverzüglich anzunehmen.

II. Die Versammlung ist der Ansicht, dass die Regierungen, die sich der internationalen Opiumkonvention angeschlossen haben, ersucht werden müssen, darein zu willigen, keine Lizenzen für die Einfuhr von Opium oder andern Betäubungsmitteln, auf welche die Konvention Anwendung findet, aus den Ländern zu erteilen, welche' die Konvention noch nicht ratifiziert und in Kraft gesetzt und das Kontrollsystem über Einfuhr und Ausfuhr noch nicht angenommen, haben, das von der Zweiten Versammlung im § l (8) der am 80: September 1921 angenommenen und vorher vom Rate am 28. Juni 1921 gebilligten Resolution bewilligt worden ist.

Die Versammlung hält diese Frage für wichtig und dringlich» ist jedoch in Erkenntnis der verwickelten und technischen Art der aufgeworfenen Punkte der Meinung, dass die Frage von der beratenden Kommission über den Opiumhandel eingehend studiert werden müsse, bevor genaue Massnahmen ergriffen werden. Die Versammlung bittet den Rat, die beratende Kommission so bald als möglich einzuberufen, um die Frage zu prüfen, und der Rat wird aufgefordert, falls diese Kommission sich zugunsten des Antrages aussprechen sollte, den Empfehlungen der beratenden Kommission in der vom Rate gebilligten Form Folge zu geben, und zwar so bald als irgend möglich und ohne etwa der Versammlung hierüber zu berichten, falls der Rat dieses Verfahren für unnötig hält.

III. In der Erwägung, dass es zur Einschränkung der Weltproduktion von Betäubungsmitteln für erlaubte Zwecke vor allem notwendig ist, die jedem Lande für seinen inneren Gebrauch erforderlichen Mengen von Betäubungsmitteln zu kennen, ersucht die Versammlung dringend die Regierungen, die von ihnen geforderten Aufstellungen so schnell und so genau als möglich zu liefern. Um Vergleiche zu gestatten, werden die verschiedenen

64 Begierungen klar darlegen müssen, welches System angewendet wurde, um zu den angegebenen Zahlen zu kommen: sie sollen eine ergänzende Statistik abliefern, in der der Verbrauch auf je 100,000 Einwohner angegeben ist.

IV. Die Versammlung des Völkerbundes wünscht erneut, die in dem Bericht der beratenden Kommission ausgesprochene Ansicht hervorzuheben, dass, so lange als die Betäubungsmittel, auf die Teil III, besonders Artikel 9, der Opiumkonvention Anwendung findet, in grösseren Mengen, als der rechtmässige Bedarf erfordert, produziert werden, die grosse Gefahr besteht, dass die überschüssige Menge ungesetzliche Wege nimmt, und dass die wirksamste Methode zur Abstellung des unerlaubten Handels darin besteht, die Produktion derartig zu kontrollieren, dass sie auf die für den medizinischen und rechtmässigen Gebrauch notwendige Menge beschränkt wird.

Die Versammlung empfiehlt, dass die augenblicklich im Gange befindliche Untersuchung über den gerechtfertigten Bedarf der Welt so schnell als möglich geführt werde, und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass eine Schätzung und ein vorläufiger Entwurf der Versammlung im nächsten Jahre unterbreitet werden können.

V. In der Überzeugung, dass es dringend notwendig ist, die möglichst vollständige Zusammenarbeit bei dem Werk der beratenden Kommission über den Handel mit Opium und andern schädlichen Betäubungsmitteln sicherzustellen ; anderseits in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika vom Standpunkt der Einfuhr und der Fabrikation aus eines der wichtigsten Länder sind; empfiehlt die Versammlung dem Eate des Völkerbundes, eine dringliche Aufforderung an die Regierung der Vereinigten Staaten zu richten, damit sie einen Delegierten ernenne, der an den Sitzungen der Kommission teilnehmen werde.

2. Frauen- und Kinderhandel.

(Resolutionen vom 25. September 1922.)

1. Der Bericht der beratenden Kommission über den Fraueuund Kinderhandel wird angenommen.

2. Angesichts des Umstandes, dass das in manchen Ländern bestehende System der offiziellen Reglementierung oft für geeignet gehalten wird, den Frauenhandel zu begünstigen, fordert die Versammlung den Rat auf, die beratende Kommission zu beauftragen, zu untersuchen, ob man, in Erwartung der Abschaffung dieses Systems,

65 ein Übereinkommen treffen könnte, auf Grund dessen keine Ausländerin in einem öffentlichen Hause der Prostitution ausgeliefert werden, noch den Beruf einer Prostituierten ausüben darf. Die Empfehlungen der beratenden Kommission in dieser Angelegenheit müssen in den nächsten Bericht aufgenommen werden, den diese Kommission an den Eat gelangen lassen wird.

3. Verschleppung von Frauen und Kindern.

(Resolutionen vom 28. September 1922.)

I. Die Versammlung billigt die Schlussfolgerungen des vom Präsidenten der Untersuchungskommission, Dr. Kennedy, vorgelegten Berichtes über die Verschleppung von Frauen und Kindern und ist der Ansicht, dass der Völkerbund das begonnene Werk fortsetzen müsse.

II. Der Eat wird gebeten, gegenüber den Regierungen, die für die unter Mandat oder unter alliierter Kontrolle stehenden Gebiete, in denen die Mitglieder der Kommission für die Zurückerstattung der Frauen und Kinder ihre Tätigkeit ausüben, verantwortlich sind, darauf zu bestehen, dass sie ihren Beamten in diesen Gebieten den Auftrag erteilen, der Kommission und ihren Mitgliedern ihre ganze Mithilfe und Unterstützung zu gewähren.

III. Ein neuerlicher Beitrag von 1500 Pfund Sterling wird dem Fonds der Kommission zugewiesen, damit das gegenwärtig von der Kommission in Aleppo unternommene bedeutsame Werk fortgeführt werden kann.

4. Unsittliche Veröffentlichungen.

(Resolutionen vom 28. September 1922.)

Die Versammlung beschliesst: I. Gemäss Artikel 24 des Paktes wird der Rat des Völkerbundes aufgefordert, das Sekretariat zu ermächtigen, den Mitgliedern des Völkerbundes und allen andern Staaten, die sich an der internationalen Bewegung zur Unterdrückung der unsittlichen Veröffentlichungen beteiligen, bei allen Massnahmen, die zu diesem Zwecke notwendig werden könnten, Beistand zu leisten.

II. Der Rat des Völkerbundes wird aufgefordert, die Aufmerksamkeit aller Staaten auf das internationale Abkommen von 1910 zu lenken. Die Staaten, welche die Konvention unterzeichnet haben oder ihr beigetreten sind, sollen aufgefordert werden, die BestimBundesblatt.

75. Jahrg.

Bd. I.

5

66

mungen dieser Konvention in Wirksamkeit treten zu lassen. Die noch nicht angeschlossenen Staaten sollen dringend ersucht werden, so bald als möglich ihren Beitritt zu erklären.

III. Der Bat wird aufgefordert, den Entwurf der Konvention von 1910 nebst einem beigeschlossenen Fragebogen allen Staaten zu übermitteln, mit der Bitte, ihre Bemerkungen dem Sekretariat des Völkerbundes einzusenden, das sie ordnen und sodann insgesamt der französischen Regierung zustellen soll. Die französische Regierung soll bei diesem Anlass und in Hinblick auf die von ihr im Jahre 1910 unternommene Initiative im Namen des Rates ersucht werden, unter den Auspizien des Völkerbundes eine neue Konferenz einzuberufen, die anlässlich der Vierten Versammlung in Genf stattfinden und aus Bevollmächtigten zusammengesetzt sein soll, die mit der Aufgabe betraut sind, einen neuen Wortlaut für diese Konvention auszuarbeiten und zu unterzeichnen.

5. Heimschaffung der Kriegsgefangenen.

· (Resolution vom 22. September 1922.)

Die Versammlung nimmt den Bericht des Oberkommissärs des Völkerbundes, Dr. Nansen, über die Heimschaffung der Kriegsgefangenen an und legt Gewicht darauf, zu erklären, dass sich Dr. Nansen in der Durchführung seines Mandates um die Menschheit wohlverdient gemacht hat.

6. Die russischen Flüchtlinge.

(Resolution vom 28. September 1922.)

I. Nach Anhörung des Berichtes des Oberkommissärs des Völkerbundes für die russischen Flüchtlinge über die Tätigkeit, die er ini Laufe des verflossenen Jahres entfaltete, genehmigt die Versammlung diesen Bericht und wünscht ihre grosse Befriedigung über die Art und Weise auszudrücken, mit der sich der Oberkommissär seines ihm übertragenen Amtes entledigt hat ; sie erklärt, dass sie die Dienste, die er den Flüchtlingen und dem Völkerbunde geleistet hat, vollauf würdigt.

In der Erwägung, dass das Werk noch nicht vollendet ist, fordert sie den Oberkommissär auf, auch in Zukunft dieselben Arbeitsmethoden wie bisher anzuwenden.

Sie beschliesst ausserdem: II. Den Rat aufzufordern, er möge die Regierungen der Mitgliedsstaaten des Völkerbundes bitten, dem Oberkommissär auch weiterhin die Hilfe und den Beistand zu gewähren, die sie ihm bisher

67

geleistet haben, besonders hinsichtlich der Entwicklung der Mittel für allgemeine und berufliche Erziehung und der Beschäftigung der Flüchtlinge.

III. Den Eat aufzufordern, die Aufmerksamkeit der Eegierungen der Mitgliedsstaaten des Völkerbundes auf die Wichtigkeit des von der zu diesem Behufe einberufenen Konferenz in Genf im Juli 1922 angenommenen Vorschlages über einen Personalausweis zu lenken und jene Eegierungen, die bisher keine günstige Antwort gegeben haben, zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob sie nicht dieses System ohne Verzögerung in Kraft setzen könnten.

IV. Den Eat aufzufordern, durch internationale Zusammenarbeit den Unterhalt der russischen Flüchtlinge sicherzustellen, die nicht in der Lage sind, in den Staaten, in denen sie sich angesammelt haben, ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten.

7. Griechische und armenische Flüchtlinge aus Kleinasien, die sich gegenwärtig in Konstantinopel befinden.

(Eesolution vom 19. September 1922.)

Die Versammlung, die den Bericht des Dr. Nansen bezüglich der kritischen Lage von mehr als 200,000 Flüchtlingen aus Kleinasien angehört hat, und der Dr. Nansen ein Anerbieten unterbreitet hat, wonach seiner Organisation für die russischen Flüchtlinge die Verwaltung der Fonds übertragen werden soll, die zugunsten der Flüchtlinge gesammelt werden könnten; in der Erwägung, dass dieses Werk von Seiten des Völkerbundes eine sofortige Aktion verlangt, empfiehlt: dass der Oberkommissär des Völkerbundes ermächtigt werde, den Dienst der Organisation für die russischen Flüchtlinge zu benützen, um an dem Hilfswerk zugunsten der Flüchtlinge im nahen Osten mitzuarbeiten und die Fonds zu verwalten, welche zu diesem Zwecke aufgebracht werden könnten; es ist selbstverständlich, dass der Völkerbund keine Verantwortung für dieses Werk übernimmt, dass das Werk für die russischen Flüchtlinge ohne Unterbrechung fortgesetzt werden soll und dass die ergänzende Tätigkeit nur einen zeitweiligen Charakter haben soll.

In Anerkennung ferner der dringenden Notwendigkeit, für diese Flüchtlinge die unerlässliche administrative Organisation zu schaffen, fordert die Versammlung den Eat auf, zu untersuchen, ob er Dr. Nansen aus dem für unvorhergesehene Ausgaben bestimmten Kredit nicht einen ausreichenden Betrag zur Verfügung stellen könnte, der

68 ihm gestatten würde, die notwendigen administrativen Massnahmen zu ergreifen, bis es möglich werde, mit andern. Mitteln den Erfor: dernissen der Lage zu genügen.

8. Hilfe für die Flüchtlinge im nahen Osten.

(Resolution vom 25. September 1922.)

Nach Anhörung der Ausführungen Lord Balfours und in Anerkennung der Notwendigkeit, den Flüchtlingen im nahen Osten wirksame Hilfe zu bringen, und in der Meinung, dass eine finanzielle Unterstützung seitens der verschiedenen Regierungen äusserst wünschenswert wäre, beschliesst die Versammlung, dass ihre Mitglieder ihren Regierungen sofort Kenntnis von der Lage geben und empfehlen werden, der Organisation Dr. Nansens unverzüglich eine genügende finanzielle Hilïe zuteil Werden zu lassen.

VI. Eesolütionen über rechtliche Fragen, 1. Abänderungsanträge zu den Artikeln 4 und 7 der Geschäfts* Ordnung der Versammlung.

(Resolutionen vom 29. September 1922.)

Die Versammlung nimmt folgende Abänderungsvorschläge zu den Artikeln 4 und 7 der Geschäftsordnung, die ani 30. November 1920 genehmigt worden ist, an : 1. Der ursprüngliche Wortlaut des Artikels 4, § l und § 2, a) und b), Soll durch folgenden Wortlaut ersetzt werden : 1. «Die Tagesordnung der Session wird vom Generalsekretär des Völkerbundes mit Zustimmung des Präsidenten des Rates aufgestellt und, wenn möglich, vier Monate vor dem ersten Sitzungstage den Völkerbundsmitgliedern vollinhaltlich mitgeteilt.» 2. «Die Tagesordnung einer jeden Jahressession soll enthalten: a) einen Bericht über die Tätigkeit des Rates seit der letzten Session, über die Arbeit des Sekretariats und über die zur Durchführung der Beschlüsse der Versammlung getroffenen Massnahmen.» Die Unterparagraphen e),d),e), f) Werden zu Unterparagraphen b), c), ä), e).

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2. Der ursprüngliche Wortlaut des Artikels 7 soll durch folgenden Wortlaut ersetzt werden: 1. «Das Bureau der Versammlung besteht aus einem Präsidenten und sechs Vizepräsidenten sowie aus den Präsidenten der allgemeinen Kommissionen, die von Eechts wegen Vizepräsidenten der Versammlung sind-.» 2. «Der Präsident soll zu Beginn jeder Session gewählt werden.» 8. «Der Präsident des Völkerbundsrates führt vorübergehend den Vorsitz der Versammlung bis zur Wahl des definitiven Präsidenten.» 4. «Die Wahl der Vizepräsidenten soll in einer der ersten Sitzungen der Session stattfinden.» 2. Abänderungsantrag zum Artikel 14 der Geschäftsordnung der Versammlung.

(Kesolution vom 29. September 1922.)

Die Versammlung nimmt folgenden Abänderungsantrag zum Artikel 14 ihrer Geschäftsordnung an: Der Paragraph 2 des Artikels 14 soll folgenderinassen lauten: 2. Die Versammlung beschliesst über die auf der Tagesordnung verzeichneten Verhandlungsgegenstände in Vollsitzung erst nach Einbringung und Verteilung eines Kommissionsberichtes, es sei denn, sie fasse mit Zweidrittelmehrheit einen andern Beschluss.

Die von einer Kommission ausgearbeiteten Berichte, die Ausgaben vorsehen, müssen angeben, ob diese Ausgaben unter die allgemeinen Ausgaben des Völkerbundes fallen oder von den Mitgliedern des Völkerbundes bestritten werden sollen, die daran besonders interessiert sind.

Den Berichten, die von einer andern Kommission als von der vierten Kommission (Fmanzkpmniission.) ausgearbeitet sind xmd Massnahmen empfehlen, die Ausgaben verursachen könnten, soll eine Schätzung beigeschlossen sein, die so genau sein soll, als Zeit und Umstände es gestatten. Bevor die Frage vor die Versammlung gebracht wird, soll diese Schätzung der vierten Kommission zur Kontrolle unterbreitet werden.

Eine Besolution, die Ausgaben nach sich zieht, soll in keinem Falle von der Versammlung angenommen werden, bevor die Finanzkommission unter Berücksichtigung der allgemeinen Dispositionen des Budgets ihr Gutachten über die Zweckmässigkeit der. vorgeschlagenen Ausgaben erstattet hat*)..

*) Die Versammlung beschliesst zu gleicher Zeit, dass die drei letzten Absätze dieser Resolution den Paragraphen 2 des Artikels 19 des Réglementes über die Finanzgebarung des Völkerbundes bilden sollen.

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3. Ratifizierung der Abänderungen des Völkerbundsvertrages.

(Eesolution vom 29. September 1922.)

Die Versammlung erklärt, es sei von der höchsten Wichtigkeit, dass die bereits angenommenen Abänderungsanträge zum Pakt, mit Ausnahme der Abänderungsanträge 2 und 8, Artikel 6, von den Regierungen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes ratifiziert werden, und fordert den Eat auf, alle zweckmässigen Massnahmen zu ergreifen, um dieses Ergebnis herbeizuführen.

4. Abänderungsantrag zum Artikel 10 des Paktes.

(Eesolution vom 28. September 1922.)

Die Versammlung beschliesst, den kanadischen Vorschlag betreffend den Artikel 10 des Paktes der Vierten Versammlung zu überweisen, um ein Studium dieser Frage nach allen Gesichtspunkten zu gestatten. Sie überlässt es dem Eate, geeignete Massnahmen zu beschliessen, damit zu einem eingehendenStudium des kanadischen Vorschlages vor dem Zusammentritt der Vierten Versammlung geschritten werden kann.

5. Abänderungsantrag zum Artikel 18 des Paktes.

(Eesolution vom 28. September 1922.)

In der Erwägung, dass nach den vom Sekretariat erteilten Auskünften die Regierungen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes mehr und mehr zum Gebrauche übergehen, die Verträge und internationalen Verpflichtungen zum Zwecke der Registrierung und Veröffentlichung vorzulegen, und in dem Wunsche, eine längere Erfahrung zu besitzen, bevor in die Diskussion über einen allfälligen Abänderungsantrag zum Artikel 18 eingetreten werde: beschliesst die Versammlung, eine derartige Diskussion auf eine spätere Tagung der Versammlung zu verschieben.

6. Das Vergleichsverfahren.

(Eesolution vom 22. September 1922.)

Einleitung.

In der Absicht, die Entwicklung des Vergleichsverfahrens in internationalen Streitfragen in einem dem Pakte gemässen Geiste zu fördern, empfiehlt die Versammlung den Mitgliedern des Völkerbundes, unter Vorbehalt der Rechte und Verpflichtungen, die im Artikel 15 des Paktes aufgezählt sind, Konventionen abzuschliessen,

71

die den Zweck haben, ihre Streitfragen von ihnen eingesetzten Vergleichskommissionen zu unterbreiten. Die Organisation dieser Kommissionen, ihre Zuständigkeit und das von ihnen einzuschlagende Verfahren sollen von den Kontrahenten frei bestimmt werden. Es wird den Parteien angeraten, sich die Bestimmungen zum Vorbild zu nehmen, die in der Haager Konvention vom 18. Oktober 1907 für die friedliche Eegelung internationaler Konflikte enthalten sind, namentlich jene, welche die Anhörung der Zeugen, das Verfahren mittels Sachverständiger, die Kommissionen zur Feststellung des Tatbestandes, die Vornahme des Augenscheins, den Ersatz der Kommissionsmitglieder betreffen. Die in den folgenden Artikeln verzeichneten Regeln sind vor allem der Annahme durch die Mitglieder empfohlen. Auf Wunsch der interessierten Mitglieder kann der Generalsekretär ihnen den Beistand des Sekretariates zum Abschluss von Vergleichsvorschlägen gewähren.

Unabhängig von den andern Mitteln, die dem Eate durch den Pakt zur Verfügung gestellt sind, um die Aufrechterhaltung des Friedens zu sichern, kann der Rat gegebenenfalls die Dienste der von den Parteien eingesetzten Vergleichskommissionen in Anspruch nehmen; er kann sie auffordern, ihre Streitfragen vor diese Kommission zu bringen, oder er kann ihr alle Streitfragen zur Prüfung überweisen, die ihm, in Anwendung des Artikels 15 des Paktes, von einer der Parteien vorgelegt wurden. Die Anwendung einer Vergleichskonvention, die zwischen zwei Staaten abgeschlossen wurde, von denen nur einer oder auch keiner dem Völkerbunde angehört, wird unter Vorbehalt des im Artikel 17 des Paktes geordneten Verfahrens erfolgen. Die Versammlung äussert den Wunsch, dass sich die Zuständigkeit dieser Kommissionen auf die grösstmögliche Zahl von Streitfragen erstrecke, und dass die praktische Anwendung von besonderen Konventionen von Staat zu Staat, die in der vorliegenden Resolution empfohlen sind, in einer nahen Zukunft die Aufstellung einer allgemeinen Konvention gestatte, die allen Staaten zum Beitritt offen steht.

Reglement.

Art. 1.

Die Vergleichskommission ist folgendermassen zusammengesetzt: Jede Partei ernennt zwei Mitglieder, das eine aus seinen eigenen Staatsangehörigen, das andere aus den Angehörigen eines dritten Staates. Die zwei Parteien ernennen gemeinschaftlich den Vorsitzenden der Kommission aus den Angehörigen eines dritten Staates. Die Parteien können zum vornherein und für einen Zeitraum, dessen Dauer sie festsetzen, die Mitglieder der Kommission ernennen.

72 Sie können sich auch damit begnügen, ini vornherein nur den Vorsitzenden zu ernenneri ; die Ernennung der übrigen Mitglieder erfolgt in diesem Falle nach Befragen des Vorsitzenden in dem Augenblick, in dem eine Streitfrage entsteht; das Mandat dieser Mitglieder beschränkt sich diesfalls auch auf die Eegelung der Streitfrage.

Art. 2.

Die Streitfragen, welche der Zuständigkeit der Vergleiehskommission unterstehen, werden ihr vermittels der Notifikation, die von einer der kontrahierenden Parteien an den Vorsitzenden der Kommission und an die gegnerische Partei gerichtet wird, zur Prüfung überwiesen. Diese Notifikation wird zur Kenntnis des Generalsekretärs des Völkerbundes gebracht.

Sollten die Mitglieder der Kommission alle im vornherein ernannt worden sein, so beruft sie der Vorsitzende in möglichst kurzer Frist. Im gegenteiligen Falle fordert er die Parteien auf, die andern Mitglieder in dem in der Konvention festgesetzten Zeitraum zu ernennen.

Art. 3.

. Die Vergleichskommission tritt am Sitze des Völkerbundes zusammen, es sei denn, dass ihr die Parteien in ihrer Konvention oder für einen besonderen Fall einen andern Versammlungsort angewiesen haben. Die Kommission kann sich, falls sie es für nötig erachtet, an einem andern Orte versammeln. Die Kommission kann unter allen Umständen den Generalsekretär ersuchen, ihr bei ihren Arbeiten Beistand zu leisten.

Art. 4.

Unter Vorbehalt des Eechtes der Parteien und der Kommission selbst, diese Frist zu verlängern, muss die Vergleichskommission ihre Arbeiten in einem Zeitraum von sechs Monaten, vom Tage ihres Zusammentrittes an gerechnet, beendigen.

Art. 5.

Das Verfahren vor der Vergleichskommission ist kontradiktorisch. Die Parteien sollen der Kommission alle nützlichen Auskünfte zum Zweck der Untersuchung und der Ausarbeitung des Berichtes erteilen und ihr in jeder Beziehung die Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtern.

Die Kömmission soll die Einzelheiten des Verfahrens, die in der Konvention nicht vorhergesehen sind, regeln und alle Formalitäten vornehmen, die für die Beweisführung erforderlich sind.

73 Art. 6.

Die Beschlüsse der Kommission werden mit Stimmenmehrheit gefasst; sie sind nur gültig, wenn alle Mitglieder anwesend sind.

Jodes Mitglied verfügt über eine Stimme.

Art. 7.

Die Kommission soll einen Bericht über jede Streitfrage, die ihr vorgelegt worden ist, anfertigen. Der Bericht soll, falls es angebracht ist, einen Entwurf über die Begelung der Streitfrage enthalten.

Die begründete Ansicht der in der Minderheit gebliebenen Mitglieder soll in dem Bericht niedergelegt werden.

Der Vorsitzende der Kommission bringt den Bericht sofort zur Kenntnis der Parteien und des Generalsekretärs des Völkerbundes.

Vor der Eegelung der Streitfrage darf der Bericht der Vergleichskommission von einer der Parteien nur dann veröffentlicht werden, wenn die gegnerische Partei ihre Einwilligung dazu gibt.

Die Kommission kann die sofortige Veröffentlichung des Berichtes mit Einstimmigkeit beschliessen.

Art. 9.

Jede der Parteien soll die Mitglieder, die sie ernannt hat, entschädigen und die Hälfte der Entschädigung für den Vorsitzenden auf sich nehmen.

Jede Partei soll die Kosten des Verfahrens, die sie verursacht hat, und die Hälfte der Kosten tragen, die die Kommission für gemeinschaftliche Kosten erklären wird.

7. Die Erhöhung der Zahl der nichtständigen Mitglieder des Rates.

(Resolution vom 25. September 1922.)

Die Versammlung billigt den Beschluss des Eates, die Zahl der Mitglieder des Völkerbundes, die von der Versammlung gewählt werden sollen, um im Bäte vertreten zu sein, von vier auf sechs zu erhöhen.

Dieser Beschluss tritt sofort in Kraft.

74

8. Vorschriften für die Wahl der nichtständigen Mitglieder des Rates.

(Eesolutionen vom 29. September 1922.)

I. Die Versammlung nimmt für die Wahl der nichtständigen Mitglieder des Eates folgende Verfahrensvorschriften an: Die Mitglieder, deren Vertreter dazu berufen sind, als nichtständige Mitglieder dem Eate anzugehören, werden von der Versammlung in geheimer Wahl bestimmt.

Wenn es sich um die Besetzung mehrerer freier Sitze handelt) findet Listenwahl statt. Jeder Stimmzettel, der mehr Namen aufweist, als Sitze zu bestellen sind, ist ungültig.

Im ersten und zweiten Wahlgang gilt derjenige nicht als gewählt, · der nicht wenigstens die absolute Mehrheit der Stimmen erzielt hat.

Wenn nach zwei Wahlgängen noch Sitze frei sind, so wird zu einem dritten Wahlgang geschritten, und zwar nach einer Liste, die aus denjenigen Kandidaten besteht, die im zweiten Gange am meisten begünstigt waren. Die Zahl der Kandidaten auf dieser Liste hat doppelt so gross zu sein wie die zu besetzenden Sitze; diejenigen Mitglieder sind sodann gewählt, die die grösste Zahl der Stimmen erhalten haben.

Wenn zwei oder mehr Mitglieder die gleiche Stimmenzahl erhalten, ohne dass für beide ein Sitz frei ist, wird zu einem besonderen Wahlgang zwischen diesen Mitgliedern geschritten; im Falle nochmaliger Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende durch das Los.

II. In Erwartung der Ratifizierung des irn Jahre 1921 von der Versammlung angenommenen Abänderungsantrages zum Artikel 4 des Paktes durch die Staaten und unbeschadet des Rechtes der Versammlung, gemäss dem Wortlaut des Paktes, die nichtständigen Mitglieder des Rates «frei zu bestimmen», empfiehlt die Kommission der Vierten Versammlung, folgende Regeln anzunehmen: Die nichtständigen Mitglieder des Rates werden auf die Dauer von drei Jahren, vom 1. Januar des der Wahl folgenden Jahres an gerechnet, gewählt.

Die ausscheidenden Mitglieder sind während drei Jahren nicht wiederwählbar.

Das nichtständige Element des Rates wird alle Jahre zu einem Drittel erneuert.

Wenn ein oder zwei Mitglieder, die gegenwärtig dem Rate angehören, wiedergewählt werden, so soll ihr Mandat am Ende des ersten Jahres erlöschen.

75

Wenn mehr als zwei Mitglieder, die gegenwärtig dem Bäte angehören, wiedergewählt werden, so soll das Los dasjenige oder diejenigen bezeichnen, welches oder welche erst am Ende des zweiten Jahres auszuscheiden hat oder haben.

Wenn es notwendig ist, so soll das Los die neugewählten Mitglieder bezeichnen, die auszuscheiden haben, um die Zahl der ausscheidenden Mitglieder auf zwei zu bringen.

Falls aus irgendeinem Grunde ein von einem Staate im Bäte innegehabter Sitz im Laufe der ersten Periode von drei Jahren frei werden sollte, so gilt der betreffende Staat als ausgeschieden, derart, dass, wenn ein Sitz im Laufe des ersten Jahres frei werden sollte, die Entscheidung durch das Los nur noch für einen Sitz stattfinden soll; und wenn die Vakanz im Laufe des zweiten Jahres eintritt, so soll die Entscheidung durch das Los gleichfalls nur für einen Sitz stattfinden. .

Wenn eine Vakanz nach Ablauf der ersten Periode von drei Jahren eintritt, so soll die Versammlung in ihrer der Vakanz folgenden Tagung zur Wahl schreiten; das so gewählte Mitglied kann jedoch nur das laufende Mandat übernehmen.

Wunsch : Es ist wünschenswert, dass die Versammlung bei der Wahl der sechs nichtständigen Mitglieder des Bates ihre Auswahl derart treffe, dass der hauptsächlichen geographischen Gliederung der Welt, den grossen Völkerfamilien, den verschiedenen religiösen Überlieferungen, den verschiedenen Formen der Zivilisation und den wichtigsten Zentren des Beichtums Bechnung getragen wird.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die dritte Session der Völkerbundsversammlung. (Vom 22. Dezember 1922.)

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